TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/24 VGW-001/016/8067/2017

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Veröffentlicht am 24.07.2017
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Entscheidungsdatum

24.07.2017

Index

95/01 Elektrotechnik
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ETG §9 Abs3
ETG §17 Abs1 Z1 litf
VStG §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde des F. Fr., S.-gasse, Wien, vom 25.5.2017 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 27.4.2017, Zl. MA ... - S 48274/16, betreffend eine Übertretung des § 9 Abs. 3 iVm § 17 Abs. 1 Z 1 lit. f Elektrotechnikgesetz 1992 – ETG, BGBl. Nr. 106/1993, idF BGBl. I Nr. 129/2015

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 27.4.2017 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dass er mehreren näher bezeichneten, ihm gemäß § 9 Abs. 3 ETG erteilten Aufträgen zur Behebung technischer Mängel – so wörtlich – „nicht innerhalb der gewährten Nachfristen und auch nicht bis zum 19.09.2016“ nachgekommen sei. Hiedurch habe er „§ 17 Abs. 1 lit. f“ (richtig: § 17 Abs. 1 Z 1 lit. f) leg. cit. verletzt und wurde über ihn eine Geldstrafe iHv EUR 2.100,– bzw. für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Tagen und sechs Stunden verhängt.

Hiegegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde vom 25.5.2017, in welcher – mit näherer Begründung – die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt wird.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht (einlangend am 9.6.2017) vor.

Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14.6.2017 wurde dem – verfahrensbeteiligten (vgl. § 13 iVm § 17 Abs. 4 ETG) – Landeshauptmann von Wien das angefochtene Straferkenntnis übermittelt.

Mit Eingabe vom 28.6.2017 hat jener bekannt gegeben, dass er inhaltlich keine Stellungnahme hiezu abgeben wird; bis zuletzt wurde durch ihn keine Beschwerde erhoben.

Das Verwaltungsgericht Wien nimmt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt als erwiesen an:

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet – soweit hier von Relevanz – wie folgt:

„Sie haben es als (Mit)Eigentümer und Betreiber der elektrischen Anlage im Haus in Wien, S.-gasse zu verantworten, dass entgegen den Bestimmungen des § 9 Abs. 3 ETG, den, mit rechtskräftigem Bescheid der MA 36 vom 13.04.2016 zur Geschäftszahl MA 36/... erteilten Aufträgen zur Behebung der technischen Mängel, [...]

nicht innerhalb der gewährten Nachfristen und auch nicht bis zum 19.09.2016 entsprochen wurde, als dies bei einem Augenschein durch ein Organ der MA 36 am 19.09.2016 festgestellt werden konnte.“

(Unkorrigiertes Originalzitat)

Zur Beweiswürdigung:

Die obigen Feststellungen gründen sich auf dem Inhalt des – dem vorgelegten Verwaltungsakt inneliegenden und ordnungsgemäß gefertigten (vgl. AS 91 ff.) – Originals des angefochtenen Straferkenntnisses, an dessen Echtheit und Richtigkeit das erkennende Gericht keinen Zweifel hegt.

Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen hat das Verwaltungsgericht stets in der Sache selbst zu entscheiden.

Auch in – wie hier – Verwaltungsstrafverfahren richtet sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).

Darüber hinaus ist jedoch das in § 42 leg. cit. normierte Verbot der „reformatio in peius“ zu berücksichtigen, welches nur dann nicht gilt, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Beschwerde nicht zu Gunsten des Bestraften erhoben wird. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinne des § 50 Abs. 1 VwGVG hinaus, etwa durch eine Erstreckung des Tatzeitraums, wurde durch den Gesetzgeber nicht geschaffen und würde dies eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und damit der Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht darstellen (vgl. zB VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018).

Das erkennende Gericht hat auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076), wobei in – wie hier – Verwaltungsstrafsachen die Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG beachtlich ist (vgl. auch § 38 VwGVG).

Die entscheidungserheblichen Bestimmungen des ETG, BGBl. Nr. 106/1993, lauten in ihrer im Tatzeitpunkt geltenden und hienach unveränderten Fassung BGBl. I Nr. 129/2015 – auszugsweise – wie folgt:

„Die Überwachung elektrischer Anlagen

§ 9. (1), (2) [...]

(3) Wird festgestellt, dass der Zustand oder Betrieb einer elektrischen Anlage diesem Bundesgesetz oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspricht, hat die Behörde dem Betreiber der elektrischen Anlage mit Bescheid aufzutragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb einer gleichzeitig festzusetzenden angemessenen Frist herzustellen. Als Betreiber der Anlage gilt deren Eigentümer, dessen Stellvertreter oder Beauftragte, subsidiär der Anlageninhaber sowie jede sonstige, offenkundig mit der tatsächlichen Betriebsaufsicht betraute Person.

(4), (5) [...]

Strafbestimmung

§ 17. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde oder der gem. §§ 170 oder 171 Mineralrohstoffgesetz-MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, zuständigen Behörde mit Geldstrafe

1. bis 25 435 € zu bestrafen, wer

a) – e) [...]

f) einer behördlichen Verfügung gem. § 9 Abs. 3 auch nach Ablauf der Nachfrist nicht nachkommt oder eine elektrische Anlage unter Missachtung einer gem. § 9 Abs. 3 oder Abs. 4 erlassenen Verfügung betreibt,

g) – i) [...]

2., 3. [...]

(2) – (4) [...]“

Bei einem Verstoß gegen § 9 Abs. 3 iVm § 17 Abs. 1 Z 1 lit. f ETG handelt es sich, zumal der Tatbestand durch die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines bestimmten Zustandes erfüllt wird (vgl. zB VwGH 28.11.2008, 2008/02/0228), um ein sog. „Dauerdelikt“.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, sind bei einem Dauerdelikt der Anfang und das Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch anzuführen (vgl. etwa VwGH 18.11.1983, 82/04/0156; 31.1.2003, 99/02/0337). So ist eine Formulierung im Sinne von „bis zum …“ im Lichte des § 44a Z 1 VStG unzureichend (vgl. VwGH 28.9.2006, 2005/07/0096; 20.5.2010, 2008/07/0162).

Vor diesem Hintergrund gibt der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses den entscheidungserheblichen Tatzeitraum nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend wieder. So wird dem Beschwerdeführer hier zur Last gelegt, dass er Aufträgen gemäß § 9 Abs. 3 ETG – wörtlich – „nicht innerhalb der gewährten Nachfristen und auch nicht bis zum 19.09.2016“ nachgekommen sei, und ist dieser Formulierung bloß das Ende des inkriminierten Verhaltens, nicht jedoch dessen Anfang zu entnehmen. Jener erschließt sich auch weder aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses noch aus dem übrigen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes; dies nicht zuletzt auch deshalb, weil auf Basis der Aktenlage nicht erkennbar ist, auf welche „Nachfristen“ sich die belangte Behörde mit ihrer Diktion bezieht, zumal soweit ersichtlich im vorliegenden Fall bloß einmalig eine Nachfrist gewährt wurde (vgl. aaO, AS 77 ff.), sodass die Verwendung der Pluralform im Spruch keine Rückschlüsse auf einen hinreichend bestimmten Tatzeitraum zulässt.

Das angefochtene Straferkenntnis ist daher schon alleine aus den vorgenannten Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

Gleichzeitig ist es dem Verwaltungsgericht verwehrt, den Verfahrensgegenstand durch eine Ausdehnung des Tatzeitraums zu erweitern (vgl. VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Eine Präzisierung desselben wäre hingegen zulässig (vgl. zB VwGH 22.3.2012, 2009/09/0268).

Das erkennende Gericht ist der Ansicht, dass im gegenständlichen Fall eine – erst nach Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens mögliche – Korrektur des Tatzeitraumes jedenfalls über eine bloße Präzisierung desselben hinausgehen müsste, weshalb eine solche im Lichte des § 42 VwGVG und der obzitierten Judikatur zu unterbleiben hat.

Es war sohin – schon alleine deshalb – spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).

Schlagworte

Überwachung elektrischer Anlagen; Dauerdelikt; Konkretisierungsgebot; Tatzeitraum unzureichend bestimmt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.001.016.8067.2017

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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