Entscheidungsdatum
27.07.2017Index
82/05 LebensmittelrechtNorm
LMSVG §21Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Zeller über die Beschwerde des Herrn R. B., vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 20.4.2017, Zahl: MBA ... - S 58434/16, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem LMSVG iVm der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1.) Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, erließ gegen den Beschwerdeführer datiert mit 20.04.2017 zur Zahl MBA ...- S 58434/16 ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
„Sie haben als verantwortlicher Beauftragter und somit als gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufendes Organ der „I.“ Gesellschaft m.b.H mit Sitz in Wien und Geschäftsanschrift Wien, I.-straße, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Unternehmerin im Sinne des § 21 LMSVG, insofern gegen die Bestimmung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung, LMIV) verstoßen hat, als es sich bei der verpackten Ware „Beach Flower Oliven mit Kernen, schwarz“, (Chargen-Nr.: ...) die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt war, am 14.06.2016 im Betrieb X.-Aktiengesellschaft in P., A.-Gasse, im Selbstbedienungsregal des Supermarktes zum Verkauf bereitgehalten und dadurch in Verkehr gebracht hat, nicht um natürlich gereifte schwarze Oliven handelt, was durch die Bezeichnung und das Zutatenverzeichnis suggeriert wird und somit den Verbraucher in die Irre führt, sondern lediglich um mit Eisen-II-gluconat (E579) schwarz gefärbte grüne Oliven, obwohl Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen, insbesondere indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 90 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 21 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006 idgF in Verbindung mit Artikel 7 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und Rates vom 25.Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV) idgF, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von € 250,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden
gemäß § 90 Abs.3 erster Strafsatz LMSVG.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: € 25,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 275,00. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.
Gemäß § 64 Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes haben Sie außerdem die in diesem Strafverfahren entstandenen Barauslagen zu ersetzen: € 165,90 für die Begutachtung durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) – Institut für Lebensmittelsicherheit Wien.
Die „I.“ Gesellschaft m.b.H. haftet für die mit diesem Bescheid über den verantwortliche/n Beauftragten, R. B., verhängte Geldstrafe von € 250,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 25,00 samt Barauslagen in der Höhe von € 165,90 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.“
2.) Mit Schriftsatz vom 22.05.2017 erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter binnen offener Frist Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde und beantragte die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens. Begründend führte er insbesondere aus, der Tatvorwurf sei unrichtig bzw. unschlüssig. Die belangte Behörde werfe dem Beschwerdeführer vor, die „I.“ Gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: I. GmbH) habe die verpackte Ware „Beach Flower Oliven mit Kernen, schwarz“ in einer in P. situierten Filiale der X.-Aktiengesellschaft zum Verkauf bereitgehalten und damit in Verkehr gebracht, obwohl es sich dabei nicht um natürlich gereifte schwarze Oliven gehandelt habe. Bei der I. GmbH handle es sich jedoch um einen Betrieb, der Lebensmittel importiere und im Wege des Großhandels vertreibe. Die I. GmbH habe die bezeichnete Ware am 14.06.2016 in P. nicht in Verkehr gebracht. Auch ergebe sich dies aus dem Akteninhalt nicht. Das Straferkenntnis sei daher rechtswidrig und eine Bestrafung des Beschwerdeführers unzulässig.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Die X.-Aktiengesellschaft bezog von am 02.03.2016 das als „Beach Flower Oliven mit Kernen, schwarz“ bezeichnete Produkt von X. AG aus N.. Vertreiber (mit Weitergabe an X. AG zu einem unbestimmten, davor liegenden Datum) war die I. GmbH. Am 14.06.2016 fand in einer Filiale der Handelskette X. in P. eine Lebensmittelkontrolle durch den Magistrat der Stadt P. statt. Das Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH hat ergeben, dass es sich bei dem bezeichneten Produkt tatsächlich nicht um natürlich gereifte schwarze Oliven handelt, sondern um mit Eisen-II-gluconat (E 579) schwarz gefärbte grüne Oliven.
Am 20.04.2017 erging durch den Magistrat der Stadt Wien das angefochtene Straferkenntnis. Darin wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, als verantwortlicher Beauftragter der I. GmbH zu verantworten zu haben, das bezeichnete Produkt am 14.6.2016 im Selbstbedienungsregal des Betriebes X.-Aktiengesellschaft in P., A.-Gasse, zum Verkauf bereitgehalten und dadurch in Verkehr gebracht zu haben.
Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgeblich:
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren vorgelegten unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Unterlagen und Urkunden, insbesondere auf das Probenbegleitschreiben von der Lebensmittelkontrolle des Magistrates der Stadt P. vom 14.06.2016 und das Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vom 27.10.2016.
Rechtlich war dieser Sachverhalt folgendermaßen zu würdigen:
Gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde.
Gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu EUR 50.000,--, im Wiederholungsfall bis zu EUR 100.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Gemäß § 90 Abs. 7 LMSVG ist die Verfolgung einer Person wegen einer der in den Abs. 1, 2, 3 oder 4 angeführten Verwaltungsübertretungen unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.
Gemäß § 3 Z 9 erster Satz LMSVG gilt als Inverkehrbringen im Sinne dieses Bundesgesetzes das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr.178/2002.
Gemäß Artikel 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bezeichnet der Ausdruck „Inverkehrbringen“ im Sinne dieser Verordnung das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.
Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer angelastet, als verantwortlicher Beauftragter der I. GmbH dafür verantwortlich zu sein, dass das Produkt „Beach Flower Oliven mit Kernen, schwarz“ am 14.06.2016 in einer Filiale der X.-Aktiengesellschaft zum Verkauf bereitgehalten und dadurch in Verkehr gebracht wurde.
Nach dem vorliegenden Akteninhalt ist die I. GmbH tatsächlich jedoch Vertreiber des bezeichneten Produktes und hat dieses an die X. AG an einem bisher unbekannten Datum (jedenfalls nicht an dem hier angelasteten) an X. AG weitergegeben und geliefert. Die I. GmbH hat daher dieses Produkt zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt jedenfalls nicht in einer X.-Filiale durch ein Bereithalten zum Verkauf in Verkehr gesetzt.
Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat könnte daher allenfalls nur im Inverkehrbringen durch den Verkauf bzw. Lieferung des Produktes (an X. AG) zu einem davor liegenden, bisher nicht eruierten Tatzeitpunkt bestehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es gemäß § 44a Z 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwGH (verstärkter Senat) vom 13. Juni 1984, 82/03/0265). Die Einhaltung des § 44a Z 1 und 2 VStG dient dazu, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (VwGH 17.09.2014, 2011/17/0210).
Weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführer die ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte und gemäß § 44a Z 1 VStG als erwiesen angenommene Verwaltungsübertretung begangen hat und eine Änderung des Tatvorwurfes durch das Verwaltungsgericht Wien aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung nicht in Betracht kommt, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen. Eine korrekte Tathandlung wurde dem Beschwerdeführer binnen der Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen. Denn eine Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. VwGH 19.06.1990, 89/04/0266).
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte in Hinblick auf § 44 Abs. 2 zweiter Fall VwGVG entfallen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Zum Revisionsausspruch:
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Eigenkontrolle; schwarz gefärbte grüne Oliven; Inverkehrbringen; Vertreiber; Tatvorwurf; KonkretisierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.022.056.7960.2017Zuletzt aktualisiert am
13.09.2017