Entscheidungsdatum
07.09.2017Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §32 Abs1aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alois Huber über die Beschwerde der AA, Z, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. FF, Dr. GG, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.04.2017, Zl ****,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.04.2017, Zl ****, wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Mit Datum 19.10.2016 wurde an Herrn JJ, Adresse 3, X., eine Rechnung ****, Referenz: Altbausanierung-Fensteraustausch der Montagen CC Fenster-Türen-Sonnenschutz zugesendet, in der von Ihnen Tätigkeiten abgerechnet werden, deren Ausführung dem Gewerbe der Tischler vorbehalten ist, nämlich Lieferung und Montage von 15 Stk. Kunststofffenstern und Türen Bergkiefer, Ug 0,5, UW o.80, Demontage der Altfenster, Neumontage der Fenster und Türen. Sohin haben Sie ca. zwischen 17.08.2016 (Anbotslegung) und 19.10.2016 (Rechnungsstellung) durch die entgeltliche, selbständige und regelmäßige Montage von Fenstern und Türen das Gewerbe der Tischler ausgeübt, obwohl Sie nicht im Besitz einer Gewerbeberechtigung waren.
Sie sind nur im Besitz des Handelsgewerbes und daher nicht berechtigt, die auf der genannten Rechnung angeführten Tätigkeiten auszuüben oder anzubieten.“
Der Beschuldigten wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 1 iVm § 94 Z 71 der Gewerbeordnung 1994 zur Last gelegt und wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 600,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 56 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigten durch ihre Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 15.05.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser Beschwerde wird die Begehung der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestritten. Einerseits wird ausgeführt, dass der Spruch des Straferkenntnisses nicht ausreichend konkretisiert sei. Zudem sei das Straferkenntnis nicht ausreichend begründet. Wenn es tatsächlich so wäre, dass die Nebenleistungen lediglich 10 % der Gesamtleistung ausmachen dürften, seien die Rechnungsparameter und Grundlagen exakt zu ermitteln. Dies gelte insbesondere für den Materialwert, das Montagematerial und die Fahrzeit sowie dergleichen. Auch zu den erlaubten Montagetätigkeiten (Aufstellen, Zusammensetzen, Anschließen, Zusammenbau etc) seien keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden, obwohl diese Tätigkeiten gestattet seien.
§ 32 GewO würde Nebenrechte für alle Gewerbetreibenden erlauben. Für die Bewertung der Geringfügigkeit dürfe zunächst nicht eine starre 10 %-ige Rechnungsmethode angewendet werden. Darüber hinaus seien zuerst all jene Positionen herauszufiltern, die tatsächlich nur von einem anderen Gewerbe erbracht werden dürften. Überdies werde noch einmal auf die Ausführungen der Frau Dr. DD von der BH Y verwiesen. Diese habe der Beschuldigten und ihrem Gatten mitgeteilt, dass die Türen- und Fenstermontage vom Handelsgewerbe gedeckt sei. Somit sei jeglicher Schuldvorwurf unberechtigt, denn wo solle sich die Beschuldigte verbindlich und verlässlich erkundigen, wenn nicht bei der Gewerbebehörde selbst.
Der Beschwerde kam Berechtigung zu.
Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses verweist die Bezirkshauptmannschaft Y auf die Rechnung der Beschuldigten vom 19.10.2016.
In dieser Rechnung der Beschuldigten an JJ, Adresse 3, X sind nachstehende Leistungen angeführt:
1. Lieferung und Montage von 15 Stück Kunststofffenstern
und Türen zu einem Gesamtpreis von € 5.628,17
2. 60 lfm PVC-Abdeckleisten mit einem Pauschalbetrag von € 420,00
3. Demontage der Altfenster mit einem Pauschalbetrag von € 1.020,00
4. Neumontage der Fenster und Türen mit einem Pauschalbetrag von € 1.105,00
5. Entsorgung der Altfenster mit einem Pauschalbetrag von € 280,00
Zur Begründung des Straferkenntnisses führte die Bezirkshauptmannschaft Y einschlägige Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes an und sprach aus, dass eben für das Vorliegen eines lediglich geringen Umfanges von Leistungen anderer Gewerbe der prozentuelle Anteil von Leistungen des anderen Gewerbes an einer dem Hauptgewerbe zuzurechnenden Gesamtleistung relevant sei. Die zulässige Umsatzgrenze bewege sich dabei bis zu einer Höhe von max 10 % aus dem Umsatz des Hauptgeschäftes. Erst unter den Voraussetzungen, dass sowohl die 10 %-ige Regel des Verwaltungsgerichtshofes eingehalten werde als auch der „wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes“ gewahrt bleibt würden, sei eine Ausübung im Rahmen der Nebenrechte gem § 32 GewO denkbar.
Diesbezüglich ist anzuführen, dass laut dem vorgelegten Akt der Bezirkshauptmannschaft Y AA mit Eingabe vom 19.07.2016 bei der Bezirkshauptmannschaft Y das freie Gewerbe „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ im Standort Z, Adresse 4, mit Wirksamkeit 01.08.2016 angemeldet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Gatte, BB, Inhaber der Gewerbeberechtigungen „Tischler“ und „Handelsgewerbe“.
Aufgrund der Einwendungen der Beschuldigten im Einspruch gegen die ergangene Strafverfügung wurde Frau Dr. DD, Abteilung Gewerbe, von der Strafreferentin um eine Stellungnahme ersucht. Dabei wurde von Dr. DD in der Stellungnahme vom 07.12.2016 unter anderem ausgeführt, dass BB am 19.07.2016 zu einem persönlichen Gespräch zu ihr gekommen sei und sich hinsichtlich einer individuellen Befähigung für seine Frau für das Tischlergewerbe erkundigt habe, da er beabsichtigen würde, das Tischler- sowie das Handelsgewerbe abzumelden. Ihm seien die Voraussetzungen für die Anmeldung des Tischlergewerbes erläutert worden und habe er sodann mitgeteilt, dass seine Frau diese Voraussetzungen nicht erfülle, aber er ja auch noch im Betrieb sei und es daher doch kein Problem sein könne. Seine Frau könne in diesem Alter keine Meisterprüfung mehr absolvieren. Ihm sei daraufhin mitgeteilt worden, dass die Voraussetzungen für die Befähigung eine Person haben müsse und nicht die Befähigungen mehrerer Personen zusammengezählt werden könnten, wobei es jedoch die Möglichkeit gebe, einen gewerblichen Geschäftsführer zu bestellen. Daraufhin habe Herr BB gemeint, dass die beabsichtigten Arbeiten mit dem Handelsgewerbe allein auch ausgeführt werden dürften. Ihm sei sodann mitgeteilt worden, dass Arbeiten, die in das Gewerbe der Tischler fallen, im Zuge des Handelsgewerbes und der Nebenrechte dann nur mehr beschränkt ausgeübt werden dürften und dass jedenfalls der wirtschaftliche Schwerpunkte und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben müssten. Herr BB habe sodann die beabsichtigten Tätigkeiten beschrieben und habe mitgeteilt, nur eigene Produkte in bereits vorhandene Blindstöcke einbauen zu wollen. Herr EE (ebenfalls von der Bezirkshauptmannschaft Y) habe von seinem Büro aus das Gespräch mitverfolgt und habe hierauf mitgeteilt, er sei der Meinung, dass das Handelsgewerbe für die beschriebenen Tätigkeiten ausreichen würde und das Tischlergewerbe nicht erforderlich sei, wenn vorgefertigte Fenster in bauseitig vorgesehene Blindstöcke durch Andübeln und Verschrauben bzw bei nicht Vorhandensein von Blindstöcken durch Einschäumen montiert werden würden. Sollte es aus Gründen der Sicherheit notwendig sein, so müsse man sich entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte bedienen. Dem Herrn BB sei sodann mitgeteilt worden, dass man sich den Sachverhalt noch einmal genau ansehen würde und ihn telefonisch kontaktieren würde. Wenig später sei Herr BB telefonisch kontaktiert worden und sei ihm unter Bezug auf das persönliche Gespräch mitgeteilt worden, dass unter den genannten Voraussetzungen (unter anderem mit Bedacht auf den wirtschaftlichen Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes) auch die Montage der Fenster und Türen vom Handelsgewerbe gedeckt seien.
Damit muss festgehalten werden, dass die Sachbearbeiterin bei der Bezirkshauptmannschaft Y bei verständiger Würdigung die Auskunft erteilt hat, dass die beabsichtigten Tätigkeiten unter den genannten Voraussetzungen legal seien.
Mit BGBl I Nr 94/2017 wurde in § 32 der Gewerbeordnung 1994 ein neuer Abs 1a eingefügt. Dieser neue Absatz 1a hat folgenden Wortlaut:
„Gewerbetreibenden steht auch das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Dabei dürfen die ergänzenden Leistungen insgesamt bis zu 30 vH des im Wirtschaftsjahr vom Gewerbetreibenden erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Innerhalb dieser Grenze dürfen auch ergänzende Leistungen reglementierter Gewerbe erbracht werden, wenn sie im Fall von Zielschuldverhältnissen bis zur Abnahme durch den Auftraggeber oder im Fall von Dauerschuldverhältnissen bis zur Kündigung der ergänzten eigenen Leistungen beauftragt werden und sie außerdem bis zu 15 vH der gesamten Leistung ausmachen.“
Damit ist die von der Bezirkshauptmannschaft Y angeführte Geringfügigkeitsgrenze von 10 % des Gesamtumsatzes nicht mehr haltbar und wird überdies nicht auf den Einzelauftrag abzustellen sein, sondern auf das im Abs 1a angeführte „Wirtschaftsjahr“.
Nach § 1 Abs 2 VStG in der geltenden Fassung richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.
Aufgrund dieser geänderten Bestimmung des § 1 Abs 2 VStG hat auch das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über eine Beschwerde in einer Strafsache Gesetzänderungen, wie im hier gegenständlichen Fall, zu berücksichtigen. Damit ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde maßgeblich. Bei Anwendung dieser neuen Gesetzlage überzeugt jedoch die Argumentation der Bezirkshauptmannschaft Y nicht. Dazu kommt die bereits angeführte Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Y, die ohnehin als Schuldausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs 2 VStG zu betrachten ist.
Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Alois Huber
(Richter)
Schlagworte
Nebenrechte; Wirtschaftsjahr; Fenstereinbau; Geringfügigkeitsgrenze;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.18.1285.1Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017