Gbk 2016/11/23 GBK II/227/14

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Veröffentlicht am 23.11.2016
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Diskriminierungsgrund

Alter

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung auf Grund des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Text

SENAT II DER GLEICHBEHANDLUNGSKOMMISSION

Anonymisiertes Prüfungsergebnis GBK II/227/14 gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) hat über den Antrag von Herrn A (in Folge: Antragsteller) wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG durch die Firma B (in Folge: Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO, BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013, erkannt:

Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin

l i e g t n i c h t v o r.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antragsteller für neunzehn Jahre und sechs Monate bei Antragsgegnerin als Installateur beschäftigt gewesen sei. Dann habe der Unternehmensinhaber, Herr B, ihm mündlich die Kündigung ausgesprochen.

Er macht eine Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des Alters aus folgendem Grund geltend:

Über 19 Jahre lang sei der Antragsteller bei der Antragsgegnerin als Installateur beschäftigt gewesen. Herr B habe die Kündigung damit begründet, dass er den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen schließen werde. Er habe kein konkretes Datum genannt, der Antragsteller sei aber davon ausgegangen, dass die Betriebsschließung zeitlich mit dem Ablauf der Kündigungsfrist zusammenfallen werde, zumal er der einzige Mitarbeiter des Unternehmens gewesen sei.

Anfangs habe er nicht an der Begründung der Kündigung gezweifelt, habe sich aber einen Monat vor Ende seines Dienstverhältnisses zu wundern begonnen, da Herr B weiterhin sehr viel Arbeitsmaterial eingekauft und nichts auf eine Schließung hingedeutet habe.

Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses habe er feststellen müssen, dass der Betrieb doch weitergeführt werde und er durch Herrn C und Herrn D ersetzt worden sei.

Durch diesen Umstand sei ihm die ursprüngliche Begründung nicht mehr nachvollziehbar erschienen und vielmehr sei der Eindruck entstanden, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses im Zusammenhang mit seinem fortgeschrittenen Lebensalter von (damals) 58 Jahren und seiner fast 20-jährigen Betriebszugehörigkeit stehe, zumal er drei Monate nach der Kündigung das 20. Dienstjahr vollendet hätte, was seinen Abfertigungsanspruch auf neun Monatsentgelte erhöht hätte.

In der Stellungnahme der Antragsgegnerin an die im Vorfeld involvierte Gleichbehandlungsanwaltschaft wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass Herr B Gesellschafter der Antragsgegnerin und 1945 geboren sei. Er beabsichtige, seine unternehmerische Tätigkeit einzuschränken und langsam in den Ruhestand überzutreten. Dies sei der Grund für die Kündigung des Antragstellers gewesen. Er habe gehofft, dass dieser ihm noch bis zum Ende der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde, da noch Aufträge abzuwickeln gewesen wären. Auf Grund einer Diskussion mit der Folge, dass der Antragsteller erbost angekündigt habe, einen Arzt aufzusuchen, habe es jedoch keinen Kontakt mehr zu ihm gegeben.

Zur Aufarbeitung bestehender Aufträge habe er daher einen Leiharbeiter beschäftigt, Herr D sei ihm auf Werkvertragsbasis zur Verfügung gestanden. Den Vorwurf, die Kündigung sei zur Einsparung von Abfertigungsansprüchen ausgesprochen worden, weise er deshalb entschieden zurück.

In der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin wurde weiters im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antragsteller aus betrieblichen Gründen gekündigt worden sei und weder sein Alter noch seine Betriebszugehörigkeit hierfür eine Rolle gespielt hätten. Ausschlaggebend seien vielmehr folgende Umstände gewesen:

?    die mangelnde Auslastung des Unternehmens und ein Umsatz, der die Beschäftigung einer Ganztagskraft nicht mehr getragen hat,

?    dass der Antragssteller mangels hinreichender Auftragslage unterbeschäftigt gewesen sei,

?    dass sich der Antragsteller gegenüber Weisungen des Firmeninhabers resilient gezeigt habe,

?    dass die Antragsgegnerin Kosten sparen habe müssen, um Bankverbindlichkeiten bedienen zu können,

?    dass der persönlich haftende Gesellschafter Herr B mittelfristig in Pension gehen möchte.

Tatsache sei, dass der Mitarbeiterstand in den letzten Jahren sukzessive abgebaut worden sei. Die Entscheidung, das Dienstverhältnis zu beenden, sei bereits Ende 2013 gefällt worden, aus menschlichen Gründen habe Herr B die Kündigung jedoch nicht vor dem Weihnachtsfest aussprechen wollen. Herr B sei nunmehr alleine tätig und wickle im Wesentlichen ältere Aufträge ab. Fallweise bediene er sich hierzu selbständiger Dritter, was wesentlich kostensparender als die fixe Beschäftigung eines unterbeschäftigten Arbeiters sei. Zusammengefasst sei daher festzuhalten, dass eine betriebswirtschaftlich notwendige Personalreduktion umgesetzt worden sei.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat II der GBK stu?tzt sein Prüfergebnis auf die schriftlichen Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin, auf deren Befragungen sowie die Befragung der Auskunftsperson Herr E.

In der mündlichen Befragung durch den Senat gab der Antragsteller ergänzend an, dass er den Antragsgegner nicht gefragt habe, ob dieser die Firma schließen werde. Es habe sich über fünf Jahre entwickelt, dass immer wieder „Angestellte“ gekündigt worden wären und der Antragsteller schließlich der letzte „Angestellte“ gewesen sei. Daher sei er zur Annahme gekommen, dass die Firma geschlossen werde. Die wirtschaftliche Lage sei nicht gut gewesen und die Aufträge seien zurückgegangen. In den besten Zeiten habe die Firma einschließlich der Bürokräfte über 50 „Angestellte“ gehabt. Drei Jahre lang sei der Antragsteller der einzig verbliebene Mitarbeiter gewesen.

Der Vertreter der Antragsgegnerin, Herr B, gab bei seiner Befragung ergänzend an, dass er bei der Kündigung des Antragstellers 69 Jahre alt gewesen sei und seit ein paar Jahren Probleme mit dem Herzen habe. Er habe versucht, das Unternehmen schrittweise herunterzufahren und sehr hohe Abfertigungssummen bezahlt. Aufgrund seiner Aufzeichnungen darüber, wie oft der Antragsteller in der Werkstatt tätig gewesen sei oder den Hof gekehrt habe, sei dessen Weiterbeschäftigung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen - er habe die Kündigung nur nicht vor den Weihnachtsfeiertagen aussprechen wollen. Er habe sich auch schon früher für Aufträge, die der Antragsteller und er alleine nicht durchführen hätten können, Personal ausgeborgt, darunter auch bei seinem ehemaligen Mitarbeiter Herrn E. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Antragstellers habe er noch einige Aufträge gehabt, die er aufgrund der Erkrankung des Antragstellers während der Kündigungszeit nicht abwickeln hätte können.

Es habe einen Versuch der Republik Österreich ihn in Konkurs zu schicken gegeben, den entsprechenden Prozess habe er gewonnen und sei seither „ein kleiner, aber eifriger“ Steuerzahler. Er habe aber so viele Schulden, dass er immer noch Umsatz machen müsse und die Firma als Hülle benütze, um seine restlichen Schulden tilgen zu können. Derzeit mache er pro Woche zwischen drei und acht kleinen Reparaturen. Wenn er eine zweite Person brauche, leihe er sich jemanden von einem befreundeten Unternehmen aus und verrechne dies dann stundenweise.

Auf Vorhalt, dass er den Antragsteller knapp vor Erreichen des nächsten Abfertigungssprunges gekündigt habe, gab er an, dass er ihn schon vorher aus wirtschaftlichen Gründen kündigen hätte sollen - der Fehler sei gewesen, dass er es nicht vor Weihnachten gemacht habe.

Die Auskunftsperson Herr E gab an, dass die Auftragslage von Herrn B definitiv zu gering gewesen sei. Der Antragsteller arbeite jetzt für ihn. Der Antragsteller und er seien die letzten Beschäftigten von Herrn B gewesen – er selbst sei dann gegangen und habe sich selbstständig gemacht. Herr B sei sehr sozial - er habe bei ihm über zwanzig Jahre gearbeitet und könne über diesen nichts Schlechtes sagen.

BEGRÜNDUNG

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

"§ 17. (1) Auf Grund (...) des Alters (…) darf in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

….

7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

"§ 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“

Vor der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem im Verfahren vor dem erkennenden Senat erhobenen Sachverhalt ist zunächst zu bemerken, dass die Herstellung einer diskriminierungsfreien Arbeitsumwelt als eine der wesentlichsten Zielsetzungen des Gleichbehandlungsgesetzes zu betrachten ist. Im Hinblick auf dieses Ziel wird es daher unerlässlich sein, sich mit allenfalls vorhandenen negativen Stereotypisierungen von Personengruppen auseinanderzusetzen.

Zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren ist anzumerken, dass gemäß § 26 Abs. 12 GlBG eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 17, 18 oder 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/r AntragstellerIn sprechen als dagegen (vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen).

Wenn dem/der AntragstellerIn die Glaubhaftmachung von Umständen, die einen Zusammenhang zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dessen/deren Alter indizieren, gelungen ist, obliegt es dem/der AntragsgegnerIn, zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der AntragsgegnerIn glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs 2 oder 20 GlBG vorliegt.

Zum vorliegenden Sachverhalt – der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers durch die Antragsgegnerin – ist festzuhalten, dass sich auf Grund der Befragung von Antragsteller, Vertreter der Antragsgegnerin sowie der Auskunftsperson Herr E für den Senat folgendes Bild ergeben hat:

Der Antragsteller konnte dem Senat bei seiner mündlichen Befragung nicht darlegen, dass seine Behauptung, dass die Antragsgegnerin ihn auf Grund seines Alters gekündigt habe, auf ein anderes Element als seine dahingehende Vermutung gestützt sei, zumal er selbst eingeräumt hatte, dass es mit dem Unternehmen in den vergangenen Jahre wirtschaftlich stetig bergab gegangen sei und er über drei Jahre der einzig verbliebene Mitarbeiter gewesen sei.

Der Vertreter der Antragsgegnerin konnte hingegen sehr glaubwürdig und für den Senat auch sachlich nachvollziehbar darlegen, dass er sich in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Lage befunden habe und die Kündigung des Antragstellers daher betriebswirtschaftlich notwendig gewesen sei. Auch sein Motiv, die Kündigung aus sozialem Empfinden erst nach den Weihnachtsfeiertagen auszusprechen, habe der Antragsgegner dem Senat glaubhaft gemacht.

Die Vermutung des Antragstellers, dass er durch jüngere Leiharbeiter ersetzt worden sei, habe sich aufgrund der Befragung des Antragsgegners für den Senat nicht erhärtet. Auch eine Teilzeitbeschäftigung des Antragstellers wäre im Hinblick auf die unternehmerisch geforderte Flexibilität aus Sicht des Senates schwierig gewesen.

Auch wenn der dem Antragsteller bevorstehende Abfertigungssprung nach dessen Meinung das maßgebliche Element für den Zeitpunkt der Ausspruchs der Kündigung gewesen sei, ist festzuhalten, dass der Senat diese Einschätzung im Hinblick auf die glaubwürdige Darstellung der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Antragsgegners nicht teilt. Eine Kündigung vor einem Abfertigungssprung zeige für den/die betroffene/n Arbeitnehmer/in verständlicherweise negative finanzielle Auswirkungen, aber sei per se nicht rechtswidrig, weil diese Gestaltungsmöglichkeit in der Ausgestaltung eines Systems mit beschäftigungszeitbezogenen Abfertigungssprüngen angelegt ist. Daher ist es im Hinblick auf die Kündigungsfreiheit – allerdings unter Einschränkung der Beachtung des sich aus den im GlBG genannten Gründen ergebenden Diskriminierungsverbots – auch grundsätzlich zulässig, knapp vor einem Abfertigungssprung zu kündigen. Im vorliegenden Fall ergibt es sich ohnehin auf Grund des vom Senat festgestellten Sachverhaltes, dass die Kündigung nicht wegen des Abfertigungssprunges erfolgt sei, sondern wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage. Zu einer Neueinstellung anderer, uU kostengünstigerer ArbeiterInnen ist es nämlich nicht gekommen.

Der Antragsteller konnte dem Senat somit nicht in ausreichendem Maß glaubhaft machen, dass sein Alter das für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin maßgebliche Motiv war. Gemäß den Beweismaßregeln des GlBG ist es hingegen der Antragsgegnerin gelungen, den Senat davon zu überzeugen, dass nicht das Alter des Antragstellers das für dessen Kündigung ausschlaggebende Kriterium gewesen war, sondern die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens.

Deshalb war das Vorliegen einer Diskriminierung des Antragstellers aufgrund des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin zu verneinen.

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2017
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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