TE Lvwg Erkenntnis 2017/6/6 LVwG 41.10-803/2017

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Veröffentlicht am 06.06.2017
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Entscheidungsdatum

06.06.2017

Index

L92006 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Steiermark

Norm

MSG Stmk 2011 §15 Abs7
AVG §68

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Clement
über die Beschwerde der V L, geb. am xx, Kstraße, B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 06.03.2017, GZ: 9.10-696-16/2017-1,

z u R e c h t e r k a n n t :

Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

stattgegeben,

der angefochtene Bescheid vom 06.03.2017 ersatzlos behoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Schreiben vom 06.03.2017 wurde Frau V L (im Folgenden Beschwerdeführerin) mitgeteilt, dass die mit Bescheid vom 10.10.2016 zuerkannten Mindestsicherungsleistungen mit 31.03.2017 eingestellt werden. Begründend wird ausgeführt, dass es an der Anspruchslegitimation gemäß § 4 Abs 1 Z 3 iVm § 4 Abs 2 Z 2 Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetzes (im Folgenden StMSG) mangle und somit kein Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung bestehe.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der Bescheid unrechtmäßig sei, da er nicht auf Fakten basiere. Die Beschwerdeführerin wohne seit August 2011 immerfort in Österreich und sei mit Herrn S verheiratet. Sie habe einen Daueraufenthaltstitel. Sie habe fünf Jahre im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Mann gewohnt und ihn gepflegt. Anfang 2016 habe ihr behinderter Mann auf das getrennte Wohnen bestanden, da er Probleme mit den Nerven habe und seine Wohnung nur ein Schlafzimmer habe. Seit Oktober 2016 wohne sie daher in einem anderen Haushalt, bezahle Wohnungskosten und habe kein Einkommen. Der Bescheid von Frau K bedrohe sie in ihrer Existenz. Die Verweise auf Gesetze, die im Bescheid angeführt seien hätten keinen Bezug auf ihre Situation, weil sie insgesamt mehr als sechs Jahr lang in Österreich wohne und erfülle sie die Voraussetzungen für den Bezug der Mindestsicherung. Aus diesem Grund ersuche sie wegen ihrer schwierigen finanziellen Situation und dem Pensionsalter ab 01.04.2017 die Mindestsicherung wieder anzufangen.

Vorerst war die rechtliche Qualifikation des Schreibens vom 06.03.2017 als Bescheid zu prüfen.

§ 58 AVG lautet wie folgt:

Inhalt und Form der Bescheide

(1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

(3) Im Übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.

Das Schreiben vom 06.03.2017 ist zwar nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, nach der ständigen Judikatur schadet jedoch diese fehlende ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht, wenn der Inhalt des betreffenden Aktes an der Bescheidqualität keinen Zweifel aufkommen lässt. Es ist aus dem Schreiben eindeutig erkennbar, welcher Behörde dieses Schreiben zuzurechnen ist, weiters ist die Erledigung mit einem Datum versehen und geht der Bescheidadressat aus dem Schreiben eindeutig hervor. Darüber hinaus ist dem Schreiben ein eindeutiger normativer Spruch zu entnehmen, der wie folgt lautet: „Die mit Bescheid vom 10.10.2016 zuerkannte Mindestsicherungsleistungen werden mit 31.03.2017 eingestellt.“ Diese Entscheidung der Behörde wird auch ausführlich in dem Schreiben vom 06.03.2017 begründet und ist die Erledigung durch Hinzufügen der Unterschrift genehmigt und enthält auch den Namen des Genehmigenden gemäß § 18 Abs 4 AVG. Auch wenn jeder Bescheid gemäß § 58 Abs 1 AVG eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat, schadet die rechtswidrigerweise fehlende Rechtsmittelbelehrung nicht, da das Rechtsmittel rechtzeitig erhoben worden ist. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung ist kein wesentliches Bescheidmerkmal, sodass auch dann ein Bescheid vorliegt, wenn eine Rechtsmittelbelehrung fehlt (vgl. VwGH 24.11.2003, 2000/10/0200).

Da somit alle wesentlichen Bescheidmerkmale vorliegen, ist das Schreiben vom 06.03.2017 der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag als Bescheid zu qualifizieren, welcher auch mit Rechtsmittel angefochten werden kann.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann diese Entscheidung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark trifft nachfolgende Feststellungen:

V L, damals russische Staatsangehörige, heiratete am 24.08.2011 A S, geb. am xx, in B. Sie war mit Hauptwohnsitz vom 22.08.2011 bis 28.06.2016 in Ka, M-Siedlung, polizeilich gemeldet. Seit 28.06.2016 ist sie aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und wohnt seither in der Kstraße, B. Sie ist seit 2016 rumänische Staatsangehörige und somit Unionsbürgerin. Am 31.05.2016 stellte die Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag, Sicherheitsreferat/Aufenthaltswesen, eine Anmeldebescheinigung als Angehöriger (Ehegatte, § 52 Abs 1 Z 1 NAG) aus. Die Beschwerdeführerin hält sich seit August 2011 durchgehend in Österreich auf.

Mit Bescheid vom 10.10.2016 wurde der Beschwerdeführerin Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs in Form einer monatlich pauschalierten Geldleistung ab 01.10.2016 in Höhe von € 837,76 auf die Dauer unveränderter wirtschaftlicher und persönlicher Verhältnisse aufgrund des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes gewährt.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin haben sich seit 10.10.2016 nicht verändert und waren vor Bescheiderlassung am 10.10.2016 bereits gegeben.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt wie dem Bescheid vom 10.10.2016 und 06.03.2017 und zum Aufenthaltsstatus und der Staatsbürgerschaft aus der im erstinstanzlichen Akt befindlichen EWR-Anmeldebescheinigung sowie dem Antrag auf Anmeldebescheinigung vom 31.05.2016 und der beigelegten Reisepasskopie. Die Beschwerdeführerin ist nach wie vor in der Steiermark, Kstraße in B nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung am 28.6.2016 wohnhaft, was sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergibt. Das Datum des Auszugs wurde von der Behörde selbst ermittelt.

Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des StMSG lauten wie folgt:

§ 4 StMSG:

Persönliche Voraussetzungen

(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben Personen, die

         1.       hilfebedürftig sind,

         2.       ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und

         3.       zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis nach Abs. 1 Z. 3 gehören jedenfalls:

         1.       österreichische Staatsbürgerinnen/Staatsbürger und deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verfügen;

         2.       Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;

         3.       Asylberechtigte gemäß § 3 Asylgesetz 2005;

         4.       subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Asylgesetz 2005;

         5.       Personen

         a)       mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, denen dieser Aufenthaltstitel gemäß § 45 NAG erteilt wurde oder

         b)       deren vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellter Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ als solcher gemäß § 81 Abs. 29 NAG als „Daueraufenthalt – EU“ weiter gilt oder

         c)       deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV) weiter gilt;

         6.       Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 Abs. 2 bis 4 NAG.

(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben insbesondere:

         1.       EWR-Bürgerinnen/-Bürger und Schweizer Bürgerinnen/Bürger während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes im Inland, außer es handelt sich um Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer oder Selbständige und deren Angehörige;

         2.       Personen während ihres visumsfreien oder visumspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z 1 anwendbar ist;

         3.       Personen, die nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Asylgesetz 2005 haben;

         4.       Personen, die Leistungen nach dem Steiermärkischen Betreuungsgesetz geltend machen können.

§ 15 Abs 7 StMSG:

Verfahren

Die Leistungen der Mindestsicherung sind einzustellen, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung wegfällt. Sie sind herabzusetzen, wenn sie aufgrund geänderter Umstände zu hoch bemessen sind.

Die Voraussetzungen für Leistungen der Mindestsicherung sind im zweiten Abschnitt des StMSG geregelt. Es sind dies einerseits persönliche Voraussetzungen (§ 4), weiters der Einsatz der eigenen Mittel (§ 6) und der Einsatz der Arbeitskraft (§ 7).

An persönlichen Voraussetzungen sind gemäß § 4 Abs 1 StMSG aufgezählt

1.       Hilfebedürftigkeit;

2.  Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen gewöhnlicher Aufenthalt im Land Steiermark und

3.       die dauernde Aufenthaltsberechtigung im Inland.

In § 4 Abs 2 StMSG wird der Personenkreis nach Abs 1 Z 3 näher definiert.

Mit Bescheid vom 10.10.2016 wurden der Beschwerdeführerin, wohnhaft in B, Kstraße, Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ab 01.10.2016 in Höhe von € 837,76 auf die Dauer unveränderter wirtschaftlicher und persönlich Verhältnisse zuerkannt. Dieser Bescheid ist formell in Rechtskraft erwachsen, d.h. der Bescheid kann von den Parteien mit Rechtsmitteln nicht mehr bekämpft werden.

Ob der Bescheid auch unwiderrufbar ist, ist anhand von § 68 AVG zu prüfen.

§ 68 AVG lautet wie folgt:

Abänderung und Behebung von Amts wegen

(1)      Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2)      Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3)      Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4)      Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1.

von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2.

einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3.

tatsächlich undurchführbar ist oder

4.

an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5)      Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6)      Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7)      Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.

Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist es, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen. Der Gesetzgeber wollte die schwierige Frage des Verhältnisses der Forderungen nach Rechtsfrieden und Rechtssicherheit für den Bescheidadressaten auf der einen und nach Rechtmäßigkeit aller Verwaltungsakte auf der anderen Seite lösen. Die Unabänderlichkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung (vgl. VwGH 04.05.1990, 90/09/0016). Die Bescheid erlassende Behörde ist an den Bescheid gebunden, sie darf ihn nicht ändern, d.h. nicht aufheben, widerrufen oder für nichtig erklären, außer sie ist durch eine spezielle gesetzliche Ermächtigung, wie z.B. durch § 68 Abs 2 – 4 AVG, ausdrücklich dazu befugt. Eine Abänderung und damit Durchbrechung der materiellen Rechtskraft eines Bescheides kann auch dadurch erfolgen, dass nicht der Bescheid selbst geändert wird, sondern in derselben Sache ein neuer Bescheid ergeht, durch den sich die Rechtslage in Bezug auf die entschiedene Sache für die Partei ändert, was hier eindeutig der Fall ist.

Die materielle Rechtskraft (Unabänderlichkeit/Unwiderrufbarkeit sowie Unwiederholbarkeit) eines Bescheides steht einer weiteren Entscheidung in derselben Sache daher grundsätzlich entgegen.

§ 68 Abs 3 AVG ermächtigt jedoch die Behörde zur Abänderung von Bescheiden aus denen jemanden - wie im vorliegenden Fall - ein Recht erwachsen ist, insoweit als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. Unter schwerer „volkswirtschaftlicher Schädigung“ sind Beeinträchtigungen wie z.B. eine Kontamination von Trinkwasser oder Luft etc. zu verstehen, eine Wettbewerbsverzerrung oder der Entfall von Abgaben, Steuern, Beiträgen zu den Systemen der sozialen Sicherheit. Dabei ist bei einer Nichtigerklärung oder Abänderung eines Bescheides mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen. Von einer schweren volkswirtschaftlichen Schädigung kann im vorliegenden Fall bei Zuerkennung der Mindestsicherung an die Beschwerdeführerin nicht gesprochen werden.

Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist der Norminhalt des in Frage stehenden Bescheides, wobei nur dem Spruch des Bescheides Unabänderlichkeit zukommt. Identität der Sache ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (VwGH 26.02.2004, 2004/07/0014 u.a.).

Es ist daher weiter gemäß § 68 Abs 6 AVG zu prüfen, ob die der Behörde gemäß § 15 Abs 7 StMSG eingeräumte Befugnis die Leistungen einzustellen oder herabzusetzen, gegeben ist.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 10.10.2016 war die Beschwerdeführerin bereits aus der ehelichen Wohnung, nämlich am 28.06.2016, ausgezogen und es war bereits die neue Anmeldebescheinigung im Hinblick auf die rumänische Staatsbürgerschaft vom 21.05.2016 ausgestellt. Die Anspruchslegitimation der Beschwerdeführerin auf Mindestsicherung im Hinblick auf § 4 Abs 1 Z 3 iVm § 4 Abs 2 Z 2 StMSG wäre daher bereits bei Erlassung des Bescheides vom 10.10.2016 von der Behörde zu prüfen gewesen und hat sich der zu beurteilende Sachverhalt im Hinblick auf die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 4 StMSG gegenüber dem Schreiben vom 06.03.2017 nicht geändert. Dass die Leistung herabzusetzen ist, hat die Behörde mit Schreiben vom 06.03.2017 selbst nicht festgestellt und ergibt sich diesbezüglich auch kein Hinweis aus dem Akt.

Setzt sich die Behörde über die materielle Rechtskraft eines Bescheides hinweg und erlässt in derselben Sache nochmals eine Entscheidung, ist der Bescheid nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich rechtswidrig, aber nicht absolut nichtig (VwGH 15.12.1992, 92/11/0269).

Da sich somit weder die Voraussetzungen gemäß § 15 Abs 7 1. Satz StMSG geändert haben noch sonstige Umstände der Beschwerdeführerin seit Erlassung des Bescheides vom 10.10.2016 eine Änderung erfahren haben, führte die Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“ durch eine neuerliche Entscheidung in einer rechtskräftig abgeschlossenen Sache zur Rechtswidrigkeit, da die Beschwerdeführerin durch den zweiten Bescheid in einem subjektiven Recht beeinträchtigt wurde. Der angefochtene Bescheid in Form des Schreibens vom 06.03.2017 war daher ersatzlos zu beheben, um den ursprünglichen Rechtszustand - geschaffen mit Bescheid vom 10.10.2016 - wiederherzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung, Einstellung der Leistungen, Änderung der Sach- und Rechtslage, Rechtskraft, Unwiderrufbarkeit, Dauer unveränderter wirtschaftlicher und persönlicher Verhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.41.10.803.2017

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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