Entscheidungsdatum
01.08.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §31 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Eidlitz über die Beschwerde der Frau B. M., vertreten durch Rechtsanwälte KG, vom 01.06.2017, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 (belangte Behörde), vom 21.04.2017, Zl. MA35-9/3141988-01, mit welchem der Antrag vom 24.08.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG idgF iVm § 11 Abs. 2 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG idgF, abgewiesen wurde, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
Gang des Verfahrens:
Die am …1986 geborene Beschwerdeführerin mit iranischer Staatsangehörigkeit stellte am 24.08.2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Teheran einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Studierender".
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 02.03.2017 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag vom 24.08.2016 mangels Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft abzuweisen. Gleichzeitig wurde ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung eingeräumt.
Die belangte Behörde übermittelte eine gescannte Fassung der Urschrift dieser Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 02.03.2017 am 08.03.2017 per E-Mail an die Österreichische Botschaft Teheran mit dem Ersuchen, diese an die Beschwerdeführerin auszufolgen und anschließend die von ihr bei Ausfolgung zu unterschreibende Übernahmebestätigung zurückzusenden. Sollte die persönliche Zustellung nicht möglich sein, werde um Aushang an der Amtstafel ersucht.
Mit E-Mail vom 16.03.2017 äußerte sich die Beschwerdeführerin zum behördlich gewährten Parteiengehör und legte Kopien eines Grundbuchauszuges samt Mietvertrag vor.
In der Folge entschied die belangte Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 21.04.2017. Nach dem Spruch dieses im Verwaltungsakt einliegenden Bescheids werde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 1 NAG iVm 11 Abs. 2 Z 2 NAG mangels eines Rechtsanspruches auf eine Unterkunft im Bundesland Wien abgewiesen. Die im Verwaltungsakt (einfach) einliegende Urschrift dieses Bescheids enthielt die Fertigungsklausel "Für den Landeshauptmann" sowie eine eigenhändige nicht leserliche Paraphe und einen Namensstempel der zuständigen Sachbearbeiterin und Genehmigerin. Die Urschrift enthielt (zusätzlich dazu jedoch) keine Amtssignatur, das heißt keine Bildmarke und keinen Hinweis im Dokument darauf, dass dieses amtssigniert sei. Laut Zustellverfügung sei der Bescheid der Beschwerdeführerin „via ÖB Teheran“ zuzustellen.
Die belangte Behörde übermittelte den voran genannten Bescheid der Österreichischen Botschaft in Teheran mit dem Ersuchen, diesen an die Beschwerdeführerin auszufolgen und anschließend die unterschriebene Übernahmebestätigung zu retournieren.
Die Österreichische Botschaft in Teheran übermittelte in weiterer Folge am 18.05.2017 eine gescannte Fassung der Urschrift des Bescheids vom 21.04.2017 per E-Mail an die Beschwerdeführerin (….COM).
Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht, dass der (in weiterer Folge) angefochtene Bescheid vom 21.04.2017 im Original persönlich ausgefolgt oder (zusätzlich) per Post übermittelt worden ist.
Mit Schriftsatz vom 01.06.2017 erhob die nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin die vorliegende Beschwerde, die bei der belangten Behörde ausweislich ihres Eingangstempels am 02.06.2017 einlangte.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien vor (hier eingelangt am 19.07.2017).
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Rechtslage:
§ 18 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der (rückwirkend mit 1.1.2008 in Kraft getretenen) Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt."
Der mittlerweile außer Kraft getretene § 82a AVG in der (ebenfalls einige Tage rückwirkend mit Jahresanfang 2008 in Kraft getretenen) Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007 hatte folgenden Wortlaut:
"§ 82a. Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 bedürfen keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur:
1. schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen;
2. schriftliche Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten."
Rechtliche Beurteilung:
Die belangte Behörde übermittelte die Urschrift des angefochtenen Bescheides der Österreichischen Botschaft in Teheran mit dem Ersuchen, diesen an die Beschwerdeführerin auszufolgen und anschließend die unterschriebene Übernahmebestätigung zu retournieren.
Die Österreichische Botschaft in Teheran leitete in weiterer Folge am 18.05.2017 eine gescannte Fassung der Urschrift des Bescheids vom 21.04.2017 als PDF-Datei per E-Mail an die Beschwerdeführerin weiter. Die Urschrift des Bescheides enthielt den Namen der genehmigenden Sachbearbeiterin sowie ihre Unterschrift, aber – wie erwähnt – keine Amtssignatur.
Allerdings erfüllt die in der PDF-Datei wiedergegebene gescannte Unterschrift nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 AVG. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung haben sonstige Ausfertigungen "die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten". Unter einer solchen Unterschrift kann nur eine originale Namenszeichnung verstanden werden und nicht eine bloß im Faxwege kopierte oder – was nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien unzweifelhaft einer Faxkopie gleichzuhalten ist – durch Einscannen in ein digitales Format übertragene Unterschrift (vgl. dazu ausführlich das Erkenntnis des VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0126, zur Rechtslage vor und seit dem 1.1.2011 im Zusammenhang mit der Übermittlung eines unterschriebenen, jedoch nicht amtssignierten Dokuments einer behördlichen Erledigung vom 25.8.2011 per Telefax).
Der Verwaltungsgerichtshof ist zudem der Ansicht entgegengetreten, dass eine "Ausfertigungsunterschrift" entweder eine Originalunterschrift oder aber auch eine "Kopienunterschrift" sein könne. Insbesondere ist die mit dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 eingefügte Bestimmung des § 82a AVG, wonach bis zum Ablauf des 31.12.2010 unter bestimmten Voraussetzungen schriftliche Ausfertigungen keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedurften, seit 1.1.2011 nicht mehr anzuwenden (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0126). Die (wenn auch nach der genannten Novelle wieder mögliche) Bescheiderlassung per Telefax (oder auch E-Mail) ist seit 1.1.2011 ohne Amtssignatur nicht mehr möglich (vgl. das in der Folge ergangene Erkenntnis des VwGH vom 24.2.2014, 2012/17/0014; ebenso die rechtswirksame Erlassung eines am 30.9.2013 versendeten Bescheids per Telefax verneinend das Erkenntnis des VwGH vom 27.3.2014, 2013/10/0244; anders im Hinblick auf § 37 ZustG bei Verwendung einer Amtssignatur gemäß § 19 E-GovG der Beschluss des VwGH vom 17.12.2014, Fr 2014/18/0033).
Ein Fax, das die im Original eingelegte urschriftliche Erledigung an der angewählten Endstelle ausgibt, ist einer gescannten elektronischen Kopie, die den Inhalt einer Urschrift digital erfasst und abbildet, gleichzuhalten. Beide Arten der Verarbeitung von Dokumenten sind der elektronischen Form zuzurechnen (häufig werden heute per Telefax übermittelte Schreiben beim Empfänger nicht ausgedruckt sondern zunächst als E-Mail an zuständige Stellen bzw. Abteilungen intern weitergeleitet). Dem elektronischen Dokument einer auch im Original zum Scannen eingelegten Urschrift, die keine Amtssignatur gemäß § 19 des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004, enthält, fehlt es wie einem ausgedruckten Telefax an einer der von § 18 Abs. 4 AVG geforderten Fertigungsformen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Teilband (2. Ausgabe 2014), § 18 Rz. 14, Rz. 23 und Rz. 27 zu Ausfertigungen in Form elektronischer Dokumente wie E-Mails oder als PDF-Datei gespeicherte und als Anhang versendete elektronische Dokumente; zur erforderlichen Amtssignatur für eine elektronische Fertigung ebenso Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 203 und Rz. 194/1).
Im Beschwerdefall konnte es daher durch die gewählte Vorgehensweise der beabsichtigten Zustellung einer unsignierten elektronischen Kopie des im Verwaltungsakt urschriftlich einliegenden Bescheids vom 21.04.2017 durch die Österreichische Botschaft Teheran (vgl. § 11 Abs. 1 des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982) zu keiner rechtswirksamen Erlassung dieses Bescheids gegenüber der Beschwerdeführerin kommen (etwa durch persönliche Ausfolgung). Die Übermittlung einer – wegen der fehlenden Amtssignatur § 18 Abs. 4 AVG nicht entsprechenden – Telekopie oder Fotokopie per E-Mail war nicht ausreichend (vgl. zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 16.7.2014, 2013/01/0173; sowie Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 203 und Rz. 203/1).
Mangels rechtswirksamer Zustellung liegt daher kein anfechtbarer Bescheid vor, weshalb die vorliegende Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheiderlassung, Zustellung, Bescheidausfertigung, sonstige Ausfertigungen, Unterschrift des Genehmigenden, Ausfertigungsunterschrift, Originalunterschrift, Kopieunterschrift, AmtssignaturEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.065.10052.2017Zuletzt aktualisiert am
25.08.2017