Entscheidungsdatum
18.08.2017Index
L46109 Tierhaltung WienNorm
TierhalteG Wr §5a Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Königshofer über die Beschwerde des Herrn S. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 58, vom 12.04.2017, Zl. MA 58 - S 37004/16, wegen Übertretung des Wiener Tierhaltegesetzes, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis behoben.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I.1. Der Magistrat der Stadt Wien erließ gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
„Sie haben von 20.02.2016 bis 19.07.2016 in Wien, S.-straße, entgegen den Bestimmungen des Wiener Tierhaltegesetzes, den von Ihnen gehaltenen hundeführscheinpflichtigen Hund, American Staffordshire Terrier, ChipNr.: ..., ohne den erforderlichen Sachkundenachweis im Sinne der positiven Absolvierung der Hundeführscheinprüfung gehalten.
Da Sie trotz eines bereits durchgeführten rechtskräftigen Strafverfahrens der Magistratsabteilung 58- Wasserrecht, MA58 S 61523/2015, den Hundeführschein nicht absolviert haben, ist mit Rechtskraft dieses Straferkenntnis der von Ihnen gehaltene Hund, American Staffordshire Terrier, ChipNr.: ..., als verfallen anzusehen.
Dieser Hund ist daher binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Bescheides im Tierquartier Wien, Süssenbrunnerstrasse 101, 1220 Wien, abzugeben.
Sollten Sie diesem Auftrag nicht binnen 14 Tagen ab Rechtskraft entsprechen, so kann die Behörde dies mittels Zwangsstrafe gegen Sie durchsetzen.
„VERFALLEN“ bedeutet, dass Sie das Eigentum an dem genannten Hund verlieren und dieser ins Eigentum der Stadt Wien übergeht.
„RECHTSKRAFT“ ist der Zeitpunkt nach Ablauf von 4 Wochen, vom nächsten Tag weg gerechnet, an dem Sie diesen Bescheid erhalten haben, oder ab dem Tag, an dem dieser Bescheid am Postamt für Sie zur Abholung hinterlegt wurde.
Es steht Ihnen jedoch selbstverständlich das Rechtsmittel der Beschwerde (siehe: Rechtsmittelbelehrung) an das Verwaltungsgericht Wien offen. Diesfalls treten Rechtswirkungen erst mit einer rechtskräftigen Entscheidung DIESER Behörde für Sie ein.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 5a Abs. 1 und 2 iVm § 13 Abs. 2 Z. 13 Gesetz über die Haltung von Tieren (Wiener Tierhaltegesetz), LGBI. für Wien Nr. 39/1987 in der geltenden Fassung
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
gemäß § 14 Abs.1 Wiener Tierhaltegesetz in der geltenden Fassung wird ihr Hund, American Staffordshire Terrier, ChipNr.: ..., für verfallen erklärt.“
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige und zulässige Beschwerde des unvertretenen Beschwerdeführers. Er ersuche um eine Aufschiebung der Rechtskraft und des Verfalls seines Hundes. Weiters bitte er um eine Frist von 30 Tagen, um den Hundeführerschein absolvieren zu können.
3. Die belangte Behörde legte das Verfahren dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor und verzichtete sowohl auf eine Beschwerdevorentscheidung als auch auf eine Teilnahme an einer möglichen mündlichen Verhandlung.
4. Das Verfahren stützt sich auf eine Anzeige der Magistratsabteilung 60 – Veterinärdienste und Tierschutz vom 19.07.2016.
5. Es wurde erwogen:
a) zum Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hält seit 01.01.2015 einen American Staffordshire Terrier mit dem Rufnamen A. (Chipnummer ...). Eine Prüfung zum verpflichteten Hundeführerschein wurde seitdem nicht absolviert.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklich erscheinenden Akteninhalt.
b) In rechtlicher Hinsicht:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Tierhaltegesetzes lauten wie folgt:
Haltung von hundeführscheinpflichtigen Hunden
§ 5a. (1) Jede Person, die einen Hund hält bzw. verwahrt, der bei unsachgemäßer Haltung bzw. Verwahrung ein erhöhtes Potential hat, Menschen oder Tiere zu verletzen, hat einen Sachkundenachweis im Sinne der positiven Absolvierung der Hundeführscheinprüfung gemäß § 8 Abs. 8 zu erbringen. (...)
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung festzulegen, welche Hunde und Kreuzungen dieser Hunde untereinander bzw. mit anderen Hunden als hundeführscheinpflichtig gemäß Abs. 1 anzusehen sind.
(9) Wird ein Hund gemäß Abs. 2 ohne den erforderlichen Sachkundenachweis gehalten, so hat die Behörde den Hund bei Vorliegen erschwerender Umstände auf Kosten und Gefahr des Halters bzw. der Halterin abzunehmen und ist dieser als verfallen anzusehen. Wird ein Hund gemäß Abs. 2 ohne den erforderlichen Sachkundenachweis verwahrt, so hat die Behörde den Hund bei Vorliegen erschwerender Umstände auf Kosten und Gefahr des Halters bzw. der Halterin abzunehmen und dem Halter bzw. der Halterin zurückzustellen, sofern dieser bzw. diese über die notwendigen Voraussetzungen verfügt. Ist dies nicht der Fall, ist der Hund als verfallen anzusehen.
Strafbestimmungen
§ 13. ... (2) Wer ..
13. einen Hund gemäß § 5a Abs. 2 ohne den erforderlichen Sachkundenachweis (§ 5a Abs. 1) hält oder verwahrt, ...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen.
Verfall
§ 14. (1) Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, und Gegenstände, die zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet wurden, können bei Übertretung des § 13 Abs. 2 Z 1, 2, 10, 11, 12, 13 und 15 unter den Voraussetzungen des § 17 VStG 1991 für verfallen erklärt werden.
(2) Hunde können unter den Voraussetzungen des § 17 VStG 1991 bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände in den Fällen von Übertretungen des § 13 Abs. 2 Z 3 bis 9 sowie 14 für verfallen erklärt werden.
§ 17 VStG lautet wie folgt:
(1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, dass die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde.
(2) Gegenstände, die nach Abs. 1 verfallsbedroht sind, hinsichtlich deren aber eine an der strafbaren Handlung nicht als Täter oder Mitschuldiger beteiligte Person ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht nachweist, dürfen nur für verfallen erklärt werden, wenn die betreffende Person fahrlässig dazu beigetragen hat, dass mit diesem Gegenstand die strafbare Handlung begangen wurde, oder bei Erwerb ihres Rechtes von der Begehung der den Verfall begründenden strafbaren Handlung wusste oder hätte wissen müssen.
(3) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn im Übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.
Gemäß § 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung über die Festlegung von hundeführscheinpflichtigen Hunden gilt ein American Staffordshire Terrier als hundeführerscheinpflichtig.
Festgehaltem wird, dass aufgrund des vorliegenden Akteninhalts, welcher vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden ist, der Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als erfüllt anzusehen ist. Strittig ist aber, ob der als einzige Strafe ausgesprochene Verfall als rechtmäßig anzusehen ist.
Der von der belangten Behörde herangezogene Ausspruch des Verfalls des Hundes wurde auf die §§ 5a Abs. 1 und 2 iVm § 13 Abs. 2 Z 13 sowie § 14 Abs. 1 Wiener Tierhaltegesetz gestützt. Es handelt sich dementsprechend um keinen Verfall gemäß § 5a Abs. 9, wozu der Behörde auch keine Kompetenz zukäme, da es sich bei dieser Maßnahme um einen im Konnex mit der Abnahme des Tieres stehende Rechtsfolge handelt, die ex lege eintritt (vgl. dazu auch die Materialien zu LGBl. 29/2010, Beilage 4/2010).
Der Verfall kann als bloße Sicherungsmaßnahme oder als Strafe ausgelegt sein, welche der beiden Erscheinungsformen des Verfalls vorliegt, ist anhand der jeweiligen Materiengesetze zu ermitteln (vgl. Weilguni, in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG², Rz. 1). Der Verfall als Strafe kann als Hauptstrafe (vgl. VwGH vom 21.11.2000, Zl. 2000/05/0240) oder als Nebenstrafe (vgl. VwGH vom 26.02.2007, Zl. 2005/10/0011) ausgestaltet sein.
Zwar liegt im gegenständlichen Fall eine Verwaltungsübertretung vor, was den Ausspruch des Verfalls als Strafe denkbar macht, aufgrund der Formulierung der maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Tierschutzgesetzes ist der Ausspruch des Verfalls als Hauptstrafe (ohne gleichzeitigen Ausspruch einer Geldstrafe) im gegenständlichen Fall aber nicht möglich. Dies ergibt sich daraus, dass § 13 Abs. 2 Wiener Tierhaltegesetz als Strafe lediglich eine Geldstrafe von bis zu 20.000 Euro vorsieht. Der Verfall ist demgegenüber in einer weiteren Bestimmung geregelt. Aus diesem Aufbau des Wiener Tierhaltegesetzes kann gefolgert werden, dass der Verfall nur als zusätzliche Nebenstrafe verhängt werden kann und nicht anstelle einer Geldstrafe.
Darüber hinaus darf nach der höchstgerichtlichen Judikatur ein objektiver Verfall (d.h. ein Verfall als selbständige Maßnahme) nur dann ausgesprochen werden, wenn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 VStG vorliegen oder es sich bei dem jeweils gesetzlich gesondert geregelten Verfall um eine bloße Sicherungsmaßnahme, nicht aber (auch) um eine Nebenstrafe handelt (VwGH 26.2.2007, Zl. 2005/10/0011, VwGH 8.6.2005, Zl. 2003/03/0084, VwGH 28.2.1996, Zl. 94/03/0263, VwGH 24.10.1990, Zl. 90/03/0152).
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 VStG schon deshalb nicht vor, weil keine Gründe im Sinne dieser Bestimmung erkennbar sind, die eine Verfolgung oder Bestrafung des nunmehrigen Beschwerdeführers von vornherein ausschließen würden, weshalb eine Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 24.10.1990, Zl. 90/03/0152).
Aus den Bestimmungen des Wiener Tierhaltegesetzes ergibt sich wiederum, dass der in § 14 Abs. 1 Wiener Tierhaltegesetz vorgesehene Verfall nicht eine bloße Sicherungsmaßnahme, sondern, wie bereits erörtert, jedenfalls (auch) eine Nebenstrafe darstellt. Für diese Auslegung spricht zum einen die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Wiener Tierhaltegesetz, wonach die Behörde zur Beseitigung von – näher genannten - Gefahren, Gefährdungen und Belästigungen die „erforderlichen“ Aufträge erteilen kann, die ebenfalls eine Abnahme und sichere Verwahrung des Tieres erlauben. Vor dem Hintergrund des Wortlautes und des Zwecks dieser Bestimmung sind die darin vorgesehenen Maßnahmen – im Gegensatz zu dem in § 14 geregelten Verfall - als bloße Sicherungsmaßnahmen konzipiert. Zum anderen knüpft § 14 Abs. 1 Wiener Tierhaltegesetz beim Ausspruch des Verfalls ausdrücklich daran an, dass eine „Übertretung des § 13 Abs. 2“ vorliegt, woraus ebenfalls der Schluss zu ziehen ist, dass dem Verfall Strafcharakter zukommt. Des Weiteren wird der Verfall im angefochtenen Straferkenntnis ausdrücklich als Strafe festgesetzt.
Aus diesen Gründen gibt es keine Rechtsgrundlage für den reinen Ausspruch des Verfalls des gegenständlichen Hundes ohne primäre Geldstrafe und war das angefochtene Straferkenntnis daher spruchgemäß zu beheben.
II. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Hundeführschein; Verfall; Hauptstrafe; NebenstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.001.027.7551.2017Zuletzt aktualisiert am
29.09.2017