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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §289;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. November 1998, Zl. 17.274/247-I A 7/98, betreffend Milchreferenzmenge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin übernahm im Jahre 1977 den landwirtschaftlichen Betrieb R ihres Vaters. Der Betrieb, dem eine Einzelrichtmenge zustand, war ab 1974 an Herrn H verpachtet. Seit 1991 bemühte sich die Beschwerdeführerin um eine Teilung der dem Betrieb R zustehenden Milchmenge (zwischen dem Pächter und ihr; vgl. zum Sachverhalt auch das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1997, Zl. 93/17/0156; mit dem genannten Erkenntnis wurde die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin vom 1. Juli 1991 bestätigt, da die Verfügungsgewalt über den Betrieb R im fraglichen Zeitraum dem Pächter H zukam). Nach Beendigung des Pachtverhältnisses setzte sie diese Bemühungen um eine Feststellung einer ihr zustehenden Einzelrichtmenge fort. In diesem Zusammenhang ist auf Grund der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung der Anlieferungs- und Direktverkaufs-Referenzmenge für den Betrieb R mit Null durch die belangte Behörde das hg. Verfahren zur Zl. 98/17/0045 anhängig (welches mit Erkenntnis vom heutigen Tag abgeschlossen wird).
Am 9. März 1998 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf "Wiederzuteilung der Richtmenge anhängend an den Antrag vom 1. Juli 1991" (der Antrag vom 1. Juli 1991 bezog sich auf die Aufteilung der dem Betrieb R zustehenden Richtmenge und war im Verfahren zur Zl. 93/17/0156 beschwerdegegenständlich). Diesem Antrag wurde keine Folge gegeben, auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin erging eine abweisende Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 13. Juli (in der Gegenschrift wird einmal auch der 13. Juni als Entscheidungsdatum genannt) 1998, weil keine neuen Sachverhaltselemente im Sinne des § 303 BAO hervorgekommen seien.
Am 29. Juni 1998 richtete die Beschwerdeführerin sodann unter dem Betreff "Antrag auf Wiederzuteilung meiner Richtmenge" ein neuerliches Schreiben an die AMA. Mit diesem Schreiben übermittelte sie die Kopie ihres Liefervertrages mit der E-Milch KG sowie eine Stellungnahme zu einer Äußerung des ehemaligen Pächters. Dieses Schreiben wurde von der AMA als neuerlicher Antrag auf Zuteilung einer Referenzmenge qualifiziert und der Antrag mit Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich III der AMA vom 7. August 1998 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Auf Grund eines weiteren Schreibens vom 2. September 1998 an die Agrarmarkt Austria erging der nunmehr angefochtene Bescheid durch die belangte Behörde. Das Schreiben vom 2. September 1998 wurde als Berufung gegen den Bescheid vom 7. August 1998 gewertet.
Da die belangte Behörde (vorerst) das Schreiben vom 29. Juni 1998 nicht als neuerlichen Antrag verstand, teilte sie diese Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme mit. In ihrem Antwortschreiben ging die Beschwerdeführerin zunächst auf die Aussage im Ersuchschreiben der belangten Behörde ein, dass die Angelegenheit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei, und deutete diese dahingehend, dass sich die belangte Behörde nicht inhaltlich mit der Sache auseinandersetzen wolle. Es wird festgehalten: "Wir sind noch immer beim selben Fall mit denselben Beteiligten, der selben Liegenschaft - und vor allem den selben Unklarheiten, die von den Behörden nicht geklärt werden wollen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und hob den Bescheid vom 7. August 1998 "ersatzlos" auf.
Begründend führt die belangte Behörde nach Hinweis auf § 92 Abs. 1 lit. b BAO (Erlassung von Erledigungen der Abgabenbehörde als Bescheid, wenn die Erledigung für einzelne Personen abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellt) aus, dass gemäß § 289 BAO die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen sei, immer in der Sache selbst zu entscheiden habe. Sie könne aber auch die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung anweisen, soferne § 276 Abs. 2 nicht entgegenstehe. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Nach der Judikatur der Höchstgerichte könnten bescheidmäßige Feststellungen, die unter den Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 (vor allem seiner lit. b und c) BAO zu treffen seien, nur dann als solche ergehen, wenn dies gesetzlich ausdrücklich geboten sei, wenn eine solche Regelung zwar nicht bestehe, die Erlassung eines Feststellungsbescheides aber im öffentlichen Interesse liege, oder wenn die bescheidmäßige Feststellung für die Parteien notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung sei.
Da sich das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. Juni 1998 auf das selbe Verfahren bezogen habe, sei zum einen kein konkreter Antrag auf neuerliche Entscheidung vorgelegen, zum anderen hätte auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung bestanden und es habe sich nicht um ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung gehandelt. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides liege auch nicht im öffentlichen Interesse. Da die dem Schreiben zugrunde liegende Sache sich auf ein bereits anhängiges Verfahren bezogen habe "und darüber hinaus auch nicht als eigenständiger Antrag zu qualifizieren" gewesen sei, seien "die Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht vor"gelegen, sodass der Bescheid auch nicht zu ergehen gehabt hätte. Die amtswegige Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei daher rechtswidrig gewesen und der Bescheid ersatzlos aufzuheben gewesen. Aus diesem Grunde sei auch die Berufung abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in dem aus der Milch-Garantiemengen-Verordnung BGBl. Nr. 225/1995 verankerten Recht der Zu- und Mitteilung der Milch-Referenzmenge für den Betrieb R durch die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin und ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 7. August 1998 geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf materielle Entscheidung über ihren Antrag vom 29. Juli 1998 auf Zuteilung der Milch-Referenzmenge verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid einerseits die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen, andererseits aber den bei ihr mit Berufung bekämpften Bescheid "ersatzlos aufgehoben". Eine Abweisung der Berufung wäre jedoch nur möglich gewesen, wenn die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Zurückweisung des Antrags der Beschwerdeführerin rechtmäßig gewesen wäre. Es kann nicht gleichzeitig angenommen werden, dass die Zurückweisung rechtmäßig und rechtswidrig war. Die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung ist daher in sich widersprüchlich und auch die Begründung des Bescheides bringt keine Klarheit über den normativen Inhalt.
Die belangte Behörde ist vielmehr auch in der Begründung von widersprüchlichen Annahmen ausgegangen, wobei für das fortgesetzte Verfahren darauf hinzuweisen ist, dass die (in diesem Zusammenhang u. a.) von der belangten Behörde zugrunde gelegte Beurteilung, dass kein Antrag der Beschwerdeführerin vorgelegen sei, unzutreffend ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998170358.X00Im RIS seit
23.01.2001