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25/02 Strafvollzug;Norm
GebAG 1975 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des D, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt M in P, gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Steyr vom 2. Februar 2000, Zl. 16 Hs 123/99a, betreffend Zeugengebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener der Justizanstalt G. Am 15. Dezember 1999 wurde er vor dem Bezirksgericht Steyr in der Zeit von 9.30 Uhr bis 11.45 Uhr im Rechtshilfeweg für ein deutsches Gericht als Zeuge vernommen.
Mit Eingabe vom 22. Dezember 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei gemäß §§ 44 ff StVG als Hilfskraft im Hauptmagazin der Justizanstalt G beschäftigt und beziehe hiefür gemäß §§ 51 Abs. 2 und 52 StVG eine nach den geleisteten Arbeitsstunden bemessene Arbeitsvergütung. Vergütet würden an Wochentagen sechs Stunden Arbeitszeit täglich in der Zeit von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr. Der Höhe nach betrage die Arbeitsvergütung für den Beschwerdeführer S 53,50 pro Stunde, wovon nach Abzug des Vollzugskostenanteils und der Arbeitslosenversicherung S 11,40 pro Stunde verblieben. Die Differenz zwischen den tatsächlich geleisteten Stunden und einer Monatsarbeitszeit von 140 Stunden werde als unbeschäftigte Stunden mit 5 % des erstgenannten Ansatzes, somit mit S 2,70 je Stunde vergütet. Der Beschwerdeführer habe einen Vergütungsanspruch für vier Arbeitsstunden verloren. Der hiedurch eingetretene Schaden errechne sich wie folgt: 4 x S 11,40, das seien S 45,60, abzüglich verbleibende Vergütung, 4 x S 2,70 = S 10,80. Es ergebe sich somit ein Verdienstentgang von S 34,80. Da dieser Verdienstentgang aber unter der gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG zustehenden Pauschalentschädigung für Zeitversäumnis (S 167,-- je Stunde) liege, werde Letztere in Höhe von 4 x S 167,--, somit von S 668,-- geltend gemacht.
Mit Bescheid des Kostenbeamten des Bezirksgerichtes Steyr vom 29. Dezember 1999 wurde die Zeugengebühr des Beschwerdeführers mit S 35,-- bestimmt.
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, erkennbar vom Vorsteher des Bezirksgerichtes Steyr erlassenen Bescheid wurde diese Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer seien vier Stunden an Arbeitszeit entgangen, wodurch er eine Einbuße an Vergütungsanspruch in der Höhe von S 34,80 erlitten habe. Für einen Erwerbstätigen bestünden grundsätzlich zwei Möglichkeiten, eine Entschädigung für Zeitversäumnis geltend zu machen. Entweder er bescheinige bloß den Grund seines Anspruches und begnüge sich mit der Pauschalgebühr nach § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG oder er bescheinige die Höhe seines Anspruches und beanspruche den tatsächlichen Verdienstentgang nach Z. 2 leg. cit. Die Entschädigung nach § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG basiere auf einem pauschal angenommenen Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen. Ein Strafgefangener sei nicht erwerbstätig. Deshalb stehe ihm auch keine Entschädigung zu, die nach dem Durchschnittseinkommen Erwerbstätiger festgesetzt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf gesetzmäßige Entschädigung für seinen Zeitaufwand als Zeuge verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte Teile der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 3 Abs. 1 Z. 2 und § 18 Abs. 1 und 2 GebAG lauten:
"Umfang der Gebühr
§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst
...
2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.
...
§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1.
167 S für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2.
anstatt der Entschädigung nach Z 1
a)
beim unselbstständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b)
beim selbstständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c)
anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d)
die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.
(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen."
Mit Ausnahme der Höhe des angeführten Gebührenbetrages in § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG geht die vorzitierte Fassung auf die Novellierung dieses Gesetzes durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343/1989, zurück.
In den Erläuterungen zur Novellierung des § 18 GebAG (RV: 888 BlgNR 17. GP, 28) heißt es (auszugsweise):
"Durch den § 18 Abs. 1 Z 1 soll die derzeitige Pauschalgebühr von 52 S auf eine zeitgemäße Höhe von 136 S angehoben werden; dieser Betrag entspricht auch der den im § 34 Abs. 2 GebAG 1975 genannten Sachverständigen nach § 32 Abs. 1 leg. cit. zustehenden Gebühr.
Im Hinblick auf die vorgeschlagene Höhe der Pauschalgebühr kann angenommen werden, dass die Anspruchsberechtigten künftig in erheblich geringerem Ausmaß von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, eine höhere Gebühr anzusprechen, zumal sie ja eine solche auch der Höhe nach bescheinigen müssen. Damit wäre eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung verbunden. Schon daraus folgt, dass diese Gebührenerhöhung den Bundeshaushalt voraussichtlich nicht zusätzlich belastete; dies abgesehen davon, dass im Zivilverfahren ohnedies grundsätzlich die Prozessparteien für diese Gebühren aufzukommen haben.
..."
Wie sich aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien unzweifelhaft ergibt, steht dem Zeugen, welcher bescheinigt, dass er durch die Befolgung der Zeugenpflicht dem Grunde nach einen Vermögensnachteil erlitten hat, das Recht zu, entweder den in § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG festgesetzten Pauschalbetrag anzusprechen oder aber den Ersatz des nach den Grundsätzen des § 18 Abs. 1 Z. 2 GebAG zu berechnenden konkreten Vermögensnachteiles zu begehren.
Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, ein Anspruch auf Ersatz der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG stehe lediglich Erwerbstätigen zu, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, setzt doch die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 GebAG lediglich voraus, dass der Zeuge durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet und pauschaliert § 18 Abs. 1 Z. 1 GebAG diese Entschädigung für alle solche Zeugen. Hiefür spricht auch § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. d ("Haushaltshilfskraft").
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der beanspruchte Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, zumal der Beschwerdeführer infolge der ihm gewährten Verfahrenshilfe von der Entrichtung dieser Gebühren befreit war.
Wien, am 18. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000170035.X00Im RIS seit
15.01.2001