TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/7 VGW-151/074/5340/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.08.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte
24/01 Strafgesetzbuch
25/01 Strafprozeß

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
NAG §8 Abs1 Z2
NAG §11 Abs2 Z1
NAG §11 Abs3
NAG §11 Abs4
NAG §21a Abs1
EMRK Art. 8
StGB §223 Abs2
StPO §203 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Mandl über die Beschwerde des Herrn S. B., geb. am ...1975, Sta: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft - Einwanderung der Bezirke ..., vom 27.02.2017, Zahl MA35-9/3072185-03, mit welchem 1) a) gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 1. Fall iVm § 69 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund des Antrages vom 14.4.2015 auf Erteilung des Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" und b) gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund des Verlängerungsantrages vom 13.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" von Amts wegen wieder aufgenommen wurde, 2) a) gemäß § 70 Abs. 1 AVG der Antrag vom 14.4.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 21a Abs. 1 NAG, b) gemäß § 70 Abs. 1 AVG der Antrag vom 13.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" nach dem NAG gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 21a Abs. 1 NAG und c) gemäß § 70 Abs. 1 AVG der Antrag vom 22.11.2013 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 46/1/2) nach dem NAG gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 21a Abs. 1 NAG abgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t :

I.   Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass in Punkt 2)c) des Spruches anstelle des Datums „22.11.2013“ das Datum „22.11.2016“ tritt.

II.  Gemäß § 53b AVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 VwGVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20.7.2017 zur GZ: VGW-KO-074/512/2017 mit 123,00 Euro bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 18.7.2017 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat diese erwachsenen Barauslagen in Höhe von 123,00 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.2.2010 wurde das aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers (BF) vom 14.4.2015 und vom 13.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 46/1/2) rechtskräftig abgeschlossene Verfahren je von Amts wegen wieder aufgenommen und abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag vom (richtig) 22.11.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 46/1/2) abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass dem BF aufgrund seines Antrages vom 14.4.2015 erstmalig ein Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 46/1/2) mit einer Gültigkeit vom 12.6.2015 bis 8.12.2015 ausgestellt worden sei. Der BF habe sich auf die Ehe mit einer serbischen Staatsbürgerin bezogen.

Am 13.11.2015 habe der BF die Verlängerung des Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 46/1/2) beantragt und sei ihm ein solcher mit Gültigkeit vom 9.12.2015 bis 9.12.2016 ausgestellt worden.

Am 22.11.2016 habe der BF einen weiteren Verlängerungsantrag bei der belangten Behörde eingebracht. Die belangte Behörde sei jedoch von der Landespolizeidirektion Wien dahingehend informiert worden, dass es sich bei dem vom BF vorgelegten A1 Zertifikat der D. vom 27.2.2015 um eine Totalfälschung handle.

Da es sich um eine Totalfälschung handle, habe sich der BF die Bewilligung für den Erstantrag erschlichen. Zum damaligen Zeitpunkt sei das Zeugnis nicht als Totalfälschung erkannt worden. Ein A2 Zertifikat sei bis dato nicht vorgelegt worden.

Im behördlichen Verfahren habe der rechtsfreundliche Vertreter hingewiesen, dass das Sprachzeugnis A1 nicht auf korrekte Weise erworben worden sei, dies formalrechtlich unverständlich sei, aus menschlicher Sicht jedoch nachvollziehbar, da der BF in Österreich mit seiner Gattin leben und einer Beschäftigung nachgehen habe wollen.

Von der belangten Behörde sei ausdrücklich zur Kenntnis genommen worden, dass sich der BF zu einem Deutschkurs angemeldet habe, doch sei dies erst nach der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme erfolgt und hätte der BF bereits seit Übernahme seines Aufenthaltstitels und Bundesgutscheines am 29.6.2015 einen Deutschkurs besuchen können. Eine Abwägung nach Art. 8 EMRK falle aufgrund der vorliegenden Fakten zu Ungunsten des BF aus, die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele seien höher zu werten als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des BF.

Für die belangte Behörde sei erwiesen, dass der BF ein gefälschtes Zertifikat auf dem Niveau A1 vorgelegt und sich somit den Aufenthaltstitel erschlichen habe, weshalb die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens gegeben seien.

Dagegen erhob der BF Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und führte darin aus, dass unstrittig die Staatsanwaltschaft Wien mit Entscheidung vom 23.3.2016 das Verfahren wegen falscher Urkunde nach § 223 Abs. 2 StGB unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren abgebrochen habe. Der BF habe sich bis auf das einmalige Fehlverhalten im Bundesgebiet wohl verhalten, ein integratives Familienleben mit seiner Ehefrau geführt und sei einer Arbeit nachgegangen.

Der BF habe sich vor Erstantragstellung von einem Dritten verleiten lassen, ein Deutschzertifikat anzunehmen, um einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet zu erlangen. Mittlerweile sei er jahrelang einer Arbeit nachgegangen, dem österreichischen Staat nicht zur Last gefallen, habe Steuern bezahlt und ein Familienleben geführt. Auch habe er sich nun zu einem Deutschkurs angemeldet und verweise auf die Kursantrittsbestätigung vom 9.3.2017.

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens und eine Verletzung seines Parteiengehörs werde darin gesehen, dass der BF keine Möglichkeit gehabt habe, zwischen Wiederaufnahme und Abweisung gehört zu werden.

Die belangte Behörde habe sich mit der neuerlichen Beurteilung des Sachverhalts nach unmittelbarer Wiederaufnahme der Verfahren mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass der BF zwischenzeitig am Arbeitsmarkt integriert sei und bis 30.1.2017 im Baukonzern St. tätig gewesen sei und nach seiner Kündigung einen neuen Dienstvertrag abgeschlossen habe. Dieses Arbeitsverhältnis habe am 6.2.2017 begonnen und sei er als Raumpfleger mit einem monatlichen Lohn von Euro 890,72 beschäftigt. Auch seine Ehefrau sei berufstätig, sodass das erforderliche Monatseinkommen überschritten werde. Auch habe er vorgebracht, zeitnah die A1 Prüfung nachzuholen.

Der BF sei wegen des gefälschten Zertifikats strafgerichtlich verurteilt worden und wolle diese Tatsache auch nicht bestreiten, das Fehlverhalten sei ihm auch vorwerfbar. Demgegenüber stehe jedoch die Tatsache, dass er nun einen Sprachkurs absolviere und nach Rückversetzung in das Erstverfahren ihm die Möglichkeit gegeben hätte werden sollen, dass er das echte Sprachzertifikat nach Erlangung der Behörde vorlegen dürfe. Die abweisende Entscheidung hätte nicht nur auf die verfälschte Urkunde gestützt werden dürfen. Die belangte Behörde hätte eine neue Interessenabwägung vornehmen müssen. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass er eine lange Zeit im Bundesgebiet gearbeitet habe und aufenthaltsverfestigt sei. Auch sei die Tatsache seiner Ehe zu berücksichtigen und dass die Abweisung seine Familie in einen Zustand bringe, der auch seine Frau hart treffe.

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erscheine verfehlt, weil entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verletzt seien, da nach dieser Bestimmung gravierende Delikte, wie Terrorismus etc. gemeint seien. Aufgrund dieser unrichtigen Einschätzung sei es zu einer Abwägung gekommen und hätte seine Integration, sein Zusammenleben mit seiner Ehefrau im Bundesgebiet, seine Arbeitsleistung und seine Steuerleistung für das Bundesgebiet in Betracht gezogen werden müssen. Durch die Abweisung seines Erstantrages und der Folgeanträge werde massiv in sein Privat- und Familienleben eingegriffen, da damit eine Familie auseinandergerissen werde. Die belangte Behörde hätte seinem Vorbringen zu seinem Leben mit seiner Ehefrau Beachtung schenken und letztlich zum Ergebnis gelangen müssen, dass nach Vorlage eines Sprachzeugnisses auf Niveau A1, ihm wiederum eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen gewesen wäre.

Er stelle daher den Antrag, das Verwaltungsgericht Wien wolle den Bescheid aufheben und eine neue Niederlassungsbewilligung im beantragten Ausmaß der Erstniederlassungsbewilligung erteilen, in eventu den Bescheid aufheben und zur Verfahrensergänzung zurückverweisen, eine mündliche Verhandlung anberaumen und einen Gerichtsdolmetsch der serbischen Sprache der Verhandlung beiziehen.

Der Beschwerde angeschlossen war: Kursantrittsbestätigung mit Datum 9.3.2017 des Bildungsinstituts G. in Wien, Kursanfang 16.3.2017, Kursende 5.4.2017, Kursniveau A1.

Im Beschwerdeverfahren legte der BF am 17.5.2017 vor: ÖSD Zertifikat A1 vom 8.5.2017 sowie Kursantrittsbestätigung mit Datum 15.5.2017 für einen Kurs ab 12.6.2017 im Bildungsinstitut G..

Am 7.7.2017 legte der BF vor: Kostenvoranschlag für Deutschkurs (A2) mit Abschlussprüfung, Kursbeginn 26.6.2017 bis 18.8.2017, Montag bis Freitag 9-12.15 Uhr, Kurskosten und Prüfung insgesamt Euro 760.

Mit der Ladung wurde der BF aufgefordert, die in der Beschwerde angeführte Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien vom 23.3.2016 dem Verwaltungsgericht binnen Frist vorzulegen.

Am 18.7.2017 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien unter Beiziehung einer Dolmetsch für die serbische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, welche im Wesentlichen folgenden Verlauf hatte:

Der BFV verweist auf das bisherige Vorbringen und führt aus, dass gegenständlich eine besondere Integration vorliege, die Familie lebe zusammen, der BF habe bis vor kurzem gearbeitet, er besuche derzeit einen A2-Kurs, in einem Monat sei voraussichtlich die Prüfung. Der BF habe stets viel gearbeitet und daher die Zeit für den Kursbesuch nicht aufgebracht. Die Frau des BF habe Rückenbeschwerden und brauche die Unterstützung des BF. Sie hätten keine gemeinsamen Kinder, jedoch lebten das Kind des BF und das Kind seiner Frau gemeinsam. Es werde auf ein gelinderes Mittel gehofft und auf eine günstige Abwägung.

Vorgelegt werde die Verständigung der StA Wien zur Zl. ... vom 23.3.2016.

Auf Befragen der Verhandlungsleiterin gibt der BF an:

„In Bosnien habe ich Automechaniker gelernt. Ich habe als solcher nie gearbeitet, ich habe als LKW-Fahrer in Bosnien gearbeitet.

Ich war noch nie verheiratet, ich habe aus einer Lebensgemeinschaft einen Sohn, der ist heute mitgekommen. Zur Kindesmutter besteht überhaupt kein Kontakt mehr. Sie ist gegangen, da war das Kind 4 Jahre alt.

Die Wohnung wird von mir, meiner Frau und den zwei Söhnen bewohnt, sie misst etwa 50 m² und ist im Erdgeschoß. Es handelt sich um eine Gemeindewohnung. Die monatliche Miete ist ca. EUR 300,-- und wird von meiner Frau und mir bezahlt.

Von den Söhnen, die auch in der Wohnung wohnen, geht mein leiblicher Sohn in die Schule und der Stiefsohn arbeitet als Taxifahrer.

Ich habe einige Zeit bei der St. gearbeitet und hatte da keine Zeit für den Deutschkurs, danach war ich bei einer Reinigungsfirma und habe ich Zeit für den Deutschkurs gefunden. Ich bin dann am Bein erkrankt und hatte eine Venen-OP. Die Venen-OP war am 22.5.2017.

In Bosnien leben noch meine Eltern und mein Bruder. Wir haben regelmäßig Kontakt. Mein Bruder hat keine Arbeit, er macht Gelegenheitsarbeiten. Meine Mutter wurde im Krieg verletzt, sie erhält eine Invalidenrente, mein Vater arbeitet nicht und hat auch keine Pension. Ich war zuletzt im Oktober 2016 in Bosnien. Seither war ich nicht mehr dort wegen des Visums.

Ich bin im Oktober oder November 2000 zum ersten Mal nach Österreich gekommen, dann immer wieder, mir hat diese Stadt und das Land gefallen.

Ich habe 2011 meine Frau kennengelernt, wir haben uns geschrieben und Kontakt gehalten, seit 2014 leben wir zusammen. Am ...2015 haben wir in P. geheiratet. P. deswegen, weil wir nur dort einen Termin bekommen haben.

Meine Frau ist schon über 30 Jahre in Österreich. Meine Frau war schon einmal verheiratet, aus dieser Ehe hat sie 2 Söhne, 30 und 21 Jahre alt.

Ich spreche nur bosnisch, ich lerne Deutsch. Andere Sprachen habe ich nie gelernt.

Zwei Brüder und eine Schwester von mir leben in Wien, zu denen besteht Kontakt. Ich habe auch eine Bekannte im ... Bezirk.

Ich habe im Jahr 2014 einen Mann getroffen, der mir angeboten hat, ein Diplom zu besorgen, welches ich für den Aufenthaltstitel brauche. Ich habe bereits vorher zweimal befristete VISA erhalten. Dem Mann habe ich für das Diplom EUR 700,-- bezahlt, sodass mir insgesamt mein Deutschnachweis bisher auf EUR 3.000,-- gekommen ist.

Der Gutschein für den Kurs war dann schon verfallen.

Ich glaube im März 2016 war dann jedenfalls die Polizei am Telefon, sie hat mich angerufen und aufgefordert, dass ich das Diplom vorlegen soll. Ich habe das Diplom vorgelegt. Weiter war dann gar nichts. Wann diese Verständigung von der StA Wien gekommen ist, weiß ich jetzt nicht mehr. Es war jedenfalls im Jahr 2016. Da steht drinnen, dass ich die nächsten 5 Jahre nichts anstellen darf, aber ich würde die nächsten 100 Jahre nichts mehr anstellen.

Bei diesen Polizeianrufen habe ich mir natürlich Sorgen gemacht, es hat mich beunruhigt. Ich habe gewusst, dass ich Deutschkenntnisse nachweisen muss und habe mir dann Vorwürfe gemacht und würde das nicht mehr tun.

Meine Sorgen damals habe ich meiner Frau erzählt, sie hat vorher nicht gewusst, dass das Diplom gefälscht war. Als ich es ihr erzählt habe, hat sie sich sehr aufgeregt und ist gleich panisch geworden.

Ich habe nunmehr A1 nachgemacht und besuche den A2-Kurs.

Die Arbeit bei der St. hat mit meiner Kündigung geendet, ich wollte den Deutschkurs machen und diese Arbeit war auf Abruf, d.h. ich habe 3 Stunden gearbeitet, bin nach Hause und wurde zwei Stunden später z.B. wieder angefordert.

Meine letzte Arbeitsstelle war bei einer Reinigungsfirma, es hat in der Probezeit schon wieder geendet. Ich habe mich krank gemeldet und daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis beendet.

Auf Vorhalt des SVDA, wonach ich zwischen August 2015 und Dezember 2015 nicht gearbeitet habe: Ich war auf Arbeitssuche und habe dies intensiv betrieben, ich bin von Tür zu Tür und hatte keine Zeit für den Deutschkurs.

Mein leiblicher Sohn ist seit März 2016 in Österreich. Er lernt Deutsch B1.

Auf Befragen des BFV gibt der BF an:

Zur Krankheit meiner Frau gebe ich an:

Sie hat eine 30%ige Behinderung, sie hat Beschwerden in der Wirbelsäule und fährt morgen auf Kur nach Bad Gastein. Sie hat auch Probleme mit ihren Venen und hatte am selben Tag wie ich, am 22.5.2017, eine Venen-OP. Ich helfe ihr beim Einkaufen, im Haushalt, begleite sie auswärts etc. Ich lebe mit meiner Frau seit September 2014 zusammen, mein Stiefsohn hat schon bei ihr gelebt und mein leiblicher Sohn ist seit März 2016 bei uns. Ich besuche regelmäßig den Deutschkurs in der T.-straße. Der Kurs dauert zwei Monate und ist täglich von 18 Uhr bis 21 Uhr.“

Die als Zeugin einvernommene Ehefrau gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung an:

„Ich selbst bin serbische Staatsangehörige und habe Daueraufenthalt-EU. Ich bin seit 1984 in Wien.

Dass wir in P. geheiratet haben, kommt daher, dass wir den Termin im ... Bezirk wegen verschiedener Dokumente aus Serbien nicht einhalten haben können und hat auch eine Freundin zuvor schon in P. geheiratet.

Ich habe keinen Beruf gelernt, war als Hilfsarbeiterin, Hilfsköchin, Bedienerin und zuletzt bei der M. in der Gebäudereinigung. Seit Ende Februar 2017 bin ich im Krankenstand, ich habe Probleme mit der Wirbelsäule, der Bandscheibe und fahre demnächst 3 Wochen auf Kur nach Bad Gastein.

Ich kenne meinen Mann seit dem Jahre 2011, wir haben uns über eine gemeinsame Freundin kennengelernt. Ich war bereits einmal verheiratet, und zwar für 20 Jahre, ich habe daraus 2 Söhne. In Serbien habe ich nur meine Schwester. In Wien habe ich nur einen Cousin. Meine Geschwister und meine Eltern sind schon gestorben. Ich kenne die Angehörigen und Verwandten von meinem Mann hier und in Bosnien. Wir haben Kontakt.

Auf Frage, wann ich erfahren habe, dass ein gefälschtes Deutsch-Diplom vorgelegt worden ist:

Ich habe es erst am Schluss erfahren. Es waren Anrufe von der Polizei beim Mann, und er sollte in den ... Bezirk zur Polizei kommen. Danach ist er zurückgekommen und hat das Diplom dorthin gebracht. Als er es mir danach erzählt hat, war ich sprachlos. Er hat es selber nicht erklären können, er hat gesagt, dass er nicht nachgedacht hätte, dumm gewesen und zu weit gegangen sei. Ich habe mit ihm geschimpft, weil er mich verletzt hat, er hat mich angelogen.

Von einem Strafverfahren weiß ich nichts, ich wurde nie vorgeladen.

Wie das Strafverfahren geendet hat: Er hat eine Verständigung bekommen, wo steht, dass er eine zweijährige Probezeit hat. Mit den Paragraphen konnte ich nichts anfangen. Wir haben diese Verständigung der StA Wien gemeinsam besprochen, er hat eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat, er war sehr schuldbewusst und hat gesagt, dass das nie wieder passieren wird. Überhaupt hat er sich vor den Kindern sehr geschämt. Ein solches Ende hätte er nicht erwartet. Er ist schon ein ernsthafter Mensch, der Gesetze einhält und sogar „Angst“ davor hat. Mein Mann ist Muslim, er ist gläubig und ist das auch nach dieser Wertvorstellung nicht okay. Auch sein Sohn sieht das so.

Derzeit besucht mein Mann den Kurs A2 in der T.-straße, der ist täglich von 18 Uhr bis 21 Uhr und am 18. August 2017 soll die Prüfung sein.

Bei St. hatte er sehr unregelmäßige Arbeitszeiten, manchmal 10 bis 12 Stunden, dann wieder 2 Stunden. Der Arbeitsweg hat schon ein 1 ½ Stunden gedauert. Schon während er bei St. war, hatte er versucht, einen Deutschkurs zu besuchen. Das ist aber wegen der Arbeitszeiten nicht gegangen. Er hatte bei St. mehrere Aufgaben, in der Abwasch, Schnee räumen, Geschirr wegräumen und Tische abwischen etc. Die Arbeitszeiten waren wirklich sehr unregelmäßig, manchmal bis 22 Uhr.

Die Deutschkurse zahlen wir zusammen, d.h. mein Mann und ich.

In der Wohnung im ... Bezirk leben wir zu viert. Mein Sohn hat immer bei mir gewohnt, mein Mann ist seit September 2014 in der Wohnung und sein Sohn ist im Dezember 2015 (Weihnachten) gekommen. Jedenfalls sind wir seit Frühling 2016 zu viert in der Wohnung.

Im Haushalt helfen alle zusammen. Ich selber darf nicht schwer tragen. Mein Mann hilft mir beim Wäsche waschen, wir gehen gemeinsam in die Waschküche, er hängt die Wäsche auf, trägt den vollen Wäschekorb, räumt die Wäsche weg, er kocht und geht einkaufen. Die Söhne unterstützen mich etwas weniger im Haushalt.

Derzeit hat mein Mann eine monatliche Unterstützung vom AMS in der Höhe von ca. EUR 780,--. Derzeit können wir nichts sparen. Ich habe derzeit ca. EUR 1.400,-- monatlich. Mein Sohn arbeitet seit 3 Wochen als Taxifahrer, er ist gelernter Installateur, und er zahlt zum Haushalt etwas dazu.

Mit Freunden und Bekannten sind wir nicht so viel zusammen, die Verwandtschaft ist ohnehin groß, wenn alle zusammen kommen.

Wenn ich meinen Mann mit drei Worten beschreiben soll: Er ist emotional, gut und ruhig, d.h. er ist nicht hysterisch.

Befragt vom BFV gibt die Zeugin weiters an:

Wenn mein Mann zurück nach Bosnien muss, so wäre „Aus und Schluss“. Ich habe geheiratet, damit er hier bei mir ist, ansonsten hätte ich nur befreundet sein können. Sein Kind ist auch hier, er hat die Schule begonnen.

Befragt von der VHL gibt die Zeugin weiters an:

Die Scheidung von meinem ersten Mann war im Jahr 2001 oder 2002. 2011 habe ich meinen zweiten Mann kennengelernt, und 2015 haben wir geheiratet. Die Zeit nach der Scheidung war eine schwierige, die Eltern waren krank, meine Geschwister sind gestorben, ich habe mich um meine Kinder gekümmert, und war damals kein Platz für eine Beziehung oder einen Ehemann.“

Der als Zeugin einvernommene Sohn des BF (A. B., geb. am: ...2000) gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung an:

„Ich bin seit Jahreswechsel 2015/2016 in Österreich und besuche die Schule.

Befragt vom BFV gibt der Zeuge weiters an:

Ich wohne seit Dezember 2015 in der Wohnung im ... Bezirk. Mein Vater und meine Stiefmutter gehen sehr freundlich miteinander um, mein Vater ist ein ruhiger Mensch, der viel Verständnis für Menschen und für seine Frau hat. Die Ehe wirkt auf mich sehr gut und könnte ein jeder froh sein, so eine Ehe zu führen.

Wenn ich beschreiben soll, wie der BF und seine Frau zu mir sind:

Sie ist wie eine Mutter geworden, der Sohn von ihr ist wie ein Bruder für mich geworden.

Ich habe in Bosnien 8 ½ Jahre die Schule besucht und besuche nunmehr ein College, als 9. Schuljahr. Dieses endet im Jänner 2018.“

Der als Zeuge vernommene Stiefsohn des BF (Ma. J., ...1996) gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung an:

„Ich arbeite seit 3 Wochen als Mietwagenfahrer. Derzeit arbeite ich meistens nachts. Wenn ich zuhause bin, schlafe ich mich aus. Das Zusammenleben in der Wohnung mit uns vier Erwachsenen beschreibe ich als „entspannt“. In das Badezimmer gehen wir hintereinander, es gibt kaum Reibereien.

Befragt vom BFV gibt der Zeuge weiters an:

Mein Verhältnis zum Stiefvater ist sehr gut. Er geht mit meiner Mutter auch sehr gut um, so freundlich ist mein Vater nicht mit ihr gewesen.

Meine Mutter hat Probleme mit den Bandscheiben und der Wirbelsäule, sie geht demnächst auf Kur. Der BF hilft ihr im Haushalt, Staubsaugen, Putzen, Einkaufen gehen etc. Auch ich gehe meiner Mutter zur Hand im Haushalt, z.B. wenn Gäste kommen.

Ich unterstütze meine Mutter, wenn es nötig ist, auch mit Geld, aber nicht monatlich. Ich habe Installateur ausgelernt.

Wenn der BF in den Heimatstaat zurück müsste, dann wären wir keine Familie mehr. Meine Mutter und er haben sich kennengelernt, sie haben geheiratet, um zusammen zu sein. Eine Fernbeziehung würde nicht funktionieren.“

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aufgrund des Akteninhaltes, des Beschwerdeverfahrens und dem Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der BF ist am ...1975 geboren und Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina. Der Reisepass des BF hat eine Gültigkeit bis 20.10.2017.

Der BF ist seit ...2015 mit Ja. B*, geboren ...1970, verheiratet. Die beiden haben sich im Jahr 2011 kennengelernt. Die Ehefrau des BF war schon einmal verheiratet. Die Ehefrau des BF verfügt über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung. Die Ehefrau des BF hat einen erwachsenen Sohn, Ma. J*, geboren ...1996, der mit ihr gemeinsam wohnt. Der BF hat einen Sohn, A. B*, geboren ...2000, der seit Dezember 2015 gemeinsam mit dem BF, seiner Ehefrau und deren Sohn zusammen in der Wohnung der Ehefrau lebt. Der BF lebt seit September 2014 in der Wohnung seiner Ehefrau.

Die Mietwohnung der Ehefrau des BF misst ca. 50 m² und wird eine monatliche Miete in Höhe von ca. Euro 300 entrichtet. Die Söhne der Ehefrau und des BF teilen sich das Schlafzimmer, der BF und seine Ehefrau schlafen im Wohnzimmer. Der Sohn des BF besucht eine Schule, der Sohn der Ehefrau arbeitet als Mietwagenchauffeur.

Die Ehefrau des BF ist seit Jahren erwerbstätig und war zuletzt in der Gebäudereinigung. Sie ist einen Tag nach der Verhandlung nach einer Venenoperation im Mai 2017 und wegen Rücken- und Bandscheibenproblemen zu einer dreiwöchigen Kur gefahren.

Der BF hat am 14.4.2015 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gestellt, welcher Aufenthaltstitel erteilt wurde und im Folgejahr verlängert wurde.

Der BF hat im behördlichen Verfahren ein Deutschzeugnis der D. mit Datum 27.2.2015 vorgelegt.

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 5.2.2016 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass das Sprachdiplom des BF eine Fälschung sei. Diese Aufstellung der LPD Wien enthält etwa 50 Namen, darunter jener des BF.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 6.2.2017 wurde der BF informiert, dass die Wiederaufnahme der abgeschlossenen Verfahren beabsichtigt sei, weil der BF laut Information der LPD Wien ein als Totalfälschung erkanntes A1 Zertifikat der D. vom 27.2.2015 vorgelegt habe; die Vorlage eines A2-Zertifikates sei bis dato nicht erfolgt.

Am 15.2.2017 erstattete der BF durch seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme. Sodann erging am 27.2.2017 der mit gegenständlicher Beschwerde angefochtene Bescheid.

Der BF hat unbestritten am 15.12.2015 im Zuge der Antragstellung auf Erteilung des Aufenthaltstitels ein Sprachdiplom A1 vorgelegt, das gefälscht war.

Der BF wurde zur Zahl ... durch die Staatsanwaltschaft Wien am 23.3.2016 verständigt. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

„Verständigung des/der Beschuldigten vom Rücktritt von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit

Gegen Sie wurde durch die LPD Wien AFA FB 1.4 – Fremdenpol. Erhebungs- und Einsatzgr. ein Ermittlungsverfahren wegen des Vergehens nach § 223 (2) StGB geführt. Demnach sind sie verdächtig, Sie haben am 15.12.2015 im Zuge der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eine falsche oder verfälschte Urkunde (Sprachdiplom) des Instituts D. im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht. Sie haben hiedurch das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB begangen.

Die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieses Tatvorwurfs unterbleibt vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren. (…)“

Der BF hat im Zuge seiner Einvernahme angegeben, im Jahr 2014 einen Mann getroffen zu haben, der ihm angeboten habe, ein Diplom zu besorgen, welches er für den Aufenthaltstitel brauche. Er habe diesem Mann für das Diplom Euro 700 bezahlt. Auf Vorhalt des Gutscheines für die anteilige Übernahme der Kosten eines Deutsch-Integrationskurses bei Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung im behördlichen Akt des Erstverfahrens gab der BF an, dass dieser dann schon verfallen gewesen sei.

Der BF hat seinen ersten Aufenthaltstitel am 29.6.2015 nachweislich übernommen. Der Gutschein für die anteilige Übernahme der Kosten eines Deutsch-Integrationskurses gilt laut Information auf diesem für die Übernahme von maximal 50 % der Kurskosten eines Deutsch-Integrationskurses bis zum Höchstsatz von Euro 750, sofern der Kurs spätestens binnen 18 Monaten nach Erteilung des Aufenthaltstitels erfolgreich auf (zumindest) A2-Niveau des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgeschlossen wird.

Dass der BF diesen Gutschein nicht genutzt hat steht außer Streit, sodass eine weitergehende Würdigung dieses Umstandes unterbleiben kann. Ebenso unbestritten ist, dass der BF im behördlichen Verfahren ein gefälschtes A1-Zertifikat vorgelegt hat, weshalb die belangte Behörde nach Einräumung von Parteiengehör am 6.2.2017 die Verfahren wieder aufgenommen hat und die Anträge in der Folge im angefochtenen Bescheid abgewiesen hat.

Der Sohn des BF, die Ehefrau des BF und deren Sohn sowie der BF selbst leben in Wien in der Mietwohnung der Ehefrau zusammen. Übereinstimmend wurde im Verfahren angegeben, dass dieses Zusammenleben ohne Schwierigkeiten funktioniere.

Die zeugenschaftlich vernommene Ehefrau des BF gab an, dass sie „erst am Schluss“ erfahren habe, dass ein gefälschtes Deutsch-Diplom vorgelegt worden sei. Sie schilderte nachvollziehbar die eigene Reaktion sowie die Betroffenheit des BF. Die Ehefrau des BF spricht sehr gut Deutsch. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien vom 23.3.2016 habe sie mit dem BF besprochen. Sie schilderte den BF als „gesetzesfürchtigen“ Menschen, der sich für die begangene Tat schäme.

Der Sohn der Ehefrau und des BF gaben je übereinstimmend an, dass sich die Ehefrau und der BF sehr gut verstünden und der Umgang ein respektvolles Miteinander sei.

Die Ehefrau des BF ist aufgrund von Rückenproblemen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sie gilt nach dem Vorbringen des BF als 30-prozentig behindert. Der BF unterstützt seine Ehefrau im Haushalt. Die ebenfalls in der Wohnung lebenden Söhne der beiden tragen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung wenig zum Haushalt bei.

Der BF hat am 8.5.2017 die Deutschprüfung auf Niveau A1 bestanden. Das bezügliche Zertifikat wurde am 17.5.2017 dem Verwaltungsgericht übermittelt. Derzeit besucht der BF einen Deutschkurs in der T.-straße, welcher zwei Monate und täglich von 18:00 bis 21:00 Uhr dauert. Am 18.8.2017 soll die Prüfung auf Niveau A2 sein.

Laut Sozialversicherungsdatenauszug war der BF in der Zeit von 6.8. bis 11.8.2015 als Arbeiter in Bl., vom 1.12.2015 bis 30.1.2017 als Arbeiter bei der St. (..) GmbH und vom 6.2. bis 1.3.2017 als Arbeiter in einem Unternehmen für Gebäudereinigung in Wien beschäftigt.

Die Beschäftigung bei der St. (1.12.2015 bis 30.1.2017) war mit sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten verbunden. Der Arbeitsweg hat ca. 1,5 Stunden beansprucht. Manchmal hatte der BF 10-12 Stunden Dienst, dann wieder nur 2 Stunden, manchmal war er auf Abruf. Er hatte in diesem Unternehmen mehrere Aufgaben, zum Beispiel Abwasch, Schnee räumen, Geschirr wegräumen, Tische abwischen etc. Die Arbeitszeiten waren manchmal bis 22:00 Uhr. Ein Deutschkurs war während dieser Zeit schwer unterzubringen. Der BF hat selbst gekündigt. Die nächste Arbeitsstelle des BF endete bereits in der Probezeit, nachdem der BF im Krankenstand war.

Im Heimatland des BF leben noch die Eltern und der Bruder des BF. Der BF war seit Oktober 2016 nicht mehr im Herkunftsland. Der BF hat im Heimatland als Lkw-Fahrer gearbeitet.

Der BF wirkte bei seiner Einvernahme – wie ihn seine Ehefrau beschrieben hat – ruhig und nicht hysterisch. Er zeigte Reue über das Fehlverhalten. Allerdings hätte zu einem ruhigen Verhalten auch gepasst, dass der BF einen Deutschkurs besucht und ein Zeugnis A1 erwirbt, zumal er bereits seit 2000 das Bundesgebiet immer wieder besucht hat, und sich ab 2014 hier auf Dauer aufhalten und arbeiten wollte. Deswegen konnte das Vorbringen, wonach die Arbeit bei der St. sehr zeitintensiv gewesen sei und er keine Zeit für einen Deutschkurs gehabt habe, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Ehefrau des BF hinterließ bei ihrer Einvernahme den Eindruck einer Frau, die bereits viel erlebt hat und auch nun vieles zu bewerkstelligen hat und trotz des Fehlverhaltens zu ihrem Ehemann (BF) festhält. Ihre Aussagen kamen ohne Zögern, sie war interessiert, im Verfahren auszusagen und hat deswegen sogar den Antritt ihrer Kur aufgeschoben.

Die Aussagen der beiden Söhne des BF und der Ehefrau des BF bezogen sich im Kern auf das Zusammenleben, welches als problemlos geschildert wurde.

Die Aussagen konnten demnach den Feststellungen zu Grund gelegt werden.

Rechtlich folgt daraus:

I. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

Gemäß § 69 Abs. 1 Ziffer 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

Das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist, da sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen, „streng“ zu prüfen (VwGH 26.4.1984, 81/05/0081).

Gegenständlich stützt die belangte Behörde die Wiederaufnahme auf den Wiederaufnahmegrund des §§ 69 Absatz 1 Z 1 AVG.

Vom Erschleichen eines Bescheides kann nur dann gesprochen werden, wenn der Bescheid seitens der Partei durch eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsgrundlagen veranlasst wird (VwGH 8.9.1998, 98/08/0090 uvm).

Unbestritten hat der BF im behördlichen Verfahren ein gefälschtes A1 Zertifikat vorgelegt und auf Grundlage dessen den beantragten Aufenthaltstitel erhalten.

Mit Irreführungsabsicht hat die Partei dann gehandelt, wenn sie vorsätzlich, also wider besseres Wissen, falsche Angaben gemacht oder entscheidungswesentliche Umstände verschwiegen hat und damit das Ziel verfolgte, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (VwGH 10.9.2003, 2003/18/062 uvm).

Der BF hat bei seiner Einvernahme im Beschwerdeverfahren angegeben, dass er gewusst habe, dass er Deutschkenntnisse nachweisen müsse, er dann einem Mann für das (gefälschte) A1 Zeugnis Euro 700 bezahlt habe. Der BF hat demnach in Irreführungsabsicht gehandelt, weil er durch die Vorlage des gefälschten Deutschzeugnisses vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, um einen sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen, nämlich den beantragten Aufenthaltstitel.

Die belangte Behörde hat demnach das Verfahren zu Recht gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG wieder aufgenommen.

II. Da am 15.2.2017 der BF durch seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme erstattet hat, ist entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach der BF keine Möglichkeit gehabt habe, zwischen Wiederaufnahme und Abweisung gehört zu werden und deshalb das Verfahren mangelhaft sei, eine Möglichkeit zur Stellungnahme erfolgt.

III. Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

Der BF hat im aufenthaltsrechtlichen Verfahren einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ gemäß § 8 Absatz 1 Z 2 NAG beantragt. Demnach hatte der BF mit der Stellung seines Erstantrages Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Der BF hat nach den getroffenen Feststellungen ein gefälschtes A1 Zertifikat im behördlichen Verfahren vorgelegt.

Gemäß § 11 Absatz 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Absatz 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Absatz 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.    die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.   das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.   die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.   der Grad der Integration;

5.   die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.   die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.   Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

8.   die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.   sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.   der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

Das Vorlegen eines gefälschten A1 Zertifikates als Nachweis von Deutschkenntnissen in einem behördlichen Verfahren widerstreitet dem öffentlichen Interesse. Ein solches Vorgehen gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weil im Rechtsverkehr verwendete gefälschte Urkunden die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Im Rechtsverkehr verwendete gefälschte Urkunden gefährden das Rechtsgut der Zuverlässigkeit von Urkunden.

Gegen den BF wurde seitens der Fremdenpolizei ein Ermittlungsverfahren wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB geführt.

Die Staatsanwaltschaft Wien ist gemäß § 203 Abs. 1 StPO von der Verfolgung einer strafbaren Handlung unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgetreten. Der Lauf der Probezeit begann mit der Zustellung der Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung.

Der BF hat die Verständigung im März 2016 nachweislich übernommen. Demnach endet die Probezeit im März 2018.

Mit einem solchen Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft ist keine Eintragung in das Strafregister verbunden. Der BF ist demnach nicht vorbestraft. Der Rücktritt von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit wird im Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft während eines Zeitraumes von zehn Jahren registriert.

Die Probezeit macht den „Warncharakter des Strafrechts“ deutlich, besonders für Ersttäter. (…) So hat die Probezeit einen weiten Anwendungsbereich: Sie erfasst Fälle, die für eine Einstellung nach § 191 gerade nicht in Betracht kommen, bis hin zu Fällen der mittelschweren Kriminalität (Bertel/Venier, StPO Kommentar (online), Rz 1 zu § 203).

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde verfehlt erscheine, weil keine öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verletzt worden seien, da hierbei gravierende Delikte angedacht seien, wie Terrorismus etc., so ist dem entgegenzuhalten, dass § 203 Abs. 1 StPO den Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) unter Bestimmung einer Probezeit „von einem bis zu zwei Jahren“ vorsieht. Im vorliegenden Fall wurde die höchstmögliche Probezeit ausgesprochen. Die Staatsanwaltschaft ist demnach bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass nur die Anordnung der höchstzulässigen Probezeit genügen werde, den BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Diesen Sinngehalt hat der BF nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Verständigung der StA Wien auch entnommen, wenn er angab, dass er die nächsten Jahre „nichts anstellen“ dürfe.

Es widerstreitet nach dem zitierten § 11 Abs. 4 Z 1 NAG der Aufenthalt eines Fremden öffentlichen Interessen, wenn dieser die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. In Z 2 der zitierten Bestimmung wird explizit auf Extremismus und Terrorismus abgestellt, was jedoch mit der Vorlage eines gefälschten A1 Zertifikates nicht erfüllt ist, weshalb im gegenständlichen Fall eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach der Ziffer 1 leg. cit. zu prüfen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert zur Bestimmung des §§ 11 Abs. 2 und Abs. 4 NAG: Die Vorlage von gefälschten Urkunden als Beilagen zu einem Antrag lässt allein nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass der Fremden die Fälschung der Urkunden auch bekannt war (VwGH 13.12.2011, 2009/227/0227 und VwGH 19.2.2014, 2011/22/0009).

Im vorliegenden Fall war dem BF bekannt, dass er ein gefälschtes A1 Deutsch-Zertifikat der belangten Behörde vorlegt, um die erforderlichen Deutschkenntnisse nachzuweisen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht erforderlich, dass eine Anzeige oder gar Verurteilung des Fehlverhaltens vorliegt. Es ist vielmehr auf die Art und Schwere des Fehlverhaltens, welches von der Behörde festzustellen ist, abzustellen (VwGH 3.4.2009, 2008/22/0711).

Gegenständlich ist keine Verurteilung erfolgt, sondern wurde von der Staatsanwaltschaft nach den getroffenen Feststellungen ausgesprochen, dass die StA Wien vorläufig für die Dauer der Probezeit von zwei Jahren von der Verfolgung der Straftat zurückgetreten ist.

Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 11 Absatz 2 Z 1 in Verbindung mit Absatz 4 Z 1 NAG kann durch eine Vorlage gefälschter Urkunden mit dem Ziel, dadurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen, bewirkt werden (VwGH 19.2.2014, 2011/22/0009).

Wenn nach der zitierten Rechtsprechung auf Art und Schwere des Fehlverhaltens abzustellen ist, so ist dazu auszuführen, dass mit der Vorlage von einem gefälschten Deutsch A1 Zertifikat zum Nachweis von gesetzlich geforderten Deutschkenntnissen mit dem Ziel der Erlangung eines Aufenthaltstitels keine Verbundenheit mit den gesetzlichen Normen des Aufnahmestaates einhergeht. Der BF wusste, dass er Deutschkenntnissen nachzuweisen hat. Der BF hat zur Erreichung dieser Deutschkenntnisse sogar einen Gutschein erhalten.

Der BF hat demnach nicht nur eine gefälschte Urkunde im Rechtsverkehr vorgelegt, sondern auch die belangte Behörde getäuscht und absichtlich in die Irre geführt.

Wenn im Verfahren vorgebracht wird, dass ein solches Fehlverhalten menschlich verständlich sei, da der BF gemeinsam mit seiner Frau im Bundesgebiet habe leben und arbeiten wollen, gleichzeitig aber auch nicht bestritten werde, dass ihm das damalige Fehlverhalten auch vorwerfbar sei, ist auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien zu verweisen. Nach dieser Entscheidung sah die StA Wien keinen Einstellungsgrund wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO), und sieht die Rechtsordnung für ein solches Verhalten die Möglichkeit einer Diversion mit einer (gesetzlich höchstzulässigen) Probezeit von zwei Jahren vor. Die Probezeit endet gegenständlich nach dem Ablauf von zwei Jahren im März 2018.

Die Schuld des Beschuldigten darf nach den Regeln der Strafbemessung nicht schwer sein. Nach hM kommt es dabei auf eine Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Kriterien, auf eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände an. Wiedergutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 14 StGB) und das Bemühen des Täters um Wiedergutmachung (§ 34 Abs. 1 Z 15 StGB) verringern die Schuld erheblich (Bertel/Venier, StPO Kommentar, Rz 4 ff zu § 198).

Im vorliegenden Fall hat der BF erst mit Abgabe des gefälschten Zeugnisses bei der LPD Wien im März 2016 sein Fehlverhalten erkannt und etwa seiner Ehefrau gegenüber eingestanden. Dass er in der Folge Deutschkurse besucht hat, um seine Deutschkenntnisse nachzuweisen, stellt keine Wiedergutmachung dar.

Nachdem der BF nach den getroffenen Feststellungen, und dem Beschwerdevorbringen folgend, nicht als ein Fall der Z 2 des § 11 Abs. 4 NAG anzusehen ist, der BF gilt nach der Entscheidung der StA Wien nicht als vorbestraft, der Aufstellung der LPD Wien zu den gefälschten Deutsch-Zeugnissen liegt aber eine Vielzahl solcher Fälle zu Grunde, ist im gegenständlichen Fall die Art des Fehlverhaltens als gravierend anzusehen und wohnt diesem Fehlverhalten auch eine Schwere inne, welche die Wiederaufnahme und die Abweisung der Anträge rechtfertigen kann. Der BF hat gewusst, dass er Deutschkenntnisse in diesem Verfahren nachzuweisen hat und hat wissentlich ein gefälschtes Zeugnis zum Nachweis seiner Deutschkenntnisse vorgelegt. Hätte der BF kein Deutschzeugnis im aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Verfahren vorgelegt oder ohne Rechtfertigungsgrund verspätet vorgelegt, wäre bereits der Erstantrag abzuweisen gewesen. Nachdem der BF jedoch ein gefälschtes Deutsch-Zeugnis zum Nachweis seiner Deutschkenntnisse im behördlichen Verfahren vorgelegt hat und ihm in Folge dessen ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist, wurden die Verfahren im Ergebnis zu Recht wieder aufgenommen.

Dass der BF nunmehr mit Zeugnis vom 8.5.2017 seine Prüfung auf Niveau A1 bestanden hat und derzeit Deutschkurse für die Prüfung auf Niveau A2 besucht, konnte der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Dass der BF sich nunmehr bemüht und normgerecht verhält, kann das mit der Vorlage des gefälschten Zeugnisses gesetzte Fehlverhalten nicht mehr beseitigen.

Eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG ergibt nach den getroffenen Feststellungen, dass der BF im April 2015 einen Erstantrag gestellt hat, am 29.6.2015 seinen Aufenthaltstitel übernommen hat und nach seinen Angaben seit September 2014 bei seiner Ehefrau in Wien wohnt. Die Eheschließung hat am ...2015 stattgefunden. Der Sohn des BF lebt seit Dezember 2015 mit ihm gemeinsam im Bundesgebiet. Sohin hält sich der BF seit ca. zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist das Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten. Im Heimatstaat leben noch die Eltern und der Bruder des BF, sohin sind Bindungen zum Heimatstaat vorhanden. Der BF hat im Heimatland als Lkw-Fahrer gearbeitet. Der Grad der Integration im Bundesgebiet ist als gering anzusehen, der BF lernt nunmehr Deutsch und spricht bosnisch. Der BF ist nach den getroffenen Feststellungen strafgerichtlich unbescholten, hat sich jedoch aufgrund der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien vom 23.3.2016 für eine Probezeit von zwei Jahren wohl zu verhalten, da die Staatsanwaltschaft für diese Zeit von der Verfolgung einer Straftat vorläufig zurückgetreten ist.

In einer Gesamtbetrachtung hält sich der BF demnach seit ca. zwei Jahren rechtmäßig in Österreich auf und verfügt über ein Familienleben. Er ist seit über zwei Jahren aufrecht verheiratet und lebt mit dem eigenen Sohn und dem Sohn seiner Frau zusammen. Der BF hat während dieser zwei Jahre immer wieder gearbeitet. Es kann demnach nicht von einer völlig fehlenden Integration gesprochen werden, noch ist ein Familienleben zu verneinen. Dennoch hat der BF zur Erlangung seines Aufenthaltstitels ein gefälschtes Deutschzertifikat A1 zum Nachweis von Deutschkenntnissen vorgelegt, ohne welches er den Aufenthaltstitel nicht erlangt hätte. Er ist wegen § 223 Abs. 2 StGB durch Entscheidung der StA Wien zwar nicht vorbestraft, aber von der Verfolgung der Straftat wurde vorläufig für zwei Jahre Probezeit zurückgetreten. Die Schädigung des Rechtsgutes der Zuverlässigkeit von Urkunden stellt in diesem Zusammenhang eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Dem BF war erst nach Aufdecken seines Fehlverhaltens im März 2016 klar, dass er einen Fehler begangen hat. Er besucht nunmehr Deutschkurse bzw. hat er bereits Deutsch A1 am 8.5.2017 bestanden. Nach den der Entscheidung der StA Wien zugrundeliegenden Bestimmungen der StPO kam eine Einstellung des Verfahrens nicht in Betracht und erschien die Bestimmung einer Probezeit und der vorläufige Rücktritt von der Strafverfolgung geboten, um den BF von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Nach den oben getroffenen Feststellungen und Erwägungen wurde im gegebenen Fall von der StA Wien die höchstzulässige Probezeit ausgesprochen, um den BF von der neuerlichen Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten und wohnt dieser Entscheidung angesichts der Vielzahl der Anzeigen auch eine generalpräventive Wirkung inne.

Im Ergebnis war daher der angefochtene Bescheid mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen. Es handelt sich hierbei um einen offensichtlichen Datumsfehler und ergibt sich aus dem Akt ohne Zweifel, dass der letzte Antrag des BF am 22.11.2016 (und nicht 2013) gestellt worden ist.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

H I N W E I S

Die Vorschreibung der Kosten für den beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher gründet sich auf die angeführten Gesetzesstellen. Die Kosten sind auf das Konto, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40 zu entrichten.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiederaufnahme, Erschleichen, Irreführungsabsicht, Urkundenfälschung, Nachweis Deutschkenntnisse, öffentliches Interesse, Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Beeinträchtigung der Rechtssicherheit, Verfolgung Rücktritt, Probezeit

Anmerkung

VwGH v. 14.2.2018, Ra 2017/22/0173; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.074.5340.2017

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten