Norm
§8 B-GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle BelästigungText
Die Gleichbehandlungskommission des Bundes
Senat I
hat in der Sitzung am … über den Antrag von A (=Antragstellerin), in einem Gutachten nach § 23a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, BGBI. I Nr. 65/2004 in der geltenden Fassung, festzustellen, dass sie im Rahmen ihrer Dienstverrichtung an … X der Österreichische Post AG von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten B durch die Bemerkung, sie könne ein Diensthemd haben, wenn sie dieses vor ihm anprobiere gemäß § 8 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz sexuell belästigt worden sei, folgendes
G u t a c h t e n
beschlossen:
Bs Bemerkung gegenüber A, nämlich sie könne ein Diensthemd haben, wenn sie dieses vor ihm anprobiere, stellt eine sexuelle Belästigung von A gemäß § 8 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz dar.
B e g r ü n d u n g
Mit Schreiben vom ... (eingelangt bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission am ...) brachte A den Antrag auf Feststellung einer sexuellen Belästigung durch B ein, indem sie die undatierte Niederschrift über ihre Befragung durch Vertreter des Dienstgebers auf Grund ihres Vorwurfes gegen B übermittelte. Per Mail vom ... bestätigte sie ihre Angaben gegenüber den Dienstgebervertretern.
Der Niederschrift war zu entnehmen, dass A Urlaubsersatzkraft in der ... X und B ihr unmittelbarer Vorgesetzter war. Am ... habe A nach einem Diensthemd gefragt und er habe gesagt, ja, sie könne eines haben, aber nur unter einer Bedingung - und das dürfe ihr Freund jetzt nicht hören, dass sie es vor ihm anprobiere. Wahrscheinlich habe er das aus Spaß gesagt, es sei aber unangebracht gewesen und sie habe sich dadurch sexuell belästigt gefühlt. Sie habe gesagt, sie würde das sicher nicht tun und sich dann das „Leiberl“ genommen. Seit diesem Vorfall getraue sie sich nicht mehr alleine ins Büro von B. Schon vor diesem Vorfall habe er mit ihr einen Kaffee trinken wollen und gefragt, ob ihr Freund etwas dagegen hätte.
In seiner schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen gegenüber der Bundes-Gleichbehandlungskommission führte B aus, er weise die Vorwürfe „auf das Schärfste zurück“. Er habe zwar keine konkrete Erinnerung daran, aber grundsätzlich sei es möglich, dass A ihn wegen eines Diensthemdes angesprochen habe. Ausschließen könne er jedoch, dass er die behauptete anzügliche Bemerkung gemacht habe. A habe während ihrer ca. vierwöchigen Tätigkeit als Urlaubsvertretung schon Diensthemden „ausgefasst“ und es sei daher nicht nachvollziehbar, dass sie am ..., kurz vor der Beendigung ihrer Tätigkeit als Urlaubsvertretung, ein Diensthemd ausfassen hätte wollen. Auch habe A von ihrem ..., der in X tätig sei und der sie eingeschult habe, Diensthemden bekommen.
Nicht nachvollziehbar sei auch, dass A sich nicht mehr in sein Büro getraut hätte, denn er habe sicher noch nach dem ... Kontakt zu ihr gehabt, zum Beispiel im Zusammenhang mit Überstunden, und er habe dabei keinerlei Verunsicherung bei ihr feststellen können.
Daran, dass er A gefragt hätte, ob sie mit ihm auf einen Kaffee gehen wolle, habe er keine „konkrete Erinnerung“. Er könne aber ausschließen, „irgendwelche Anspielungen“ in diesem Zusammenhang gemacht zu haben. Im Übrigen gehe er laufend mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Kaffee trinken. Um Missverständnisse zu vermeiden weise er darauf hin, dass es sich bei dem Kaffee um einen „Automatenkaffee‘“ handle der sich in unmittelbarer Umgebung des sogenannten Zustellsaals befinde.
B führte weiters aus, dass er mit der Leitung der ... X eine sogenannte ... übernommen habe. Er habe zahlreiche Änderungen veranlasst und sich damit nicht nur Freunde geschaffen. Insbesondere gelte das für das private Umfeld von A. Zum Beispiel habe die „Tischbeschriftung“ ihres ... nicht den Vorschriften entsprochen, weshalb er ihm den Auftrag zur ordnungsgemäßen Beschriftung erteilen habe müssen. Weiters habe er As Lebensgefährten, der ebenfalls in X tätig sei, vorübergehend einem anderen Zustellbezirk zugewiesen, weil dies dienstlich notwendig gewesen sei. Er könne sich Frau As Vorwurf „eigentlich nur in diesem Zusammenhang erklären“, zumal in engem zeitlichen Zusammenhang eine weitere Mitarbeiterin einen Antrag bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission gestellt habe.
Abschließend führte B aus, dass das Verhältnis der Mitarbeiter zueinander und zu Vorgesetzten als sehr „locker, ja geradezu familiär“ bezeichnet werden könne.
Auf Ersuchen der Bundes-Gleichbehandlungskommission um eine schriftliche Stellungnahme zum Antrag und um Bekanntgabe allfällig gesetzter Maßnahmen zur Abhilfe teilte der Vertreter vom Personalmanagement der Österreichischen Post AG mit, dass B nicht mehr in der ... X tätig und im Übrigen die Erhebungen noch im Gange seien. Per mail vom ... übermittelte der Vertreter der Österreichischen Post AG die Niederschriften zu den Befragungen von B sowie von 5 männlichen und 6 weiblichen Bediensteten der Dienststellen X und Y. Die Niederschriften waren nicht datiert, aus den Ausführungen der Bediensteten geht hervor, dass die Befragungen durchgeführt wurden, nachdem B seinen Dienst wieder in Y angetreten hatte.
Die Aussagen der Bediensteten bezogen sich auf Bs Verhalten als Vorgesetzter, vor allem etwa im Zusammenhang mit Krankenständen und Urlauben. Ein Bediensteter bestätigte die Äußerung im Zusammenhang mit dem Diensthemd und führte aus, er glaube, B habe die Bemerkung „als Schmäh rüberbringen wollen“. Ein Bediensteter gab an, dass B „halt seine persönlichen Bemerkungen“ mache, auch Männern gegenüber (Anmerkung: gemeint sind auch die sexuelle Sphäre betreffende Bemerkungen). Ein anderer Bediensteter gab an, B sei Kolleginnen gegenüber „doch sehr vertraulich“ gewesen, wobei dieser Bedienstete auch sagte, dass er keine bestimmten Wahrnehmungen habe und ihm Kolleginnen auch nichts erzählt haben. Ein Mitarbeiter sagte aus, persönlich nichts von Belästigungen von Mitarbeiterinnen mitbekommen zu haben, es gebe „nur Erzählungen“. Einige weibliche Bedienstete gaben an, B habe mitunter Bemerkungen mit Bezug auf die sexuelle Sphäre gemacht, wobei hervorkommt, dass B nicht darauf achtete, ob seine Äußerungen von anderen Bediensteten gehört würden oder nicht. Insgesamt erwecken die Darstellungen diverser Situationen durch die Befragten den Eindruck, dass B gedacht habe, seine Bemerkungen seien „lustig“ (eine Bedienstete drückte dies explizit so aus). Eine Bedienstete schilderte folgenden Vorfall: Sie habe B nach grauen Kisten gefragt, die sie benötigt habe. B habe geantwortet, er habe sie nicht, auch nicht in seiner Hose, ob sie selbst nachsehen wolle. Dabei habe er seinen Hosenbund nach vorne gezogen. Ein Bediensteter bestätigte bei seiner Befragung diesen Vorfall. Die von dem Personalvertreter Y angesprochene Bedienstete X gab an, sich von B sexuell belästigt gefühlt zu haben, er sei (in Y) öfter an ihren Rayontisch gekommen und habe ihre Schultern massiert, er habe öfter ihre Hand gehalten und gestreichelt, habe gefragt, was sie nachts allein im Bett mache.
Eine Bedienstete der ... brachte ebenfalls einen Antrag wegen sexueller Belästigung durch B ein, und zwar wegen dessen - zugegebener - Bemerkung, er wäre gern der Hund gewesen, der sie einmal (beim Zustellen der Post) „in den Po gebissen“ habe.
In der Sitzung des Senates I der Bundes-Gleichbehandlungskommission (im Folgenden kurz Senat) am ... führte A Folgendes aus: Sie sei Urlaubsersatzkraft gewesen. Als sie mit einer neuen Haarfarbe zur Arbeit gekommen sei, habe B sie gefragt, ob das ihren Freund nicht störe. Dann habe sie eines Tages Diensthemden benötigt und B um eines gebeten. Er habe geantwortet, sie könne ein Hemd haben, unter der Bedingung, dass sie es vor ihm anprobiere. Der Vorfall habe sich vor dem Lastenaufzug zugetragen, ein Kollege, Herr X, habe die Bemerkung gehört. Er habe zwar dabei gelacht, aber für sie sei die Bemerkung anzüglich gewesen. Sie habe sich extrem unwohl gefühlt und habe dann „eigentlich“ nicht mehr alleine mit B in einem Raum sein wollen. Sie habe den Vorfall „dem ...“ gemeldet, das sei der „Gewerkschaftler“ (Anmerkung: Gemeint ist der Personalvertreter X) und den Vorfall niedergeschrieben. Der Personalvertreter X habe die Angelegenheit weitergeleitet.
Auf die Frage, ob sie in weiterer Folge in irgendeiner Form von B benachteiligt worden sei, oder ob es noch verbale oder taktile Belästigungen gegeben habe, antwortete A mit Nein. Sie sei von B nie berührt worden. Von anderen habe sie gehört, dass er abfällige Bemerkungen über Frauen mache.
Die Distributionsmanagerin und unmittelbare Vorgesetzte von B, ..., führte aus, sie sei vom Personalvertreter Y über Probleme mit B informiert worden. Sie habe daraufhin B telefonisch kontaktiert, und er habe gesagt, es gebe Probleme im Zusammenhang mit Mitbesorgungen. Mitbesorgungen machen bedeute, dass der Zustellbereich im Krankheitsfall auf andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeteilt werde. Eine Kollegin sei zur Mitbesorgung nicht bereit gewesen. Sie (die Distributionsmanagerin) habe B auch gefragt, ob es einen Vorfall im Zusammenhang mit den T-Shirts gegeben habe und er habe gesagt, nein, es sei in der Früh viel los gewesen, er könne dazu nichts sagen. An A habe sie sich nicht gewandt, weil sie den Namen zum damaligen Zeitpunkt gar nicht gekannt habe, und außerdem sei sie sicher gewesen, dass die Angelegenheit von dem Personalvertreter X an die zuständige Stelle weitergeleitet werde.
B führte aus, er habe den behaupteten Satz nicht gesagt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt seien 10 Urlaubsersatzkräfte auf dem Postamt gewesen. Sie hätten sich alte Shirts nehmen können und außerdem habe A T-Shirts von ihrem ... gehabt. Er könne sich gar nicht mehr erinnern, von A nach einem Shirt gefragt worden zu sein, den besagten Satz habe er jedenfalls nicht gesagt. Man wolle ihm etwas in die Schuhe schieben, weil die ... X eine ... sei. Man habe ihn immer wieder in Postämter geschickt, damit er Probleme behebe, in X sei er nicht willkommen gewesen. Er glaube, es sei „intensiv von der schwarzen Gewerkschaft“, vielleicht von dem Personalvertreter Y selbst, „an der Sache gearbeitet“ worden. Der Personalvertreter Y habe gesagt: „Wir werden dich hier schon weg bringen.“
As Vertrauensperson (Personalvertreter Y) wies dies „auf das Schärfste zurück“, er sagte, die Personalvertretung müsse auf Beschwerden reagieren. Dieser Fall sei auch nicht der einzige gewesen.
Auf die Frage, welches Interesse A als Urlaubsersatzkraft haben könnte, sich an einer Intrige gegen ihn zu beteiligen, antwortete B, dass er sowohl mit As ... als auch mit ihrem ... Diskussionen geführt habe. Mit dem ... eine „ganz schön heftige“ wegen einer Tischbeschriftung und mit dem ..., weil er diesen einmal einem anderen Zustellbezirk zugeteilt habe, was nicht gut angekommen sei.
Die Senatsvorsitzende wies darauf hin, dass Mitarbeiterinnen bei ihrer Befragung durch Dienstgebervertreter anlässlich des gegenständlichen Vorfalles angegeben haben, B habe z. B. ihre Hand gehalten oder gestreichelt, seine Hand auf ihre Hüften gelegt usw.
Der rechtsfreundliche Vertreter von B, ..., warf ein, dass sein Mandant sehr wohl wisse, wie man sich Frauen gegenüber benehme und dass er sich für eine „blöde Aussage“ (Anmerkung: Gegenüber einer Mitarbeiterin, die ebenfalls einen Antrag bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission einbrachte) auch entschuldigt habe. Alle anderen Behauptungen seien Unterstellungen.
Auf die Frage an den Vertreter der Österreichischen Post AG, auf welcher Grundlage die Befragungen der Bediensteten durch Dienstgebervertreter erfolgt seien, antwortete dieser, dass er As schriftliche Darstellung vom Personalchef ... bekommen habe, und dann sei man der Sache nachgegangen, indem man die Bediensteten „die da halt irgendwie erwähnt worden sind“ befragt habe.
Auf die Frage, ob sie von der Personalvertretung aufgefordert oder ermuntert worden sei, etwas gegen B zu unternehmen, antwortete A, nein, sie habe den Personalvertreter X gefragt, was sie tun könne, weil sie die Sache weiterleiten habe wollen. Der Personalvertreter X habe gesagt, sie solle den Vorfall aufschreiben und er werde sich dann darum kümmern, dass die Angelegenheit weitergeleitet werde. Sie habe mit der Gewerkschaft nichts zu tun gehabt, als Urlaubsersatzkraft hätte ihr das auch nichts gebracht. Ihr ... sei seit Jahrzehnten bei der Post und wenn Mitbesorgungen zu machen gewesen seien, habe er sie gemacht. Im Übrigen habe B ihren ... als „Burli“ bezeichnet, was wirklich respektlos sei. Eine Geschichte zu erfinden würde auch ihrem Mann nichts bringen, denn der habe vor, im ... zu kündigen, weil er eine Lehrstelle gefunden habe.
B wiederholte, dass der Personalvertreter Y gesagt habe, er werde ihn von der ... wegbringen und er habe ihn beschuldigt, eine begünstigte behinderte Kollegin zu einer Mitbesorgung gezwungen zu haben. Dafür gebe es einen Zeugen und diese „Geschichte“ habe er auch im Dokumentationsbuch niedergeschrieben. Er erwähne das, um glaubhaft zu machen, dass sich der Personalvertreter Y verschiedener Mittel bedient habe, um ihn vom Postamt zu entfernen. Der Senat möge die Niederschrift über die Befragung von ... lesen.
Auf den Hinweis des Senates, dass Kolleginnen gegenüber den Dienstgebervertretern angegeben haben, er habe versucht, ihre Hand zu halten oder zu streicheln und dass eine Bedienstete ausgesagt habe, er habe sich „von hinten angeschlichen“ und gefragt, was sie denn abends allein im Bett mache, replizierte B, besagte Kollegin habe auch Schwierigkeiten mit ihren Kollegen gehabt, weil sie „nie da gewesen ist, wenn man etwas gebraucht hat“. Es sei im Übrigen interessant, dass es immer die Hand sei, die er angeblich berührt habe, er habe das Gefühl, dass alles abgesprochen sei. Er sei sicher bei ca. 50% der Bediensteten nicht beliebt gewesen.
Auf die Frage, ob er also all diese Vorwürfe bestreite, antwortete B, ja, er bestreite das alles massiv. Er führte weiters aus, dass er ein Gespräch mit der Distributionsmanagerin geführt und in der Folge seine Wortwahl geändert habe. Er verstehe, dass jemand, der ihn nicht kenne, bestimmte Ausdrücke vielleicht anders auffasse als sie gemeint seien. Er habe halt die Bediensteten der ... X nicht gekannt. Es schmerze ihn, wenn jetzt der Eindruck bestehe, dass er keinen Respekt habe und dass er nicht wisse, wie man mit Frauen umgehe. Er glaube jedenfalls, dass er seine Arbeit sehr gut gemacht habe. Die Geschichte mit der angeblichen sexuellen Belästigung in Y sei erst nach dem jetzigen Verfahren hervorgekommen und es sei nichts Wahres dran. Er sei eben sehr geradlinig. Er wisse jetzt gar nicht mehr, wie er etwas sagen soll, wenn er das Wort ergreife.
Die Distributionsmanagerin führte aus, B sei in Y Dienststellenleiter gewesen und er habe die Dienststelle von den Kennzahlen her sehr gut geführt. X sei zum damaligen Zeitpunkt eine Basis gewesen, die „mental“ und auch von den Kennzahlen her sehr schlecht gewesen sei. Um die Basis auf Vordermann zu bringen, habe man B nach X geschickt. Er habe mit vielen Widerständen zu kämpfen gehabt, vieles sei in X nicht so gemacht worden wie es vorgegeben sei. B habe eine Mitbesorgungsorganisation aufgestellt und die Urlaubsplanung adaptiert. Das sei nicht bei allen gut angekommen. Es habe einige Wochen gedauert, bis sich das Geraune in der Basis ein bisschen gelegt habe. Nach etwa eineinhalb Monaten habe sie B zu einem Gespräch eingeladen, im Beisein des Chefs und auch des Personalvertreters Y. Es sei darüber gesprochen worden, wie sich die Basis entwickle und wie das Klima sei. X sei damals eine von 12 Basen gewesen, die sie zu betreuen gehabt habe. Da sie nicht laufend an allen Basen vor Ort sein könne, müsse sie sich immer wieder Informationen holen. Sie höre unterschiedliche Sachen von den Bediensteten in der Basis, von der Personalvertretung, mitunter auch vom Qualitätsmanagement. Bei dem Gespräch haben sowohl B als auch die Personalvertreter gesagt, dass es auf der Basis ziemlich ruhig sei, die Situation habe sich zum Positiven verändert. Man habe erkannt, dass B seine Vorgaben habe und diese umsetze. Sie selbst habe als Frau mit B nie ein Problem gehabt, er sei eben sehr direkt, er sage was er denke. In den ersten 14 Tagen in X habe es öfter Anrufe gegeben, aus denen sie geschlossen habe, dass er in seiner Wortwahl sehr ungeschickt sei. Sie habe dann mit ihm gesprochen und ihn gebeten, „etwas vom Gas runter zu gehen“. Zu sagen sei auch, dass in Y hauptsächlich männliche Bedienstete gearbeitet haben und dort schon deshalb ein anderer Ton geherrscht habe. Sie habe B jedenfalls gesagt, dass das in X so nicht gehe, er müsse aufpassen, wie er etwas sage.
Auf die Frage, ob sie von sexuellen Belästigungen oder vom Verdacht darauf etwas gehört habe, antwortete die Distributionsmanagerin mit Nein. Frau X, die in Y Dienst versehen habe, habe die Dienststelle wechseln wollen, sie habe gesagt, sie komme mit der Art von B nicht zurecht. Von einer sexuellen Belästigung sei nicht die Rede gewesen. Sie habe Frau X dann nach X geschickt und dann sei B auch dorthin gekommen. Die erste Begegnung zwischen ihnen beiden sei interessant gewesen. Als sie B in X vorgestellt habe, habe Frau X gegenüber B vorgeschlagen, jetzt wieder bei null anzufangen, dann haben sie einander die Hand gegeben. Es habe nicht den Anschein gehabt, dass es Probleme geben werde.
Der Regionalleiter führte aus, dass B mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Y einen fast amikalen Umgang gehabt habe und der Erfolg ihm Recht gebe. Es habe nie irgendwelche Beschwerden gegeben, nicht von Frauen und auch nicht von Seiten der Personalvertretung. Man habe ihn also nach X geschickt, weil X von der Führung her etwas vernachlässigt gewesen sei und die Mitarbeiter dort sich auch nicht wirklich an die Vorgaben gehalten haben. Im Vorfeld habe man B gesagt, dass er in X nicht so auftreten könne wie in Y, wo ihn eben alle gekannt haben. Jeder andere hätte es im Übrigen in X auch schwer gehabt. Es sei dann der Vorwurf erhoben worden, dass B eine begünstigte Behinderte zu Mitbesorgungen gezwungen hätte. Herausgekommen sei aber, dass sich die Mitarbeiterin weniger von B zu Mitbesorgungen gezwungen gesehen habe, sondern dass sie von einer Gruppe von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unter Druck gesetzt worden sei, das zu behaupten bzw. vorzubringen. Er sei in dieser Angelegenheit - wie er es immer handhabe - an das Personalmanagement herangetreten. Dann habe er von der angeblichen sexuellen Belästigung gehört und es sei der Erhebungsdienst eingeschalten worden.
Auf die Frage, ob er diesbezüglich mit B kein Gespräch geführt habe, antwortete der Regionalleiter, doch, er habe ihn auf die Vorwürfe angesprochen, und B habe gesagt, dass das alles nicht stimme. Und dann habe er entschieden zu warten, was bei den Erhebungen herauskomme. Er habe B gesagt, dass er, wenn sich die Vorwürfe als richtig herausstellen würden, als Führungskraft nicht mehr tragbar sein werde. Aber auch wenn sich die Vorwürfe als nicht berechtigt herausstellen sollten, würde er ihn aus X abziehen, zu seinem eigenen Schutz. B habe gesagt, er wolle zurück nach Y. Etwa eine Woche später sei ein weiterer Vorwurf aufgetaucht, nämlich die Geschichte mit dem Hosenbund, nachdem eine Mitarbeiterin gefragt habe, wo ihre Kisterl seien. B soll auf diese Frage geantwortet haben, sie solle nachschauen, ob er sie in seiner Hose habe (Anmerkung: Darüber liegt dem Senat eine Niederschrift vor). Dann habe man B dienstfrei gestellt und das Personalamt (...) habe Disziplinaranzeige erstattet.
Um darzulegen, wie es an der X zugehe, brachte B vor, dass bei der Grundreinigung in X in der Schachtel eines „Gewerkschafters“ Rattengift gefunden worden sei, und in der Folge habe man ihm unterstellt, er habe den Kollegen vergiften wollen.
Abschließend ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter von B den Senat bei seinen Erwägungen zu berücksichtigen, dass die Umstände an der X besondere gewesen seien und dass an Zustellbasen allgemein auch ein anderes sprachliches Niveau üblich sei als man es gemeinhin im Bereich der öffentlichen Verwaltung gewohnt sei. Der rechtsfreundliche Vertreter von B wies darauf hin, dass sich B bei einer Kollegin für seine unqualifizierte Bemerkung entschuldigt habe. Zu berücksichtigen wäre auch, dass er durchaus einsichtig sei. Es sei eine Tatsache, dass er nicht beliebt gewesen sei und man versucht habe, ihn loszuwerden.
Die Bundes-Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit ihrem oder seinem Dienstverhältnis 1. von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst sexuell belästigt wird, 2. durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung angemessene Abhilfe zu schaffen oder 3. durch Dritte sexuell belästigt wird.
Gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Nach den Erläuterungen zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz sind unter einem „der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten“ „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen.
Der Begriff Würde stellt darauf ab, dass der Umgang von Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. von Kolleginnen und Kollegen von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet sein sollte. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Das wesentliche Merkmal einer sexuellen Belästigung ist, dass das Verhalten von der betroffenen Person unerwünscht ist. Die „Unerwünschtheit“ ist subjektiv, d.h. bezogen auf die „betroffene Person“ zu beurteilen; dies basiert auf der Überlegung, dass die einzelnen Menschen selbst bestimmen sollen, welches Verhalten für sie akzeptabel ist und welches sie als beleidigend empfinden (Praktische Verhaltensregeln und Maßnahmen der EG-Kommission (92/131/EWG) zur Bekämpfung sexueller Belästigungen). Unabhängig von der Erwünscht- oder Unerwünschtheit kann auch ein Verhalten als sexuelle Belästigung qualifiziert werden, wenn es „unangebracht oder anstößig“ ist. Unangebracht oder anstößig sind u.a. im Rahmen des Dienstes/Arbeitsumfeldes gemachte anzügliche Bemerkungen.
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen.
Gemäß der Beweislastregel des § 25 Abs. 2 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz hat eine Antragstellerin/ein Antragsteller in den Fällen einer behaupteten sexuellen Belästigung diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen. Es obliegt dem/der der sexuellen Belästigung Beschuldigten, darzulegen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die von ihr/ihm glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
A behauptete, von B durch die Bemerkung, sie könne ein Diensthemd haben, wenn sie es vor ihm anprobiere, sexuell belästigt worden zu sein. B bestritt dies und stellte das Vorbringen als Versuch der „schwarzen“ Personalvertretung bzw. Gewerkschaft dar, ihn von der ... X zu entfernen.
Als mögliches Motiv für As Anschuldigung brachte B auch Unstimmigkeiten zwischen ihm und As ... bzw. ... vor.
A wirkte bei der Schilderung des Vorfalles in der Sitzung des Senates durchaus glaubwürdig und ein Bediensteter - der auch angab mit B keine Probleme zu haben - bestätigte, dass B besagte Bemerkung gemacht habe, wobei sie wohl als „Schmäh“ gemeint gewesen sei. Andere Bedienstete - weibliche und männliche - beschrieben B als Person, die nicht auf ihre Wortwahl achtet, die auch persönliche und „vertrauliche“ Bemerkungen macht, auch solche mit Bezug zur sexuellen Sphäre. Die Befragten hatten den Eindruck, B selbst habe seine Äußerungen lustig gefunden. Der geschilderte Vorfall mit gesuchten „Kisterln“ wurde von einem Kollegen bestätigt, die Bemerkung zum „Hundebiss“ gab B in einem weiteren Verfahren vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission selbst zu.
A war in der ... X lediglich Urlaubsersatzkraft, sie gab an, dass ihr ... im ... kündigen werde, weil er eine Lehrstelle gefunden habe. Auf Grund des Umstandes, dass es zwischen As ... und B einmal eine Diskussion gab, kann und darf A nicht unterstellt werden, dass sie B fälschlich beschuldigte, die in Rede stehende Bemerkung gemacht zu haben. Dies gilt auch für den Fall, dass es von Seiten der Personalvertretung Bestrebungen gegeben haben sollte, darauf hinzuwirken, dass Bs Tätigkeit auf der ... X beendet wird.
Auf Grund von As glaubwürdigem Auftreten bei ihrer Befragung durch den Senat in Zusammenhalt mit den Aussagen der von den Dienstgebervertretern befragten Bediensteten kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin die Wahrheit sagt.
Die Bemerkung zum Anprobieren des „Leiberls“ berührt zweifellos die sexuelle Sphäre und beeinträchtigt (auch objektiv) die Würde der betroffenen Person, da sie jenen Respekt vermissen lässt, der von den Bediensteten im Umgang miteinander erwartet werden darf. Eine derartige Bemerkung im Rahmen des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses ist absolut unangebracht und es ist nachvollziehbar, dass die betroffene Person in der Folge ihre Arbeitsumwelt als einschüchternd, feindselig oder demütigend empfindet. Auch wenn man davon ausgeht, dass B die Bemerkung in der Absicht einen „Schmäh“ zu machen fallen ließ, oder weil er meinte, das „lockere“ Arbeitsklima lasse eine solche Äußerung zu, ändert dies nichts am sexuell belästigenden Charakter der Bemerkung. Gerade von einer Person in einer Leitungsfunktion kann erwartet werden, dass sie darauf achtet korrekt aufzutreten, um der Vorbildwirkung gerecht zu werden, auch wenn die Umstände an der Dienststelle „besondere“ sind, wie der rechtsfreundliche Vertreter von B es ausdrückte, und der Umgangston als rauh bezeichnet werden kann.
Der Senat stellt daher fest, dass B A durch die Bemerkung, sie könne ein Diensthemd haben, wenn sie es vor ihm anprobiere, sexuell belästigte.
Auf die schadenersatzrechtlichen Ansprüche des § 19 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz wird verwiesen.
Empfehlung:
1.) Senat empfiehlt B, in Zukunft in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass die sexuelle Sphäre berührende oder betreffende Bemerkungen, Anspielungen, „Scherze“ und körperliche Verhaltensweisen im Rahmen der Dienstverrichtung zu unterlassen sind.
2.) Der Österreichischen Post AG wird empfohlen, insbesondere die Führungskräfte im Hinblick auf die Bestimmung des § 8 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zu unterweisen bzw. zu schulen.
Wien, Oktober 2016
Zuletzt aktualisiert am
22.03.2017