Diskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Begründung des Arbeitsverhältnisses, sexuelle Belästigung durch Arbeitgeber/in, sexuelle Belästigung durch Dritten, Belästigung durch Arbeitgeber/in, Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 7/2011)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 19. Oktober 2016 über das am 2. Mai 2013 eingelangte Verlangen der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau Mag.a (FH) A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 7/2011; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) und durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die X GmbH (1. Antragsgegnerin) sowie von Amts wegen betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die X GmbH, weiters durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG und durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B (2. Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 102/2011), zu GZ GBK I/505/13, zu folgendem
Prüfungsergebnis
Frau Mag.a (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.
Frau Mag.a (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.
Frau Mag.a (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
Frau Mag.a (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.
Frau Mag.a (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der 1. Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 27. Jänner 2016 und von Frau C (informierte Vertreterin der 1. Antragsgegnerin) vom 16. März 2016. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf die Stellenausschreibung der 1. Antragsgegnerin für eine/n AssistentIn der Geschäftsführung, die E-Mail-Konversation zwischen der Antragstellerin und dem 2. Antragsgegner vom 5. Oktober 2012 sowie das Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung an die 1. Antragsgegnerin vom 4. September 2014 mit einem Bericht über die mündliche Hauptverhandlung vor dem Landesgericht … zu GZ ...
Vorbringen
Im Verlangen wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin habe sich am 4. Oktober 2012 beim im Inserat als Ansprechperson angegebenen Geschäftsführer des Hotels Y, dem 2. Antragsgegner, als Assistentin der Geschäftsführung beworben. Ihre E-Mail-Bewerbung habe Lebenslauf, Foto sowie einige Dienstzeugnisse enthalten. Am nächsten Tag habe sie vom 2. Antragsgegner die Antwort erhalten, dass ihm die Bewerbung recht gut gefalle. Die Antragstellerin habe sich gewundert, dass er sie gleich geduzt und mit „liebe (Vorname der Antragstellerin)“ angesprochen habe, sie aufgefordert habe, doch ein bisschen über sich zu erzählen und sie – statt auf ihre berufliche Qualifikation einzugehen – zu ihrer, im Lebenslauf angeführten, Neuseelandreise befragt habe. Da die Antragstellerin jedoch sehr an der ausgeschriebenen Stelle interessiert gewesen sei, habe sie auf diese privaten Fragen geantwortet und auch angeboten, zu einem Vorstellungsgespräch … zu kommen.
Kurz darauf habe die Antragstellerin zu ihrer Überraschung die Einladung zum Vorstellungsgespräch am Mittwoch, den 10. Oktober 2012, per SMS erhalten. In dieser Nachricht habe der 2. Antragsgegner auch von seinen Reiseerfahrungen berichtet und nicht unerwähnt gelassen, dass er selbst erst 35 Jahre alt sei. Nachdem die Antragstellerin dann noch vereinbaren habe wollen, dass sie sich bezüglich genauer Zeit für das Vorstellungsgespräch am Mittwoch noch melden werde, sei vom 2. Antragsgegner per SMS der Vorschlag gekommen, an diesem Mittwochabend noch gemeinsam essen zu gehen. Die Antragstellerin sei über diese Einladung so erstaunt gewesen, dass sie nicht mehr darauf geantwortet habe. Daraufhin habe der 2. Antragsgegner nach einiger Zeit per SMS die Erklärung gesendet, dass sie im Team sehr familiär miteinander seien und das mit ihr als Assistentin noch wichtiger sei. Die Antragstellerin habe sich schließlich doch entschieden, das Vorstellungsgespräch wahrzunehmen und habe per SMS geantwortet, dass sie einander dann am Mittwoch sehen würden. Obwohl sie schon auf die Essenseinladung nicht reagiert habe, habe der 2. Antragsgegner sie schließlich noch per SMS aufgefordert, ihr ein normales Bild von ihr – „gerne am Handy“ – zu senden, da er keine Bewerbungsbilder mögen würde.
Diese Aufforderung habe die Antragstellerin als sehr unangenehm und für ein (zukünftiges) Arbeitsverhältnis definitiv unangebracht empfunden. Per E-Mail habe sie dem 2. Antragsgegner mitgeteilt, dass sie diese SMS unverschämt finde und sie sich wundere, was ein normales Foto und eine Essenseinladung mit einem Vorstellungsgespräch zu tun hätten. Der 2. Antragsgegner habe ihr geantwortet, dass er es schade finden würde, wenn sie so denke. Er habe sich daraufhin nicht mehr gemeldet und das Vorstellungsgespräch habe daher nicht stattgefunden.
Die 1. Antragsgegnerin äußerte sich zum Vorbringen der Antragstellerin in der mündlichen Befragung. Eine ergänzende Stellungnahme erfolgte im schriftlichen Weg.
Der 2. Antragsgegner übermittelte trotz persönlicher Übernahme des Schreibens, mit dem ihm der Antrag zur Kenntnis gebracht wurde, und einer nachfolgenden Urgenz keine Stellungnahme. Weiters leistete er den Ladungen für die Befragungstermine am 27. Jänner und 16. März 2016 nicht Folge.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht. 2
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.3
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.
Der Begriff „ArbeitgeberIn“ ist im Arbeitsrecht kaum determiniert, auch nicht im GlBG. Nach dem hier durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu Grunde zu legenden arbeitsvertraglichen ArbeitgeberInnen-Begriff ist als ArbeitgeberIn jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt. Ist der/die ArbeitgeberIn eine juristische Person, ist dieser das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, GeschäftsführerIn, etc.) unmittelbar zuzurechnen.4
Zwar stellte sich im Ermittlungsverfahren durch die Befragung von Frau C und die nachfolgende schriftliche Stellungnahme der 1. Antragsgegnerin heraus, dass der 2. Antragsgegner nicht Geschäftsführer der 1. Antragsgegnerin war, doch war nach Auffassung des Senates für betriebsfremde Personen jedenfalls der Anschein gegeben, dass der 2. Antragsgegner diese Funktion innehatte, da er als solcher aufgetreten ist – insbesondere durch Angabe der Position als Geschäftsführer in der Stellenausschreibung und seiner E-Mailsignatur. Es ist nach Ansicht des Senates auszuschließen, dass die 1. Antragsgegnerin keinerlei Kenntnis über das nach außen erkennbare Gerieren wie ein Geschäftsführer hatte, mag der 2. Antragsgegner auch im Zuge der mündlichen Haftverhandlung vor dem Landesgericht … laut Bericht der rechtsfreundlichen Vertretung der 1. Antragsgegnerin ausgeführt haben, dass er die ihm eingeräumten Befugnisse weitgehend überschritten und der tatsächliche Geschäftsführer der 1. Antragsgegnerin hiervon nicht gewusst habe, er diesen bewusst getäuscht, Sachen nicht vorgelegt bzw. hinausgeschoben bzw. in anderen Fällen den Geschäftsführer auch die notwendigen Informationen schriftlich nicht erteilt habe.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die Entscheidung des OGH verwiesen, wonach die juristische Person für die sexuelle Belästigung durch ihr Vertretungsorgan (hier: De facto-Geschäftsleiter einer KG) gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG einzustehen hat.5
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der 2. Antragsgegner habe sie im Zuge der Terminvereinbarung für ein Bewerbungsgespräch eine Essenseinladung ausgesprochen und nach einem „normalen“ Foto gefragt, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Aufgrund der schriftlichen Unterlagen war das Vorbringen der Antragstellerin für den erkennenden Senat glaubhaft. Auch bei der ergänzenden Befragung durch den Senat machte die Antragstellerin einen glaubwürdigen Eindruck. Sie wiederholte das behauptete Vorbringen, sich durch die Essenseinladung sowie die anschließende Frage nach einem „normalen“ Foto durch den 2. Antragsgegner sexuell belästigt gefühlt zu haben, ohne Widerspruch zu den Angaben im Verlangen. Die Schilderung ihrer Betroffenheit, sich in ihrer Intimsphäre belästigt gefühlt zu haben, erschien dem erkennenden Senat authentisch.
Da der 2. Antragsgegner, dessen Verhalten aus den oben dargestellten Gründen der 1. Antragsgegnerin zugerechnet wird, weder eine Stellungnahme übermittelte, noch zu einer mündlichen Befragung erschien, konnte kein persönlicher Eindruck gewonnen werden.
Die mündliche Befragung von Frau C, nunmehrige Hoteldirektorin, bestätigte das Vorbringen der Antragstellerin. So führte Frau C insbesondere aus, dass der 2. Antragsgegner im Zuge ihres Bewerbungsgespräches als Praktikantin ihr gegenüber zwar keine derartigen Äußerungen und Einladungen ausgesprochen habe, sie jedoch gesehen habe, dass der 2. Antragsgegner private Interessen mit der beruflichen Situation vermischt habe, beispielsweise bei den Rezeptionistinnen und der Frühstückskellnerin. Letztere habe ihr dies auch erzählt. Ihrem Wissen nach haben sich die beiden viele SMS geschrieben. Zudem habe es auch E-Mails mit anderen Frauen gegeben, so habe der 2. Antragsgegner gegenüber dem Zimmermädchen Essenseinladungen ausgesprochen und über seinen Beziehungsstatus erzählt.
Hinsichtlich des geforderten Mindestmaßes an Intensität ist der Senat der Ansicht, dass die Schwelle in einem Bewerbungsverfahren niedriger anzusetzen ist und bereits eine Essenseinladung mit eindeutiger Absicht und die Aufforderung, ein „normales“ Foto zu übermitteln – wobei seitens des Senates davon ausgegangen wird, dass damit ein privates Foto gemeint war –, genügen, um die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen.
Abschließend ist zu betonen, dass es nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen geht, sondern auch um die psychische Verletzbarkeit, um Beeinträchtigungen der menschlichen Würde und um Persönlichkeitsverletzungen. Verhaltensweisen, wie die vom 2. Antragsgegner getätigten, können auch geeignet sein, die soziale Wertschätzung einer Person durch Geringschätzung und mangelnden Respekt herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl zu verletzen.6
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es der 1. Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass der 2. Antragsgegner das ihr zurechenbare sexuell belästigende Verhalten nicht getätigt hat.
Es liegt somit eine sexuelle Bela?stigung durch die 1. Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Als Dritte im Sinne des § 6 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.7
Nach Auffassung des Senates liegt eine solidarische Haftung des 2. Antragsgegners mit der juristischen Person vor, wenn er auch in eigener Person die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung erfüllt. Das bedeutet, dass auch der 2. Antragsgegner als Dritter gegenüber der Antragstellerin haftet.
Die sexuelle Belästigung durch den 2. Antragsgegner wurde – wie oben ausgeführt – durch den Senat festgestellt.
Es liegt folglich eine sexuelle Bela?stigung durch den 2. Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen vom/von der ArbeitgeberIn selbst in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d.h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nicht mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des § 7 ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.8
Während bei bestimmten Äußerungen der „Geschlechtsbezug“ auf der Hand liegt (zB Blondinenwitze), ist dort, wo herabwürdigendes Verhalten, Gehässigkeiten, Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten etc. nicht per se geschlechtsbezogen erfolgen, das Motiv der belästigenden Person für diese Verhaltensweisen maßgebend; so wurde in einem vom OGH zu beurteilenden Fall festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten des Belästigers gegenüber der belästigten Mitarbeiterin darauf beruhte, „dass sie eine Frau war“. Letztlich hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob ein bestimmtes Verhalten geschlechtsbezogen ist.9
Zu überprüfen war das Vorbringen der Antragstellerin, der 2. Antragsgegner habe sie im Rahmen ihrer Bewerbung bei der 1. Antragsgegnerin sofort geduzt und ihr private Fragen gestellt, wobei sie davon ausgehe, dass er dies bei einem männlichen Bewerber nicht getan hätte.
Das Vorbringen der Antragstellerin wurde durch das vorliegende E-Mail des 2. Antragsgegners, in dem dieser auf die Bewerbung der Antragstellerin mit „liebe (Vorname der Antragstellerin)“ und der Aufforderung „Erzähl mir doch bisschen über Dich. Du warst nun bis vor kurzem in Neuseeland. Ist sicher toll gewesen– und nun wieder weg von Deiner Heimat? Macht Dir das nichts aus?“ geantwortet hat, sowie die Einschätzung von Frau C über das Verhalten des 2. Antragsgegners gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen, dass es sich um privates Interesse und nicht um seine generelle Art ein Gespräch zu führen, gehandelt habe, bestätigt.
Wie oben ausgeführt, ist das belästigende Verhalten des 2. Antragsgegners der 1. Antragsgegnerin nach Auffassung des Senates zurechenbar.
Es liegt daher eine geschlechtsbezogene Belästigung durch die 1. Antragsgegnerin gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Die Belästigung durch den 2. Antragsgegner wurde – wie in den Erwägungen zu § 7 Abs. 1 Z 1 GlBG ausgeführt – durch den Senat festgestellt.
Es liegt folglich eine geschlechtsbezogene Belästigung durch den 2. Antragsgegner gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Gemäß § 3 Z 1 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes (...) im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.
Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von ArbeitgeberInnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).10
(Sexuelle) Belästigungen kommen nicht nur auf allen Ebenen des bereits zustandegekommenen Arbeitsverhältnisses, sondern auch schon bei dessen Begründung vor, insbesondere während der Bewerbungs- und Auswahlphase. Die vorvertragliche Situation ist erfahrungsgemäß besonders anfällig für Belästigungen, weil BelästigerInnen gerade in dieser Phase davon ausgehen, leichtes Spiel zu haben, wenn sie das Zustandekommen des Arbeitsvertrages von einem „gewissen Entgegenkommen“ der BewerberInnen abhängig machen (vgl. §§ 6 Abs. 2 Z 2 und 7 Abs. 2 Z 2 GlBG). ArbeitgeberInnen haben bereits im vorvertraglichen Verhältnis neben Leben und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auch andere immaterielle und materielle Interessen der ArbeitnehmerInnen im besonderen Maß zu wahren.11
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.
Der 2. Antragsgegner reagierte – dem glaubwürdigen Vorbringen der Antragstellerin folgend – auf ihre Aussage, dass seine SMS „ein wenig unverschämt“ klingen, lediglich mit der Antwort, dass es schade sei, wenn sie so denke, und kam es zu keiner weiteren Kontaktaufnahme seinerseits wegen des zuvor in Aussicht gestellten Vorstellungsgespräches. Dass die Bewerbung der Antragstellerin ursprünglich als gut bewertet wurde, zeigt das E-Mail des 2. Antragsgegners vom 5. Oktober 2012.
Wird, wie im gegenständlichen Fall, die Zurückweisung eines der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens bzw. einer geschlechtsbezogenen Verhaltensweise ausdrücklich zur Grundlage einer nachteiligen Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Beschäftigung gemacht, so kann neben der (sexuellen) Belästigung auch eine Diskriminierung nach § 3 Z 1 vorliegen, dessen Rechtsfolgen nach § 12 Abs. 1 zu beurteilen sind.12
Es liegt somit eine Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch die 1. Antragsgegnerin gemäß § 3 Z 1 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, werden die 1. Antragsgegnerin, X GmbH, und der 2. Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
Wien, 19. Oktober 2016
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.
3 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.
4 Vgl. ebenda § 6 Rz 7.
5 Vgl. OGH 21.12.2011, 9 ObA 118/11k.
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 29.
7 Vgl. ebenda § 6 Rz 9.
8 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 3.
9 Vgl. ebenda § 7 Rz 15; OGH 2.9.2008, 8 ObA 59/08x.
10 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 13.
11 Vgl. ebenda § 6 Rz 8.
12 Vgl. ebenda § 6 Rz 30 und § 7 Rz 19.
Zuletzt aktualisiert am
17.03.2017