TE Lvwg Beschluss 2017/7/24 VGW-123/V/077/9941/2017, VGW-123/V/077/9942/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.07.2017

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

WVRG 2014 §22 Abs2
WVRG 2014 §22 Abs3

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr.in Lettner als Vorsitzende, den Richter Dr. Oppel und die Richterin Mag.a Mandl über die begründeten Einwendungen der H. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte OG, in den Nachprüfungsverfahren zu den Ausschreibungsbedingungen und der zweiten Fragebeantwortung betreffend das Vergabefahren "Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einer Partei pro Los über die Lieferung von Antidekubitus-Systemen als Mietsysteme" der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, am 20.7.2017 durch mündliche Verkündung den

BESCHLUSS

gefasst

I.     Die beiden Verfahren betreffend Parteistellung der H. GmbH in den Nachprüfungsverfahren zur Ausschreibung und zur 2. Fragebeantwortung werden zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung verbunden.

II.    Die begründeten Einwendungen vom 19.06.2017 werden zurückgewiesen.

III.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Die Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund (Antragsgegnerin), vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, führt als öffentliche Auftraggeberin ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einer Partei pro Los über die Lieferung von Antidekubitus-Systemen als Mietsysteme. Die Ausschreibung ist in fünf Lose geteilt. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote ist der 26.6.2017, 12:00 Uhr, und als Termin für die Angebotsöffnung der 26.6.2017, 12:15 Uhr, festgesetzt.

In diesem Vergabeverfahren hat die Antragsgegnerin folgende Entscheidungen gesetzt:

1.       Ausschreibung vom 11.5.2017,

2.       1. Fragenbeantwortung vom 30.5.2017,

3.       2. Fragenbeantwortung vom 7.6.2017.

Gegen die Ausschreibung und gegen die 2. Fragenbeantwortung vom 7.6.2017 hat die A. GmbH mit Schriftsatz vom 14.6.2017 zwei Anträge auf Nichtigerklärung dieser beiden Entscheidungen und zwei Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gerichtet.

Die Einleitung der Nachprüfungsverfahren wurde am 16.6.2017 im Internet bekannt gemacht.

Mit Schriftsatz vom 19.6.2017 hat die H. GmbH begründete Einwendungen gemäß § 22 Abs. 3 WVRG gegen die beiden Nachprüfungsanträge erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, sie wolle sich an dem ausgeschriebenen Vergabeverfahren als Bieterin beteiligen und habe den Nachprüfungsanträgen entgegengesetzte Interessen dahingehend, dass die Ausschreibung und die 2. Fragenbeantwortung nicht nichtig erklärt werden.

Dazu hat das Verwaltungsgericht erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 2 WVRG sind Parteien des Nichtigerklärungsverfahrens ferner jene Unternehmerinnen, die durch die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (mitbeteiligte Parteien); insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieterin Partei des Nachprüfungsverfahrens.

Gemäß § 22 Abs. 3 WVRG verlieren Unternehmerinnen – ausgenommen die für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieterin – ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung nicht binnen zwei Wochen ab Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung erheben.

Nach der zit. Gesetzesbestimmung setzt die Parteistellung voraus, dass die Unternehmerin durch die begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein kann.

Eine solche unmittelbare rechtliche Betroffenheit käme vor allem dann in Betracht, wenn die beantragte Entscheidung gegen die Teilnahmewerberin wirken könnte, wenn also einem etwaigen späteren Nachprüfungsantrag ihrerseits entschiedene Sache entgegen gehalten werden könnte. Da dieser Aspekt zunächst noch nicht geklärt erschien, wurde die H. GmbH zunächst wie eine Teilnahmeberechtigte eingebunden.

In weiterer Folge hat der Senat erwogen, dass die Rechtstellung der Teilnahmewerberin weder durch eine gänzliche noch durch eine teilweise Stattgebung der Anträge auf Nichtigerklärung unmittelbar beeinträchtigt werden kann. Im Fall einer Nichtigerklärung der Ausschreibung wird etwaiges Vorbringen der Teilnahmewerberin gegen eine allfällige neue Ausschreibung durch das vorangegangene Nachprüfungsverfahren nicht präkludiert. Im Fall einer Teilnichtigerklärung gilt sinngemäß das Gleiche. Folglich ist eine Teilnahme am Nachprüfungsverfahren als Teilnahmewerberin nicht erforderlich, um die Rechtstellung der Teilnahmewerberin zu wahren. Eine Teilnahme an einem Nachprüfungsverfahren betreffend Ausschreibungsunterlagen kommt aus dieser grundsätzlichen Erwägung nicht in Betracht. Dies gilt auch für die Teilnahme am Nachprüfungsverfahren betreffend die zweite Fragenbeantwortung.

Im Übrigen soll durch das gegenständlich angestrengte Nachprüfungsverfahren festgestellt werden, ob die Ausschreibungsunterlagen den vergaberechtlichen Bestimmungen entsprechen. Durch diese Vorgangsweise wird gegenüber keinem Bewerber, auch nicht gegenüber der Teilnahmewerberin, „das Recht zur Abgabe eines Teilnahmeantrages“ in irgendeiner Weise beeinträchtigt, es sei denn, man wollte annehmen, dass die Ausschreibungsunterlagen zwischen der Auftraggeberin und der Teilnahmewerberin etwa im Wege einer Vorarbeit festgelegt worden wären. In der Überprüfung von Ausschreibungsunterlagen, die zum Ziel hat, vergaberechtlich einwandfrei Festlegungen zu finden und damit ein § 19 Abs. 1 Bundesvergabegesetz (BVergG 2006) entsprechendes Vergabeverfahren zu gewährleisten, kann ernsthaft eine Beeinträchtigung des Rechts der Einschreiterin auf Abgabe eines Teilnahmeantrages nicht erblickt werden. Vielmehr wäre ein Bewerber in seinen rechtlich geschützten Interessen unmittelbar nachteilig betroffen, sollten vergaberechtswidrige Festlegungen in Ausschreibungsunterlagen Grundlage für die Beteiligung an einem Vergabeverfahren sein.

Sollte die Einschreiterin mit den Berichtigungen der Ausschreibungsunterlagen durch die Auftraggeberin infolge allfälliger Nichtigerklärungen angefochtener Ausschreibungsbedingungen nicht einverstanden sein, hätte sie die Möglichkeit, diese Änderungen ebenfalls mit Nichtigerklärungsantrag anzufechten. Sollte jedoch dem Antrag auf Nichtigerklärung nicht stattgegeben werden, so wären die sodann bestandfest gewordenen Ausschreibungsunterlagen von allen Bewerbern bei Erstellung ihrer Teilnahmeanträge zu berücksichtigen. Sollte jedoch die Teilnahmewerberin zur Ansicht gelangen, dass die Ausschreibungsunterlagen Festlegungen enthalten, die ihr die Abgabe eines Teilnahmeantrages unmöglich machen oder erschweren, wäre sie gehalten, die Anfechtung der Ausschreibung oder einzelner Bestimmungen derselben selbst vorzunehmen und diesbezüglich einen Antrag auf Nichtigerklärung zu stellen.

Bei der gegebenen Sachlage teilt das erkennende Gericht nicht die Auffassung, dass die Einschreiterin in rechtlich geschützten Interessen durch die Ergebnisse des gegenständlichen Nichtigerklärungsverfahrens unmittelbar betroffen sein könnte. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts muss die Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen eines Bewerbers überdies ein Gewicht erreichen, wie es etwa beim präsumtiven Zuschlagsempfänger der Fall ist, der sich dem Nachprüfungsverfahren anschließt. Derartige Interessen, die die Einräumung einer Parteistellung im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren rechtfertigen könnten, hat die Einschreiterin im vorliegenden Fall nicht.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Möglichkeit, sich als Teilnahmeberechtigte an einem Nachprüfungsverfahren betreffend Ausschreibungsunterlagen zu beteiligen, auch in der bisherigen Rechtsprechung zumindest überwiegend abgelehnt wurde. In diesem Zusammenhang sind der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.9.2016, Zahl W 131 2135322-1 (RPA 2017, 180 ff mit Anmerkung von Bernhard Müller), der Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom 10.5.2012, Zahl VKS-3600/12, und der Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18.3.2014, VGW-123/V/060/21248/2014, anzuführen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Parteistellung, Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen eines Bewerbers, Teilnahmeberechtigte, präsumtiver Zuschlagsempfänger, Nachprüfungsverfahren, Ausschreibungsunterlagen, Fragebeantwortung,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.123.V.077.9941.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten