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L37059 Anzeigenabgabe Wien;Norm
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 17. März 1995, Zl. MD-VfR - C - 22/93, betreffend Vorschreibung von Anzeigenabgabe für die Jahre 1988 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1.1. Mit Bescheid vom 2. März 1993 schrieb der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer, der in den streitgegenständlichen Jahren als Einzelunternehmer unter der Bezeichnung "B Verlag" einen Verlag betrieben und Medienwerke herausgegeben hat, für den Zeitraum 1988 bis einschließlich 1992 Anzeigenabgabe in Höhe von S 635.066,-- samt Verspätungszuschlag von S 63.507,-- und einen Säumniszuschlag in Höhe von S 12.701,-- vor. Diese Abgabenfestsetzung betreffe die anlässlich der Vornahme und Verbreitung von Anzeigen in den Medienwerken "Einkaufsführer für Wissenschaft & Forschung", "SAT-TV", und "PC-Markt" vereinnahmten Entgelte. Diese seien bei einer vorangegangenen amtlichen Nachschau festgestellt worden.
1.1.2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 16. März 1993 Berufung. Die von ihm herausgegebenen Medienwerke erschienen nicht in Wien und es erfolge auch die Verbreitung nicht erstmals von Wien aus, sondern von den nicht in Wien gelegenen Sitzen der Druckerei bzw. des eingeschalteten Pressegroßvertriebes. Er selbst wohne im Ort S und habe auch weder seinen Standort in Wien noch erfolge die verwaltende Tätigkeit vorwiegend von Wien aus. Es sei bereits im Jahr 1988 eine Sitzverlegung nach L erfolgt, weil der allein für die gesamten Medienwerke verantwortliche Mitarbeiter dort seinen Wohnsitz habe und von dort aus die Publikationen gestalte, produziere und alle administrativen Schritte ausführe. Unter der Adresse Wien, S-Weg 24 (richtig: 124), befinde sich ein Büro im Ausmaß von 45 m2, in dem der Beschwerdeführer in gänzlich anderen Bereichen berufliche Aktivitäten - er habe vier verschiedene Gewerbeberechtigungen - ausübe. Schon aus Platzgründen sei eine Anzeigenadministration von Wien aus nicht möglich. Die den Verlagsbereich betreffende Wiener Telefonnummer sei beibehalten, schalte aber die überwiegende Zeit - wenn der alleinverantwortliche Mitarbeiter nicht zufällig aus anderen Gründen in Wien sei - automatisch auf dessen Telefonanschluss in L oder auf sein Mobiltelefon um.
Dem Akteninhalt (insbesondere den Revisionsunterlagen) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an die Gemeinde L entsprechend dem Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetz Anzeigenabgabe leistet.
In seiner Berufung bringt der Beschwerdeführer daher weiters vor, dass die vom niederösterreichischen Landesgesetzgeber als "vorrangig" bezeichneten Kriterien (für die Abgabenerhebung) im Land Niederösterreich verwirklicht würden. Da die Abgabe nur einer Gemeinde zustehe, schließe diese Bestimmung die Anwendung des § 4 Abs. 3 Wiener Anzeigenabgabengesetz aus. Weil keine Abgabepflicht nach dem Wiener Landesgesetz gegeben sei, seien auch Verspätungs- und Säumniszuschlag zu Unrecht vorgeschrieben worden. Die Behörde hätte auch ein (näher umschriebenes) Vorbringen des Beschwerdeführers als Antrag auf Bruchteilsfestsetzung im Sinne des § 4 Abs. 3 Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983, LGBl. Nr. 22 (im Folgenden: Wr AnzAbgG), zu werten gehabt, hilfsweise werde vorgebracht, dass die Behörde im Bescheid bzw. gleichzeitig mit dessen Erlassung eine Bruchteilsfestsetzung hätte vornehmen müssen.
1.1.3. Die Abgabenbehörde erster Instanz leitete daraufhin ein ergänzendes Ermittlungsverfahren ein und erhob, dass der Beschwerdeführer (neben seiner Verlagstätigkeit) über drei Gewerbeberechtigungen (nämlich für ein Handelsgewerbe, ein Adressenbüro und für Kunststoffverarbeitung) am Standort Wien, S-Weg 124, verfüge. Die Marktgemeinde L teilte mit, dass von ihr Anzeigenabgabe eingehoben werde, und übermittelte die entsprechende Verordnung des Gemeinderates. Eine Erhebung bei den zuständigen Finanzämtern in Wien und in Tulln ergab, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einkommens-, Gewerbe-, Umsatz- und Vermögensteuer beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Wiener Gemeindebezirk erfasst sei. Mit Schreiben vom 22. Juli 1993 wurden dem Beschwerdeführer die Ermittlungsergebnisse vorgehalten.
1.1.4. In der dazu abgegebenen Stellungnahme vom 25. August 1993 führte der Beschwerdeführer aus, dass die "Angabe", eine weitere Betriebsstätte sei in der Gemeinde L nicht aktenkundig, unzutreffend sei. Es sei auch die Annahme tatsachenwidrig, dass die Tätigkeit des Verlages nicht aktenkundig sei, weil der Filialbetrieb am 30. Oktober 1988 bei der Gemeinde L angemeldet worden sei und diese mit einem Hinweis auf die Fälligkeit der Anzeigenabgabe reagiert habe. Sowohl die Produktion der Druckwerke als auch die verwaltende Tätigkeit werde zum überwiegenden Teil in L ausgeübt. Der Redakteur der Zeitschrift "SAT-TV", Herr L., verfüge dort über ein eingerichtetes Büro. Somit sei die behördliche Schlussfolgerung, dass die Abgabepflicht nur in Wien gegeben sei, unzutreffend. Weiters enthielt die Stellungnahme eine detaillierte Aufstellung über die vom Beschwerdeführer im Zeitraum Oktober 1988 bis 25. August 1993 vertriebenen Druckwerke samt Angaben über die Modalitäten der Verbreitung und den eingeschalteten Pressegroßvertrieb.
Der Stellungnahme legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Marktgemeinde L vom 12. Oktober 1988 bei, aus dem hervorgeht, dass die Betriebsanmeldung des B Verlages in L zur Kenntnis genommen werde. Sämtliche Druckwerke, die vom Verlag des Beschwerdeführers von dieser Gemeinde aus erstmalig verbreitet würden, seien gemäß § 2 Abs. 2 Nö Anzeigenabgabegesetz "anzeigenpflichtig" (gemeint: anzeigenabgabepflichtig).
1.2.1. Am 11. Oktober 1993 erließ der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien eine Berufungsvorentscheidung, mit der der in Berufung gezogene Bescheid dahingehend abgeändert wurde, dass die Abgabenfestsetzung die Kalendermonate Oktober 1988 bis Juli 1992 betreffe. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
1.2.2. Infolge des rechtzeitigen Vorlageantrages vom 29. November 1993 galt die Berufung wiederum als unerledigt. In seinem Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer u.a. Folgendes vor:
"1. Ich betreibe in Wien Handel, Telefonmarketing, EDV-Verkauf etc.
Nur in diesem Sinn ist die Verlagstätigkeit als Filialtätigkeit (anderer Tätigkeiten) anzusehen, aber mit der Klarstellung, dass die gesamte Verlagstätigkeit in L ausgeübt wird. Durch Herrn L erfolgen in L
a) Erstellen der Artikel, Lay-out, Grafik, Texterfassung, Erfassung von TV-Programmen.
b) Auftragsbestätigung und Fakturenerfassung und Übergabe auf Datenträger der Buchhaltung.
c) Druckauftragerteilung (der Versand erfolgt von H aus und wird durch die Druckerei B administriert).
d) Erfassung von Buchhaltungsunterlagen auf Datenträger.
Es ist nicht richtig, dass ich bestätigt hätte, dass mein Verlagsunternehmen zur Gewerbesteuer veranlagt werde, vielmehr werde ich als Gewerbetreibender (siehe die eingangs angeführten Tätigkeiten) dortselbst geführt."
1.2.3. Dem behördlichen Schreiben vom 15. Dezember 1993, mit dem die Berufung der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt wurde, ist zu entnehmen, dass der ursprünglich vorgeschriebene Abgabenbetrag vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien durch Bruchteilsfestsetzung auf die Hälfte herabgesetzt worden sei.
1.2.4. Die belangte Behörde führte ihrerseits Erhebungen durch. Sie hob die den Streitzeitraum betreffenden Exemplare des Druckwerkes "SAT-TV" bei der Österreichischen Nationalbibliothek aus und stellte die Angaben im Impressum fest. Die Ausgaben dieses Druckwerkes ab Jänner 1993 waren - ebenso wie die anderen Druckwerke des Verlages - jedoch dort nicht lagernd. Weiters wurden telefonische Erhebungen bei Firmen, die in den verfahrensgegenständlichen Druckwerken des Verlages inseriert hatten, durchgeführt.
1.2.5. In einer weiteren Stellungnahme vom 6. Juni 1994 führte der Beschwerdeführer, soweit es sich nicht um Wiederholungen des bisherigen Vorbringens handelte, aus, dass der Verlag "Inhaber und Finanzier" sei, und L. als Herausgeber und Chefredakteur fungiere. Er erfasse die Fakturen und Auftragsbestätigungen der Anzeigenkunden in L und übergebe diese Unterlagen auf Datenträgern an die Buchhaltung. Die Abonnenten der Druckwerke zahlten auf die Verlagskonten die "Abo"-Beträge ein, welche direkt von der Buchhaltung bearbeitet würden. Für den Verlag sei ein Postfach beim Postamt 1192 eingerichtet. Herr L. komme mehrmals in der Woche nach Wien, um die für ihn wichtigen Poststücke abzuholen. Die Post gehe nicht nach L, weil eine große Anzahl von Abonnenten Verrechnungsschecks schickten, die sofort bearbeitet würden. Man könne sich daher dadurch einen Postweg ersparen und die "Abonnentendatei" effizienter führen. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass für die gegenständliche Zeitschrift (gemeint offenbar: "SAT-TV") die vom
Niederösterreichischen Anzeigenabgabengesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt würden.
1.2.6. Der als Zeuge namhaft gemachte L. gab am 20. September 1994 (nach einem erfolglosen Versuch der belangten Behörde, ihn zu laden) eine schriftliche Stellungnahme ab, die auszugsweise folgende Ausführungen enthält:
"...
2.) Für die Zeitschriften 'SAT-TV' und 'PC-Markt' war meine Tätigkeit die eines Chefredakteurs und Herausgebers. Diese bestand darin, dass ich für den Inhalt, die Produktion, die Koordination und die Abwicklung verantwortlich war. Für den "Einkaufsführer für Wissenschaft und Forschung" oblag mir die Koordination, die Vergabe der Produktionsaufträge an freie Mitarbeiter, die im Rahmen eines Werkvertrages beschäftigt wurden, die Endkontrolle, die Auftragserteilung an die Druckerei und die Versandlogistik.
3.) (...). Über die Konten des Medieninhabers war ich niemals verfügungsberechtigt. Die Fakturen wurden von mir kontrolliert und dem Beschwerdeführer, als Eigentümer des Verlages, zur Überweisung gegeben.
...
8.) Für meine Tätigkeit wurde jeweils ein projektbezogenes Honorar ausbezahlt, in dem die Aufwandsentschädigung enthalten war, anteilige Telefonkosten wurden getrennt abgerechnet."
Der Zeuge S. gab ebenfalls eine schriftliche Stellungnahme ab, deren Inhalt sich im Wesentlichen mit jener des L. deckt.
1.3. Mit Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 17. März 1995 (dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid) wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Vorschreibung des Verspätungszuschlages von S 63.507,-- zu entfallen habe, sodass ein Gesamtbetrag von S 647.767,-- zu entrichten sei. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides genüge es für die Anzeigenabgabepflicht in Wien, dass eines der im § 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG angeführten Kriterien erfüllt sei. Der Begriff "Standort" stamme aus dem Gewerberecht und werde dort nach allgemeiner Auffassung als der Ort definiert, an dem sich der Mittelpunkt der Tätigkeit des Unternehmers befinde. Der Mittelpunkt der Tätigkeit des Unternehmers sei dort, wo er den größten Teil des Jahres tätig sei bzw. wo der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit liege. Somit sei es völlig unbeachtlich, wo der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz habe. Aus den vorliegenden Unterlagen, den auszugsweisen Rechnungen des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit den von ihm verlegten Medienwerken sowie aus diesen Medienwerken, gehe eindeutig hervor, dass er selbst gegenüber seinen Geschäftspartnern und Kunden den Standort in Wien, S-Weg 124, angeführt habe.
Im angefochtenen Bescheid werden sodann das Impressum des Druckwerkes "SAT-TV" für näher bezeichnete Ausgaben sowie die Adresse und die Bankverbindung des Verlages entsprechend den Belegexemplaren wiedergegeben.
Diese Feststellungen - so heißt es in der Begründung weiter - unterstrichen, dass der Standort des Medieninhabers in Wien gewesen sei. Dass der Berufungswerber bestimmte Tätigkeiten für sein Unternehmen im Wege eines Werkvertrages durch dritte Personen zum Teil außerhalb Wiens durchführen habe lassen, ändere nichts daran, dass er Medieninhaber gewesen sei und die Medienwerke in seinem Namen und auf seine Rechnung erstellt worden seien. Es sei somit im Hinblick auf den Standort des Beschwerdeführers als Medieninhaber in Wien eine Steuerpflicht nach dem Wr AnzAbgG 1983 gegeben.
Allerdings sei im Hinblick auf die komplizierte Rechts- und Sachlage im gegenständlichen Fall von der Verhängung eines Verspätungszuschlages abzusehen, zumal die Abrechnung der Anzeigenabgabe in der Gemeinde L erfolgt sei und sich der Beschwerdeführer offensichtlich nicht seiner steuerlichen Pflichten entziehen habe wollen. Nach der Aktenlage stehe jedoch fest, dass er die Anzeigenabgabe nicht zum Fälligkeitstag entrichtet habe, weshalb ein Säumniszuschlag vorzuschreiben sei.
1.7. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf "Freiheit von der Wiener Anzeigenabgabe (und auf Freiheit von Nebenansprüchen zu dieser Abgabe)" verletzt erachtet.
1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, auf die der Beschwerdeführer replizierte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die hier relevanten Bestimmungen des § 1 Wr AnzAbgG lauten:
"§ 1. (1) Anzeigen, die in die in Wien erscheinenden Medienwerke (§ 1 Abs. 1 Z. 3 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) gegen Entgelt aufgenommen oder mit solchen ausgesendet oder verbreitet werden, unterliegen, sofern die Verbreitung nicht ausschließlich im Ausland erfolgt, einer Abgabe nach Maßgabe der Bestimmung dieses Gesetzes.
(2) Als Erscheinungsort des Medienwerkes gilt Wien dann, wenn die Verbreitung erstmals von hier aus erfolgt oder wenn der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat oder wenn die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in Wien ausgeübt wird.
..."
Eine Anzeigenabgabepflicht in Wien besteht daher bereits dann, wenn auch nur einer der in § 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG angeführten Tatbestände in Wien verwirklicht ist (vgl. Höld, Kommentar zu den Anzeigenabgabe- und Ankündigungsabgabegesetzen, 58).
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht insoweit Übereinstimmung, als eine allfällige Abgabepflicht im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen nur durch Erfüllung des in § 1 Abs. 2 zweiter Fall leg. cit. umschriebenen Tatbestandes (Standort des die Verbreitung besorgenden Medieninhabers in Wien) verwirklicht sein kann. Strittig ist, ob der Beschwerdeführer als Medieninhaber während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes seinen "Standort" in Wien gehabt hat.
2.2. Der Beschwerdeführer stellt in der Beschwerde zunächst die dem Bescheid zu Grunde liegende Bemessungsgrundlage außer Streit und wendet sich sodann dem Begriff des "Standortes" zu. Das Wr AnzAbgG enthalte keine Definition des Begriffes "Standort", weshalb diesem Begriff jene Bedeutung zukomme, die der Gesetzgeber anlässlich der Erlassung des Gesetzes vorgefunden habe. Der Abgabengesetzgeber könne nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung Steuerfolgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete verbinden, wobei er den Bedeutungsinhalt übernehme, der den Begriffen in ihrer jeweiligen Heimatdisziplin zukomme. Eine Heimatdisziplin für den Begriff des "Standortes im eigentlichen Wortsinn" sei nicht zu erkennen. Obwohl die WAO eine Reihe von (namentlich aufgezählten) ähnlichen Begriffen definiere, erfolge keine Definition des Begriffes "Standort". Unter "Standort" im Sinne des Wr AnzAbgG sei (aus näher dargelegten Gründen) etwas anderes zu verstehen als der Ort, an dem sich die "geschäftliche Oberleitung" befinde. Es sei daher in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid auf das Gewerberecht "zurückzugreifen", allerdings seien die von der belangten Behörde getroffenen Schlussfolgerungen unzutreffend. Denn wäre die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten periodischer Druckschriften sowie der Kleinverkauf solcher Druckwerke nicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 18 von der Gewerbeordnung (1973 bzw. 1994) ausgenommen, wäre gewerberechtlich in den Streitjahren L unbestreitbar der Standort des Beschwerdeführers für dieses (hier unterstellte) Gewerbe und müsste bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln um eine entsprechende Gewerbeberechtigung angesucht werden. Würde der Beschwerdeführer einen Buch-, Musikalienhandel- oder Kunstverlag (an Stelle eines Zeitschriftenverlages) führen, so unterläge er ebenfalls den Bestimmungen der Gewerbeordnung und würden vorstehende Bestimmungen im Hinblick auf den Standort L bzw. die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Tulln sinngemäß gelten. Es könne daher der hier anzuwendende gewerberechtliche Standortbegriff in Wien nicht erfüllt sein, wenn weder
-
die redaktionelle Gestaltung der Druckwerke, noch
-
der Verkehr mit den Anzeigenkunden (Akquisition, Fakturierung), noch
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der Verkehr mit den Druckerei- sowie den Versandunternehmen, noch
-
die Gesamtorganisation (Buchhaltung, Materialverwaltung, etc.)
in den streitgegenständlichen Jahren von Wien aus erfolgt sei. Denn "Standort" im Sinne des Gewerberechtes erfordere zumindest das Stattfinden irgendeines Produktions- oder sonstigen "unternehmerorganisatorisch" relevanten Prozesses.
2.3. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Wie der Beschwerdeführer richtig dargetan hat, kann der Abgabengesetzgeber Steuerfolgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete verbinden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1993, Zl. 92/16/0174, mwH).
Der Wiener Abgabengesetzgeber knüpft in § 1 Abs. 2 zweiter Fall Wr AnzAbgG die Abgabepflicht an den Umstand, dass der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat. Damit bedient er sich beim Begriffspaar "Medieninhaber (Verleger)" eines gesetzlich definierten Begriffes aus dem Medienrecht.
Die gesetzliche Definition des Medieninhabers (Verlegers) in § 1 Abs. 1 Z 8 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981 (im Folgenden: MedienG), lautet:
"Im Sinn der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ist
...
8. 'Medieninhaber (Verleger)': wer ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder sonst das Erscheinen von Medienwerken durch Inverkehrbringen der Medienstücke besorgt;"
Davon unterscheidet § 1 Abs. 1 Z 9 MedienG den Herausgeber, welcher folgendermaßen definiert ist:
"9. 'Herausgeber': wer die grundlegende Richtung des periodischen Mediums bestimmt;"
Als weitere Voraussetzung für die Erfüllung des in Rede stehenden Abgabentatbestandes muss der gesetzlich definierte Medieninhaber (Verleger) seinen Standort - hiefür fehlt es an einer Legaldefinition - in Wien haben.
2.4. Es ist daher zunächst auf den Begriff des "Medieninhabers (Verlegers)", auf den die Beschwerde nicht näher Bezug nimmt, und sodann auf den in der Beschwerde ausführlich behandelten Begriff des "Standortes" einzugehen.
2.4.1. Nach der gesetzlichen Definition des § 1 Abs. 1 Z 8 MedienG ist der Begriff des Medieninhabers (Verlegers) - unter anderem - dadurch gekennzeichnet, dass er das Medienunternehmen (§ 1 Abs. 1 Z 6 MedienG) oder einen Mediendienst betreibt. Es kommt also darauf an, dass er diese Tätigkeit auf seine Rechnung besorgt und die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das Unternehmen hat (vgl. Hartmann/Rieder, Kommentar zum Mediengesetz, 7). Dieser Kommentarmeinung entspricht auch die Rechtsprechung aller österreichischen Höchstgerichte. Unter dem Medieninhaber (Verleger) wird also, zumeist in Abgrenzung zum Herausgeber, derjenige verstanden, der Einfluss auf die wirtschaftliche Gestion des Unternehmens hat und dem die Vorteile aus den Anzeigeneinnahmen zukommen. Dem gegenüber ist die Stellung des Herausgebers dadurch gekennzeichnet, dass er die grundlegende Richtung des periodischen Mediums bestimmt (vgl. Hartmann/Rieder, a.a.O., 8), ihm also die so genannte "Richtlinienkompetenz" zukommt. Seiner Funktion entspricht es, für das Unternehmen eines anderen - nämlich des Medieninhabers - in leitender Stellung zu wirken. Seine wirtschaftliche Stellung hängt von der Vertragslage im einzelnen Fall ab (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1993, Slg. Nr. 13.583 = ÖStZB 1994, 441, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; Entscheidung des OGH vom 23. Mai 1989, 4 Ob 63/89 = MR 1989, 183).
2.4.2. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes Bild:
Aus dem gesamten Akteninhalt geht klar hervor, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinem in L ansässigen Mitarbeiter L. eine Zuständigkeitsverteilung in der Form bestanden hat, dass dem Beschwerdeführer die Stellung des "Medieninhabers (Verlegers)" und dem Mitarbeiter jene des "Herausgebers" im Sinne der vorstehenden Abgrenzung zugekommen ist. Hiefür spricht zunächst das (unstrittig richtige) Impressum des Druckwerkes "SAT-TV", das als Medieninhaber über den gesamten Streitzeitraum den B Verlag, der vom Beschwerdeführer als Einzelunternehmer betrieben wurde, ausweist. Der Mitarbeiter L. stellt die Aufgabenverteilung in seinem Schreiben vom 26. September 1994 (AS 166) ebenfalls in Einklang mit dem Impressum so dar, dass seine Tätigkeit für die Zeitschrift "SAT-TV" und "PC-Markt" die eines Chefredakteurs und Herausgebers war, während er über Konten nicht verfügungsberechtigt war. Die Kontrolle und Überweisung der Fakturen wurde vom Beschwerdeführer als Eigentümer des Verlages erledigt. Letztlich erhielt der Mitarbeiter nach dem gesamten Vorbringen und der Aktenlage für seine Tätigkeit nur ein Werkvertragshonorar und die Abgeltung seiner Barauslagen. Es flossen ihm jedoch keine weiteren Einkünfte aus der Anzeigenakquisition zu, weshalb er auch deshalb nicht die Stellung eines Medieninhabers (Verlegers) bekleidete.
2.4.3. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, dass das Wr AnzAbgG an einen eigenen Standortbegriff anknüpft. Der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, das Wr AnzAbgG meine mit "Standort" nicht den Ort der Geschäftsleitung, vielmehr sei dieser Begriff (im Sinne des Gewerberechtes) durch das "Stattfinden irgendeines Produktions- oder sonstigen unternehmensorganisatorisch relevanten Prozesses" charakterisiert, kann jedoch nicht beigetreten werden. Denn diese Auffassung trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass in § 1 Abs. 2 dritter Fall leg. cit. der Erscheinungsort als in Wien gelegen gilt (und somit eine Abgabenpflicht nach dem Wr AnzAbgG eintritt), wenn der Medieninhaber (Verleger) die "verwaltende Tätigkeit" vorwiegend in Wien ausübt. Wenn der Wiener Anzeigenabgabegesetzgeber neben dem Tatbestand des "Standortes" (§ 1 Abs. 2 zweiter Fall leg. cit.) alternativ jenen der "verwaltenden Tätigkeit" des Medieninhabers (Verlegers) als einen den Abgabenanspruch auslösenden Tatbestand vorsieht, müssen diesen beiden Tatbeständen unterschiedliche Begriffsinhalte zukommen.
Wenn nun im Gewerberecht unter dem Begriff des "Standortes" - wie dies der Beschwerdeführer anhand von Beispielen aus der Judikatur zutreffend darlegt - jener Ort verstanden wird, von dem aus die Zentrale (Hauptbetriebsstätte) das betreffende Gewerbe ausübt, wo sich der Kundenverkehr abspielt und wo sich die gewerbliche Tätigkeit vollzieht (vgl. hiezu Mache/Kinscher, Gewerbeordnung5, Rz 17 ff zu § 339 GewO 1973), so entspricht diesem gewerberechtlichen Standortbegriff bei dem in § 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG genannten Medieninhaber (Verleger) inhaltlich der Begriff der "verwaltenden Tätigkeit". Würde sich nun der im § 1 Abs. 2 zweiter Fall Wr AnzAbgG gebrauchte Begriff des Standortes mit dem gewerberechtlichen Standortbegriff decken, so verbliebe für § 1 Abs. 2 dritter Fall kein eigener Anwendungsbereich. Der belangten Behörde kann somit im Ergebnis wegen der Systematik der drei Abgabentatbestände des § 1 Abs. 2 Wr AnzAbgG nicht entgegengetreten werden, wenn sie für den hier gebrauchten Begriff des Standortes nicht das "Stattfinden irgendeines Produktionsprozesses", des Kundenverkehrs oder des Sich-Vollziehens einer gewerbsmäßig ausgeübten (wenn auch gemäß § 2 GewO 1994 vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommenen) Tätigkeit als essentiell ansah, sondern den Begriff des Standortes mit jenem des Ortes der Geschäftsleitung gleichsetzte.
2.5. Vor diesem Hintergrund ist es als nicht rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde den Standort des Medieninhabers, somit des Beschwerdeführers, der als Medieninhaber (Verleger) im vorliegenden Fall die geschäftliche Leitung seines Verlages innehatte, als in Wien gelegen annahm.
2.6. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Ermittlung des "Standortes" releviert, genügt es, auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
Dies gilt im Besonderen auch für den in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf der Aktenwidrigkeit, der darin erblickt wird, dass sich die belangte Behörde "in generali auf die Auskunft der Nationalbibliothek" berufen und weitere Anfragen unterlassen habe, die "den Produktionsort L zweifelsfrei ergeben" hätten. Nach den vorstehenden Erwägungen kommt es aber darauf nicht an.
Der Beschwerdeführer hat die Höhe der Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Anzeigenabgabe, die sämtliche vom Beschwerdeführer vertriebenen Druckwerke umfasste, sowohl im Abgabenverfahren als auch in der Beschwerde ausdrücklich außer Streit gestellt. Vom Beschwerdeführer wurde die behördliche Annahme, dass er Medieninhaber aller Druckwerke sei, auf die sich die Bemessungsgrundlage bezog, im Abgabenverfahren niemals bestritten; auch wurde kein Vorbringen erstattet, das für die Behörde Anlass gegeben hätte, an dieser Annahme zu zweifeln. Somit erweist sich auch die Verfahrensrüge, dass der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben wäre, als unberechtigt.
2.7. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Wiener Anzeigenabgabegesetzes sind aus Anlass dieses Beschwerdefalles nicht entstanden (wobei auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 1996, B 2709/95, hingewiesen wird, mit dem die Behandlung der zu dieser Zahl anhängig gewesenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt wurde).
2.8. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich daher, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.9. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
2.10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. I Z 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
2.11. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 18. September 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7VwRallg7 MedieninhaberAbgabenrechtliche GrundsätzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995170179.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.03.2013