Entscheidungsdatum
04.09.2017Index
83 Naturschutz Umweltschutz;Norm
AWG 2002 §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Wolfgang Hirn über die als Beschwerde zu qualifizierende Berufung der AA GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte BB GmbH, Adresse 1, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 08.05.2012, Zl ****, betreffend einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) [belangte Behörde: Bezirkshauptmannschat W],
zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 08.05.2012, Zl ****, ersatzlos aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensablauf:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 04.12.2013, Zl ****, hat der Landeshauptmann von Tirol der AA GmbH gemäß § 73 Abs 1 AWG 2002 aufgetragen, den auf dem Gst Nr **1, GB **** Y, seit 2007 abgelagerten Steinschleifschlamm (SN ****) im Ausmaß von ca 1.600 t bis spätestens 15.07.2014 zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen und der Behörde bis spätestens 30.07.2014 einen Entsorgungsnachweis vorzulegen.
Mit Erkenntnis vom 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, hat der Verwaltungsgerichtshof den zitierten Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben hat und ausdrücklich festgehalten, dass der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 1 AWG ? entgegen der vom Landeshauptmann von Tirol vertretenen Auffassung ? nicht erfüllt ist (vgl Rz 24 und 25 des Erkenntnisses).
Bei der Frage, ob der objektive Abfallbegriff erfüllt ist, heißt es in dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wörtlich:
„Die mit Blick auf eine Gefährdung von Schutzgütern im Sinn des § 1 Abs. 3 AWG 2002 im angefochtenen Bescheid allein getroffene Ausführung, dass eine Verwertung des in Rede stehenden Materials ‚als Rekultivierungsmaterial und Auffüllmaterial im Grundwasser‘ aus fachlicher Sicht jedenfalls abzulehnen sei, stellt allerdings keine ausreichende tatsächliche Grundlage für die Schlussfolgerung der belangten Behörde dar, dass das von der revisionswerbenden Partei ? unstrittig ? durch Ablagerung auf einem Grundstück zur Herstellung eines Lagerplatzes verwendete Material ‚Gefährdungspotential insbesondere für Boden und Wasser‘ habe. In dieser Hinsicht erweist sich der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt somit als ergänzungsbedürftig. […]“
Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 09.01.2017, Zl LVwG-2014/37/0616-6, und vom 01.03.2017, Zl LVwG-2014/37/0616-8, hat die rechtsfreundlich vertretene AA GmbH verschiedene Unterlagen vorgelegt und im Wesentlichen bestätigt, dass die im Aktenvermerk vom 25.06.2013, Zl ****, getroffenen Feststellungen zum Ablauf in der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage zutreffen, allerdings den Produktionsprozess noch ergänzend beschrieben.
Im Rahmen des fortgesetzten Beschwerdeverfahrens haben das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) die Stellungnahme vom 30.06.2017, Zl ****, und der abfalltechnische Amtssachverständige DI CC die mit dem chemischen Amtssachverständigen Dr. DD abgestimmte Stellungnahme vom 20.06.2017, Zl ****, erstattet.
In Wahrung des Parteiengehörs hat sich die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 18.08.2017 zu den ergänzenden Ermittlungsergebnissen des fortgesetzten Beschwerdeverfahrens geäußert und weitere Unterlagen vorgelegt. Die belangte Behörde hat keine Stellungnahme abgegeben.
II. Beschwerdevorbringen:
Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin hat sich zum verfahrensgegenständlichen Themenkomplex umfangreich in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2017 geäußert, deren wesentliche Aussagen sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, sei die Frage entscheidend, ob „das durch Ablagerung auf einem Grundstück zur Herstellung eines Lagerplatzes verwendete Material ein ‚Gefährdungspotential insbesondere für Boden und Wasser‘“ habe. Der Bundesabfallwirtschaftsplan und dessen Grenzwerte seien irrelevant. Daher sei auch der Gesamtgehalt (an potentiellen Schadstoffen) der verfahrensgegenständlichen Materialien aus dem Produktionsprozess der AA GmbH nicht zu berücksichtigen.
Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin hat ausdrücklich auf die nachfolgende Aussage des abfalltechnischen Amtssachverständigen in dessen Stellungnahme vom 20.06.2017, Zl ****, verwiesen:
„Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass aus abfalltechnischer und chemischer Sicht die gegenständlichen Rückstände (Sägeklein und Polierschlamm aus der Bearbeitung von Natursteinen) auf Basis der geringen Eluatwerte keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser erwarten lassen.“
Aufgrund der abfalltechnischen Aussage sei daher bei den verfahrensgegenständlichen Materialien mangels Gefährdungspotentials auch in objektiver Sicht nicht von Abfall auszugehen. Dementsprechend sei der angefochtene Bescheid aufzuheben (vgl Kapitel I. aber auch die Kapitel II./1. und 2. der Stellungnahme der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin vom 08.08.2017).
Ausgehend von den Darlegungen des BMWFW vom 30.06.2017, Zl ****, setzt sich die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin mit der Frage auseinander, ob bei den verfahrensgegenständlichen Materialien, insbesondere dem Steinschleifschlamm, von einem Nebenprodukt im Sinne des § 2 Abs 3a AWG 2002 auszugehen ist. Dabei verweist die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin zunächst auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) zur Definition von Nebenprodukten in der Abfallrahmenrichtlinie sowie die Erläuterungen des Gesetzgebers zu der mit der Novelle BGBl I Nr 9/2011 in das AWG 2002 aufgenommenen Bestimmung des § 2 Abs 3a AWG 2002. Nach einer Auseinandersetzung mit den Ziffern 1 bis 4 des § 2 Abs 3a AWG 2002 hält die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin, dass alle Voraussetzungen für die Annahme eines Nebenproduktes gemäß der angeführten Bestimmung vorliegen würden.
Dementsprechend fasst die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin ihre Ausführungen wie folgt zusammen:
? „Die AA GmbH betreibt in O und in T verschiedene Bergbaubetriebe (V, Steinbruch U), in denen sogenannte grundeigene mineralische Rohstoffe im Sinne des § 5 Mineralrohstoffgesetz (MinroG) gewonnen werden […]. Im Werk T, S, werden die gewonnenen Bruchsteine (mechanisch) verarbeitet, wobei die dabei anfallenden Bruchstücke, Sägeabschnitte, Sägeklein und Steinschleifschlamm zur Verfüllung des Grundstückes Gst. **1 im Werk T verwendet wurden (bis zu dem verfahrensgegenständlichen Bescheiden der Unterbehörden). Im Rahmen eines Beseitigungsverfahrens war letztlich für den befassten Verwaltungsgerichtshof die Frage entscheidend, ob von dem zur Herstellung des Lagerplatzes verwendeten Material ein Gefährdungspotential, und zwar insbesondere für Boden und Wasser, ausgeht.
Die zur Beantwortung dieser Frage (auch im ergänzenden Verfahren) beigezogenen abfalltechnischen und chemischen Amtssachverständigen stellen dazu fest, dass ‚die gegenständlichen Rückstände (Sägeklein und Polierschlamm aus der Bearbeitung von Naturstein) auf der Basis der geringen Eluatwerte keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser erwarten lassen.‘ Bezüglich der Gesamtschadstoffgehalte wurde aus fachlicher Sicht lediglich eine Aufschüttung mit landwirtschaftlicher Nachnutzung als nicht geeignet erachtet (welche nicht durchgeführt wurde und von der AA GmbH auch keinesfalls beabsichtigt ist).
? Da die Aufschüttung der Errichtung eines Lagerplatzes dient und keine landwirtschaftliche Nachnutzung erfolgte und auch nicht erfolgen soll, stellen nicht einmal die analytisch festgestellten Überschreitungen der Gesamtgehalte im Sinne des Bundesabfall-wirtschaftsplanes einen Ausschließungsgrund für die verfahrensgegenständliche Verwendung dar (schon gar nicht für die bereits vorgenommene und weiter beabsichtigte Verwendung als Nebenprodukt im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG).
? Bei eingehender Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3a AWG, ob es sich bei den bei der Verarbeitung der gewonnenen Bruchsteine im Werk T anfallenden Rückständen (Bruchstücke, Sägeklein, Sägeabschnitte und Steinschleifschlamm) um ein Nebenprodukt handelt, ist ein solches rechtlich im Ergebnis zu bejahen, es liegt also ein Nebenprodukt im Sinne dieser Gesetzesbestimmung vor.
Die genannten Rückstände können nämlich auf der Basis der Eignungsprüfungen und einer werkseigenen Produktionskontrolle nach europäischen Standards entweder als aufbereitete Gesteinskörnung oder auch ? vergleichbar mit Kieswaschschlämmen ? als Dichtmaterial etc. weiterverwendet werden. Durch deren Herstellung auf Basis eines CE-zertifizierten Qualitätssicherungssystems ist zudem generell eine gleichbleibende Qualität der Gesteinskörnungen gesichert, die eine Beeinträchtigung von Schutzgütern ausschließen.
Unabhängig davon liegen ohnehin die übrigen Kriterien des § 2 Abs 3a AWG vor […].“ (vgl Kapitel II./3. und 4. der Stellungnahme vom 18.08.2017).
In Kapitel II./5. der Stellungnahme vom 18.08.2017 erörtert die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin nochmals die Verwertbarkeit der mineralischen Restmassen. Ausgehend vom Produktionsablauf und den dabei anfallenden Nebenprodukten entspräche die verfahrensgegenständliche Herstellung eines Lagerplatzes dem Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzip des § 1 Abs 1 Z 1 AWG 2002. Die beim (Haupt-) Produktionsprozess (Werksteine/Steinplatten) anfallenden mineralischen Restmassen würden gemäß der Bauproduktenverordnung (EU Verordnung Nr 395/2011) zertifizierte Gesteinskörnungen darstellen und daher vermarktet und zukünftig zur Herstellung ungebundener Tragschichten und Schüttmaterialien verwendet werden.
Die Erzeugung der mineralischen Restmassen sei also integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Nebenprodukten gemäß § 2 Abs 3a AWG 2002 seien damit erfüllt.
III. Sachverhalt:
Die AA GmbH lässt in ihrem Werk T Rohblöcke aus unterschiedlichen Gesteinen verarbeiten. Die Anlieferung dieser Rohblöcke erfolgt aus verschiedenen Steinbrüchen oder Bergbaubetrieben (Serpentinite und Chloride aus O Marmore aus dem V in T und jurassische Kalksteine aus der Gegend um R). Hauptprodukte stellen dabei die Werksteine („Steinplatten“) dar. Die Herstellung der Werksteine erfolgt durch das Schneiden von Rohblöcken sowie das anschließende Polieren und Schleifen. Die endgültige Form erhalten die Werksteine durch einen Zuschnitt. Alle diese Prozesse werden mittels geeigneter Arbeitsgeräte ? vor allem mit Diamant bestückten Werkzeugen ? unter Zugabe von unbehandeltem Wasser ausgeführt.
Im Zuge des Produktionsprozesses ? Sägen und Polieren von Werkssteinen im Werk T ? fallen während verschiedener Abschnittes des Herstellungsprozesses mineralische Restmassen mit unterschiedlichen Korngrößen an. Diese mineralischen Restmassen lassen sich wie folgt klassifizieren:
? Sägereste sind stückiges Gut
? Sägeklein fällt beim Schneideprozess an.
? Steinschleifschlamm entsteht beim Polieren der Werkssteine.
Die mineralische Zusammensetzung der beim Bearbeiten des mineralischen Rohstoffes im Werk T durch Sägen, Polieren und Schleifen anfallenden Materialien ? Steinschleifschlamm, Sägeklein und sonstige Sägereste/Sägeabschnitte ? stimmt mit der mineralischen Zusammensetzung des eingesetzten mineralischen Rohstoffs überein.
Aus abfalltechnischer Sicht handelt es sich bei den Sägeresten um grobstückige Verschnittabfälle, die aufgrund der bautechnischen Qualitäten für einen technischen Verwertungszweck geeignet sind. Beim Sägeklein handelt es sich um das Feinmaterial, das im Zuge der Bearbeitung durch die Schneidmaschinen als sehr feinkörniges oder feinstkörniges Material anfällt. Aus abfalltechnischer Sicht ist auch dieses Material als Polierschlamm oder Steinschleifschlamm einzustufen.
Die beim Herstellungsprozess anfallenden mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägeabschnitte/Sägereste, Sägeklein und Steinschleifschlamm ? hat die Beschwerdeführerin zur Verfüllung des in ihrem Eigentum stehenden Gst Nr **1, GB **** Y, im Werk T verwendet.
Die auf dem Gst Nr **1, GB **** Y, eingebrachten mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägereste/Sägeabschnitte, Sägeklein und Steinschleifschlamm ? bewirken keine nachteiligen Einflüsse auf das Grundwasser und den Boden. Sie sind allerdings nicht für Aufschüttungen mit landwirtschaftlicher Nachnutzung geeignet.
IV. Beweiswürdigung:
Die AA GmbH hat in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2017 den Produktionsablauf und die Entstehung der mineralischen Restmassen ? Schneidereste, Sägeabschnitte, Bruchstücke und Steinschleifschlamm ? ausführlich beschrieben. Diese Beschreibung enthält auch die von DI Dr. mont. DD verfasste „Stellungnahme zur Verwertbarkeit mineralischer Restmassen des Werkes T der AA GmbH“ vom 15.08.2017, vorgelegt von der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin mit der Stellungnahme vom 18.08.2017. Diese Ausführungen stimmen auch im Wesentlichen mit dem im Aktenvermerk vom 25.06.2013, Zl ****, festgehaltenen Ablauf in der Betriebsanlage überein.
Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin als auch DI Dr. mont. DD haben in der Stellungnahme vom 18.08.2017 bzw 15.08.2017 die Klassifizierung der beim Produktionsprozess der Werksteine anfallenden mineralischen Restmassen unter Berücksichtigung ihrer Gesteinskörnung und in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihres Anfalles während des Produktionsprozesses nachvollziehbar dargelegt. Eine ähnliche Klassifizierung nimmt auch der abfalltechnische Amtssachverständige DI CC in seiner Stellungnahme vom 20.06.2017, Zl ****, und führt wörtlich aus:
„Bei der Verarbeitung des Steinbruchmaterials fallen Rückstände in Form von Bruchstücken und Feinmaterial an. Bei den Sägeresten handelt es sich nach Auffassung der Sachverständigen um grobstückige Verschnittabfälle, die selbstverständlich aufgrund der bautechnischen Qualitäten für einen technischen Verwertungszweck geeignet sind. Bei Sägeklein (nach Auffassung der Sachverständigen als Polierschlamm bzw Steinschleif-schlamm einzustufen) handelt es sich um das Feinmaterial das im Zuge der Bearbeitung durch die Schneidmaschinen als sehr feinkörniges bzw. feinstkörniges Material anfällt. […]“
Zur mineralischen Zusammensetzung der beim Bearbeiten des mineralischen Rohstoffes im Werk T durch Sägen, Polieren und Schleifen anfallenden Materialien hat sich das BMWFW im Schriftsatz vom 30.06.2017, Zl ****, geäußert. Danach stimmt die mineralische Zusammensetzung der beim Bearbeiten des mineralischen Rohstoffes im Werk T durch Sägen, Polieren und Schleifen anfallenden Materialien ? Steinschleifschlamm, Sägeklein und sonstige Sägereste ? mit der mineralischen Zusammensetzung des eingesetzten mineralischen Rohstoffs überein.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat mit den Schriftsätzen vom 04.05.2017, Zl LVwG-2014/37/0616-9, und vom 17.05.2017, Zl LVwG-2014/37/0616-10, dem abfalltechnischen Amtssachverständigen DI CC und dem chemischen Amtssachverständigen Dr. DD verschiedene Dokumente und Unterlagen übermittelt und ersucht, „aus chemischer und abfalltechnischer Sicht darzulegen, ob die im Produktionsprozess der AA GmbH anfallenden mineralischen Reste, insbesondere das sogenannte Sägeklein (‚Steinschleifschlamm‘) und die sonstigen Sägereste, die von den vorgelegten Zertifikaten erfasst sind, ein für den Boden und/oder das Grundwasser relevantes Gefährdungspotential enthalten“. Dazu hat sich der abfalltechnische Amtssachverständige DI CC in Abstimmung mit dem chemischen Amtssachverständigen Dr. DD in der Stellungnahme vom 20.06.2017, Zl ****, ausführlich geäußert. Darin erläutert er zunächst die Möglichkeit der Beurteilung von Abfällen nach dem Eluatverfahren sowie unter Berücksichtigung der Gesamtschadstoffgehalte. Davon ausgehend hat er die vorliegenden Messergebnisse mit den Vorgaben der Deponieverordnung für Bodenaushub, mit dem Bundesabfallwirtschaftsplan und mit der Recycling-Baustoffverordnung-RBV verglichen.
Laut den Ausführungen der beiden Amtssachverständigen halten die erhobenen Messergebnisse im Mittelwert die Grenzwerte für die Ablagerung auf einer Bodenaushub-deponie ein. Lediglich im Hinblick auf den Gesamtschadstoffgehalt ergeben sich bei den Parametern Chrom und Nickel Überschreitungen der Grenzwerte. Bei den Eluatwerten werden alle Grenzwerte der Deponieverordnung eingehalten. Davon ausgehend heißt es in der zitierten Stellungnahme abschließend:
„Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass aus abfalltechnischer und chemischer Sicht die gegenständlichen Rückstände (Sägeklein und Polierschlamm aus der Bearbeitung von Natursteinen) auf Basis der geringen Eluatwerte keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser erwarten lassen.
Bezüglich der Gesamtschadstoffgehalte wurden die unterschiedlichen Grenzwerte in den rechtlichen/technischen Vorgaben aufgezeigt. Aus fachlicher Sicht sind die gegenständlichen Rückstände für Aufschüttungen mit landwirtschaftlicher Nachnutzung nicht geeignet.“
Ausgehend von diesen Beweisergebnissen hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Feststellungen in der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses getroffen.
V. Rechtslage:
1. Abfallwirtschaftsgesetz 2002:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 70/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Ziele und Grundsätze
§ 1. […]“
(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,
3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,
4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,
7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,
8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder
9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.
[…]“
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
[…]
(3a) Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall gelten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiterverwendet wird;
2. der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden;
3. der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und
4. die weitere Verwendung ist zulässig, insbesondere ist der Stoff oder Gegenstand unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar, es werden keine Schutzgüter (vgl § 1 Abs. 3) durch die Verwendung beeinträchtigt und es werden alle einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten.
[…]
(5) Im Sinne dieses Bundesgesetzes
1. ist ‚Abfallbehandlung‘ jedes Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung.
2. ist ‚stoffliche Verwertung‘ die ökologisch zweckmäßige Behandlung von Abfällen zur Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Ausgangsmaterials mit dem Hauptzweck, die Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar für die Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten zu verwenden, ausgenommen die Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe werden einer thermischen Verwertung zugeführt.
[…]
4. ist ‚Wiederverwendung‘ jedes Verfahren, bei dem Produkte sowie Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich eingesetzt und bestimmt waren.
5. ist ‚Verwertung‘ jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem
a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder
b) ? im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung ? die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.
Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (zB die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen. Anhang 2 Teil 1 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren.
[…]“
„Behandlungsauftrag
§ 73. (1) Wenn
1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder
2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,
hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.
[…]“
2. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
Die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 24/2017, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
[…]“
„Erkenntnisse
§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
VI. Erwägungen:
1. Zuständigkeit:
Gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 6/2016, gilt die Berufung der rechtsfreundlich vertretenen AA GmbH gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 08.05.2012, Zl ****, als Beschwerde, über die das Landesverwaltungsgericht Tirol zu entscheiden hat.
2. In der Sache:
2.1. Einleitung:
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft W der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin ? zur missverständlichen Angabe der Adressatin des Behandlungsauftrages im Spruch des angefochtenen Bescheides schließt sich das Landesverwaltungsgericht Tirol den diesbezüglichen, auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht bemängelten Ausführungen des Landeshauptmannes von Tirol in dessen Bescheid vom 04.12.2013, Zl ****, an ? den auf § 73 Abs 1 und 5 AWG 2002 in der damals geltenden Fassung gestützten Auftrag erteilt, den auf dem Gst Nr **1, GB **** Y, seit 2007 abgelagerten Steinschleifschlamm (Schlüssel Nr ****) im Ausmaß von ca 1.600 t bis zu einem genau angeführten Zeitpunkt zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Ergänzend dazu sollte der Behörde bis spätestens 10 Tage nach Ablauf der vorgegebenen Frist ein Entsorgungsnachweis vorgelegt werden.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Behandlungsauftrag des angefochtenen Bescheides. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat daher zu prüfen, ob das von der Beschwerde führenden Partei auf dem in ihrem Eigentum stehenden Gst Nr **1, GB **** Y, zwecks Herstellung eines Lagerplatzes verwendete Material als Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 zu qualifizieren ist. Nur bei einer Qualifikation dieses Materials als Abfall war die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Behandlungsauftrages berechtigt (vgl VwGH 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, Rz 18).
Ob die verfahrensgegenständlichen, beim Herstellungsprozess für Werksteine anfallenden mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägereste/Sägeabschnitte, Steinschleifschlamm etc ? für sonstige Verwertungen geeignet und damit als marktfähiges Produkt zu qualifizieren sind, ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.
2.2. Zum Abfallbegriff:
2.2.1. Zum subjektiven Abfallbegriff:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6 (vgl Rz 25), klar zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerdeführerin das vom Behandlungsauftrag erfasste Material zur Herstellung eines Lagerplatzes für den eigenen Betrieb verwendet und folglich sich dieses Materials nicht entledigt hat. Der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 ist somit nicht erfüllt. Diesbezüglich entfaltet das eben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 63 Abs 1 VwGG eine Bindungswirkung gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Tirol. Die Frage des Vorliegens des subjektiven Abfallbegriffs braucht daher aufgrund der höchstgerichtlichen Festlegung nicht näher erörtert zu werden.
2.2.2. Zum objektiven Abfallbegriff:
Grundsätzlich reicht für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes des § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs 3 AWG 2002 aus. Es kommt nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist (VwGH 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, Rz 29, mit weiteren Nachweisen).
Entscheidend für das gegenständliche Verfahren ist, ob das von der AA GmbH auf dem in ihrem Eigentum stehenden Gst **1, GB **** Y, zur Herstellung eines Lagerplatzes verwendete Material geeignet ist, für Boden und Wasser (vgl § 1 Abs 3 Z 2 und 3 AWG 2002) eine Gefährdung darzustellen. Die weiteren Schutzgüter des § 1 Abs 3 AWG 2002 sind für das gegenständliche Verfahren nicht relevant.
Die von der Beschwerdeführerin zur Herstellung des Lagerplatzes verwendeten mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägereste, Sägeabschnitte, Sägeklein und Steinschleifschlamm ? führ(t)en aufgrund ihrer geringen Eluierbarkeit zu keiner Gefährdung des Grundwassers und damit des Bodens. Zudem stimmt die mineralische Zusammensetzung der zur Herstellung des Lagerplatzes auf dem Gst **1, GB **** Y, verwendeten mineralischen Restmassen mit der mineralischen Zusammensetzung des eingesetzten mineralischen Rohstoffes überein.
Folglich ist auch der objektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 2 AWG ? entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung ? nicht erfüllt.
2.3. Zum Behandlungsauftrag:
Voraussetzung für die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs 1 AWG 2002 ist, dass die in Rede stehenden Materialien Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 sind. Abfall liegt vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (so ausdrücklich VwGH 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, Rz 18, mit weiteren Nachweisen).
Die von der Beschwerdeführerin zur Herstellung eines Lagerplatzes auf dem in ihrem Eigentum stehenden Gst Nr **1, GB **** Y, eingesetzten mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägereste, Sägeabschnitte, Steinschleifschlamm ? sind weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht als Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 zu qualifizieren. Die wesentliche Voraussetzung für die Erteilung eines Behandlungsauftrages liegt somit nicht vor. Daher ist der von der Bezirkshauptmannschaft W mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Behandlungsauftrag rechtswidrig.
VII. Ergebnis:
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens war die Frage zu klären, ob die von der Beschwerdeführerin zur Herstellung eines Lagerplatzes auf dem in ihrem Eigentum stehenden Gst **1, GB **** Y, verwendeten mineralischen Restmassen ? Bruchstücke, Sägereste, Sägeabschnitte, Sägeklein und Steinschleifschlamm ? als Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 zu qualifizieren sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.11.2016, Ro 2014/07/0024-6, festgestellt, dass für die verfahrensgegenständlichen Materialien der subjektive Abfallbegriff nicht erfüllt ist. Entsprechend § 63 Abs 1 VwGVG hat sich das Landesverwaltungsgericht Tirol daher darauf beschränkt zu klären, ob die vom angefochtenen Behandlungsauftrag erfassten Materialien als objektiver Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 zu qualifizieren sind.
Zur Feststellung des zur Klärung dieser Rechtsfrage erforderlichen Sachverhaltes hat das Landesverwaltungsgericht Tirol ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse dieses Ermittlungsverfahrens lassen sich die zur rechtlichen Beurteilung notwendigen Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin zur Herstellung des Lagerplatzes auf dem Gst **1, GB **** Y, verwendeten mineralischen Restmassen treffen.
Diese Materialien erfüllen ? entgegen den Ausführungen der belangten Behörde ? auch nicht den objektiven Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002.
Die vom angefochtenen Behandlungsauftrag erfassten, von der Beschwerdeführerin zur Herstellung eines Lagerplatzes für deren Betrieb verwendeten Materialien sind nicht als Abfall gemäß § 2 Abs 1 Z 1 und 2 AWG 2002 zu qualifizieren. Die Erlassung eines Behandlungsauftrages nach § 73 Abs 1 AWG 2002 setzt voraus, dass die davon betroffenen Materialien als Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 und/oder Z 2 AWG 2002 zu qualifizieren sind. Diese Voraussetzung liegt bei den vom angefochtenen Behandlungsauftrag erfassten Materialien/mineralischen Restmassen nicht vor.
Der Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen AA GmbH war daher Folge zu geben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 08.05.2012, Zl ****, ersatzlos aufzuheben (vgl Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses).
Da der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben war, konnte die mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 AWG 2002 entfallen.
VIII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG, BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I Nr 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 63 Abs 1 VwGG an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 24.11.2016, Zl Ro 2014/07/0024-6, gebunden war. Ausgehend von dieser höchst-gerichtlichen Entscheidung erfüllen die zur Herstellung eines Lagerplatzes auf dem Gst **1, GB **** Y, verwendeten Materialien nicht den subjektiven Abfallbegriff.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte folglich im gegenständlichen Verfahren zu klären, ob die verfahrensgegenständlichen Materialien als objektiver Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 zu qualifizieren sind. Zur Klärung dieser Rechtsfrage war es erforderlich, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu erheben. Bei der Klärung der Rechtsfrage selbst konnte sich das Landesverwaltungsgericht Tirol auf die eindeutige Gesetzeslage stützen. Dementsprechend hatte das Landesverwaltungsgericht Tirol keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Die ordentliche Revision wird daher für unzulässig erklärt (vgl Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Wolfgang Hirn
(Richter)
Schlagworte
Abfall; subjektiver Abfallbegriff; objektiver Abfallbegriff; Schutzgüter; Behandlungsauftrag;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2014.37.0616.17Zuletzt aktualisiert am
11.10.2017