Norm
§6 Abs1 Z3 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 9. August 2017 über den am 14. August 2014 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/568/14, zu folgendem
Prüfungsergebnis
Frau A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung des Antragsgegners vom 21. März 2017. Als weitere Auskunftsperson wurde Herr C am 21. März 2017 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Lehrvertrag der Antragstellerin mit Herrn D, die Bestätigung des Arbeitgebers vom 21. Februar 2014 über die Beendigung des Lehrverhältnisses und die Stellungnahme des Antragsgegners an die GAW vom 21. Februar 2014.
Dem Senat lagen weiters u.a. die Stellungnahme des Dienstgebers an die GAW vom 14. November 2013 sowie zwei Schreiben des Antragsgegners über seine Rechtsvertreterin an die GAW vom 22. Mai 2014 und vom 28. Juli 2014 vor.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei ab 2. September 2013 im Lehrberuf Restaurantfachfrau im Restaurant X in … beschäftigt gewesen. Ihr Ausbildner sei laut Lehrvertrag Herr E gewesen, sie sei aber auch von Herrn C und dem Antragsgegner, die beide Oberkellner seien, angeleitet worden.
Die Antragstellerin habe von Beginn an wahrgenommen, dass der Antragsgegner sie des Öfteren angestarrt habe. Ihr wären diese Blicke sehr unangenehm gewesen. Auch sei es vorgekommen, dass ihr der Antragsgegner im Bereich des Ausschanks über den Po gestrichen habe, wenn er hinter ihr vorbeigegangen sei. Zu Beginn habe die Antragstellerin gedacht, dass dies ein Zufall gewesen sein könnte, nachdem es jedoch mehrere Male vorgekommen sei, sei sie davon ausgegangen, dass es absichtlich passiert sei.
Während der Arbeitszeit im Restaurant habe die Antragstellerin einen Rock getragen. Als ihr dieser beim Stiegen steigen hochgerutscht sei und sie ihn wieder heruntergezogen habe, habe der Antragsgegner in anzüglichem Ton gemeint, dass ihn die Länge gar nicht störe.
Im Weiteren sei es zu der Situation gekommen, dass der Antragsgegner bei Regenwetter eine Sonnenbrille getragen habe. Als die Antragstellerin ihn gefragt habe, warum dies so sei, habe er gemeint, dass ihre Schönheit ihn blenden würde. Sie habe nichts mehr erwidert und sich weggedreht.
Am 5. Oktober 2013 habe die Antragstellerin Frühdienst gehabt. Gegen 12 Uhr, als fast niemand im Lokal anwesend gewesen sei, habe der Antragsgegner ein Stück Papier genommen, daraus ein Bällchen geformt und es ihr in den Ausschnitt geschossen. Ein anderer Kollege, der „F“ gerufen worden sei, habe darüber gelacht, der Antragstellerin sei die Situation jedoch sehr unangenehm gewesen. Der Antragsgegner habe sich über sie lustig gemacht und sie aufgefordert, das Bällchen herauszuholen. Als sie nichts getan habe, habe er gefragt, ob sie das nicht stören würde, da müsste doch was in ihrem Ausschnitt sein. Die Antragstellerin habe sich erniedrigt und gedemütigt gefühlt und versucht, die Situation so gut es gegangen sei zu ignorieren und weiterzumachen. An ihrem Verhalten sei jedoch deutlich erkennbar gewesen, dass sie die Angelegenheit nicht als Spaß empfunden habe.
Sie habe nicht gewusst, wie sie mit der Situation umgehen solle und sei aus diesem Grund am Sonntag, dem 6. Oktober 2013, nicht zum Frühdienst erschienen. Der Antragsgegner habe sie daraufhin angerufen und gefragt, was los wäre. Die Antragstellerin habe nicht gewusst, wie sie reagieren sollte und er habe daraufhin gemeint, ob sie nicht mehr wolle. Dies habe die Antragstellerin bejaht und der Antragsgegner habe ihr ein schönes Leben gewünscht und aufgelegt.
Schließlich habe die Antragstellerin auch ein SMS von Herrn C erhalten, dem anderen Oberkellner, mit der Frage, was los wäre. Als sie ihm erzählt habe, was passiert sei, habe dieser gemeint, er würde das Gespräch mit Herrn D, dem Arbeitgeber, suchen. Die Antragstellerin sei auch von einer anderen ehemaligen Kollegin kontaktiert worden, die berichtet habe, dass das Verhalten des Antragsgegners Frauen gegenüber im Unternehmen bekannt wäre. Er hätte sich bereits einmal mit der Tatsache verteidigt, dass er Frau und Kinder hätte und so wäre damals nichts weiter unternommen worden.
Am 8. Oktober 2013 habe es sodann noch ein Gespräch mit Herrn D gegeben. Die Antragstellerin habe diesem dabei von den Vorfällen mit dem Antragsgegner berichtet. Herr D habe ihr mitgeteilt, dass es ihm nicht bekannt gewesen wäre, dass sie aus diesem Grund nicht zur Arbeit gekommen wäre. Er habe gemeint, dass er erst dann etwas unternehmen könnte, wenn die Arbeiterkammer einschreiten würde.
Die Antragstellerin habe sich aus diesem Grund an die Arbeiterkammer gewandt, die an die GAW weiterverwiesen habe. Sie habe weder den Familiennamen des Antragsgegners, noch eine Zustelladresse gekannt. Außerdem sei sie grundsätzlich daran interessiert gewesen, ihren Lehrplatz eventuell doch wieder zu bekommen. Aus diesem Grund sei zunächst ein Schreiben an Herrn D als Arbeitgebervertreter gegangen, um die Adresse und den Nachnamen des Antragsgegners ausfindig zu machen und nachzufragen, ob die Antragstellerin den Lehrplatz wieder erlangen könne.
Nach mehreren Gesprächen der GAW mit Herrn D habe dieser schließlich eine schriftliche Stellungnahme erstattet, in der er im Wesentlichen erläutert habe, dass die Antragstellerin sehr unzuverlässig gewesen wäre und er ihr den Lehrplatz nicht wieder anbieten könnte, um weitere männliche Mitarbeiter vor ihren Vorwürfen zu schützen. Ebenfalls sei eine Zustelladresse für den Antragsgegner bekanntgegeben worden, sodass dieser nun auch zu einer Stellungnahme aufgefordert habe werden können. Eine Einigung sei im folgenden Schriftwechsel jedoch nicht erzielt worden, da der Antragsgegner keine Schadenersatzzahlung an die Antragstellerin leisten habe wollen, sondern ausschließlich eine Spende an eine gemeinnützige Einrichtung.
In der auf Ersuchen des Senats I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 16. September 2014 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Richtig sei, dass die Antragstellerin am 2. September 2013 im Lehrberuf Restaurantfachfrau im Restaurant X beschäftigt worden sei. Hiezu sei auszuführen, dass die Antragstellerin vom „Y“ vermittelt worden sei und vorerst vom 29. Juli 2013 bis 2. August 2013 ein Praktikum absolviert habe, um den Lehrberuf kennenzulernen. Bereits während dieser kurzen Praktikumszeit sei diese einmal zu spät zum Dienst erschienen. Dennoch sei ihr dann die Möglichkeit geboten worden, am 2. September 2013 ihre Lehre als Restaurantfachfrau zu beginnen und sei diese ab diesem Zeitpunkt selbstverständlich im Unternehmen angemeldet gewesen. Es sei die übliche Anmeldung zum Lehrvertrag bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer erfolgt. Mit Schreiben vom 10. September 2013 sei Herrn D mitgeteilt worden, dass sie noch einen weiteren aufrechten Lehrvertrag von der Vorfirma hätte. Im Hinblick darauf, dass sie diesen nicht ordnungsgemäß aufgelöst habe, sei das von Herrn D im Zusammenhang mit dem Betreuer von Y erfolgt.
Am 12. September 2013 sei die Antragstellerin erstmals aufgefordert worden, von ihr und der erziehungsberechtigten Person den nunmehr betreffend die Firma X geltenden Lehrvertrag zu unterfertigen. Zwischen 12. September 2013 und 4. Oktober 2013 sei sie diesbezüglich mehrmals aufgefordert worden und habe diese immer wieder angegeben „ich habe vergessen“. Auf die Frage „ob alles in Ordnung sei und ob es ihr im Betrieb gefalle“ habe sie stets mit „ja“ geantwortet und auch einen sehr glücklichen Eindruck gemacht.
Während der Lehrzeit sei die Antragstellerin des Öfteren zu spät bzw. gar nicht zum Dienst erschienen, dies unentschuldigt bzw. ohne vorherige Ankündigung. Abgesehen von der Praktikumszeit sei sie seit Ausstellung des Lehrvertrages erstmals am 7. September 2013 zu spät zum Frühdienst erschienen. Am 18. September und am 22. September sei sie überhaupt nicht erschienen. Nach telefonischer Kontaktaufnahme durch eine Mitarbeiterin habe sie erklärt „dass sie eigentlich die Lehre nicht mehr möchte und nicht mehr erscheinen werde“. Sie habe sohin telefonisch das Dienstverhältnis während der Probezeit aufgelöst. Über mehrmaliges Nachfragen habe sie immer nur erklärt, dass ihr eigentlich diese Tätigkeit selbst keinen Spaß mache.
Herr C habe sich dann telefonisch und persönlich nochmals mit der Antragstellerin in Verbindung gesetzt und sie gefragt, ob sie nicht doch noch einmal in den Betrieb zurückkommen möchte. Sie habe vorerst erklärt „dass sie sich um ihre geschiedene Mutter kümmern müsse und ihr die Doppelbelastung zu viel sei“. Nach einem weiteren Gespräch mit Herrn C habe sie dann gemeint „sie werde die Lehre doch noch einmal versuchen“.
Hätte die Antragstellerin tatsächlich von Beginn an wahrgenommen, dass der Antragsgegner sie des Öfteren angestarrt habe, was unangenehm gewesen wäre, sowie, dass er im Bereich der Ausschank über ihren Po gestrichen hätte, wenn er hinter ihr vorbeigegangen sei, so hätte sie dies von vornherein bekanntgeben können und müssen. Es sei sowohl die Schwester von Herrn D als auch eine weitere weibliche Ansprechperson (was den Lehrlingen auch bei Eintritt mitgeteilt worden sei) jederzeit für sie bereit gewesen, um Gespräche zu führen, aber es sei nie irgendeine Anschuldigung gekommen bzw. habe sie niemals das Gespräch gesucht. Erst nachdem sie wieder unentschuldigt ihrem Dienst ferngeblieben sei und der Antragsgegner ihr diesbezüglich am Telefon erklärt habe „sie brauche gar nicht mehr zu erscheinen“, habe sie sich an Herrn C, der vormals zigmal mit ihr gesprochen habe, gewandt, um ihr angebliches Problem mit dem Antragsgegner zu erläutern.
Hinsichtlich des Bereiches der Ausschank sei zu vermerken, dass dieser sehr eng sei, die Kellner dicke Brieftaschen umgeschnallt hätten und es so ständig zu unerwünschten und unfreiwilligen Kontakt auch zwischen männlichen Kollegen aufgrund des Platzmangels komme.
Die Behauptung, dass die Antragstellerin während des Dienstes der Rock beim Stiegen steigen hochgerutscht sei und der Antragsgegner im anzüglichen Ton vermerkt hätte, dass ihn die Länge gar nicht stören würde, sei schlicht und einfach unrichtig und falsch. Vielmehr würde es sich so verhalten, dass die Antragstellerin von der Schwester des Herrn D und auch von anderen Mitarbeitern darauf angesprochen worden sei, dass die Rocklänge für das Lokal nicht passend, nämlich zu kurz wäre, was diese allerdings nicht gestört habe, weiterhin den zu kurzen Rock zu tragen und sich keine andere Kleidung zu besorgen, sie habe die Aufforderung der Schwester des Chefs sich dem Lokal entsprechend zu kleiden einfach negiert.
Feststehe jedenfalls, dass es nie zu irgendwelchen Berührungen des Antragsgegners mit der Antragstellerin gekommen und dass auch beabsichtigterweise keinerlei Anstarren erfolgt sei.
Richtig sei, dass der Antragsgegner trotz Regenwetters eine Sonnenbrille getragen habe, dies allerdings deshalb, weil er aufgrund einer starken Verkühlung und einer Augenentzündung schwerst gerötete und tränende Augen gehabt habe, was geschmerzt habe. Die Antragstellerin habe sich darüber lustig gemacht und gemeint „ob der Antragsgegner damit cool erscheinen möchte“. Über diese unpassende Frage eines Lehrlings gegenüber eines Oberkellers habe sich dieser geärgert und daraufhin, selbstverständlich ironisch gemeint, tatsächlich die Antwort „Ihre Schönheit blendet mich, sodass ich eine Sonnenbrille benötige“ gegeben. Diese Äußerung sei keinesfalls erfolgt, um sie zu diskriminieren bzw. weil der Antragsgegner Gefallen an ihr gefunden hätte, sondern es sei lediglich die vielleicht auch unpassende Antwort auf eine mehr als unpassende Frage eines Lehrlings gewesen.
Richtig sei, dass der Antragsgegner am 5. Oktober 2013 der Antragstellerin ein Stück Papier zugeworfen habe, damit diese das, weil sie neben dem Mistkübel gestanden sei, entsorgen möge. Entweder durch unglückliches Werfen oder ungeschicktes Fangen habe sie das Papierstück nicht erwischt und sei ihr dieses in den Ausschnitt gerutscht. Damit sei die Angelegenheit allerdings bereits erledigt gewesen.
Völlig unrichtig sei, dass erstens um 12:00 Uhr mittags fast niemand im Lokal sei, weil das Lokal fast immer brechend voll sei, sowie zweitens, dass ein absichtliches Schießen des Bällchens in den Ausschnitt erfolgt sei bzw. eine Aufforderung dieses Bällchens wieder herauszuholen. Es habe sich nicht um Bällchen gehandelt, sondern um ein ganz normales Stück Papier, welches von der Antragstellerin schlicht und einfach in den Mist entsorgt werden hätte sollen.
Weder der Antragsgegner habe sich in irgendeiner Form lustig gemacht noch sei es zu Gelächter etc. gekommen, sondern sei die Aktion nach dem Werfen endgültig beendet gewesen und habe sich der Antragsgegner, nachdem Hochbetrieb um 12:00 Uhr mittags geherrscht habe, wieder an seine Arbeit begeben.
Im Hinblick darauf, dass sich die Antragstellerin bis dato immer wieder sehr schlagfertig erwiesen habe (Frage: „Wollen Sie mit der Sonnenbrille cool erscheinen?“, keine Änderung ihres Kleidungsstils trotz Aufforderung durch die Schwester des Chefs, ständige Ausreden für Zuspät- oder Nichterscheinen) sei es völlig unrichtig, dass sie aufgrund des Werfens eines Stück Papieres am 6. Oktober 2013 nicht zum Frühdienst erschienen sei, sondern handle es sich offensichtlich wieder einmal um ein eventuelles Zuspätkommen oder Garnichterscheinen selbstverständlich wieder, wie schon mehrmals, unentschuldigt. Aus diesem Grund habe der Antragsgegner – was er sicherlich nicht gemacht hätte, wäre er sich einer Schuld bewusst gewesen (er hätte jeden anderen Mitarbeiter der Firma anrufen lassen können) – bei der Antragstellerin angerufen und ihr erklärt, dass sie wegen des neuerlichen unentschuldigten Nichterscheinens gar nicht mehr kommen müsse, dies in Absprache mit Herrn D, dem Chef.
Offensichtlich habe sie gemeint, dass die Kündigung im Alleingange vom Antragsgegner erfolgt sei – was falsch sei, sie sei im Zusammenwirken mit dem Chef Herr D erfolgt – und habe sich wegen angeblicher Diskriminierung über den Antragsgegner beschwert.
Es habe auch niemals von anderen ehemaligen Kolleginnen Beschwerden gegenüber dem Antragsgegner gegeben. Wenn dies nun behauptet werde, so sei diese Behauptung entweder unrichtig oder es handle sich um eine ebenfalls gekündigte Mitarbeiterin, die sich in der Form am Antragsgegner und am ehemaligen Chef rächen möchte, in dem sie sich mit der Antragstellerin solidarisch erkläre.
Völlig unrichtig sei, dass Herr D vermeint hätte, dass er etwas unternehmen könne, wenn sich die Arbeiterkammer einschalte.
Herr D habe von vornherein stets erklärt, dass er den Anschuldigungen der Antragstellerin nicht glaube und sie auch nicht mehr einstellen werde.
Richtig sei, dass der Antragsgegner keine Schadenersatzzahlung an die Antragstellerin leisten habe wollen, dies schlicht und einfach deshalb, weil er sich nichts zu Schulden kommen habe lassen. Um aber ein langwieriges Verfahren hintanzuhalten, habe sich der Antragsgegner bereiterklärt, vorerst eine Spende in der Höhe von 300,- bis 500,- Euro entweder an die Krebshilfe, SOS-Kinderdörfer etc. zu leisten, wobei sich dies die Antragstellerin aussuchen hätte können wohin die Spende gehe, und habe er dieses Angebot sogar erhöht, dass die Spende bis zu 1.000,- Euro, sohin der Betrag der Mindestschadenersatzzahlung, sein könne.
Die Würde der Antragstellerin sei in keinster Weise beeinträchtigt worden, weder durch körperliche Berührungen, freizügige Witze noch in Komplimente verpackte Bemerkungen oder sexuelles Verhalten etc. Es seien durch den Antragsgegner keinerlei Äußerungen erfolgt, die geeignet seien, das Ansehen und die soziale Wertschätzung der Antragstellerin, etwa durch Geringschätzung oder Verspottung herabzusetzen bzw. das Ehrgefühl zu verletzen.
Die Bemerkungen über die Rocklänge seien niemals durch den Antragsgegner erfolgt, Berührungen am Po ebenfalls nicht und es habe auch keine Diskriminierung betreffend des Papierkügelchens gegeben.
Die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin sei sehr wohl sehr eingeschränkt und könne von einer einmaligen Unpünktlichkeit, wie es im Antrag erwähnt werde, keine Rede sein, sondern seien mehrmalige Unpünktlichkeiten und mehrmaliges unentschuldigtes Nichterscheinen erfolgt und würden die unrichtigen Anschuldigungen gegen den Antragsgegner offensichtlich Schutzbehauptungen darstellen, um zu erreichen, dass die Kündigung durch Herrn D rückgängig gemacht werde bzw. Geld bezahlt werde.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Als Dritte im Sinne des § 6 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2
Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise „zufällige“ Körperberührungen oder anzügliche, sei es auch in „Komplimente“ verpackte, Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben.3
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.
§ 12 Abs. 12 GlBG sieht für die Berufung auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG für die betroffene Person gewisse Beweiserleichterungen vor. Kann demnach die klagende Partei (hier: Antragstellerin) diejenigen Tatsachen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, glaubhaft machen, verlagert sich die „Beweislast“.5 Die Glaubhaftmachung stellt eine Senkung des notwendigen Beweismaßes gegenüber dem Voll- bzw. Regelbeweis dar.6 Dabei reicht es, wenn der Richter (hier: der Senat) von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines bestimmten Sachverhalts überzeugt ist.7 Gelingt daher die Glaubhaftmachung, obliegt der beklagten Partei (hier: Antragsgegner) der Gegenbeweis.8 Die Regeln zur Verteilung der Beweislast kommen dabei jedoch nur dann zur Anwendung, wenn ein Beweis für strittige, entscheidungswesentliche Tatsachen nicht erbracht werden kann.9 Sie bieten allerdings keine Richtlinien dafür, zu wessen Gunsten das Gericht Beweise zu würdigen hat, oder ob ein Beweis als erbracht anzusehen ist.10
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie im Zuge der Zusammenarbeit des Öfteren auf für sie unangenehme Weise angestarrt; ihr im Bereich des Ausschanks über den Po gestrichen; in anzüglichem Ton gemeint, dass ihn die Länge des Rockes der Antragstellerin gar nicht störe, als dieser beim Stiegen steigen hochgerutscht sei und sie ihn wieder heruntergezogen habe; auf die Frage warum er trotz Regenwetter eine Sonnenbrille trage erwidert, dass ihre Schönheit ihn blende sowie ihr ein Papierbällchen in den Ausschnitt geschossen, sich über sie lustig gemacht und sie aufgefordert dieses herauszuholen, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin ab 2. September 2013 im Lehrberuf Restaurantkauffrau im Restaurant X beschäftigt war. Der Ausbildner war laut Lehrvertrag Herr E, die Antragstellerin wurde aber auch vom Antragsgegner und einem weiteren Kollegen, die dort Oberkellner waren, angeleitet. Das Lehrverhältnis wurde am 6. Oktober 2013 beendet.
Im Hinblick auf die von der Antragstellerin als sexuelle Belästigung geschilderten Vorfälle liegen widersprechende Darstellungen über deren Ablauf vor.
Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist der Senat nicht vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer sexuellen Belästigung gemäß § 6 GlBG überzeugt. Für den Fall, dass der Beweis von strittigen, entscheidungswesentlichen Tatsachen nicht erbracht werden kann, greifen daher im Hinblick auf die hier behauptete sexuelle Belästigung die eingangs erwähnten besonderen Regeln zur Beweiserleichterung. Insbesondere beim Vorwurf der sexuellen Belästigung gestaltet es sich – wie sich auch hier zeigt – oft äußerst schwierig den vollen Beweis zu erbringen, da Behauptung gegen Behauptung steht.11 Der mündlichen Befragung der Beteiligten und dem persönlichen Eindruck, den der Senat von ihnen gewinnt kommt eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens zu.12 Insbesondere beim Vorwurf der sexuellen Belästigung sind die Schilderungen der Antragstellerin/des Antragstellers von besonderer Bedeutung, da der Tatbestand nach § 6 GlBG eine subjektive Komponente des/der Betroffenen enthält.
Die Antragstellerin wurde zu den Sitzungen des Senates I der GBK am 21. März 2017 und am 30. Mai 2017 geladen und ist zu beiden Terminen unentschuldigt nicht erschienen. In Anbetracht dessen, dass die GAW mit der Antragstellerin vor dem zweiten Termin in Kontakt war und diese ihr Kommen zugesichert hatte, wurde diese noch ein drittes Mal für den 9. August 2017 geladen. Da die Antragstellerin auch zu diesem Termin unentschuldigt nicht erschienen ist, konnte sich der Senat keinen persönlichen Eindruck von ihr verschaffen und war ihm die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens allein aufgrund des schriftlichen Antrages nicht in einem Ausmaß möglich, dass er von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der behaupteten Tatsachen überzeugt worden wäre.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist eine sexuelle Belästigung glaubhaft zu machen. Daher kommt es zu keiner Beweislastverlagerung gemäß § 12 Abs. 12 GlBG und geht dieses Beweisdefizit folglich zu Lasten der Antragstellerin.
Es kann somit keine sexuelle Belästigung durch den Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG festgestellt werden.
Es ist es dem Senat jedoch wichtig zu betonen, dass im Schutz minderjähriger ArbeitnehmerInnen ein wesentlicher Anwendungsbereich des Verbotes sexueller Belästigung liegt.13 Die Verantwortung der Einhaltung der Vorschriften zum Schutz der ArbeitnehmerInnen – insbesondere auch des GlBG – liegt beim/bei der ArbeitgeberIn, welche/r die Arbeitsbedingungen in diesem Sinne zu gestalten hat. Ferner sieht der Gesetzgeber insbesondere bei Lehrverhältnissen die Wahrnehmung der Ausbildungsaufgaben in erster Linie durch Personen mit gewissen pädagogisch-methodischen Kenntnissen vor.14 Ein konsequentes „Abschieben“ dieser Verantwortung, wie es hier vor allem im Hinblick auf den Umgang mit der Gesprächsführung im Zusammenhang mit sensiblen Themen wie Kleidervorschriften15 (Rocklänge einer minderjährigen Arbeitnehmerin) angedeutet wird, kann daher nicht der Intention des GlBG entsprechen. Vielmehr läge es im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesprächsführung auf angemessene Art stattfindet.
Des Weiteren ist anzumerken, dass – auch wenn im konkreten Fall keine sexuelle Belästigung festgestellt werden konnte – Verhaltensweisen, die für sich alleinstehend noch nicht die Massivität aufweisen um den Tatbestand der Belästigung zu erfüllen, in Summe durchaus diese Schwelle überschreiten können. Wie eingangs erwähnt, ist hier vor allem auch nicht die Intention der belästigenden Person ausschlaggebend.
Es ist daher gerade unter Arbeitskollegen ein sensibilisierter und angemessener Umgang wichtig. Kommentare wie die eines Arbeitskollegen, er trage eine Sonnenbrille, weil ihn die Schönheit der – minderjährigen! – Arbeitskollegin blende, stellen ohne Zweifel einen inadäquaten Umgang zwischen ArbeitskollegInnen dar.
Wien, 9. August 2017
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.
3 Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.
5 OGH 9.7.2008, 9 ObA 177/07f.
6 Vgl. Kletecka in Rebhahn/GlBG, § 12 Rz 57; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) §12 Rz 128; Rebhahn in Rebhahn/GlBG, § 5 Rz 70.
7 OGH 9.7.2008, 9 ObA 177/07f mwN.
8 Ebenda.
9 OGH 7.7.2004, 9 ObA 46/04m; RIS-Justiz RS0039875.
10 OGH 7.7.2004, 9 ObA 46/04m; RIS-Justiz RS0039875.
11 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 12 Rz 127; 307 der Beilagen XXII. GP – Regierungsvorlage, § 20.
12 Zur Bedeutung des persönlichen Eindrucks RIS-Justiz RS0098413 (OGH); zum Zweck einer mündlichen Anhörung RIS-Justiz RS0130315 (EGMR).
14 Berufsausbildungsgesetz § 29a ff (BGBl. Nr. 142/1969 idF BGBl. I Nr. 78/2015); Ausbilderprüfungsordnung § 1 (StF: BGBl. Nr. 852/1995).
15 Vgl. dazu Steger, Kleidung und Recht oder: Kämpfe um Kopftuch, Turban und andere Kleidungsstücke, Dissertation, Universität Wien (2008), 118: Weisungen im Zusammenhang mit dem äußere Erscheinungsbild des Arbeitnehmers stehen in einem besonderen Konfliktverhältnis zu den Persönlichkeitsrechten.
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017