TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/27 VGW-151/074/5348/2017, VGW-151/074/5349/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2017
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Entscheidungsdatum

27.07.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs2 Z4
NAG §11 Abs5
NAG §11 Abs6
NAG §21 Abs1
NAG §21 Abs3 Z2
NAG §46 Abs1 Z2
EMRK Art 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Mandl über die Beschwerde der Frau H. M. , geb. am ...1990, Sta: Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Niederlassungsbewilligungen u. Ausländergrunderwerb, vom 21.12.2016, Zahl MA35-9/3109452-01, mit welchem gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), § 21a Abs. 1 NAG, § 11 Abs. 2 Z 4 NAG der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" abgewiesen wurde, sowie

über die Beschwerde der mj. A. Mi. L., geb. am ...2015, Sta: Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Niederlassungsbewilligungen u. Ausländergrunderwerb, vom 21.12.2016, Zahl MA35-9/3109456-01, mit welchem gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" abgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

1.) Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG werden die Beschwerden abgewiesen und die angefochtenen Bescheide bestätigt.

2.) Gemäß § 53b AVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 VwGVG wird der Erst-Beschwerdeführerin der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6.7.2017 zur GZ: VGW-KO-074/485/2017 mit 101,00 Euro bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 26.6.2017 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat diese erwachsenen Barauslagen in Höhe von 101,00 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.) Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Erst-Beschwerdeführerin (Erst-BF) und die Zweit-Beschwerdeführerin (Zweit-BF) stellten am 4.1.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)", welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.12.2016 abgewiesen wurde.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerinnen Familiengemeinschaft mit dem in Österreich niedergelassenen Ehemann der Erst-BF bzw. Vater der Zweit-BF begehrten. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Erst-BF mit einem Visum C, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Abuja (Gültigkeit von 1.10.2015 bis 1.1.2016), in das Bundesgebiet eingereist sei. Der gegenständliche Antrag sei am 4.1.2016 persönlich vor der Inlandsbehörde gestellt worden.

Am 7.1.2016 sei durch den Rechtsvertreter ein Zusatzantrag gestellt und damit begründet worden, dass die Erst-BF am ...2015 in Wien ihre Tochter (Zweit-BF) zur Welt gebracht habe. Der Ehemann der Erst-BF verfüge über eine unbefristet ausgestellte Bewilligung, auch ihr Schwager und dessen minderjährige Kinder lebten in Österreich. Eine Ausreise und korrekte Antragstellung sei nicht möglich, da die nigerianische Botschaft noch keinen Reisepass für das Kind ausgestellt habe und dieses Verfahren mehrere Monate in Anspruch nehmen würde. Auch aus medizinischen Gründen sei eine Auslandsantragstellung nicht möglich gewesen und werde auf die Geburt des Kindes verwiesen. Auch sei beabsichtigt gewesen, gegenständlichen Antrag vor Ablauf des Visum C einzubringen und seien diesbezüglich sämtliche Unterlagen dem Familienvertreter weitergegeben worden. Dieser sei allerdings erkrankt, sodass der gegenständliche Antrag erst am 4.1.2016 eingebracht habe werden können.

Die belangte Behörde führt dazu aus, dass die Erst-BF am 7.10.2016 gravid eingereist sei, die Tochter nur wenige Tage später geboren worden sei. Es sei somit vorauszusehen gewesen, dass die Erst-BF nicht rechtzeitig wieder ausreisen könne und sei in diesem Bewusstsein der gegenständliche Antrag nach Ablauf des Visums C bei der Behörde eingebracht worden. Das Kind sei nunmehr bereits 14 Monate alt und könnten weder der Aktenlage noch der Stellungnahme Gründe entnommen werden, warum nun eine korrekte Antragstellung bei der österreichischen Vertretungsbehörde nicht möglich oder nicht zumutbar sei.

Die Erst-BF sei bereits im Zuge der Antragstellung aufgefordert worden, einen Nachweis über Deutschkenntnisse auf Niveau A1 zu erbringen und seien in der Folge acht Fristerstreckungsanträge eingelangt, denen je stattgegeben worden sei. Der Nachweis über Deutschkenntnisse auf Niveau A1 sei jedoch nicht erfolgt, es sei lediglich eine Kursbestätigung vom 6.5.2016 vorgelegt worden, wonach die Erst-BF einen A1 (1) Grundstufe-1-Kurs besucht habe. Damit sei eine Voraussetzung für den beantragten Aufenthaltszweck nicht erfüllt.

Der Ehemann der Erst-BF sei aufrecht beschäftigt und verfüge über ein monatliches Einkommen von durchschnittlich Euro 1856,06. Der Nachweis allfälliger Zahlungsverpflichtungen (Kreditraten) sei trotz Aufforderung der Behörde nicht erbracht worden und werde auf den Wirtschaftlichkeitsindex des Ehemannes der Erst-BF mit 89,94 % (sehr schlecht) verwiesen. Nach den vorliegenden Unterlagen betrage das Einkommen des Ehegatten unter Berücksichtigung der freien Station Euro -427,03 und sei damit davon auszugehen, dass der Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde und der Lebensunterhalt nicht als gesichert anzusehen sei.

Im behördlichen Verfahren sei sodann eine Haftungserklärung von Frau A. L. (geboren ...1949, Schwiegermutter der Erst-BF und Großmutter der Zweit-BF), eine Inskriptionsvereinbarung für einen Deutschkurs des Clubs für interkulturelle Begegnung und eine Stellungnahme des Rechtsvertreters nachgereicht worden. Sodann sei eine Bankbestätigung der Schwiegermutter der Erst-BF mit einem Guthaben von Euro 78.698,79 vorgelegt und abermals ein Fristerstreckungsantrag eingebracht worden, da die Erst-BF die Deutschprüfung nicht bestanden habe. Dann sei ein Sprachdiplom auf Niveau A1 nachgereicht worden, wonach die Erst-BF bestanden habe.

Im Bescheid der Zweit-BF wurde die Antragsabweisung dahin begründet, dass das Einkommen des Zusammenführenden nicht den im § 11 Abs. 5 NAG genannten Richtsätzen entspreche.

Eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG im Sinn des Art. 8 EMRK gehe zu Ungunsten der Beschwerdeführerinnen aus. Die Beschwerdeführerinnen seien zur Antragstellung im Inland nicht berechtigt gewesen, sie hätten ihren Erstantrag vor ihrer Einreise nach Österreich bei der für Sie örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde in der Heimat einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen.

Dagegen wurde Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhoben und ausgeführt, dass die gesamte Familie des Ehegatten der Erst-BF in Österreich lebe. Dazu zählten seine Schwester mit Kind, seine Mutter, sein Bruder und dessen zwei Kinder. Dass der Antrag verspätet eingebracht worden sei, sei daran gelegen, dass das Kind krank gewesen sei, weshalb der Antrag nicht vom Ausland gestellt habe werden können. Eine Ausreise sei nicht möglich gewesen. Es sei seinerzeit auch eine Bestätigung des Arztes vorgelegt worden, wonach das Kind zu jung sei, um zu reisen und wegen des Infektes dies ebenfalls nicht möglich sei.

Hinsichtlich des Nachweises des Deutschkurses habe die Erst-BF den ersten Teil vorgelegt. Das Zertifikat habe die ausgewiesene Anwältin leider bis dato nicht erhalten. Zum Nachweis, dass die Prüfung A1 positiv abgelegt worden sei, werde das E-Mail vom 21.9.2016 vorgelegt. Somit sei dieses Erfordernis erfüllt.

Die belangte Behörde habe aufgrund der vorliegenden Unterlagen festgestellt, dass das Einkommen des Ehegatten der Erst-BF zu gering sei. Nochmals werde darauf hingewiesen, dass der Ehemann der Erst-BF der Sohn des ... sei. Finanzielle Notsituationen würden nicht eintreten. Die Schwiegermutter der Erst-BF besitze in Wien ein großes Eigenheim. Die Familie des Ehemannes der Erst-BF unterstütze die Beschwerdeführerinnen bei Bedarf. Weiters verdiene der Ehemann mehr als zuvor und würden auch diese Unterlagen nachgereicht.

Eine Aufforderung zum persönlichen Erscheinen sei der ausgewiesenen Anwältin nicht übermittelt worden und insbesondere auch keine Aufforderung, die Sprachkenntnisse durch einen Sprachtest nachzuweisen. Hinsichtlich der Schlussfolgerung, dass die Sprachkenntnisse erst spät erworben worden seien und dies ein Nachteil sei, werde darauf verwiesen, dass das Kind erst geboren worden sei und die ganze Aufmerksamkeit benötigt habe, sodass dies nicht früher möglich gewesen sei. Die Erst-BF sei bereit, wann immer bei der Behörde persönlich vorzusprechen und unter Beweis zu stellen, über A1 Kenntnisse zu verfügen.

Wenn die Behörde ausführe, dass keine oder zu geringe familiäre Bindungen bestünden, sei nachgewiesen worden, wer aller in Wien lebe und sei es Sitte, wenn eine Frau heirate, dass sie zur Familie des Mannes gehöre und diese lebe in Wien.

Die Beschwerdeführerinnen würden daher die Voraussetzungen gemäß Art. 8 EMRK zur Inlandsantragstellung erfüllen und werde ersucht, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid zu beheben sowie nach Anberaumung einer Verhandlung einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

Am 26.6.2017 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung statt, welche unter Zuziehung eines Dolmetsch folgenden Verlauf hatte:

Die Erst-BF gab an:

Mein Deutsch A1 habe ich letztes Jahr im Sommer abgeschlossen. Ich verweise auf das Zertifikat im Akt.

Ich bin seit ...2014 verheiratet. Ich habe in Nigeria geheiratet. Nach der Heirat habe ich beschlossen, zu meinem Mann nach Österreich zu ziehen.

Warum ich nicht in Nigeria nach diesem Entschluss den Antrag gestellt habe:

Ich wollte zuerst seine Familie kennenlernen, die waren alle in Österreich. Ich hab sie bis dahin nicht alle persönlich gekannt. Das persönliche Kennenlernen hat erst in Österreich stattgefunden. Bei der Hochzeit in Nigeria waren anwesend: seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester. Die sind jedoch nach der Hochzeit bald wieder abgereist. Der Vater meines Mannes war schon lange Zeit in Wien, er ist 2013 oder 2014 verstorben. Er war im diplomatischen Dienst.

Meinen Mann habe ich über einen gemeinsamen Freund in Nigeria kennengelernt. Der Freund hatte ein Foto von mir, das hat er dem Ehemann gezeigt. Wir haben uns drei Jahre lang verabredet. In den drei Jahren ist er mich mindestens fünf Mal in Nigeria besuchen gekommen.

Ich habe in Nigeria die Mittelschule besucht und habe noch nie gearbeitet. Mein Vater hat mich in Nigeria erhalten.

In Nigeria lebt noch mein Vater, meine Mutter, eine Schwester und Stiefgeschwister. Ein Bruder studiert auf Z.. Ich habe mit meinen Angehörigen in Nigeria regelmäßig, dh jeden Tag Kontakt.

Ich war seit meiner Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2015 nicht mehr in Nigeria.

Dass ich hochschwanger per Flugzeug nach Österreich eingereist bin:

Mein Arzt in Nigeria hat dazu keine Bedenken geäußert. Ich bin am 7.10. nach Österreich eingereist und habe am … per Kaiserschnitt mein Kind entbunden. Schon mit meinem Arzt in Nigeria habe ich entschieden, per Kaiserschnitt zu entbinden, es war nicht medizinisch indiziert, es war mein Wunsch. Meine nigerianischen Ärzte haben den 22.10. als Geburtstermin errechnet.

Das Baby hatte gleich nach der Geburt eine Ohreninfektion, die hat sich einige Monate hingezogen. Einige Monate, d.h. drei Monate sicher. Im Schreiben der Dr. O. vom 18.01.2016 ist die Rede von genau dieser Ohreninfektion. Das Kind wurde mit Ohrentropfen behandelt, es hat immer wieder geweint und geschrien und bei Berührung des Ohrs reagiert. Diese Infektion hat sich mittlerweile komplett gelegt, sie wird bald zwei Jahre alt.

Mittlerweile haben wir für das Baby auch einen Reisepass (Nr. ..., Gültigkeit: 6.11.2021, Ausstellungdatum 7.11.2016).

An der angegebenen Adresse wohnen nur wir drei (ich, mein Mann und das Kind).

Was mein Ehemann monatlich verdient, weiß ich gar nicht. Er hat sein eigenes Konto, davon weiß ich nichts.

Wieviel Miete für die Wohnung zu zahlen ist, weiß ich nicht genau, aber es sind sicher 1.000,-- Euro. Die Miete wird von meinem Mann bezahlt.

Ich habe seit meinem Deutsch A1 Zertifikat im Dezember 2016 keine weiteren Deutschkurse besucht. In einigen Monaten möchte ich wieder Deutsch lernen beginnen.

Nach Wegfall der Hindernisse (Infekt und Reisepass für das Kind) bin ich dennoch nicht nach Nigeria zur Antragsstellung ausgereist, weil das Verfahren hier im Laufen war und das Ergebnis abzuwarten war.

Auf Befragen der BFV gibt die BF an:

Die finanziellen Angelegenheiten werden zur Gänze von meinem Mann und seiner Mutter geregelt.

Für meine persönlichen Einkäufe sowie für den Haushalt gibt mir mein Ehemann ein Haushaltsgeld. Das sind ca. durchschnittlich 1.000,-- Euro monatlich bisher gewesen.

Die Schwiegermutter macht ab und zu Geschenke, gibt mir Geld, kauft etwas für das Baby.

Nach der Heirat ist es Tradition in Nigeria, dass die Frau zum Mann zieht. Das habe ich getan.

Der als Zeuge einvernommene Ehemann der Erst-BF und Vater der Zweit-BF gab nach Belehrung und Wahrheitserinnerung an:

Ich habe meine Frau vor ca. sechs Jahren. durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Der gemeinsame Freund lebt in Nigeria.

Ich bin seit 1999/2000 ca. in Österreich. Ich bin seit Dezember 2014 verheiratet, es ist meine erste Ehe.

Ich habe eine Ausbildung in Management Systemen in Europa und Nigeria, ich bin derzeit Geschäftsmann, wir entwickeln Immobilien.

Ich werde auf Vertragsbasis bezahlt, die Einkünfte fallen unterschiedlich aus. Ich schätze, dass ich im Jahr ca. 80.000,-- Euro verdiene. Das Geld steht mir selbst zur Verfügung.

In Österreich verdiene ich bei einer Gesellschaft ca. monatlich 1.590,-- Euro. In Nigeria habe ich Vermögen, von dort beziehe ich bei Bedarf zusätzliches Geld. Zuletzt habe ich im Jahr 2015 eine Banküberweisung von Nigeria nach Österreich getätigt.

Für die Wohnung zahle ich Miete 2.300,-- Euro monatlich.

Auf Vorhalt der drei Überweisungen von April, März und XY (unleserlich) im Akt:

Manchmal überweise ich im Voraus. Ich überweise auch im Nachhinein, zB wenn ich weg bin. Die Vermieterin akzeptiert diese Zahlungsweise.

Ich war 2015 zuletzt in Nigeria. Ich habe damals meine schwangere Frau nach Österreich geholt. Ich war bei der Geburt im Krankenhaus anwesend.

Der Umstand, dass meine Frau hochschwanger mit mir im Flugzeug gereist ist, hat uns schon Sorge bereitet. Wir haben die Reise mit dem Arzt zuvor besprochen.

Ich selbst habe noch viele Verwandte in Nigeria.

Mein Vater war seit dem Jahr 1995 in Österreich, er ist hier 2014 verstorben.

Ich hatte bis vor einem Jahr eine Haushaltshilfe in Vollzeit. Eine solche Unterstützung ist wieder geplant, wir müssen aber wegen dem Kind sorgfältig suchen. Wenn meine Frau beim Haushalt Hilfe braucht, wird sie seitens meiner Mutter und meiner Schwester unterstützt, dh die schicken jemanden.

Nach der Geburt hat das Kind eine Infektion bekommen. Die Infektion hat einige Monate gedauert. Nunmehr ist das Kind soweit gesund. Es handelt sich dabei um mein erstes Kind.

Auf Vorhalt des KSV Ratings per 13.6.2016:

Davon weiß ich nichts. Dazu kann ich nichts sagen.

Auf Vorhalt der Umsatzliste und dem Namen „Mo.“:

Das war ein Problem mit einer Frau und deren Kind, das jedoch nicht von mir ist. Da war ein Dauerauftrag eingerichtet, den habe ich vergessen zu stoppen.

Befragt von der BFV gibt der Zeuge weiters an:

Meine Mutter ist gemeinsam mit meinem Vater nach Österreich gekommen. Mein Vater war ... in Nigeria und .... Mein Bruder lebt mit seiner Familie ebenso in Österreich.

Das Rating kann auch auf keinen Kredit zurückgehen, ich habe in Österreich noch nie einen beantragt.

Meine Mutter unterstützt mich fallweise finanziell, wenn es erforderlich ist.

Wenn meine Frau den Aufenthaltstitel erhält, hat sie vor, an der ... Universität ihr Studium fortzusetzten und zwar Informationssysteme. Auch soll sie weiter Deutsch lernen.

Der BFV wurde aufgetragen, binnen einer Frist von drei Wochen Nachweise der Banküberweisungen im Jahr 2015 des Ehemannes von Nigeria nach Österreich, KSV-Auszug betreffend den Ehemann, Nachweis betreffend Mo. (Kindeseigenschaft amtliches Dokument) vorzulegen.

Binnen Frist wurde vorgelegt:

-    Schreiben der Erste Bank der Österreichischen Sparkassen AG vom 6.7.2017 samt Auflistung der Kontoumsätze seit Jänner 2014 betreffend den Ehemann der Erst-BF

-    KSV1870-Auszug vom 5.7.2017 betreffend den Ehemann der Erst-BF

-    Umsatzliste von 16.1.2014 bis 30.6.2017 bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien-AG betreffend Konto des Ehemannes der Erst-BF.

Weiters wurde vorgebracht, dass im Zusammenhang mit dem KSV-Auszug nochmals hingewiesen werde, dass der Ehemann der Erst-BF keinen Kredit aufgenommen habe und es sich beim bekannten Rating nur um einen Fehler handeln könne. Zur Umsatzliste der Raiffeisenbank werde ergänzt, dass der Ehemann der Erst-BF Geld von Österreich aber nicht von Nigeria nach Wien geschickt habe, bei seiner Aussage gegenteiliger Meinung gewesen sei, was sich jedoch bei Durchsicht der Unterlagen nicht bestätigt habe. Weiters werde bekannt gegeben, dass es sich bei Mo. um das leibliche Kind des Ehemannes der Erst-BF handle, dieses Thema habe der Ehemann jedoch in Anwesenheit seiner Ehefrau nicht ansprechen wollen und er sich entschuldige dafür, dass er auf die Frage des Gerichts eine andere Antwort gegeben habe, als sie den Tatsachen entspreche. Im Ergebnis könnten jedenfalls keine weiteren Unterlagen betreffend Mo. vorgelegt werden.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aufgrund des Akteninhaltes, der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden und dem Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Erst-BF ist am ...1990, die Zweit-BF ist am ...2015 geboren und ist die Zweit-BF das Kind der Erst-BF. Beide Beschwerdeführerinnen sind nigerianische Staatsangehörige. Die Erst-BF ist seit ...2014 verheiratet. Der Reisepass der Erst-BF hat eine Gültigkeit bis 21.4.2019. Die Zweit-BF verfügt nunmehr ebenso über einen Reisepass: Nr. ..., Gültigkeit: 6.11.2021, Ausstellungdatum 7.11.2016.

Die Erst-BF reiste am 7.10.2015 mit einem Visum C als hochschwangere Frau in das Bundesgebiet ein und brachte am ...2015 die Zweit-BF in Wien zur Welt. Am 4.1.2016 stellten die Erst- und Zweit-BF je einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot Karte plus (§ 46/1/2)“, welche mit durch gegenständliche Beschwerden angefochtenen Bescheiden abgewiesen wurden.

In dem am 7.1.2016 gemäß § 21 Abs. 3 NAG eingebrachten Zusatzantrag wurde zusammengefasst auf die Geburt der Zweit-BF am ...2015 hingewiesen sowie dass der Ehemann der Erst-BF über eine „unbefristet ausgestellte Bewilligung“ verfüge, auch der Schwager und dessen minderjährige Kinder in Österreich lebten und eine Ausreise und korrekte Antragstellung auch deswegen nicht möglich sei, da die nigerianische Botschaft noch keinen Reisepass für das Kind ausgestellt habe und dieses Verfahren mehrere Monate dauern würde. Aus medizinischen Gründen sei die Auslandsantragstellung nicht möglich und wird dazu auf die Geburt des Kindes verwiesen. Auch wäre beabsichtigt gewesen, gegenständlichen Antrag vor Ablauf des Visum C einzubringen, allerdings sei der Familienvertreter erkrankt, wobei hingewiesen werde, dass die Antragstellung am nächsten Werktag nach dem Fristablauf erfolgt sei.

Der Ehemann und die Erst-BF kennen sich seit ca. sechs Jahren und haben am ...2014 in Nigeria geheiratet. Bei der Hochzeit waren auch Familienmitglieder des Ehemannes anwesend. In der Zeit vor der Hochzeit, nach Angabe der Erst-BF drei Jahre, hat der Ehemann die Erst-BF in Nigeria mindestens fünf Mal besucht. Der Kontakt zwischen den beiden ist durch einen Freund in Nigeria entstanden.

Die Erst-BF hat im Heimatstaat die Mittelschule absolviert und noch nie gearbeitet. Sie wurde von ihrem Vater erhalten. Zu den Familienmitgliedern im Heimatstaat hat die Erst-BF regelmäßig Kontakt. Die Erst-BF war seit Oktober 2015 nicht mehr im Heimatland.

Die Erst-BF hat am 20.9.2016 Deutsch auf Niveau A1 bestanden und das bezügliche Zertifikat des ÖSD am 22.9.2016 der belangten Behörde übermittelt. Seither hat die Erst-BF keinen weiteren Deutschkurs mehr besucht.

Der Ehemann der Erst-BF lebt seit etwa 17 Jahren im Bundesgebiet und verfügt über „Daueraufenthalt-EU“. Er ist erwerbstätig und verdient als Angestellter laut Gehaltsüberweisungen im vorgelegten Kontoauszug monatlich durchschnittlich unter Beachtung des 13. und 14. Gehaltes gerundet Euro 1656. In Nigeria leben Verwandte des Ehemannes, die Mutter des Ehemannes, seine Schwester und sein Bruder samt Familie leben im Bundesgebiet. Der Schwiegervater der Erst-BF ist 2014 gestorben.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Ehemann der Erst-BF von Nigeria Geld bezieht bzw. im Jahr 2015 Geld von dort bezogen hat. Die vorgelegten Kontoauszüge stellen eine solche Kontobewegung nicht dar und wurde im zuletzt eingelangten Schriftsatz der Beschwerdeführerinnen vom 11.7.2017 angegeben, dass ein Geldtransfer von Österreich nach Nigeria stattfand, jedoch nicht von Nigeria nach Österreich.

Aus den mit Schriftsatz vom 11.7.2017 vorgelegten Kontoauszügen der Raiffeisenlandesbank des Ehemannes der Erst-BF ergibt sich, dass der Ehemann der Erst-BF bis September 2014 von seinem Vater monatlich Euro 5000 („pocket money“) erhalten hat und regelmäßig Überweisungen in Höhe von Euro 320 an Mo. erfolgt sind. Bei letzterem Geldtransfer handelt es sich um Unterhaltszahlungen, wie zuletzt im Schriftsatz vom 11.7.2017 - entgegen der Zeugenaussage des Ehemannes in der mündlichen Verhandlung – implizit zugestanden wurde. Das Konto des Ehemannes der Erst-BF befand sich jedenfalls seit Dezember 2014 im Plus, da damals ein Betrag von Euro 173000 überwiesen wurde. Seit November 2014 wird dem Ehemann der Erst-BF ein Gehalt in Höhe von durchschnittlich Euro 1656 überwiesen.

Das Konto des Ehemannes der Erst-BF bei der Erste Bank AG („...“) saldiert laut Kontoauszüge über den Zeitraum 2014 bis 6.7.2017 jeweils etwa ausgeglichen.

Dass der Ehemann der Erst-BF – nach seiner zeugenschaftlichen Aussage - ein jährliches Einkommen in der Höhe von Euro 80.000 habe, konnte aus den vorgelegten Unterlagen nicht festgestellt werden. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Ehemann der Erst-BF „mehr als zuvor“ verdiene. Entgegen dem Vorbringen und Beweisanbot in der Beschwerde erfolgten keine diesbezüglichen Nachweise. Vielmehr ergeben sich aus den vorgelegten Kontoauszügen der Höhe nach variierende Gehaltsüberweisungen, welche jedoch den Betrag von Euro 1590 – abgesehen von (aliquoten) Urlaubs-/Weihnachtsgeld – nicht übersteigen.

Der Ehemann der Erst-BF und die Beschwerdeführerinnen bewohnen in Wien eine Wohnung, wofür laut Mietvertrag ein monatliches Mietentgelt in Höhe von Euro 2300 vereinbart ist.

Die Erst-BF gab an, zur Miete oder dem Einkommen des Ehemannes nichts sagen zu können, da sich darum ihr Ehemann und die Schwiegermutter kümmern würden.

Den im behördlichen Verfahren vorgelegten Zahlungsbelegen betreffend die Wohnungsmiete ist zu entnehmen, dass die Miete für März 2016 in Höhe von Euro 2300 vom Konto des Ehemannes der Erst-BF bezahlt wurde, was im Überweisungsbeleg der Raiffeisenlandesbank (Bankstempel 6.4.2016) und im Kontoauszug der Raiffeisenlandesbank (Buchung 7.4.2016) Deckung findet. Die weiteren Belege für Mietzahlungen in Höhe von Euro 6900 am 7.3.2016 und in Höhe von Euro 4600 am (12.xx Datum nicht weiter zu erkennen) wurden über die Oberbank AG überwiesen und tragen als Kontoinhaber den Namen der Schwiegermutter der Erst-BF sowie deren Kontonummer bei der Oberbank AG.

Demnach steht fest, dass die Miete für die Wohnung der Beschwerdeführerinnen zumindest seit über einem Jahr nicht vom Einkommen des Ehemannes der Erst-BF bezahlt wird, da sich dieser Zahlungsvorgang aus den vorgelegten Urkunden lediglich einmal, nämlich am 6./7.4.2106, entnehmen lässt. Der Zeuge und die Erst-BF haben hingegen angegeben, dass die Miete vom Ehemann der Erst-BF bezahlt wird.

Die Schwiegermutter der Erst-BF (A. L., geboren ...1949) hat am 16.8.2016 eine Haftungserklärung für die Beschwerdeführerinnen abgegeben. Laut Schreiben der Oberbank AG vom 17.8.2016 betrug der Kontostand ihres Kontos per diesem Tag 78698,79 Euro.

Der KSV1870-Auszug betreffend den Ehemann der Erst-BF nennt keine offenen Verbindlichkeiten oder Kredite.

Laut Aussage des Ehemannes der Erst-BF war sein Vater ... von Nigeria und ... und ist 2014 verstorben.

Die Zweit-BF ist am ...2015 in Wien per Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Der Kaiserschnitt war Wunsch der Erst-BF und nicht medizinisch inidiziert. Nach der Geburt hatte die Zweit-BF einen Infekt und mussten Tropfen verabreicht werden. Diese Infektion dauerte etwa drei Monate, sie war demnach ab Jänner 2016 bereits abgeheilt. Die Zweit-BF verfügt seit November 2016 über einen eigenen Reisepass.

Im Verfahren der Zweit-BF wurde am 21.1.2016 eine Bestätigung der Dr. O., Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, vom 18.1.2016 vorgelegt, nach welcher die Zweit-BF derzeit zu jung sei und der „derzeitige Infekt“ aus medizinischer Sicht keine Flugreise nach Nigeria erlaube.

In der mündlichen Verhandlung haben die Eltern der Zweit-BF übereinstimmend angegeben, dass die Erkrankung der Zweit-BF nach einigen bzw. nach drei Monaten wieder abgeheilt war. Es erscheint daher nicht nachvollziehbar, dass drei Monate nach der Geburt am ...2015 und Auftreten des Infektes die Fachärztin diesen Infekt als Hindernis für die Flugreise nach Nigeria nennt. Dass die Zweit-BF zu jung sei, entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach Babys und Kleinkinder mit ihren Angehörigen im Flugzeug verreisen und die Airlines sich auf die daraus ergebenden Situationen bekannter Maßen einstellen. Dem Vorbringen, die Zweit-BF habe noch keinen Reisepass gehabt und habe dies mehrere Monate in Anspruch genommen, war ebenso nicht zu folgen, da z.B. in Notfällen die diplomatischen Vertretungen Reisedokumente kurzfristig ausstellen.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 46 Absatz 1 Z 2 NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte Plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Teiles erfüllen, und ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ innehat.

Gemäß § 11 Abs. 6 NAG muss die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Absatz 2 Z 2 bis 4 mit einer Haftungserklärung
(§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

Beim gegenständlich beantragten Aufenthaltstitel ist die Zulässigkeit einer Haftungserklärung nicht ausdrücklich angeführt, weshalb auf das Vorbringen in Zusammenhang mit der Haftungserklärung der Schwiegermutter der Erst-BF nicht weiter einzugehen ist.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

Gemäß § 21 Abs. 3 Z 2 NAG kann abweichend von Abs. 1 die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Absatz 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist: zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

(…)

Aus § 21 Abs. 3 Z 2 NAG ergibt sich, dass die Inlandsantragstellung auf begründeten Antrag dann zugelassen werden kann, wenn – ausnahmsweise, nämlich für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausreise des Fremden – ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht (VwGH 29.2.2012, 2010/21/0219).

Bei der vorzunehmenden Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 12.10.2015, Ro 2015/22/0022 mwN).

Die Erst-BF ist am 7.10.2015 mit einem Visum C mit einer Gültigkeit von 1.10.2015 bis 1.1.2016 in das Bundesgebiet eingereist und hat am ...2015 in Wien per Kaiserschnitt die Zweit-BF zur Welt gebracht. Die Beschwerdeführerinnen stellten am 4.1.2016 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die Beschwerdeführerinnen sind seit Oktober 2015 nicht mehr nach Nigeria zurückgekehrt und wohnen beim Ehemann der Erst-BF und Vater der Zweit-BF. Die Beschwerdeführerinnen sind demnach seit nicht ganz zwei Jahren in Österreich aufhältig.

Die Erst-BF ist in aufrechter Ehe mit einem Drittstaatsangehörigen mit Niederlassungsrecht in Österreich verheiratet. Die Erst-BF hat im September 2016 nach insgesamt achtmaliger Fristerstreckung im Verfahren der belangten Behörde die Deutschprüfung auf Niveau A1 nachgewiesen, obwohl gemäß § 21a Abs. 1 NAG mit der Stellung des Erstantrages auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen sind.

Die Erst-BF hat regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie und den Angehörigen im Heimatstaat, sie hat dort die Schule besucht und wurde bis zur Ausreise von ihrem Vater erhalten. Die Eheschließung hat zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als der Aufenthaltsstatus unsicher war. Die Erst-BF hat nach ihrer Angabe bereits bei Eheschließung im Dezember 2014 beschlossen, zu ihrem Mann in Österreich nach zu ziehen, doch erfolgte dieser Schritt erst mehr als neun Monate später und einen Tag vor der Geburt. Sie hätte demnach Zeit gehabt, den Antrag im Heimatstaat zu stellen und das Verfahren abzuwarten.

Wenn die Erst-BF im Beschwerdeverfahren angab, dass traditionsgemäß nach der Eheschließung die Ehefrau zum Ehemann ziehe, so ist festzuhalten, dass mehr als neun Monate vergangen sind, ehe die Erst-BF dem Mann tatsächlich nachgefolgt ist. Außerdem steht die geäußerte Tradition der Erhaltung und Entfaltung eines Familienlebens nach Ansicht des Gerichtes nicht entgegen, wenn die Beschwerdeführerinnen eine gewisse und absehbare Zeit zur gesetzmäßigen Antragstellung im Heimatstaat verbringen, zumal mehr als neun Monate ab Eheschließung und Nachzug vergangen waren. Die Erst-BF hat nach ihren Angaben „täglich“ Kontakt mit ihren Angehörigen im Heimatstaat und war ihr Ehemann in der Zeit vor der Eheschließung - in drei Jahren mindestens fünf Mal - auf Besuch bei ihr.

Die Erst-BF hat angegeben, etwa Euro 1000 von ihrem Ehemann als Haushaltsgeld zu erhalten und ist mit diesem Geld jedenfalls eine Rückkehr, ordnungsgemäße Antragstellung und Unterkunft zu bewerkstelligen. Weiters wurde angegeben, dass die Schwiegermutter der Erst-BF und Großmutter der Zweit-BF Geschenke macht oder Sachen kauft, sodass davon auszugehen ist, dass ausreichend Mittel vorhanden sind.

In oben zitierter Rechtsprechung wird auf § 11 Abs. 3 NAG Bezug genommen und ist dazu festzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerinnen seit Ablauf des Visums am 1.1.2016 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten und ist die Dauer des bisherigen Aufenthaltes nicht in den den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet; in diesem Zusammenhang wird auf die insgesamt acht Fristerstreckungsersuchen im behördlichen Verfahren, denen jeweils Folge gegeben worden ist, hingewiesen. Der Grad der Integration wird als gering angesehen, die Erst-BF hat erst etwa ein Jahr nach Antragstellung die Deutschprüfung auf Niveau A1 bestanden und nachgewiesen. In der mündlichen Verhandlung konnte sie sich ohne Dolmetsch nicht verständlich machen und gilt Gleiches für den zeugenschaftlich einvernommenen Ehemann. Bindungen zum Heimatstaat sind jedenfalls vorhanden, die Erst-BF hat regelmäßigen Kontakt zu ihren Angehörigen im Heimatstaat.

Zum Abweisungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG im Verfahren der Zweit-BF ist anzuführen, dass nach den getroffenen Feststellungen mit dem durchschnittlichen Gehalt des Zusammenführenden, wovon jedenfalls die regelmäßigen Unterhaltszahlungen abzuziehen sind, der in den genannten Bestimmungen normierte Richtsatz für ein Ehepaar und ein Kind nicht erreicht wird. Die Haftungserklärung der Großmutter der Zweit-BF war aus oben dargestelltem Grund nicht heranzuziehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0026 bis 0027).

Die vorliegende Aufenthaltsdauer liegt bei nicht ganz zwei Jahren, weshalb für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen an einer Titelerteilung bewirkt werden kann. Die Beschwerdeführerinnen halten sich rechtswidrig in Österreich auf und musste sich die Erst-BF zum Zeitpunkt des Eingehens der Ehe mit einem zum Aufenthalt in Österreich Berechtigten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein und durfte somit nicht damit rechnen, mit der Zweit-BF dauerhaft in Österreich bleiben zu können (VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Es bestehen auch keine Gründe für die Annahme, dass die Zweit-BF nicht weiterhin in der Obsorge ihrer Mutter stehen könnte.

Da die in den Beschwerden dargelegten Rechtswidrigkeiten in den angefochtenen Bescheiden keine Berechtigung fanden, waren die Bescheide zu bestätigen und war spruchgemäß zu entscheiden.

H I N W E I S

Die Vorschreibung der Kosten für den beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher gründet sich auf die angeführten Gesetzesstellen. Die Kosten sind auf das Konto, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40 zu entrichten.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Inlandsantragstellung, Interessenabwägung, Zulässigkeit Haftungserklärung, finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.074.5348.2017

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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