Entscheidungsdatum
15.09.2017Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §17Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Peter Christ über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. BB, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.7.2017, **-****/2-2017,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1010 Wien, erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht einzubringen.
Die Beschwerde bzw. die Revision ist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensablauf:
1. Zum angefochtenen Bescheid vom 19.7.2017, **-****/2-2017:
Mit Schreiben vom 16.6.2017 teilte Herr Rechtsanwalt Mag. BB mit, dass er Herrn AA rechtsfreundlich vertrete und dieser Rechtsnachfolger des Herrn CC in Hinblick auf die Liegenschaft „DD“ in Y sei.
Gleichzeitig wurde ersucht, den gesamten bei der Bezirkshauptmannschaft X vorhandenen Akt im Zusammenhang mit dem genannten Verfahren an die Bezirkshauptmannschaft W zur Vornahme der Akteneinsicht zu übermitteln.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft X vom 4.7.2017 wurde dem Herrn Mag. BB mitgeteilt, dass keine Akten zur Akteneinsicht außer Haus übermittelt würden, allerdings in der Bezirkshauptmannschaft X Akteneinsicht genommen werden könne.
Mit Schreiben vom 5.7.2017 ersuchte Mag. BB im Namen seines Mandanten AA um Rückäußerung, ob die ablehnende Haltung aufrecht bleibe und beantragte für diesen Fall die Gewährung der Akteneinsicht im Rechtshilfeweg in der Form, dass die beantragten Akten der Bezirkshauptmannschaft W als Rechtshilfebehörde übermittelt werden, und für den Fall der Verweigerung die bescheidmäßige Erledigung dieses Ansuchens.
Mit dem in weiterer Folge erlassenen, nunmehr angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über den genannten Antrag wie folgt:
„Der Antrag des Herrn AA, Adresse 3, Z, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. BB, Adresse 4, W auf Gewährung der Akteneinsicht im Rechtshilfeweg wird gemäß § 19 Abs. 4. Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 56/2016, iVm § 17 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F. zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 161/2013, als unbegründet abgewiesen.“
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus:
„§ 17 Abs. 1 AVG 1991 gewährt den Parteien des Verfahrens nicht nur ein subjektives Recht darauf, bei der Behörde in den Verwaltungsakt Einsicht zu nehmen, sondern auch darauf, sich von den Akten (Teilen) an Ort und Stelle Abschriften selbst anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen zu lassen (vgl. VwGH 28.02.2008, GZl. 2007/06/0293). Die Behörde ist aber nicht verpflichtet, Akten (Teile) oder Kopien davon z.B. an eine andere Behörde in der Nähe des Wohnsitzes der Partei zu übersenden (vgl. VwGH 22.05.1996, 95/21/0083). Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 AVG (arg. ‚bei der Behörde‘ i.V.m ‚an Ort und Stelle‘) ergibt sich viel mehr, dass zur Erleichterung sowohl für die Parteien selbst als auch für die Behörden im Amt Abschriften angefertigt oder Kopien hergestellt werden sollen (vgl. VwGH 20.11.1986, 86/02/0091). Daher stellt etwa auch die Unterlassung der Mitteilung, dass eine Aktenkopie nicht übersendet werde, für sich keine Verweigerung der Akteneinsicht dar, weil die Partei bzw. deren Vertreter weiter die Möglichkeit haben, bei der Behörde in die Akten Einsicht zu nehmen (vgl. VwGH 07.09.1995, 95/18/1190).
Gegenständlich wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 04.07.2017 mitgeteilt, dass Akteneinsicht bei der Bezirkshauptmannschaft X genommen werden kann. Ein Anreiseweg von ca. 30 km zur Akteneinsicht wird als zumutbar erachtet und steht dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw. einer angemessenen Verfahrensdauer nicht entgegen. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.“
Laut dem gegenständlichen Verfahrensakt wurde der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 27.7.2017 zugestellt.
2. Beschwerde:
Gegen den unter Z 1 genannten Bescheid erhob Herr AA, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. BB, Beschwerde, welche am 24.8.2017 per Post an die Bezirkshauptmannschaft X übermittelt wurde.
Begründet wird die genannte Beschwerde, mit der insbesondere die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend begehrt wird, dass dem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht im Rechtshilfeweg vollinhaltlich stattgegeben wird, im Wesentlichen wie folgt:
„a.) § 17 Abs 1 AVG gewährt der Partei des Verfahrens das Recht in den Verwaltungsakt Einsicht zu nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anzufertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen zu lassen. Die Bezirkshauptmannschaft X beruft sich in ihrer Begründung darauf, dass die Behörde laut stRsp des VwGH nicht zur Übersendung der Akten an die Partei oder an die gewünschte Behörde verpflichtet ist. Der VwGH erklärt in stRsp die Übersendung der Akten an die gewünschte Behörde im Rechtshilfeweg jedenfalls für zulässig (VWGH 06.02.1967 Slg 7074 A, 15.10.1986, 86/03/0161, 28.09.1994, 92/03/0269, 19.10.2004, 2001/03/0077 ua). Der VwGH begründet die Zulässigkeit der Übersendung der Akten an eine andere Behörde zur Gewährung der Akteneinsicht im Wege des Rechtshilfeweges damit, dass der Behörde bei dieser Entscheidung ein Ermessen zukomme. Dieses Ermessen darf die Behörde nicht nach ihrem Belieben ausüben, sondern sie ist dabei an Art 130 Abs 3 und Art 133 Abs 3 B-VG gebunden.
b.) Auch wenn der VwGH und nicht der Wortlaut des § 17 Abs 1 AVG explizit Ermessen einräumt, so ist die Behörde trotzdem an Art 130 Abs 3 und Art 133 Abs 3 B-VG gebunden. Enthält das entsprechende Gesetz keinerlei explizite Anweisungen bzgl der Ermessensausübung, so hat die Behörde den Sinn und Zweck des Gesetzes zu eruieren. Die Behörde hat weiters in ihrer Entscheidung entsprechende Grundsätze abzuleiten und eine umfassende Abwägung unterschiedlicher Interessen vorzunehmen, um die konkrete Ermessensausübung zu begründen. Diese Feststellungen sowie deren rechtliche Beurteilung müssen schlüssig und auf die konkrete Situation bezogen sein (zB VwGH 29.09.2005 2004/11/0043). Die von der BH X angeführten Argumente lassen nicht erkennen, warum im gegenständlichen Fall die Gewährung der Akteneinsicht im Rechtshilfeweg abgewiesen wurde. So wird in der Bescheidbegründung nur das Argument angeführt, dass ein Anreiseweg von ca . 30 km als zumutbar erachtet wird. Diese sehr kurze und auch nicht genauer ausgeführte Begründung entspricht in mehrfacher Hinsicht nicht der zuvor erwähnten Judikatur des VwGH. Es kann bei der vorliegenden Bescheidbegründung in keiner Weise von einer umfassenden Abwägung der unterschiedlichen Interessen die Rede sein. So werden weder die Interessen der BH X genauer ausgeführt, noch wird in irgendeiner Weise auf die Interessen des Beschwerdeführer eingegangen.
Die BH X setzt sich außerdem nicht im Detail mit dem Sachverhalt auseinander, da sie nur auf den Anfahrtsweg von 30 km verweist und den Zeit- und Kostenaufwand komplett außer Acht lässt. Somit ergibt sich aus den Feststellungen keine schlüssige und auf die konkrete Situation bezogene Begründung. Der zeitliche Aufwand für die Akteneinsicht im Vergleich zu einer Akteneinsicht bei der BH W ist enorm. Die gesamte Akteneinsicht, also Hin- und Rückfahrt sowie das Anfertigen von Kopien, nimmt - je nach Verkehrslage - in etwa zwei bis drei Stunden in Anspruch, wohingegen die gesamte Akteneinsicht bei der BH W in ca . 30 Minuten erledigt werden kann. Aufgrund des wesentlich höheren Zeitaufwandes entstehen somit auch höhere Kosten, was im Sinne der Verfahrensökonomie als nicht tunlich erscheint. Dieser hohe Zeitaufwand und die größere finanzielle Belastung können mit der Übersendung der Akten an die BH W auf unkomplizierte Weise vermieden werden. Auch der dadurch für die BH X entstehende Aufwand stellt sich im Vergleich zu dem erwähnten Zeit- und Kostenaufwand als äußerst gering dar.
c.) Wie bereits ausgeführt, hat die Behörde ihre Ermessensentscheidung ausführlich zu begründen, was im gegenständlichen Fall unterblieben ist. Außerdem hat die Behörde von ihrer Ermessensbefugnis möglichst gleichförmig, dh in gleich gelagerten Fällen auf die gleiche Art und Weise, Gebrauch zu machen (VwGH 29.01.2008, 2005/05/0276). Da die BH X bereits in mehreren Fällen problemlos Akten zur Einsichtnahme an die Bezirkshauptmannschaft W im Wege des Rechtshilfeweges übermittelt hat, erschließt es sich nicht, warum in diesem konkreten Fall das Ermessen anders ausgeübt wurde. Dem Beschwerdeführer ist dies jedenfalls aus den Verfahren ****, ****, **** und **** der BH X bekannt. Der gegenständliche Fall unterscheidet sich nur dadurch von jenen Beispielen, dass es sich wohl innerhalb der BH X um eine andere Abteilung handelt. Sonstige Unterschiede, welche der Übermittlung der Akten an die BH W entgegenstehen könnten, sind aus objektiver Sicht nicht gegeben. Da die Behörde laut der zuvor erwähnten Judikatur des VwGH in gleich gelagerten Fällen auf die gleiche Art und Weise von ihrer Ermessensbefugnis Gebrauch zu machen hat, hätte die BH X auch im gegenständlichen Fall die Akten an die BH W übermitteln müssen. Somit handelt es sich beim bekämpften Bescheid um einen Ermessensfehler der BH X.“
II. Rechtliche Erwägungen:
1. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol:
Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol, in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, gründet in der Bestimmung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, wonach über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Verwaltungsgerichte erkennen.
Das Landesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Angelegenheit gem Art 131 Abs 1 B-VG zuständig, zumal sich aus den Abs 2 und 3 dieser Bestimmung keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes ergibt.
2. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:
Die Beschwerde wurde innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist nach § 7 Abs 4 VwGVG eingebracht und ist insofern rechtzeitig.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die vorliegende Beschwerde auch zulässig.
3. Zur Sache:
Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 17 AVG lautet wie folgt:
„Akteneinsicht
§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
Im Sinn des Abs 4 der soeben zitierten Bestimmung erfolgt die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens durch Verfahrensanordnung, kann also grundsätzlich erst im Rechtsmittel gegen den die Sache erledigenden Bescheid als Verfahrensmangel bekämpft werden. Umso mehr muss es sich auch bei der im vorliegenden Fall zu treffenden Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht grundsätzlich um eine nicht selbstständig bekämpfbare Verfahrensanordnung handeln. Da § 17 Abs 4 AVG aber ausdrücklich nur gegenüber Parteien gilt, folgt daraus e contrario, dass die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber einer nicht am Verfahren als Partei beteiligten Person, nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens oder in einem nicht durch Bescheid abzuschließenden Verfahren einen verfahrensrechtlichen Bescheid darstellt, der selbstständig anfechtbar ist (siehe hierzu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 176).
Insofern ist zunächst festzustellen, dass im vorliegenden Fall gegen die bescheidförmige Erledigung des gegenständlichen Antrages auf Gewährung von Akteneinsicht im Rechtshilfeweg keine Einwände bestehen.
Was nun das Beschwerdevorbringen betrifft, ist dieses aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes allerdings nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der auf § 17 AVG gestützten Abweisung des Antrages auf Gewährung von Akteneinsicht im Rechtshilfeweg aufzuzeigen.
Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass seitens des VwGH die Zulässigkeit einer Akteneinsicht im Rechtshilfeweg ausgesprochen wurde, trifft dies zwar zu; allerdings ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass dies der Behörde nicht gleichbedeutend eine Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht im Rechtshilfeweg aufbürdet.
In diesem Sinn lautet auch der aus dem vom Beschwerdeführer genannten VwGH-Erkenntnis vom 19.10.2004, 2001/03/0077, abgeleitete Rechtssatz wie folgt:
„§ 17 Abs 1 AVG 1950 legt der Behörde nicht die Verpflichtung auf, Verwaltungsakte an die von der Partei gewünschte Behörde zum Zwecke der leichteren Ermöglichung der Akteneinsicht zu übersenden, erklärt dies aber auch nicht für unzulässig.“
Dass die Behörde – wie vom Beschwerdeführer behauptet - eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt hätte, ob sie die Akten zur Gewährung der Akteneinsicht an eine andere Behörde übersendet oder nicht, bzw nur aufgrund näherer Begründung von einer Aktenübermittlung absehen hätte dürfen, lässt sich weder aus dem eben zitierten Erkenntnis noch aus den weiteren vom Beschwerdeführer genannten VwGH-Erkenntnissen ableiten.
Im VwGH-Erkenntnis vom 5.7.2006, 2005/12/0104, wird vielmehr ausdrücklich ausgesprochen, dass kein Verfahrensmangel vorliegt, wenn die belangte Behörde einem Antrag auf Übermittlung eines Aktes an die von der Partei gewünschte Behörde zum Zwecke der leichteren Ermöglichung der Akteneinsicht nicht entsprochen hat. Auch aus der von der belangten Behörde zitierten Entscheidung VwGH 22.05.1996, 95/21/0083, geht hervor, dass in der Nichtentsprechung des Ersuchens auf Aktenübersendung an eine andere Bezirkshauptmannschaft keine Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt, weil § 17 Abs 1 AVG die Behörde nicht verpflichtet, die Akten an die von der Partei gewünschte Behörde zum Zweck der leichteren Ermöglichung der Akteneinsicht zu übersenden.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers dahingehend, welche Kriterien bei einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind und inwieweit die belangte Behörde diese Kriterien nicht eingehalten hat, waren daher von vorneherein ungeeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, da von der belangten Behörde im vorliegenden Fall wie dargelegt keine Ermessensentscheidung zu treffen war.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen und dem Nichtbestehen einer behördlichen Verpflichtung zur Aktenübersendung war aber auch jenes Beschwerdevorbringen unbeachtlich, wonach eine Übermittlung des Aktes im vorliegenden Fall aus verfahrensökonomischen Gründen geboten gewesen wäre.
Klargestellt sei diesbezüglich allerdings, dass auch hier die Argumentation des Beschwerdeführers nicht zu überzeugen vermag. Wenn etwa der Beschwerdeführer den Zeitaufwand bei einer Akteneinsicht bei der Bezirkshauptmannschaft X auf zwei bis drei Stunden, bei der Bezirkshauptmannschaft W dagegen nur auf 30 Minuten schätzt, ist nicht erkennbar, woraus sich diese Zeitdifferenz bei einer einfachen Fahrtstrecke von nur ca. 30 km ergibt. Eine größere Zeitinanspruchnahme kann sich schließlich ausschließlich durch die benötigte Fahrtzeit ergeben, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, weshalb abgesehen von der Fahrtzeit die Akteneinsicht in W viel schneller als in X abgewickelt werden könnte. Die reine Fahrzeit von W nach X und retour ist aber aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung nur mit ca. 1 Stunde anzusetzen.
Insgesamt erweist sich die vorliegende Beschwerde jedenfalls als unbegründet und war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Die vorliegende Entscheidung konnte im Sinn des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Nach Abs 4 leg cit kann das Verwaltungsgericht trotz eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist und wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im vorliegenden Fall wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt; eine solche Verhandlung wird vom Landesverwaltungsgericht aber nicht für erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Sachverhalts- sondern lediglich rechtliche Fragen zu klären waren. Damit liegt aber ein besonderer Grund vor, der auch im Licht der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen.
In seiner Entscheidung vom 5. September 2002, Speil/Österreich, Nr. 42057/98, hat der EGMR weiters unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der EGMR darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte. Auch dies trifft im vorliegenden Fall zu.
Zudem hat der EGMR anerkannt (Urteil vom 18.7.2013, 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein), dass eine Verhandlung etwa dann nicht geboten ist, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. Auch aus diesen Gründen ist im vorliegenden Fall eine Verhandlung nicht geboten. In diesem Zusammenhang betont der VwGH in ständiger Rechtsprechung (siehe etwa VwGH 27.9.2013, 2012/05/0212, oder VwGH 29.1.2014, 2013/03/0004) außerdem, dass die staatlichen Behörden auch auf Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie Rücksicht und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen können.
Insofern konnte im vorliegenden Fall nach § 24 Abs 4 VwGVG aufgrund des Vorliegens der darin genannten Voraussetzungen trotz eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
5. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die im vorliegenden Fall wesentliche Rechtsfrage, ob eine Verpflichtung zur Aktenübermittlung zur Gewährung von Akteneinsicht im Rechtshilfeweg besteht, hat das Landesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Judikatur des VwGH gelöst.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Peter Christ
(Richter)
Schlagworte
Akteneinsicht; Aktenübermittlung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.35.2143.1Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017