Norm
§17 Abs1 Z1 GlBGDiskriminierungsgrund
AlterDiskriminierungstatbestand
Diskriminierung auf Grund der Alters bei der Begründung des ArbeitsverhältnissesText
SENAT II DER GLEICHBEHANDLUNGSKOMMISSION
Anonymisiertes Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
GBK II/236/14
Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) hat über den Antrag von Herrn A (in Folge: Antragsteller) wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Firma B (in Folge: Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO, BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013, am 16.12.2016 erkannt:
Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin
l i e g t n i c h t v o r.
VORBRINGEN
Im Antrag und in der nach der Einleitung des Verfahrens angeforderten Konkretisierung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antragsteller sich bei der Antragsgegnerin beworben und trotz „exzellenter universitärer Ausbildung“ zum einen die ausgeschriebene Stelle als „Leiter/in Lagerlogistik“ nicht erhalten habe und zum anderen nicht zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden sei.
Im Ablehnungsschreiben sei ihm kommuniziert worden, dass man ihm mitteilen müsse, dass seine Bewerbung für die ausgeschriebene Position nicht in die engere Auswahl habe genommen werden können, weshalb er sich auf Grund seines Alters als diskriminiert betrachte, da für ihn nicht nachvollziehbar sei, warum es zu der überaus schnellen Absage binnen zwei Tagen gekommen sei.
Da er sich u.a. auf Grund seiner Tätigkeit als Lager- und Versandleiter der Firma C sowie seiner mehr als zehnjährigen Führungs- und Personalverantwortung in verschiedenen Unternehmen als für die ausgeschriebene Position bestens geeignet erachte, führte er die raschen Ablehnung seiner Bewerbung auf eine versteckte Altersgrenze zurück.
In der Stellungnahme der Antragsgegnerin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass ein wichtiges Kriterium für die Besetzung dieser Position unter anderem die mehrjährige Führungserfahrung im Logistikbereich eines Produktionsunternehmens gewesen sei. Insgesamt seien 106 Bewerbungen eingegangen und unter der Leitung von Frau B habe es eine Auswahl für die erste Gesprächsrunde mit acht BewerberInnen aus einer Vielzahl an hochqualifizierten Bewerbungen gegeben. Es wären dabei sowohl ältere als auch jüngere KandidatInnen als der Antragsteller eingeladen worden.
Da sich in den ersten Gesprächen bereits potentielle Besetzungen herauskristallisiert hätten und der Bedarf in der Abteilung zeitnah gedeckt werden sollte, wäre die zweite Gesprächsrunde bereits zeitnah begonnen worden. Für diese vertiefenden Gespräche seien drei KandidatInnen der Jahrgänge 1962, 1968 und 1984 eingeladen worden.
Die große Bandbreite in den Jahrgängen zeige deutlich, dass das Alter kein Kriterium für die Stellenbesetzung gewesen sei. Die Stelle sei zwischenzeitlich mit einer weiblichen Arbeitnehmerin des Jahrgangs 1968 besetzt worden. Zu keinem Zeitpunkt seien Bewerbungen aufgrund des Alters abgelehnt oder bevorzugt behandelt worden.
Die Bewerbung des Antragstellers sei mehr als ein Monat nach öffentlicher Ausschreibung der Stelle bei der Antragsgegnerin eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt wären - wie oben dargelegt – bereits die Zweitgespräche gestartet worden. Neu eingehende Bewerbungen würden in diesem Stadium des Recruiting-Prozesses nur dann berücksichtigt, wenn diese zumindest die gleichen Qualifikationen und Erfahrungen wie die Bewerbungen in der zweiten Gesprächsrunde aufweisen würden.
Der Antragsteller habe eine schriftliche Absage erhalten, da er die Führungserfahrung in produzierenden Unternehmen im erforderlichen Ausmaß nicht aufweisen könne. Er verfüge lediglich über Führungserfahrung im Handel.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat II der GBK stu?tzt sein Prüfergebnis auf die schriftlichen Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie auf deren Befragungen.
In der mündlichen Befragung durch den Senat gab der Antragsteller ergänzend an, dass entsprechend der Forderung der Antragsgegnerin nach „mehrjährige Erfahrung in der Logistik und Mitarbeiterführung, idealer Weise in einem Produktionsunternehmen“ er festhalte, den Betriebslogistik-Kaufmann gemacht zu haben und bei der Firma C in leitender Position als Lager- und Versandleiter tätig gewesen zu sein. Er habe eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, einen Lehrabschluss als Bürokaufmann, einen Lehrabschluss als Betriebslogistik-Kaufmann sowie Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften studiert. Die geforderten Soft Skills sowie die Reisebereitschaft wären vorhanden, daher fühle er sich für diese Position ausreichend, wenn nicht sogar bestens qualifiziert.
Er sehe keine so expliziten Unterschiede betreffend die Führungsverantwortung in Produktions- oder im Handelsbereich – das könne man sicherlich mit einer Betriebslogistiker-Ausbildung und mit einem Studium auch.
Die vermutete Ablehnung seiner Bewerbung auf Grund des Alters sehe er darin, dass man in keiner Weise auf seine Qualifikation eingehe und ihm keine Chance gebe, sich vor dem Unternehmen zu artikulieren.
Die Vertreterin der Antragsgegnerin, Frau B, gab bei ihrer Befragung an, dass bei einem Stellenbesetzungsprozess zunächst die jeweilige Führungskraft Anforderungen in punkto Qualifikationen, Erfahrungen sowie persönliche Eigenschaften für die zu besetzende Stelle definiere.
Bei der in Rede stehenden Stelle habe es sich um eine Schlüsselposition gehandelt, da es damals unternehmensinternen Optimierungsbedarf im Bereich Logistik gegeben habe – deswegen wären die geforderten Qualifikationen auch eher „strenger“ formuliert und auch im Auswahlprozess eher streng gehalten gewesen. Es sei überdies Firmenpolitik, BewerberInnen relativ rasch Rückmeldung zu geben.
Zum Zeitpunkt der Bewerbung des Antragstellers sei man nicht mehr in der ersten, sondern schon in der zweiten Gesprächsrunde gewesen. Um in dieser Runde die Sache „nochmals aufzumachen“, müsse ein/e KandidatIn schon Top-Qualifikationen haben.
Es sei sehr stark um Optimierungspotenzial gegangen, weswegen Prozesse analysiert und optimiert werden mussten. In etwa zeitgleich habe die Antragsgegnerin damals ein zweites Werk dazubekommen. Das habe bedeutet, dass die ganze Logistikkette neu aufgestellt worden sei. Logistisch habe es also viele Anforderungen bzw. Herausforderungen an die Person gegeben, weswegen es einen Unterschied mache, ob jemand bereits in einem Produktionsunternehmen gearbeitet habe und seine Erfahrung einbringen könne. Insofern sei es also ein massiver Vorteil gewesen, wenn jemand, der bereits in einem Produktionsunternehmen tätig gewesen sei, so etwas kenne.
BEGRÜNDUNG
Der Senat II der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
"§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses
…
"§ 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“
Vor der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem im Verfahren vor dem erkennenden Senat erhobenen Sachverhalt ist zunächst zu bemerken, dass die Herstellung einer diskriminierungsfreien Arbeitsumwelt als eine der wesentlichsten Zielsetzungen des Gleichbehandlungsgesetzes zu betrachten ist. Im Hinblick auf dieses Ziel wird es daher unerlässlich sein, sich mit allenfalls vorhandenen negativen Stereotypisierungen von Personengruppen auseinanderzusetzen.
Zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren ist anzumerken, dass gemäß § 26 Abs. 12 GlBG eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 17, 18 oder 21 beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/r AntragstellerIn sprechen als dagegen (vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen).
Wenn dem/der AntragstellerIn die Glaubhaftmachung von Umständen, die einen Zusammenhang zwischen Nichtbegründung des Arbeitsverhältnisses und dessen/deren Alter indizieren, gelungen ist, obliegt es dem/der AntragsgegnerIn, zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der AntragsgegnerIn glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs 2 oder 20 GlBG vorliegt.
In einem Verfahren vor einem Senat der Gleichbehandlungskommission soll grundsätzlich nicht das jeweilige Auswahlverfahren wiederholt werden, sondern es soll überprüft werden, ob die Entscheidung, die zur Ablehnung eines Bewerbers oder einer Bewerberin geführt hat, transparent, objektiv und sachlich nachvollziehbar war.
Das Diskriminierungsverbot des § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG begründet keinen Anspruch auf die Begründung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses, sondern konkretisiert vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die ein anerkanntes Element des arbeitsrechtlichen Schutzprinzips darstellen und bei deren Verletzung als Rechtsfolge Schadenersatzansprüche zugunsten der diskriminierten Person vorgesehen sind. Dieses Diskriminierungsverbot ist dabei extensiv zu interpretieren - alle mit dem Zustandekommen eines Arbeitsvertrages in Zusammenhang stehenden Vorgänge sind hiervon umfasst.
Zum vorliegenden Sachverhalt – der Nicht-Begründung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers durch die Antragsgegnerin – ist festzuhalten, dass sich auf Grund der Befragung der beiden oben genannten Auskunftspersonen für den Senat folgendes Bild ergeben hat:
Generell müssen für eine gesetzeskonforme Glaubhaftmachung einer von einer Person behaupteten Altersdiskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses bereits ein oder mehrere Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen, die über eine bloße und nicht weiter belegte Vermutung, dass das Alter im Auswahlverfahren eine Rolle spielen könnte, hinausgehen. Als keine ausreichende Glaubhaftmachung ist es nach Meinung des Senates anzusehen, wenn ein/e Antragsteller/in versucht, erst aus der Stellungnahme des/der Antragsgegners/in überhaupt das Substrat für das von ihm/ihr behauptete Vorliegen einer Altersdiskriminierung zu gewinnen.
Der Antragsteller konnte dem Senat bei seiner mündlichen Befragung nicht darlegen, dass seine Vermutung, dass die Antragsgegnerin seiner Bewerbung auf Grund seines Alters nicht näher getreten ist, auf ein anderes Element als die damals relativ rasch erfolgte Absage und seine daraus resultierende Vermutung, dass diese in seinem Alter begründet wäre, gestützt ist.
Der Hinweis, auch in anderen Bewerbungsprozessen von anderen ArbeitgeberInnen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, kann nicht als Hinweis auf ein im antragsgegenständlichen Bewerbungsprozess diskriminierendes Motiv der konkreten Antragsgegnerin gewertet werden.
Es widerspricht nach Meinung des Senates nicht der allgemeinen Erfahrung im Personalrecruiting, den Kreis der zu einem Vorstellungsgespräch ausgewählten Bewerber/innen zunächst einzuschränken und dabei nach bestimmten Kriterien – die für sich genommen nicht im Sinne des GlBG diskriminierend sein dürfen - eine Auswahl der zu einem Bewerbungsgespräch einzuladenden Personen zu treffen.
Die Vertreterin der Antragsgegnerin konnte glaubwürdig und sachlich nachvollziehbar darlegen, dass die geforderte Erfahrung im Produktionsbereich auf Grund der damaligen besonderen Anforderungen an den/die Logistikleiter/in bei der Bestückung einer Produktionsstraße für die Antragsgegnerin auf Grund firmeninterner Umstrukturierungsprozesse sowie des zweiten, neu hinzugekommenen Werks für die Antragsgegnerin von essentieller Bedeutung gewesen war.
Der Antragsteller konnte im Gegensatz zu der letztlich engagierten Bewerberin des Jahrgangs 1968 mit beruflicher Vorerfahrung in der Industrie genau diese spezielle Erfahrung nicht aufweisen, weshalb dessen Nichtberücksichtigung im damals bereits fortgeschrittenen Auswahlverfahren dem Senat daher sachlich nachvollziehbar erschien und dieser darin auch keinen Hinweis auf ein diskriminierendes Motiv der Antragsgegnerin erkennen konnte, zumal die Vertreterin der Antragsgegnerin für den Senat nachvollziehbar dargelegt hatte, dass zu einem so späten Zeitpunkt einlangende Bewerbungen nur mehr bei sehr genau passenden Qualifikationen eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch zur Folge hätten.
Dem Senat erscheint daher die Entscheidung der Antragsgegnerin, den aus ihrer Sicht nicht hinreichend speziell qualifizierten Antragsteller nicht zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen, im Hinblick auf den tatsächlichen Ablauf von Rekrutierungsprozessen sowohl lebensnah und einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Praxis entsprechend als auch sachlich nachvollziehbar.
Gemäß den Beweismaßregeln des GlBG ist es der Antragsgegnerin daher gelungen, den Senat davon zu überzeugen, dass nicht das Alter des Antragstellers das für die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers ausschlaggebende Kriterium gewesen war, sondern die für die ausgeschriebene Stelle wesentlich passenderen Qualifikationen anderer BewerberInnen.
Der Antragsteller konnte hingegen nicht in ausreichendem Maße glaubhaft machen, dass sein Alter das für die Nichtbegründung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin maßgebliche Motiv war. Der Senat ist vielmehr zum Ergebnis gekommen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass das von der Antragsgegnerin glaubhaft gemachte Motiv der besseren – weil eben im Hinblick auf die konkreten Anforderungen der Antragsgegnerin spezielleren – Qualifikation anderer BewerberInnen für die Nichtbegründung des Arbeitsverhältnisses ausschlaggebend gewesen war.
Deshalb war das Vorliegen einer Diskriminierung des Antragstellers aufgrund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch die Antragsgegnerin zu verneinen.
Zuletzt aktualisiert am
18.07.2017