Gbk 2017/3/21 GBK I/550/14

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Veröffentlicht am 21.03.2017
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritten

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 21. März 2017 über den am 31. März 2014 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro … (R-GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung), durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/550/14, zu folgendem

Prüfungsergebnis

Frau A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 28. Februar 2017 und des Antragsgegners vom 21. März 2017. Als weitere Auskunftsperson wurde Herr C am 28. Februar 2017 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf die Interventionsschreiben der R-GAW an den Antragsgegner vom 15. Oktober und 26. November 2013 sowie die Schreiben des Rechtsvertreters des Antragsgegners an die R-GAW vom 4. November 2013 und 12. Jänner 2014.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von Juli 2013 bis September 2013 in der Küche des Hotel X in … als Praktikantin beschäftigt gewesen. Der Antragsgegner sei als Küchenchef ihr Vorgesetzter gewesen.

Von Beginn an habe er der Antragstellerin gegenüber zweideutige Bemerkungen gemacht, die Bezug auf die sexuelle Sphäre genommen hätten:

So habe sie sich an ihn gewendet als sie eine Salatschleuder beschädigt habe, um ihm von dem Vorfall zu erzählen. Seine Antwort darauf sei gewesen: „… (Anm.: Vorname der Antragstellerin), du bist aber ein böses Mädchen!“

Ein anderes Mal habe er die Antragstellerin gefragt, wann sie in die Arbeit gekommen sei. Als sie geantwortet habe „um Sechs“, habe er mehrmals nachgefragt „um Sechs?“, wobei er mehrfach statt dem Wort „Sechs“, das Wort „Sex“ verwendet habe.

Eine Aufgabe der Antragstellerin sei es gewesen, für die Verköstigung der Gäste auf der Alm Kässpätzle zuzubereiten. Dazu habe sie den Spätzleteig durch ein Sieb in das Wasser streichen müssen, was eine Vor- und Rückwärtsbewegung des Oberkörpers zur Folge gehabt habe. Da der Kochtopf auf dem Herd hoch gewesen sei, sei diese Tätigkeit für sie anstrengend gewesen, was sie dem Antragsgegner gegenüber angemerkt habe. Er habe daraufhin mit einem Grinsen gemeint, ob sie diese Bewegung von zu Hause nicht gewohnt sei.

Einmal habe der Antragsgegner die Antragstellerin ohne Zusammenhang gefragt, ob sie am Vorabend aus gewesen sei und sei ohne auf ihre Antwort zu warten fortgefahren, indem er gesagt habe „Tanzen? auf dem Tisch? Weil, wenn das so wäre, würde ich es auch gerne sehen“.

Schließlich sei es auch zu unangemessenen Berührungen gekommen:

Die Antragstellerin sei an der Arbeitsfläche gestanden, als sie bemerkt habe, dass der Antragsgegner ihr im Vorbeigehen mit der Hand auf das Gesäß geklopft habe. Sie sei sofort irritiert gewesen, aber sei sich beim ersten Mal noch nicht sicher gewesen, ob diese Berührung nicht zufällig erfolgt sei. Doch als er sie in der Folge noch zweimal wiederholt habe, sei der Antragstellerin schließlich klar gewesen, dass er ihr absichtlich mit der Hand auf das Gesäß geklopft gehabt habe.

Sie sei schockiert über dieses Verhalten gewesen und habe daher beschlossen, ihm mitzuteilen, dass sie das keinesfalls akzeptieren könne. Dazu habe sie ihn am Nachmittag aufgesucht, als er dabei gewesen sei, den Käsewagen herzurichten. Die Antragstellerin habe zum Antragsgegner gesagt, dass sie nicht wolle, dass das vom Vormittag noch einmal passiere. Er habe sich dumm gestellt und zu ihr gesagt, was sie meinen würde und sie sollte ihr Maul auftun. Daraufhin habe sie ihm deutlich gesagt, dass sie nicht möchte, dass er ihr noch einmal auf den „Arsch“ greife. Darauf habe er mit ironischem Unterton gemeint, ob das jetzt eine Beschuldigung wegen sexueller Belästigung wäre und es wieder vorkommen würde, wenn sie nicht schneller arbeiten würde.

Obwohl die Antragstellerin in diesem Gespräch deutlich aufgezeigt gehabt habe, dass sie sich eine respektvolle Behandlung wünsche, sei es auch danach noch zu verbalen Anzüglichkeiten gekommen:

Sie habe Zwiebel geschnitten und daher Tränen in den Augen gehabt. Der Antragsgegner habe gefragt, ob sie weinen würde und gemeint, dass es ihn ganz heiß machen würde, sie so zu sehen.

Der Antragsgegner sei auch seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, als Vorgesetzter der Antragstellerin vor sexueller Belästigung zu schützen. Als sie ihn einmal aufmerksam gemacht habe, dass ihr der Sous-Chef mit einem Messer in das Gesäß gestupft habe, während sie die Lüftung geputzt habe, habe er es nicht für notwendig gehalten diesen zu ermahnen oder ihm in irgendeiner anderen Weise klarzumachen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung gewesen sei. Auch verbal sei der Sous-Chef ihr gegenüber ausfällig geworden, indem er mehrfach zu ihr „Schnautze – Fotze“ gesagt habe, ohne dass es zu einem Einschreiten seitens des gemeinsamen Vorgesetzen gekommen sei, der sich in der Nähe aufgehalten habe.

Das oben geschilderte Verhalten des Antragsgegners sei der sexuellen bzw. geschlechtsbezogenen Sphäre zuzuordnen und sei für die Antragstellerin extrem unerwünscht und unangebracht gewesen, was sie ihm auch persönlich mitgeteilt habe. Es habe eine so feindselige und entwürdigende Arbeitsatmosphäre geschaffen, dass für sie eine Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner kaum mehr auszuhalten gewesen sei. Da sie das Praktikum jedoch benötigt habe, um in die nächste Schulstufe aufsteigen zu können, habe sie sich gezwungen gesehen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende fortzuführen.

In einem klärenden Gespräch mit dem Lebenspartner der Mutter der Antragstellerin, Herrn C, habe der Antragsgegner die belästigenden Handlungen und Äußerungen eingestanden.

Nach dem Beratungsgespräch bei der Regionalanwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt für die Bundesländer … sei ein Interventionsschreiben an den Antragsgegner erfolgt, auf das sein Rechtsanwalt mit Schreiben vom 18. Juli 2013 geantwortet habe und in dem eine Schadenersatzzahlung von 500,- Euro angeboten worden sei.

Nach Rücksprache mit der Antragstellerin sei dieser Vergleichsvorschlag als unzureichend abgelehnt worden, da er weit unter dem im Gesetz vorgesehenen Mindestschadenersatz liege.

Auf einen neuerlichen Vergleichsversuch sei der Antragsgegner nicht eingegangen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 24. April 2014 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Richtig sei, dass die Antragstellerin im Sommer 2013 als Praktikantin in der Küche des Hotels X in … beschäftigt gewesen sei. Richtig sei auch, dass der Antragsgegner als Küchenchef ihr unmittelbarer Dienstvorgesetzter gewesen sei.

Dem Antragsgegner sei bewusst, dass bei verbalen, auf den Körper einer anderen Person bezogenen Äußerungen im Arbeitsleben ein besonders sensibler Maßstab anzulegen sei und auch zweideutige Bemerkungen und verbale Äußerungen zu unterlassen seien, die eine belästigende Wirkung oder einen belästigenden Zweck hätten. Bei Äußerungen, bei den nicht für jedermann klar erkenntlich sei, dass eine Nähe zum Tatbestand der sexuellen Belästigung vorliege (die also nach einem objektiven Maßstab keine sexuelle Belästigung darstellen), werde der konkreten Person zwar das Recht eingeräumt, selbst die Grenze zu ziehen (subjektiver Maßstab); allerdings müsse ihr zugemutet werden, dass sie den Wunsch nach Verhaltensänderung artikuliere (Aufgriffsobliegenheit).

Im vorliegenden Fall habe der Antragsgegner allenfalls alltägliche Äußerungen getätigt, die im üblichen Umgang in einer Hotelküche lägen und keinesfalls eine sexuelle Belästigung bezweckt hätten. Sämtliche Äußerungen seien auf die Arbeitsleistung und die Arbeitsergebnisse der Antragstellerin bezogen gewesen. Es sei daher an der Antragstellerin gelegen, zu artikulieren, wenn sie besonders sensibel auf Äußerungen des Antragsgegners reagiere.

Der Zeitraum der Beschäftigung liege nunmehr bereits einige Zeit zurück. Der Antragsgegner könne daher nur versuchen, aus der Erinnerung die Zusammenhänge herzustellen, die möglicherweise mit den einzelnen von der Antragstellerin angeführten Vorgänge in Verbindung stehen würden.

Bei der Salatschleuder handle es sich um eine große Schüssel aus Hartplastik, in der ein Sieb bzw. Gitter manuell zur Rotation gebracht werde und so durch die Zentrifugalkräfte Salat getrocknet werde. Ähnliche Geräte würden auch im Haushalt zum Einsatz gebracht werden.

Das Modell in der Küche des Gasthofes X sei äußerst robust und werde von zahlreichen Personen bedient. Diese zu beschädigen, könne daher fast nicht vorkommen. Als die Antragstellerin die Salatschleuder beschädigt habe, sei der Antragsgegner darüber ärgerlich gewesen. Noch viel mehr habe ihn jedoch ihre gleichgültige Haltung gegenüber der Beschädigung gestört. Dennoch habe er seinen Ärger gezügelt und diesem nur durch eine kurze Bemerkung Luft verschafft. Der Antragsgegner könne sich an den genauen Wortlaut seiner Aussage nicht mehr erinnern. Möglicherweise sei eine ähnliche Aussage, wie der von der Antragstellerin widergegebene Satz: „…, du bist aber ein böses Mädchen?“ gefallen.

Objektiv betrachtet könne dem Satz „…, du bist aber ein böses Mädchen?“, wenn dies so gesagt worden sein sollte, keine verpönte Bedeutung beigemessen werden. Eine sexuelle Konnotation hätten diese Wörter keineswegs; insbesondere der Begriff Mädchen (laut Duden: „junge weibliche Person“) ist neutral und vor dem Hintergrund des jugendlichen Alters der Antragstellerin auch korrekt.

Wann der Antragsgegner die Antragstellerin gefragt haben solle, zu welcher Uhrzeit sie zur Arbeit gekommen wäre, sei ihm nicht erinnerlich. Die Angaben der Antragstellerin seien diesbezüglich schon deshalb nicht glaubwürdig, weil es laut Dienstplan keinen Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr gebe: Die Frühstücksvorbereitungen würden um 5.30 Uhr beginnen, zu welchen die Antragstellerin soweit erinnerlich nie eingeteilt gewesen sei. Der Frühdienst beginne sodann um 7.30 Uhr. Abenddienst in der Küche beginne in der Regel kurz vor 5.00 Uhr.

Die Worte „Sechs“ und „Sex“ würden in der gesprochen Alltagsprache nicht unterschieden werden. Eine unterschiedliche Aussprache ergebe sich nur in der stark betonten deutschen Hochsprache.

Die von der Antragstellerin geschilderte Begebenheit mit dem Spätzlesieb sei dem Antragsgegner nicht erinnerlich.

Zutreffend sei, dass die Antragstellerin gelegentlich für die Vorbereitung des Essens auf der Alm zuständig gewesen sei und diese Aufgabe auch zur Zufriedenheit erfüllt habe. Im Übrigen sei die zitierte Äußerung jedoch nicht nachvollziehbar: Beim Betätigen des Spätzlesiebs bewege man in der Regel nur die Arme und nicht den gesamten Oberkörper. Selbst wenn die von der Antragstellerin angegebene Äußerung so oder so ähnlich gefallen sei, sei an einer Bemerkung über die der Bewegung des Oberkörpers nichts Anzügliches oder sexuell Zweideutiges zu erkennen und stelle dies nach objektivem Maßstab keine sexuelle Belästigung dar. Darüber hinaus sei das Herstellen von „Spätzle“ in … eine typische Tätigkeit, die in jedem … Haushalt — „Kässpätzle“ seien eine regionale Spezialität — häufig vorkomme, sodass die Frage, ob sie das von zu Hause nicht gewohnt wäre, selbst wenn sie in dieser Weise gefallen sein sollte, einen ganz banalen Hintergrund haben könne.

Die Aussage „Tanzen? Auf dem Tisch? Weil, wenn das so wäre, würde ich es auch gerne sehen!“ sei für den Antragsgegner untypisch. Er könne ausschließen, selbst etwas Derartiges gesagt zu haben.

Sollte ein Mitarbeiter in der Küche derartige Äußerungen von sich gegeben haben, die ihm zu Ohren gekommen seien, so wäre dies von ihm sofort unterbunden worden.

Es könne ausgeschlossen werden, dass er der Antragstellerin mit der Hand auf das Gesäß geklopft habe.

Der Antragsgegner könne sich lediglich an eine Gelegenheit erinnern, bei welcher er der Antragstellerin mit dem Kochlöffel auf den Rücken geklopft habe. Sie habe die Aufgabe gehabt, das Essen für die Mitarbeiter vorzubereiten, die um 11.00 Uhr essen sollten. So sei ihr um ca. 10.00 Uhr aufgetragen worden, Fisch so rechtzeitig vorzubereiten und anzubraten, dass dieser um 11.00 Uhr fertig sein sollte. In der Regel sei das eine Aufgabe, die rund 20 Minuten in Anspruch nehme. Als sie um zehn Minuten vor 11.00 Uhr noch nichts gemacht gehabt habe, habe der Antragsgegner seiner Ungeduld Ausdruck verliehen. Es sei ihm natürlich klar, dass dies nicht angemessen sei, es sei dadurch jedoch weder eine sexuelle Belästigung bezweckt noch nach einem objektiven Maßstab bewirkt worden. Hieraus resultiere auch das Unverständnis des Antragsgegners, als die Antragstellerin gemeint habe, er habe ihr auf den „Arsch“ gegriffen.

Darüber hinaus komme es aufgrund der Enge in der Küche gelegentlich zu Berührungen ohne jeden sexuellen Hintergrund. So würden Mitarbeiter untereinander in der Regel durch ein kurzes „Antippen“ andeuten, dass der andere auf die Seite gehen und den Weg freimachen solle. Dabei komme es vor, dass man mit der Oberseite der Hand – welcher Teil der Hand nicht mit Lebensmitteln in Berührung komme – eine Stelle am Körper des anderen berühre, um den anderen dazu zu bringen, beiseite zu treten. Die Berührung finde dabei selbstverständlich an der Seite des Körpers, nicht aber an der Rückseite des Körpers statt. Aufgrund der Enge der Küche und des Zeitdruckes sei dies unvermeidlich.

Wenn die Antragstellerin behaupte, dass der Antragsgegner gesagt habe, dass es ihn ganz heiß machen würde, wenn sie beim Zwiebelschneiden weinen würde, könne es sich nur um eine unrichtige Erinnerung der Antragstellerin handeln. Der Antragsgegner würde Derartiges nie sagen; im Übrigen sei es auch nicht nachvollziehbar, wie das Schneiden von Zwiebeln jemanden „heiß“ machen sollte.

Hinsichtlich des Verhaltens des Sous-Chefs würden dem Antragsgegner gegenüber zwei Vorwürfe gemacht werden.

Zum einen solle er nicht unterbunden haben, dass der Sous-Chef der Antragstellerin mit einem Messer in das Gesäß gestupft habe, als sie die Lüftung putzen habe müssen. Wenn dies vorgekommen sein sollte, so war es dem Antragsgegner nicht bekannt: In der Küche werde die Lüftung einmal pro Woche, nämlich regelmäßig am Freitag nach Küchenschluss, geputzt. Die Lüftung verlaufe durch die gesamte Küche, sodass dies eine Arbeit für zumindest vier Personen sei, die hierzu auf der Arbeitsfläche stehen müssten. Während des Putzens der Lüftung sei der Antragsgegner mit anderen Dingen beschäftigt; er beaufsichtigt den Putzvorgang nicht, sondern nehme nur am Ende die fertig geputzte Lüftung ab. Praktikanten würden in der Regel nur untertags arbeiten. Die Antragstellerin dürfte, soweit sich andere Mitarbeiter der Küche erinnern, nur ein einziges Mal am Freitagabend gearbeitet haben, um die Zubereitung von mehreren hundert Mahlzeiten in kurzer Zeit zu erleben. Daher dürfte sie nur ein einziges Mal am Putzen der Lüftung teilgenommen haben. Der Antragsgegner habe daher nicht beobachten können, wenn es dabei zu ungemessen Handlungen durch den Sous-Chef gekommen sein sollte.

Auch bei der zweiten angeblichen Belästigung durch den Sous-Chef, der zu ihr „Schnauze – Fotze!“ gesagt haben solle, sei er nicht zugegen gewesen, sondern sei dies dem Antragsgegner erst später berichtet worden. Der Beschimpfung vorangegangen sei ein Fehler, der der Antragstellerin beim „Sous-Vide"-Garen unterlaufen sei. Dabei handle es sich um eine Garmethode, bei der Fleisch oder Gemüse in dichte Plastikbeutel verpackt und dann langsam im Wasserbad gegart werde.

Soweit erinnerlich seien rund 15 bis 20 Entenbrüste zunächst mariniert und sodann in Vakuum-Plastikbeutel verpackt worden. Sie sollten langsam im Wasserbad gegart werden. Obwohl die Antragstellerin das Sous-Vide-Gerät bereits zuvor bedient und auch geputzt gehabt habe, und daher genau gewusst habe, dass die Fleischstücke in der Verpackung in das Wasserbad zu legen wären, habe sie sämtliche Beutel aufgeschnitten und die Entenbrüste ohne diese ins Wasser gelegt. Auf diese Art und Weise seien nicht nur die Arbeit rund eines Tages zunichte gemacht worden – solange dauert das Marinieren – sondern sei auch ein Materialeinsatz von 15 bis 20 Entenbrüsten ruiniert worden. Dass der Sous-Chef durch die Gedankenlosigkeit verärgerte gewesen sei, sei daher nachvollziehbar. Weniger habe ihn der Wert des unbrauchbaren Fleisches berührt, sondern mehr noch die sinnlose Verschwendung von Produkten, die von mit Sorgfalt aufgezogenen und geschlachteten Tieren gestammt hätten, und die Gleichgültigkeit der Antragstellerin gegenüber ihrem Fehler. Die Antragstellerin habe sich nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer des Hotels bereit erklärt, eine Spende an eine gemeinnützige Organisation als symbolischen Ersatz zu leisten.

Unrichtig sei, dass der Antragsgegner – nachdem ihm der Vorfall bekannt geworden sei – nicht darauf reagiert hätte. Als er erfahren habe, dass der Sous-Chef „Schnautze – Fotze“ gesagt haben solle, sei es zu einem klärenden Gespräch zwischen ihm und dem Sous-Chef gekommen, in dessen Zuge er ermahnt und darauf hingewiesen worden sei, dass Derartiges nicht vorkommen dürfe. Es habe keinen Grund gegeben, ein derartiges Gespräch öffentlich oder vor der Antragstellerin zu führen.

Der Antragsgegner sei insgesamt zwei Mal in Kontakt mit Herrn C, dem Lebenspartner der Mutter der Antragstellerin, gewesen.

Herr C sei einmal unangemeldet vorbeigekommen, dies nach dem Vorfall beim Sous-Vide-Garen. Aufgrund des freundlichen Abschiedes habe der Antragsgegner den Eindruck gehabt, dass alle Punkte durch das Gespräch ausgeräumt worden seien.

         Herr C sei ein zweites Mal anlässlich des Beurteilungsgesprächs am Ende des Praktikums anwesend gewesen. An diesem Gespräch hätten neben Herrn C, dem Antragsgegner und der Antragstellerin auch die Mutter der Antragstellerin sowie der Geschäftsführer, Herr D, teilgenommen. Zunächst seien in freundschaftlicher Atmosphäre die Beurteilung und die Arbeitsleistung der Antragstellerin besprochen worden. Im Anschluss daran seien auch noch einmal die Entenbrüste zur Sprache gekommen, was zu einem kurzen Eklat geführt habe, da Herr C den Vorschlag einer Spende als unzumutbar empfunden habe. Herr D habe dieses Thema dann jedoch nicht weiter verfolgt.

Die Beurteilung der Arbeitsleistungen der Antragstellerin sei eher unterdurchschnittlich gewesen. Auffällig sei dabei, dass ein großer Unterschied zwischen ihrer Selbstwahrnehmung und der Beurteilung bestehe.

Die Glaubwürdigkeit einiger der obigen Vorwürfe, soweit diese heute überhaupt noch nachvollzogen werden können, sei zweifelhaft. Auf die einzelnen Punkte sei jeweils oben im Detail eingegangen worden. Insbesondere hätte sie nicht nur jederzeit den Geschäftsführer aufsuchen können, sondern auch die Direktionsassistentin Kathrin Reich, die für Personalangelegenheiten zuständig sei und Mitarbeitern gegenüber immer betone, ein offenes Ohr für sie zu haben. Wenn die Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner nicht auszuhalten gewesen wäre, so sei verwunderlich, dass sie nicht rechtzeitig das Gespräch gesucht habe, sondern erst jetzt Vorwürfe erhebe.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des § 6 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht. 3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner habe zu ihr, nachdem sie ein Sieb kaputt gemacht habe, „…, du bist aber ein böses Mädchen“ gesagt, bezugnehmend auf die Uhrzeit statt dem Wort „sechs“ das Wort „Sex“ verwendet, hinsichtlich der Vor- und Rückwärtsbewegung des Oberkörpers bei der Spätzlezubereitung gefragt, ob sie diese Bewegung von zu Hause nicht gewohnt sei, gefragt, ob sie am Vorabend fort gewesen sei „Tanzen? Auf dem Tisch? Weil wenn das so wäre, würde ich es auch gerne sehen“, im Zuge des Zwiebelschneidens gefragt habe, ob sie weine, das würde ihn ganz heiß machen, sie so zu sehen, und ihr mehrmals im Vorbeigehen mit der Hand auf das Gesäß geklopft habe, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von Juli bis September 2013 in der Küche des Hotel X in … als Praktikantin beschäftigt war. Der Antragsgegner war als Küchenchef ihr Vorgesetzter. Im Laufe des Praktikums wurde die Antragstellerin vom Antragsgegner verbal und körperlich sexuell belästigt.

Aufgrund der schriftlichen Unterlagen war das Vorbringen der Antragstellerin für den erkennenden Senat glaubhaft. Auch bei der ergänzenden Befragung durch den Senat machte die Antragstellerin einen glaubwürdigen Eindruck. Sie wiederholte das behauptete Vorbringen, sich durch die diversen Äußerungen und die mehrmalige Berührung ihres Gesäßes durch den Antragsgegner sexuell belästigt gefühlt zu haben, ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag. Die Schilderung ihrer Betroffenheit, sich in ihrer Intimsphäre belästigt gefühlt zu haben, erschien dem erkennenden Senat authentisch.

So hielt die Antragstellerin in ihrer mündlichen Befragung insbesondere fest, dass es mit einfachen Anspielungen begonnen habe, bei denen man sich zuerst nichts Böses denke, vielleicht sei es irgendein unlustiger Scherz von der anderen Seite. Es sei dann aber immer mehr und schlimmer geworden. Die Antragstellerin räumte zwar ein, dass die Schilderung des Antragsgegners hinsichtlich der Spätzlezubereitung logisch klinge, es sei aber von ihrer Seite mit dem Blick, den er ihr in diesem Augenblick zugeworfen habe, eindeutig und unmissverständlich gewesen, dass er es in einem sexuellen Bezug gemeint habe.

Hingegen ließen unklare und widersprüchliche Aussagen des Antragsgegners den erkennenden Senat an dessen Glaubwürdigkeit zweifeln.

Für den Senat ist die Argumentation nicht nachvollziehbar, inwiefern ein Zusammenhang zwischen der (nicht zufriedenstellenden) Arbeitsleistung und der Glaubwürdigkeit der Vorwürfe der Antragstellerin besteht, welche vom Antragsgegner in der Stellungnahme vom 4. November 2013 als fragwürdig bezeichnet wurde.

Entgegen seinen Ausführungen in der genannten Stellungnahme, dass obwohl der Stiefvater der Antragstellerin angegeben habe, dass die Antragstellerin ihm alles erzählen würde, die angebliche sexuelle Belästigung beim Vieraugengespräch mit keinem Wort erwähnt worden sei, gab der Antragsgegner in seiner mündlichen Befragung an, dass es im Gespräch um die Beschuldigung gegangen sei, dass er die Antragstellerin am Po berührt hätte.

In der mündlichen Befragung bestätigte der Antragsgegner abermals, dass die Aussage mit dem „bösen Mädchen“ gefallen sein könnte, dass das erniedrigend sein könnte, sei ihm aber nicht bewusst gewesen.

Nach Auffassung des Senates weist die Aussage „du bist aber ein böses Mädchen“, vor allem wenn sie mit eindeutiger Gestik oder Mimik begleitet wird, sehr wohl eine sexuelle Konnotation auf. Ebenso verhält es sich mit der Verwendung des Wortes „Sechs“, das – dem Argument des Antragsgegners kann gefolgt werden – in der Alltagssprache oft wie „Sex“ ausgesprochen wird. Jedoch ist auch hier die Gesamtsituation zu betrachten.

Dass die Berührungen nicht sexuell konnotiert gewesen, sondern den räumlichen Gegebenheiten in der Küche geschuldet seien, wertet der Senat als Schutzbehauptung, ebenso wie die Aussage, er habe in keinster Weise ein Interesse an der Antragstellerin, seine Freundin, mit der er seit zehn Jahren eine Beziehung habe, arbeite im selben Betrieb und er würde sicher nicht vor ihren Augen fremde Mädchen anmachen.

Die mündliche Befragung von Herrn C bestätigte glaubwürdig das Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich der Berührungen am Gesäß. Er widersprach zudem den Ausführungen des Antragsgegners, dass sie freundlich auseinandergegangen seien. Der Antragsgegner habe vielmehr schweißnasse Hände gehabt. Zudem gab Herr C an, dass ihm die Antragstellerin die im Antrag angeführten Vorfälle berichtet habe.

Abschließend ist es dem Senat – insbesondere im Hinblick auf das Alter der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Praktikums – wichtig zu betonen, dass belästigte Personen mit derartigen Übergriffen unterschiedlich umgehen und unterschiedlich lange brauchen, um eine sexuelle Belästigung zu verarbeiten. Aus Furcht den positiven Abschluss des Praktikums, der Voraussetzung für den Aufstieg in die nächste Schulstufe war, zu gefährden, ist es für den Senat auf Grund seiner langjährigen Erfahrung in Hinblick auf die in der Praxis bestehenden Verknüpfungen von Hierarchie, Macht und sexueller Belästigung erklärbar, wieso die Antragstellerin, trotz der belastenden Situation, die Vorfälle zunächst weder gegenüber dem Antragsgegner, noch ihrer Familie oder gar Herrn D angesprochen hat. Nach Auffassung der herrschenden Judikatur6 und Lehre7 setzen BelästigerInnen Sexualität ein, um ihre Macht zu missbrauchen. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung stellt stets einen Eingriff in die Menschenwürde der belästigten Personen dar, der inakzeptabel ist. Jugendliche – die Antragstellerin war zum Zeitpunkt des Praktikums 17 Jahre alt – sind dabei als besonders schutzbedürftig anzusehen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er das sexuell belästigende Verhalten nicht getätigt hat.

Es liegt somit eine sexuelle Bela?stigung durch den Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

1.   Leistung eines angemessenen Schadenersatzes und

2.   Schulung des Antragsgegners und des übrigen Küchenpersonals im Umgang mit jugendlichen MitarbeiterInnen (insb. Lehrlingen und PraktikantInnen).

Wien, 21. März 2017

Mag.a Stefanie Mandl, MA

Stv. Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.

5  Vgl. ebenda § 6 Rz 28.

6  Vgl. OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z; OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z.

7  Vgl. u.a. Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2412 (2415 f).

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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