Gbk 2016/12/13 GBK I/530/13

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Veröffentlicht am 13.12.2016
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Mangelnde Abhilfe, sexuelle Belästigung durch Dritten

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 13. Dezember 2016 über den am 17. Oktober 2013 eingelangten Antrag von Frau Mag.a A, BSc (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung), im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, durch die X GmbH (1. Antragsgegnerin) sowie durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B (2. Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/530/13, zu folgendem

Prüfungsergebnis

Frau Mag.a A, BSc ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen der im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte angemessenen Abhilfe gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.

Frau Mag.a A, BSc ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin, der 1. Antragsgegnerin und des 2. Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin, Herrn C (informierter Vertreter der 1. Antragsgegnerin) sowie des 2. Antragsgegners vom 13. Dezember 2016. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr D und Frau E am 13. Dezember 2016 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf den Arbeitsvertrag der Antragstellerin mit Y GmbH vom 13. Juni 2012, die Entsendungsvereinbarung vom 7. September 2012, die Stellungnahme der 1. Antragsgegnerin an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) vom 7. Juni 2013, die Stellungnahmen des 2. Antragsgegners, von Herrn D und Frau E vom 7. Juni 2013 sowie die Richtigstellung des Antrages hinsichtlich des 2. Antragsgegners vom 7. November 2013.

Vorbringen

Im Verlangen wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von September 2012 bis 20. Juni 2013 bei der 1. Antragsgegnerin als Beifahrerin beschäftigt gewesen, und zwar als überlassene Arbeitskraft. Ihr Arbeitgeber sei Y gewesen.

Anfangs sei sie mit dem 2. Antragsgegner als Chauffeur eingesetzt worden. Bereits kurz nach Beginn ihrer Tätigkeit habe sie sich in der Gegenwart des 2. Antragsgegnerin nicht wohl gefühlt, da sie sein Verhalten als unangenehm empfunden habe. Immer wieder habe er Gesten mit dem Mund gemacht, als ob er ihr „Bussis“ schicken habe wollen, und auch „Bussi“ zu ihr gesagt. Wenn sie ihn darauf angesprochen habe, habe er gelacht und gemeint, das wäre ja alles nur Spaß.

Der 2. Antragsgegner sei dann sehr unfreundlich geworden und habe ihr immer wieder unpassende Anweisungen gegeben. Einmal sei es zu einer Situation gekommen, wo in seinem Bus ein Kind nicht mitgenommen worden sei. Sie habe den Eindruck gehabt, dass der 2. Antragsgegner gegenüber der 1. Antragsgegnerin behauptet habe, dass sie die Schuld daran hätte, obwohl er ihr eine Liste gegeben gehabt habe, in der dieses Kind nicht aufgelistet gewesen sei. Über diese Situation habe kurz danach eine Aussprache bei der 1. Antragsgegnerin stattgefunden, bei der der 2. Antragsgegner gesagt habe, dass er nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten wollen würde. Die Antragstellerin sei daraufhin einem anderen Chauffeur zugeteilt worden.

Am 24. April 2013 habe sie ganz normal ihre Arbeit als Beifahrerin um 7 Uhr begonnen. Etwa gegen 7:30 Uhr sei der 2. Antragsgegner mit seinem Bus zum Bus von Herrn D gekommen, um sich mit diesem zu unterhalten. Dabei habe sich der 2. Antragsgegner so nahe neben die Autotüre auf der Seite, auf der sie gesessen sei, gestellt, dass sie nicht einsteigen habe können. Als sie ihn daraufhin beim Öffnen der Türe ersucht habe, zur Seite zu gehen, habe er ihr unvermittelt einen Klaps auf ihre Hand gegeben und ihr „Scheiß Hure, du musst Bitte sagen!“ zugerufen. Sie sei über diesen Angriff und seine Ausdrucksweise schockiert gewesen und habe nach einigen Sekunden geantwortet, dass dies kein normaler Tonfall unter Kollegen sei und sie sich beschweren werde, wenn er nicht aufhöre. Dies scheine ihn aber noch mehr aufgeregt zu haben. Er sei immer lauter geworden und habe nochmals den Ausdruck „Scheiß Hure“ erwähnt und dass es ihm völlig egal sei, wenn sie sich bei der Firma beschweren würde. Sie sei fassungslos über diese Ausdrucksweise und seine aggressive Art ihr gegenüber gewesen.

Die Antragstellerin habe nach diesem Vorfall bei der 1. Antragsgegnerin angerufen und Frau E, einer Disponentin, berichtet, was passiert sei. Frau E habe sie dann ersucht, sie einige Stunden später wieder anzurufen, um mitzuteilen, was seitens der 1. Antragsgegnerin unternommen werde. Als die Antragstellerin später angerufen habe, habe ihr Frau E jedoch mitgeteilt, dass sie bzw. das Unternehmen in dieser Angelegenheit leider nichts für sie tun könnten. Die Antragstellerin habe sich sodann an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt.

In der auf Ersuchen des Senats I der GBK von der 1. Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 19. Dezember 2013 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Es sei richtig, dass die Antragstellerin im Unternehmen als Begleitfahrerin, im Rahmen einer Überlassungsvereinbarung, für Schulkinder tätig gewesen sei. Nachdem es zu einem Streit wegen eines „vergessenen Kindes“ mit dem Lenker des Busses gekommen sei, habe die 1. Antragsgegnerin die Antragstellerin nach einem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten einvernehmlich einem anderen Lenker zugeteilt.

Der erwähnte Vorfall vom 24. April 2013 sei der 1. Antragsgegnerin im Wege der Disposition zugetragen worden. Die 1. Antragsgegnerin habe daraufhin den 2. Antragsgegner, aber auch die Antragstellerin, getrennt befragt. Es habe unterschiedliche Stellungnahmen gegeben.

Weiters habe die 1. Antragsgegnerin, vertreten durch Herrn C, Prokurist der 1. Antragsgegnerin, den 2. Antragsgegner vorgeladen, konkret zu diesem Vorfall befragt und Herr C habe den 2. Antragsgegner belehrt, dass sein Verhalten, sollte es sich doch so zugetragen haben, nicht tolerierbar wäre. Jedenfalls habe Herr C verlangt, dass sich der 2. Antragsgegner entschuldigen sollte. Er habe dies mit der Feststellung, dass die Angaben der Antragstellerin über die Beschimpfung unwahr wären, verneint. Weiters habe der 2. Antragsgegner einen Zeugen, der bei diesem Vorfall anwesend gewesen sei, genannt. Der Zeuge, Herr D, sei zum Thema befragt worden, habe ausgesagt, dass er den Klaps auf die Hand gesehen hätte, es aber zu keiner Beschimpfung der Antragstellerin gekommen wäre. Herr C habe dies auch dem Überlasser der Antragstellerin der Firma Y, Herrn F gemeldet und es sei gemeinsam beschlossen worden, in dieser Angelegenheit keine weiteren Schritte zu setzen, da die Erhaltung der Arbeitsplätze für die beiden streitenden Menschen wichtiger gewesen sei.

Das Zusammentreffen der Antragstellerin und des 2. Antragsgegners bei der Schule sei rein zufällig gewesen. Die 1. Antragsgegnerin habe die beiden Personen getrennt eingesetzt.

Der Arbeitsvertrag der Antragstellerin mit der Firma Y habe auf Betreiben der Antragstellerin geendet und somit auch die Überlassung an die 1. Antragsgegnerin. Die 1. Antragsgegnerin bedauere diesen Schritt der Antragstellerin, da sie gerne die Zusammenarbeit fortgesetzt hätte.

In der auf Ersuchen des Senats I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung des 2. Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 13. Dezember 2013 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Behauptungen der Antragstellerin, wonach sie durch den 2. Antragsgegner durch sexuelle Belästigung diskriminiert worden sei, seien unrichtig.

Der 2. Antragsgegner sei seit mehr als drei Jahren als Berufskraftfahrer tätig. Bis auf eine kurze Unterbrechung sei er bei der 1. Antragsgegnerin beschäftigt. Die 1. Antragsgegnerin biete diverse Fahrtdienste an, wie z.B. Kranken- und Behindertentransport, Transport von Kindergarten- und Schulkindern, Fahrten von Senioren etc. In der Regel würden die Fahrtendienste vom jeweiligen Fahrer des Wagens alleine abgewickelt. Bestimmte Fahrten könnten nicht alleine durchgeführt werden und sei insbesondere bei Fahrten mit Kindern die Begleitung durch eine zweite Person zur Aufsicht und Betreuung der Kinder vorgesehen. Dem 2. Antragsgegner werden mehrheitlich Transporte ohne Beistellung eines Beifahrers übertragen und habe er nur in den Tagesrandzeiten Schüler- bzw. Kindertransporte durchzuführen. Für diese Fahrten werde ihm von der 1. Antragsgegnerin eine weitere Person zur Unterstützung zugeteilt. Die Abwicklung der Fahrten funktioniere im Wesentlichen so, dass der Fahrer mit dem Transportbus alleine unterwegs sei und ihm von der 1. Antragsgegnerin über ein Tablet bzw. telefonisch Fahrten disponiert werden. Der Fahrer hole die Person vom angegebenen Ort ab und führe sie zum Zielort. Bei erwachsenen Personen hole der Fahrer die Person von der Wohnung ab, unterstütze sie am Weg zum Bus, helfe ihnen beim Einsteigen in den Bus und kümmere sich um die Person auch am Zielort. Bei Transporten von Schülern bzw. Kindern treffe sich der Fahrer mit der vorgesehenen Beifahrerin an einem vereinbarten Treffpunkt und werde die ihnen disponierte Fahrt gemeinsam durchgeführt. Bei diesen Fahrten sei es Aufgabe der Beifahrerin die Kinder von der Schule oder dem Kindergarten zu übernehmen, zum Bus zu führen, während der Fahrt zu beaufsichtigen und am Zielort zu übergeben.

Der vom 2. Antragsgegner seit mehreren Jahren ausgeübte Beruf bringe eine große Verantwortung für die Sicherheit der Fahrgäste während der Fahrt mit sich und verlange ausnahmslos einen korrekten und verantwortungsbewussten Umgang mit den Fahrgästen. Oftmals benötigen Fahrgäste, insbesondere beim Ein-/Ausstieg in den Bus, Unterstützung durch den 2. Antragsgegner. Der 2. Antragsgegner frage in derartigen Situationen den Fahrgast stets vorher, ob er ihm helfen könne und ob ein Berühren durch Halten, Stützen etc. erwünscht und erlaubt sei. Der 2. Antragsgegner sei sich den Anforderungen an seinen Beruf bewusst und lege daher bei sich selbst einen sehr hohen Maßstab an. Er sei daher bei der Fahrt stets auf den Verkehr und seine Aufgabe als Fahrer konzentriert.

Der von der Antragstellerin behauptete Sachverhalt habe sich nicht so wie von der Antragstellerin geschildert ereignet und werde daher bestritten. Die Antragstellerin sei dem 2. Antragsgegner vom 3. September bis 12. Oktober 2012 als Beifahrerin zugeteilt gewesen. Der 2. Antragsgegner habe zur Antragstellerin stets ein korrektes und professionelles Arbeitsverhältnis gehabt. Die Antragstellerin werde vom Antragsgegner als „sehr gesprächig" charakterisiert und sei durchaus denkbar, dass sie die fehlende Bereitschaft des 2. Antragsgegners zu privaten Gesprächen, der sich auf das Fahren zu konzentrieren gehabt habe und sich nicht durch „Plaudereien“ ablenken habe lassen wollen, als unangenehm und unfreundlich empfunden habe. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der Ausführung der von der 1. Antragsgegnerin erteilten Aufträge, insbesondere was professionelle Abwicklung betroffen habe, habe ein auch vom Antragsgegner als unangenehm empfundenes Arbeitsklima geherrscht.

Jeglicher Grundlage entbehren die Ausführungen der Antragstellerin, wonach ihr der 2. Antragsgegner „Bussis geschickt“ und dabei „Bussi“ gesagt hätte. Derartiges Verhalten sei dem 2. Antragsgegner fremd und habe er ein derartiges Verhalten gegenüber der Antragstellerin nicht gesetzt. Er sei im Laufe seiner Beschäftigung als Kraftfahrer immer wieder und teilweise auch über längere Zeiträume mit Beifahrerinnen unterwegs gewesen und es sei weder vor noch nach dem Zeitraum des Zusammenarbeitens mit der Antragstellerin zu Konflikten mit Arbeitskolleginnen gekommen.

Richtig sei, dass es am 12. Oktober 2012 zu einem Vorfall mit einem vergessenen Kind gekommen sei. Aufgabe der Antragstellerin als Beifahrerin sei es gewesen die Kinder vom Schulgebäude abzuholen und während der Fahrt zu beaufsichtigen. Die Aufgabe des 2. Antragsgegners als Fahrer sei es gewesen das Fahrzeug sicher von der Schule zu den Bestimmungsorten zur fahren. Die Verantwortung dafür, dass auch alle Kinder an Bord waren, sei bei der Antragstellerin gelegen. Nachdem das letzte Kind am Bestimmungsort abgeliefert worden sei und sich der 2. Antragsgegner gemeinsam mit der Antragstellerin am Weg in die Firmenzentrale befunden habe, sei er vom Disponenten angerufen worden. Der 2. Antragsgegner habe das Telefongespräch mit der Freisprecheinrichtung angenommen und die Antragstellerin habe das Gespräch über Lautsprecher mithören können. Der Disponent habe mitgeteilt, dass bei dieser Fahrt ein Kind vergessen worden wäre und habe sich nach den Umständen der Fahrt erkundigt. Der 2. Antragsgegner habe dem Disponenten mitgeteilt, dass seine Beifahrerin die Liste mit den Kindern gehabt hätte. Die Antragstellerin sei dem 2. Antragsgegner jedoch ins Wort gefallen und habe lauthals begonnen dem 2. Antragsgegner vorzuwerfen, sie gegenüber der Firma für dieses Versäumnis zu Unrecht zu beschuldigen und sie absichtlich in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. Direkt nach dem Eintreffen in der Firma habe eine Aussprache stattgefunden und der 2. Antragsgegner gegenüber den Vorgesetzten den Wunsch mitgeteilt, eine andere Beifahrerin oder einen anderen Beifahrer zugeteilt zu bekommen, da er nicht weiter mit Antragstellerin zusammen arbeiten habe wollen. Diesem Wunsch sei die 1. Antragsgegnerin sogleich nachgekommen und habe es keinen weiteren Kontakt zwischen dem 2. Antragsgegner und der Antragstellerin gegeben.

Am 24. April 2013 habe sich der von Antragstellerin geschilderte Vorfall ereignet, jedoch würden die tatsächlichen Geschehnisse im Detail vom Vorbringen der Antragstellerin abweichen. Der 2. Antragsgegner habe am Morgen Kinder zu einer Schule geführt, vor der sich mehrere Fahrzeuge diverser Fahrtendienste getroffen hätten. Darunter auch das von D gelenkte Fahrzeug der 1. Antragsgegnerin. Während die Beifahrer die Kinder im Schulgebäude abgeliefert hätten, habe sich der 2. Antragsgegner mit seinem Fahrerkollegen unterhalten. Er habe sich dazu an die Beifahrertüre gestellt und sich mit dem Ellenbogen an das offene Beifahrerfenster gelehnt. Dem 2. Antragsgegner sei zwar bewusst gewesen, dass die Antragstellerin die Beifahrerin von D gewesen sei, habe jedoch nicht bemerkt, wie sich die Antragstellerin von hinten dem Fahrzeug genähert habe. Sie habe versucht die Beifahrertür, an die sich der 2. Antragsgegner gelehnt habe, zu öffnen, ohne dass sie der 2. Antragsgegner vorher bemerkt habe. Es habe sich eine Diskussion entwickelt, warum der 2. Antragsgegner sie nicht einsteigen lassen würde, worauf hin der 2. Antragsgegner erwidert habe, dass er sie selbstverständlich einsteigen hätte lassen, wenn sie ihn darum gebeten bzw. schlicht gesagt hätte, dass sie nun einsteigen möchte. Im Zuge dieser Situation sei es zu einer Berührung der Hände der beiden Personen gekommen. Die Antragstellerin sei immer lauter geworden. Da der 2. Antragsgegner nicht weiter mit der Antragstellerin diskutieren habe wollen, habe er sich zu seinem Fahrzeug entfernt, wodurch diese Situation auch beendet gewesen sei. Nach diesem Vorfall habe der 2. Antragsgegner die Antragstellerin nicht mehr gesehen und erst im Nachhinein erfahren, dass sie nicht mehr bei der Leiharbeitsfirma beschäftigt und daher auch nicht mehr als Beifahrerin für die 1. Antragsgegnerin tätig sei. Die von der Antragstellerin im Antrag angeführten Schilderungen, wonach sie der Antragsgegner bei diesem Vorfall als „Scheiß Hure“ bezeichnet habe, seien unrichtig und habe es keinerlei Beschimpfungen des 2. Antragsgegners gegenüber Antragstellerin gegeben.

Es hätten zusammengefasst die vorgeworfenen Diskriminierungen nicht stattgefunden und würden hier Sachverhalte unrichtig behauptet und zusammengefügt, um ein völlig unrichtiges Bild des 2. Antragsgegners zu entwerfen.

Bezeichnend sei auch, dass die Antragstellerin sich nicht gleich nach den angeblichen Vorfällen an die Vorgesetzten der 1. Antragsgegnerin gewandt habe, wo doch vom Unternehmen größter Wert auf Gleichbehandlung gelegt werde und es auch kein Problem darstelle, auf eigenem Wunsch einem anderen Fahrer zugeteilt zu werden.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des § 6 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht.3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der 2. Antragsgegner habe ihr im Zuge der Zusammenarbeit Luftküsse zugeworfen und sie bei einem Aufeinandertreffen am 24. April 2013 mit „Scheiß Hure“ beschimpft, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin am 13. Juni 2012 einen Arbeitsvertrag für Transitarbeitskräfte mit der Y GmbH abgeschlossen hat und ab 7. September 2012 an die 1. Antragsgegnerin entsendet wurde. Die Antragstellerin arbeitete zunächst mit dem 2. Antragsgegner zusammen, wobei der 2. Antragsgegner als Fahrer tätig war und die Antragstellerin als Begleitfahrerin, die sich um die zu transportierenden Schulkinder kümmerte. Die Zusammenarbeit endete auf Wunsch des 2. Antragsgegners, nachdem es zu einer Differenz zwischen ihm und der Antragstellerin wegen eines vergessenen Schulkindes gekommen ist. Danach war die Antragstellerin Begleitfahrerin bei Herrn D. Am 24. April 2013 trafen die Antragstellerin und der 2. Antragsgegner im Zuge des Transports von Schulkindern zur …-Schule aufeinander. Während die Antragstellerin die SchülerInnen ins Klassenzimmer brachte, kam der 2. Antragsgegner zum Fahrzeug von Herrn D um sich mit diesem zu unterhalten. Er stützte sich dabei auf der Beifahrertüre ab. Bei ihrer Rückkehr zum Fahrzeug wollte die Antragstellerin bei der Beifahrertüre einsteigen. Der 2. Antragsgegner gab der Antragstellerin einen Klaps auf die Hand und es kam zu einer Diskussion, bei der der 2. Antragsgegner jedenfalls sagte, dass die Antragstellerin bitte sagen solle. Die Antragstellerin rief daraufhin die Disponentin, Frau E, an um ihr von dem Vorfall zu berichten. Der Vorfall wurde von Frau E an Herrn C, dem Prokuristen der 1. Antragsgegnerin weitergeleitet. Dieser lud die Antragstellerin und den 2. Antragsgegner zu einem Gespräch ein und informierte die Arbeitgeberin der Antragstellerin über den Vorfall. Die Antragstellerin wandte sich in weiterer Folge an die GAW. Am 7. Juni 2013 gab die 1. Antragsgegnerin eine Stellungnahme an die GAW ab, diesem Schreiben angeschlossen waren Stellungnahmen des 2. Antragsgegners, von Herrn D und Frau E zum Vorfall am 24. April 2013. Der Arbeitsvertrag der Antragstellerin zur Y GmbH endete durch Zeitablauf Mitte Juni 2013 und damit einhergehend die Überlassung an die 1. Antragsgegnerin.

Im Hinblick auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurde der vorliegende Konflikt nach Auffassung des Senates dadurch ausgelöst, dass die Antragstellerin der Umstand, dass im Zuge der Streitigkeit bezüglich des vergessenen Schulkindes dem Wunsch des 2. Antragsgegners nach einem/einer anderen BegleitfahrerIn entsprochen wurde, gestört hat. Dies geht aus der Aussage der Antragstellerin hervor, wobei auch der 2. Antragsgegner eine gleichlautende Vermutung anstellte. Dass sich die Antragstellerin und der 2. Antragsgegner offensichtlich nicht verstanden haben, wurde zudem von Herrn C und Frau E bestätigt.

Die Aussage der Antragstellerin, wohingegen sie hinsichtlich eines möglichen Wechsels gemeint habe, Arbeit sei Arbeit, egal mit wem, stellt die Glaubwürdigkeit ihres Vorwurfs, der 2. Antragsgegner habe ihr zu Beginn der Tätigkeit Luftküsse zugeworfen – im Antrag werden mehrere, in der mündlichen Befragung nur eine Gelegenheit erwähnt –, wobei ihr sein Verhalten unangenehm gewesen sei, zumal er auch angedeutet habe, ein Verhältnis mit ihr haben zu wollen, in Frage.

Zum Vorfall am 24. April 2013 gibt es lediglich übereinstimmende Aussagen der Antragstellerin, des 2. Antragsgegners und von Herrn D zum Klaps auf die Hand. In diesem Zusammenhang ist es dem Senat wichtig zu betonen, dass ein Klaps auf die Hand – mag ein derartiges Verhalten auch nicht unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung fallen – keinen adäquaten Umgang zwischen ArbeitskollegInnen darstellt und daher zu unterlassen ist. Den glaubhaften Aussage von Herrn D folgend ist es jedoch in der Folge zu keinen Beschimpfungen, die die sexuelle Sphäre der Antragstellerin betreffen, gekommen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es dem 2. Antragsgegner gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er das sexuell belästigende Verhalten nicht getätigt hat.

Es liegt somit keine sexuelle Bela?stigung durch den 2. Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn dadurch diskriminiert wird, dass er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen.

§ 6 Abs. 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht.5 Danach haben ArbeitgeberInnen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten ArbeitnehmerInnen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird.6 ArbeitgeberInnen haben daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der ArbeitnehmerInnen nicht gefährdet werden.7 ArbeitgeberInnen sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen, um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben.8 „Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem/der ArbeitgeberIn das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die ArbeitgeberIn haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste.

Gemäß § 6a Abs. 3 AÜG gilt hinsichtlich der Beschäftigung im Betrieb des/der BeschäftigerIn auch der/die BeschäftigerIn als ArbeitgeberIn der überlassenen Arbeitskräfte im Sinne der Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote, die für vergleichbare Arbeitnehmer des/der BeschäftigerIn gelten.

Im Ermittlungsverfahren konnte kein Anhaltspunkt gefunden werden, dass sich die 1. Antragsgegnerin nicht angemessen mit den Vorwürfen der Antragstellerin, soweit ihr diese überhaupt bekannt waren – laut den glaubwürdigen Aussagen von Frau E war der 1. Antragsgegnerin die Beschimpfung „Scheiß Hure“ nicht bekannt; zudem hat die Antragstellerin der 1. Antragsgegnerin nicht von den „Bussis“ erzählt – auseinandergesetzt hätte.

Es liegt somit kein schuldhaftes Unterlassen der 1. Antragsgegnerin, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe zu schaffen, gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 vor.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens empfiehlt der Senat I der GBK der 1. Antragsgegnerin, X GmbH, dennoch, Sensibilisierungsmaßnahmen hinsichtlich des Umganges zwischen MitarbeiterInnen, insbesondere im Hinblick auf Gleichbehandlungsfragen, zu treffen.

Wien, 13. Dezember 2016

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.

5  Siehe dazu § 1157 ABGB, § 18 Abs. 4 AngG etc.

6  Vgl. OGH 26.8.2004, 8 ObA 3/04f.

7  Vgl. OGH 5.4.2009, 9 ObA 292/99b; 17.3.2004, 9 ObA 143/03z; 26.5.2004, 9 ObA 64/04h.

8  Vgl. OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z.

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2017
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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