TE Lvwg Erkenntnis 2017/4/13 LVwG-414-16/2016-R3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2017
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Entscheidungsdatum

13.04.2017

Norm

GewO 1994 §19
GewO 1994 §340 Abs1
GewO 1994 §94 Z42
GewO 1994 §109 Abs3

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Manfred Böhler über die Beschwerde des M R, L, vertreten durch Nagel Bitriol, Rechtsanwälte, Bregenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 10.10.2016, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Der Beschwerdeführer hat am 26.07.2016 bei der Bezirkshauptmannschaft B das Gewerbe „Kosmetik (Schönheitspflege), eingeschränkt auf Tätowieren“ angemeldet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 340 Abs 1 und 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) festgestellt, dass beim Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes „Kosmetik (Schönheitspflege), eingeschränkt auf Tätowieren“, nicht vorliege und dem Beschwerdeführer die Ausübung des Gewerbes untersagt.

2.   Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, er habe auch eine gutachterliche Bescheinigung von A P, eines Fachexperten für Tätowierungen der Landesinnung W, vorgelegt. Dieser sei von der Landesinnung W schon seit Jahrzehnten mit der Beurteilung der Befähigung von Tätowierern beauftragt. In diesem Zusammenhang prüfe und beurteile er auch die medizinisch-biologischen Fähigkeiten jener Personen, die sich als Tätowierer selbstständig machen würden. Dieser sei in diesem Sinne zwingend als Sachverständiger in diesem Bereich anzusehen. Es gebe keinen einzigen gerichtlich beeideten Sachverständigen für den Bereich Tätowierungen. Richtig sei, dass P kein einschlägiger Mediziner sei. P sei aber Fachexperte für Tätowierungen und besitze einen eigenen Befähigungsnachweis. Als solcher besitze P über die notwendigen medizinisch-biologischen Kenntnisse. Auch bei der Ablegung einer Prüfung des Moduls 3 nach der einschlägigen Verordnung werde die Befähigung auf einer simplen Urkunde bestätigt. Nichts anderes habe der Fachexperte getan. Die Ansicht der Behörde, bei P handle es sich nicht um eine einschlägig qualifizierte Person, sei unrichtig. Da es gerade zum Aufgabenbereich eines Fachexperten gehöre, sämtliche für den Zugang zum Gewerbe notwendigen Voraussetzungen zu prüfen, das medizinisch-biologische einschlägige Wissen eine solche Voraussetzungen darstelle, sei im Umkehrschluss davon auszugehen, dass P sehr wohl nicht nur über dieses Wissen, sondern auch über die entsprechende Prüferqualität verfüge. Er habe vor dem Sachverständigen eine gemäß der einschlägigen Verordnung in zeitlicher und fachlicher Hinsicht gleichwertige schriftliche und mündliche Prüfung abgelegt und dadurch seine Befähigung jedenfalls nachgewiesen. Tatsächlich sei es so, dass die Behörde für eine positive Antragserledigung von ihm offenbar die Ablegung der Prüfung zum Modul 3 erwarte. Dabei übersehe die Behörde jedoch den Sinn der Bestimmung des § 19 Gewerbeordnung, welcher gerade den Nachweis der Befähigung durch sonstige Unterlagen ermöglichen wolle. Die Behörde verfüge selbst in keinster Weise auch nur annähernd über Kenntnisse bzw die erforderlichen Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem Tätowiergewerbe. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Fachexperte für Tätowierung der Landesinnung W mit seiner 30-jährigen Erfahrung bei Weitem über den höheren und entscheidenderen richtigen Fachwissensstand in diesem Zusammenhang verfüge, wie dies bei der Behörde der Fall sei. Der Behörde wäre es auch offen gestanden, selbst ein Gutachten bei der Wirtschaftskammer Vorarlberg einzuholen. In einem gleichgelagerten Fall habe J G einen Antrag um Gleichhaltung der in Deutschland erworbenen Berufsqualifikation mit dem Befähigungsnachweis für das in Österreich reglementierte Gewerbe Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowierung, eingebracht. Der dortige Antragsteller habe durch ein identes Gutachten des Fachexperten P den Nachweis erbracht, dass der in Deutschland ausgebildete Tätowierer über die erforderlichen medizinisch-biologischen Kenntnisse verfüge.

3.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

3.2. Der Beschwerdeführer hat im Zuge des behördlichen Verfahrens folgende Bestätigungen vorgelegt:

-     Prüfungszeugnis der Wirtschaftskammer Vorarlberg vom 15.10.1997 betreffend die erfolgreich bestandene Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fotogravurzeichner;

-     Arbeitszeugnis von A H, Tatoo & Piercing-Studio F F, wonach der Beschwerdeführer seit März 2009 in dessen Unternehmen als Tätowierer beschäftigt sei und dabei folgende Tätigkeiten ausgeübt habe:

?    Kundenbetreuung und Beratung

?    Erstellen von Tatoovorlagen, Skizzen und Entwürfe

?    selbstständiges Tätowieren

?    Reinigung und Desinfektion des Kunden- und des Arbeitsplatzes

?    Instandhaltung des Lagers

-     Bestätigung von A H vom 01.09.2016, wonach der Beschwerdeführer seit sieben Jahren im Studio „F F“ ca 3.000 bis 4.000 Tätowierungen ausgeführt habe. Es sei zu keinem einzigen gesundheitlichen Problem der Kunden gekommen. Die Voraussetzungen für das Gewerbe Tätowieren seien beim Beschwerdeführer zweifelsfrei auch im medizinischen und biologischen Bereich vollumfänglich gegeben;

-     Bestätigung vom 09.06.2016 über die Absolvierung der vom WIFI S organisierten 40-stündigen Lehrveranstaltung „Vorbereitung auf den schriftlichen und mündlichen Teil der Befähigungsprüfung Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowieren“ vom 06.06. bis 09.06.2016;

-     Gutachten von A P vom 23.07.2016, wonach der Beschwerdeführer aufgrund einer Arbeitsprobe über die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung verfüge, das Gewerbe „Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowieren“ ausüben zu können, wobei bei der Arbeitsprobe folgende Aufgaben gestellt worden seien:

?         Demonstration der Geräte und Instrumentenaufbereitung

?         Durchführung einer Tätowierung

?         Nachsorge der frischen Tätowierung

Bei der Arbeitsprobe werde die Anfertigung einer Tätowierung bewertet, die Linien, Schattierungen und Farbe beinhalte. Der Zeitrahmen betrage maximal zwei Stunden. Bewertet werde die Durchführung des Tätowiervorganges, beginnend vom Fertigen des Motivs bis zur korrekten Nachsorge sowie die Einhaltung der Hygienemaßnahmen nach der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen.

-     Gutachten von A P vom 23.07.2016, wonach der Beschwerdeführer aufgrund eines positiv absolvierten Fachgespräches über die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung verfüge, das Gewerbe „Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowieren“ ausüben zu können, wobei das fünfstündige Fachgespräch sämtliche Prüfungsfragen sowie einen schriftlichen Teil umfasst habe. Den (vom Beschwerdeführer im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegten) schriftlichen Teil habe der Beschwerdeführer mit 157 von 174 Punkten erfolgreich bestanden;

-     Bestätigung von A P vom 31.0.2016, wonach dieser nicht nur über die fachlich-technischen Kenntnisse für die Ausführungen von Tätowierungen verfüge. Vielmehr habe der Beschwerdeführer im Rahmen des Fachgespräches sowie der schriftlichen Prüfung gezeigt, dass er auch im medizinisch-biologischen Bereich über die erforderlichen Kenntnisse verfüge;

-     Bescheinigung des Österreichischen Roten Kreuzes Vorarlberg vom 28.07.2016, über die Absolvierung eines 16-stündigen Erste-Hilfe-Grundkurses.

Im oberwähnten Lehrgang des WIFI S wurden folgende Inhalte im nachstehenden Umfang und durch die näher bezeichneten Personen gelehrt:

Lehrbeauftragter

Beruf

Stundenanzahl

Unterrichtsfach

Mag. C M

Biologe

10 Stunden

Hygiene, Virologie, Bakteriologie,

Pilze

Dr. D S

Arzt

15 Stunden

Anatomie, Somatologie, Dermatologie, Histologie, Geschlechtskrankheiten

H B

Tätowierer

10 Stunden

Erstellung eines Entwurfes/Motives,

Erstellung einer Tätowiervorlage nach vorgelegtem Motiv, Entwicklung einer Überdeckung, theoretische

Grundlagen der Tätowiertechnik

B S

Trainerin

5 Stunden

Erste Hilfe

3.3. Weiters hat die Innung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure der Wirtschaftskammer Vorarlberg eine Stellungnahme abgegeben. In dieser bringt sie im Wesentlichen zum Ausdruck, dass der vom Beschwerdeführer besuchte Lehrgang die erforderlichen medizinischen Kenntnisse vermittle. Weiters seien die medizinischen Kenntnisse vom Tätowierer P nochmals abgeprüft worden. Zusätzlich weise der Beschwerdeführer eine siebenjährige Praxiszeit auf, in welcher er gewisse medizinische Kenntnisse unter Beweis gestellt habe.

Der als Zeuge einvernommene A H hat ausgeführt, dass es bisher in hygienischer und medizinischer Sicht keine Probleme mit dem Beschwerdeführer gegeben habe. Ohne das von der Behörde geforderte Wissen könnte der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nicht ausüben. Er habe mit dem Beschwerdeführer Gespräche betreffend medizinische Punkte geführt. Der Beschwerdeführer sei von ihm im hygienisch-medizinischen und anatomischen Bereich im notwendigen Ausmaß eingeführt worden. Eine Person, die nur den Lehrgang besucht und die Prüfung abgelegt habe, besitze bei Weitem nicht jene Fähigkeiten, die der Beschwerdeführer besitze.

Der Zeuge Mag. H P, beschäftigt beim Hygienikum G, hat ausgeführt, dass er als Hygienefachkraft verschiedene Betriebe, ua jenen von A H, betreue. Er schule die Mitarbeiter betreffend Hygiene und Umsetzung der Hygiene. Der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers habe immer entsprochen und würde dieser die Ratschläge gut annehmen. Der Beschwerdeführer kenne den Umgang mit Flächendesinfektionsmittel. Ihm seien keine Beschwerden über den Beschwerdeführer betreffend Nichteinhaltung der Hygiene, Hautausschlägen von Patienten usw bekannt. Ein Kurs enthalte komprimierte Lehreinheiten; die tagtägliche Arbeit forciere die Praxis, was immer von Vorteil sei.

4.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund mündlichen Verhandlung, als erwiesen angenommen. Dieser wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

5.1. Der Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) kommt - soweit dieses Bundesgesetz hinsichtlich einzelner Gewerbe nicht anderes bestimmt - konstitutiver Charakter zu, sodass in einem solchen Fall bei der Feststellung gemäß § 340 GewO 1994, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes vorliegen, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die (Sach- und) Rechtslage im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung abzustellen ist (vgl ua VwGH 29.04.2014, 2013/04/0155).

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 in der Fassung BGBl I Nr 50/2016, lauten wie folgt:

„§ 16.

(1) Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben ist ferner der Nachweis der Befähigung. ...

(2) Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, daß der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe
§ 18.

(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, … hinsichtlich des im § 94 Z 42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. …

        

Individueller Befähigungsnachweis
§ 19.

Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt….

§ 94.

Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

        …

   42. Kosmetik (Schönheitspflege)

        …

§ 340.

(1) Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. …

(3) Liegen die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Behörde - unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z 1 - dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.“

Gemäß § 109 Abs 3 Gewerbeordnung 1994 sind Piercen und Tätowieren dem Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege) (§ 94 Z 42) vorbehalten.

Die im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege), BGBl. II Nr. 139/2003 idF BGBl. II Nr. 399/2008, lautet hinsichtlich der §§ 2 und 3 wie folgt:

„Fachliche Qualifikation zum Piercen und Tätowieren

 

§ 2. Die fachliche Qualifikation zum Piercen und Tätowieren ist nachzuweisen durch:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch des in der Anlage festgelegten Lehrganges für das Piercen und Tätowieren und

2.

das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung für das Piercen und Tätowieren.

Ausbildungsberechtigte Personen für das Piercen und Tätowieren

 

§ 3. Die Vermittlung der fachlichen Qualifikation zum Piercen und Tätowieren im Rahmen des Lehrgangs für das Piercen und Tätowieren hat durch folgende Personen zu erfolgen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

hinsichtlich der Punkte 2.1, 2.2, 2.2.1, 2.2.2, 2.2.3, 2.2.4, 2.2.5, 2.2.6, 2.5, 2.6 und 2.10 der theoretischen Ausbildung durch einen Arzt, der über erforderliche Kenntnisse verfügt,

2.

hinsichtlich des Punktes 2.3. der theoretischen Ausbildung durch eine einschlägig tätige Person mit entsprechenden Kenntnissen,

3.

hinsichtlich des Punktes 2.4 der theoretischen Ausbildung durch einen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten,

4.

hinsichtlich des Punktes 2.7 der theoretischen Ausbildung durch eine Person, die zur Ausübung der gewerblichen Tätigkeit des Piercen und Tätowierens berechtigt ist und seit mindestens zwei Jahren die Tätigkeit des Piercens und Tätowierens ausgeübt hat und regelmäßig an beruflichen Weiterbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 16 Stunden im Jahr teilnimmt,

5.

hinsichtlich des Punktes 2.8 der theoretischen Ausbildung durch einen klinischen Psychologen oder einen Facharzt für Psychiatrie,

6.

hinsichtlich des Punktes 2.9 der theoretischen Ausbildung durch einen Juristen sowie

7.

hinsichtlich der praktischen Ausbildung durch eine Person, die zur Ausübung der gewerblichen Tätigkeit des Piercens und Tätowierens berechtigt ist und seit mindestens zwei Jahren die Tätigkeit des Piercens und Tätowierens ausgeübt hat und regelmäßig an beruflichen Weiterbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 16 Stunden im Jahr teilnimmt, unter Anleitung und Aufsicht eines Arztes, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt.“

Laut Anlage zu dieser Verordnung hat die Ausbildung mindestens 97 Stunden, davon 87 Theorie und 10 Stunden Praxis zu betragen. Die theoretische Ausbildung hat dabei folgende Gegenstände im nachstehenden Ausmaß zu umfassen: Allgemeines (Punkt 2.1., 1 Stunde), Hygiene und Infektionslehre (Punkt 2.2., 5 Stunden), Virologie (Punkt 2.2.1., 6 Stunden), Bakteriologie (Punkt 2.2.2., 6 Stunden), Pilze (Punkt 2.2.3., 2 Stunden), Geschlechtskrankheiten und andere sexuell übertragbare Infektionen (Punkt 2.2.4., 5 Stunden), Desinfektion (Punkt 2.2.5., 9 Stunden), Sterilisation (Punkt 2.2.6., 8 Stunden), Abfall (Punkt 2.3., 2 Stunden), Dermatologie (Punkt 2.4., 10 Stunden), Kontraindikationen (Punkt 2.5., 4 Stunden), Erste Hilfe (Punkt 2.6., 5 Stunden), Theoretische Grundlagen der Pierce- und Tätowiertechnik (Punkt 2.7., 5 Stunden), Grundkenntnisse jugendpsychiatrischer und jugendpsychologischer Einschätzung (Punkt 2.8., 8 Stunden), Rechtliche Grundlagen (Punkt 2.9., 8 Stunden), Arzneimittelkunde und Allergologie (Punkt 2.10., 3 Stunden).

Die Verordnung der Bundesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure über die Prüfung für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowieren, hat hinsichtlich der Paragraphen 1 bis 7 folgenden Wortlaut:

„Anwendung der Allgemeinen Prüfungsordnung

§ 1. Auf die Durchführung der Prüfung für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik eingeschränkt

auf Tätowieren (§ 94 Z 42 GewO 1994) ist die Allgemeine Prüfungsordnung, in der jeweils

geltenden Fassung anzuwenden.

§ 2. Die Prüfung für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik eingeschränkt auf Tätowieren besteht

aus 4 Modulen.

Modul 1: Fachlich praktische Prüfung

§ 3. (1) Das Modul 1 hat die projektartige, an den betrieblichen Abläufen orientierte Ausführung einer

Tätowierung mit mindestens 15 cm Durchmesser zum Inhalt. Als Tätowierung ist ein Motiv zu wählen,

welches aus Konturen, Schattierung und mehreren Farben besteht.

Folgende Arbeitsschritte sind durchzuführen:

a) Vorbereitung der Geräte

1. Herstellung von Tätowiernadeln

2. Reinigung, Desinfektion und Sterilisation der Geräte

b) Kundenberatung und zu setzende Maßnahmen (z.B. Aufklärung über Risiken, schriftliche

Einwilligung,…) nach der Verordnung BGBl Teil II Nr. 141/2003 „Ausübungsregeln für das Piercen und

Tätowieren durch Kosmetik(Schönheitspflege)-Gewerbetreibende“

c) Vorbereitung Tätowierer, Arbeitsplatz, Kunde

d) Ausführung der Tätowierung

e) Versorgung der frischen Tätowierung/Wunde

f) Pflegeanleitung

(2) Nach der Anmeldung zur Befähigungsprüfung ist dem Prüfungswerber mitzuteilen, dass er die für die

Durchführung der Tätigkeiten gem. § 3 (1) benötigten Arbeitsgeräte und Mittel mitzubringen hat. Weiters

eine Person mitzubringen hat, an der die Tätigkeiten gem. § 3 (1) ausgeführt werden. Diese Person hat

vorab nachweislich schriftlich und rechtswirksam in die Durchführung der Tätigkeiten

(Körperverletzung) einzuwilligen. Die Person ist vor Einwilligung über mögliche Risiken und Gefahren

aufzuklären. Die Durchführung der Befähigungsprüfung erfolgt unter strikter Einhaltung der Verordnung

Ausübungsregeln für Piercen und Tätowieren BGBl II 141/2003.

(3) Bei gravierend mangelhafter Durchführung einzelner Schritte hat die Prüfungskommission das Recht

die Prüfung jederzeit aus Sicherheitsgründen abzubrechen.

(4) Die Prüfungskommission hat die Aufgabenstellung so zu wählen, dass ein Prüfungskandidat sie in 5

Stunden beenden kann. Das Modul 1 darf maximal 6 Stunden dauern.

(5) Das Modul 1 ist ein einheitlicher Gegenstand.

Modul 2: Fachlich mündliche Prüfung

§ 4 (1) Das Modul 2 hat eine projektartige, an den betrieblichen Abläufen orientierte Aufgabe zu den

folgenden 3 Bereichen zu stellen.

1. Planung

a. Kundenberatung/-befragung, Dokumentation

b. Motivauswahl/Gestaltung

c. Festlegung der Platzierung

2. Sicherheitsmanagement

a. Arbeitnehmerschutz

b. Erste Hilfe

c. Unfallverhütung

d. Ausübungsregeln Tätowieren

3. Qualitätsmanagement

a. Hygiene

b. Geräte und Apparate

(2) Das Prüfungsgespräch hat sich aus der betrieblichen Praxis zu entwickeln und an den beruflichen

Anforderungen, die an einen Unternehmer zu stellen sind, zu orientieren. Das Prüfungsgespräch hat

mindestens 30 Minuten zu dauern und ist jedenfalls nach 40 Minuten zu beenden.

(3) Das Prüfungsgespräch ist vor der gesamten Prüfungskommission abzulegen.

(4) Das Modul 2 ist ein einheitlicher Gegenstand.

Modul 3: fachlich schriftliche Prüfung

§ 5. (1) Die Aufgabenstellung der schriftlichen Prüfung hat auf höherem fachlichen Niveau zu erfolgen,

um die Anforderungen, die an einen Unternehmer zu stellen sind, nachweisen zu können.

(2) Die Aufgabenstellung hat die fachlich und betrieblich notwendigen Kenntnisse aus den Fachgebieten:

1. Anatomie

2. Somatologie

3. Dermatologie

4. Histologie

5. Geschlechtskrankheiten

6. Unfallverhütung

7. Hygiene

8. Erste Hilfe

9. Virologie, Bakteriologie, Pilze

10. Erstellung eines Entwurfes/Motives

11. Erstellung einer Tätowiervorlage nach vorgelegtem Motiv

12. Entwicklung einer Überdeckung

13. Theoretische Grundlagen der Tätowiertechnik

einzubeziehen.

(3) Die schriftliche Prüfung ist ein einheitlicher Gegenstand und hat mindestens 5 Stunden zu

dauern. Sie ist nach maximal 7 Stunden zu beenden.

§ 6. Das Modul 4 besteht in der Unternehmerprüfung gemäß der Unternehmerprüfungsordnung,

BGBl. Nr. 453/1993 in der geltenden Fassung.

Prüfungskommission

§ 7 Der Prüfungskommission gemäß § 351 Gewerbeordnung muss ein Arzt und 2 Personen mit

Befähigungsprüfung Tätowieren angehören. Andernfalls ist die Prüfungskommission gemäß § 352 a Abs. 2 Z. 1 Gewerbeordnung um den entsprechenden Beisitzer zu ergänzen.“

5.2. Der Beschwerdeführer erfüllt unstrittig die in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege), eingeschränkt auf Tätowieren, normierten Zugangsvoraus-setzungen nicht. In einem solchen Fall hat die Behörde gemäß § 19 Gewerbeordnung das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.

Beim „individuellen Befähigungsnachweis“ iSd § 19 Gewerbeordnung wird der gemäß § 18 Abs 1 leg cit vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher am Maßstab der den Befähigungsnachweis iSd § 18 Abs 1 Gewerbeordnung festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen (VwGH 2007/04/0140).

Zunächst ist festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer besuchte Lehrveranstaltung hinsichtlich des Zeitausmaßes, des Lehrinhaltes und der Lehrpersonen dem in der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege) angeführten Lehrgang nicht entspricht.

So fehlen bei der vom Beschwerdeführer absolvierten Lehrveranstaltung folgende Kursinhalte (mit angeführter Stundenanzahl und geforderten Lehrpersonen) völlig:

Geschlechtskrankheiten (fünf Stunden, Arzt), Desinfektion (neun Stunden, Arzt), Sterilisation (acht Stunden, Arzt), Abfall (zwei Stunden, einschlägig tätige Person), Kontraindikationen (vier Stunden, Arzt), Grundkenntnisse jugendpsychiatrischer und jugendpsychologischer Einschätzung (acht Stunden, klinischer Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie), rechtliche Grundlagen (acht Stunden, Jurist), Arzneimittelkunde und Allergologie (drei Stunden, Arzt).

Weiters wurden die Kursinhalte nicht von den hiefür vorgesehenen Personen bzw nicht in dem dafür vorgesehenen Ausmaß vermittelt:

Dermatologie (Arzt statt durch Hautarzt), Hygiene/Virologie/Bakterologie/Pilze (zehn Stunden durch Hygieniker anstatt 19 Stunden durch Arzt) und Erste Hilfe (TrainerIn statt Arzt).

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer seine Tätowiertätigkeiten weder in seiner siebenjährigen Berufsausübung als angestellter Tätowierer noch in der Arbeitsprobe unter Aufsicht eines Arztes durchgeführt hat. Demgegenüber hat zufolge der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege) die praktische Ausbildung des Lehrgangs ua unter Anleitung und Aufsicht eines Arztes zu erfolgen und muss zufolge der erwähnten Prüfungsverordnung der Bundesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure der Prüfungskommission ua ein Arzt angehören. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren nie den Nachweis erbracht, dass seine für die Ausübung des Tätowierens erforderlichen medizinischen Kenntnisse durch einen hiefür qualifizierten Arzt (positiv) beurteilt worden sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der vom Beschwerdeführer absolvierte Lehrgang wesentliche, von einem Arzt vorzutragende Inhalte nicht umfasst hat.

Was die Gutachten des A P („Fachexperte für Tätowierungen der Landesinnung W“) betreffend die Arbeitsprobe und das Fachgespräch anbelangt, ist festzuhalten, dass sich aus diesen Gutachten nicht ableiten lässt, aus welchen Gründen dieser Experte zu der „Erkenntnis [kommt], dass M R über Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung verfügt, das Gewerbe ,Kosmetik, eingeschränkt auf Tätowieren‘ ausüben zu können.“ In dem Gutachten betreffend die Arbeitsprobe sind lediglich die dabei gestellten Aufgaben in knappesten Stichworten dokumentiert. Zu den Arbeitsergebnissen des Beschwerdeführers ist diesem Gutachten nichts zu entnehmen. Aus dem Gutachten betreffend das Fachgespräch ergeben sich nicht einmal die an den Beschwerdeführer gestellten Fragen; der Beschwerdeführer hat lediglich den schriftlichen Teil des Fachgespräches im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegt. Zum Antrag des Beschwerdeführers, den Gutachter A P als Zeugen einzuvernehmen, ist festzuhalten, dass es nicht zulässig ist, einen privaten Sachverständigen über einen derartigen Umweg in das Verfahren einzulassen (EGMR Zl. 30465/06). Abgesehen davon handelt es sich bei A P nicht um einen Arzt, sodass die Prüfung der medizinischen Kenntnisse des Beschwerdeführers durch einen Nichtmediziner erfolgt ist, was nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes im hier vorliegenden Fall nicht ausreichend ist.

Zu den Zeugenaussagen P und H (bzw dessen Bestätigungen) ist festzuhalten, dass es sich auch bei diesen Personen nicht um Ärzte handelt, sodass die diesbezügliche Wissensvermittlung nicht durch eine Person mit einer universitären medizinischen Ausbildung erfolgt ist.

Betreffend die Stellungnahme der Wirtschaftskammer ist darauf hinzuweisen, dass diese (positive) Stellungnahme für das Landesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar ist. Einerseits entspricht der vom Beschwerdeführer absolvierte Lehrgang nicht den in der obgenannten Verordnung angeführten Voraussetzungen, andererseits handelt es sich bei dem Fachexperten P nicht um einen Arzt.

Dem Argument, dass der Beschwerdeführer seit sieben Jahren in einem Tätowierstudio als Tätowierer angestellt sei und es noch nie zu gesundheitlichen Problemen der Kunden gekommen sei, ist entgegenzuhalten, dass die fachliche Tätigkeit für die fachliche Qualifikation alleine nicht ausschlaggebend ist. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die diesbezügliche Tätigkeit (nur) als Angestellter unter der Verantwortung des Gewerbetreibenden ausgeübt.

Insgesamt gelangt das Landesverwaltungsgericht somit zur Auffassung, dass der Beschwerdeführer seine Kenntnisse im medizinischen Bereich nicht im erforderlichen Maße nachgewiesen hat. In diesem Zusammenhang ist abschließend auf die Ausführungen der Behörde hinzuweisen, wonach der Beschwerdeführer nicht die gesamte Befähigungsprüfung, sondern lediglich deren Modul 3 ablegen müsse.

Dem Antrag auf Einvernahme des Zeugen G war nicht Folge zu geben, da es für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht von Bedeutung ist, ob seitens der Landesregierung in einem anderen Fall (Gleichhaltung einer in Deutschland erworbenen Berufsqualifikation eines Tätowierers) aufgrund eines Gutachtens des Fachexperten A P eine positive Erledigung erfolgt ist.

6.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

individueller Befähigungsnachweis, Tätowierer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2017:LVwG.414.16.2016.R3

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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