RS Lvwg 2016/1/21 LVwG-400147/2/Gf/Mu

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.01.2016
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Rechtssatznummer

1

Entscheidungsdatum

21.01.2016

Norm

StGB §5
StGB §6
BStMG §10
BStMG §11
BStMG §20

Rechtssatz

Auf der Ebene des Verschuldens wendet der Bf. einerseits ein, dass er im Zuge der seinen Urlaub im österreichisch-deutschen Grenzgebiet abschließenden Heimreise nach Köln bei der Grenzstadt Passau in falscher Fahrtrichtung auf die Autobahn aufgefahren ist, sodass er zum Zeitpunkt des Erkennens seines Irrtums die Verwaltungsübertretung nicht mehr hätte rückgängig machen können; in diesem Zusammenhang bringt er jedoch andererseits in seiner Stellungnahme auch vor, dass er bei der ersten sich nach der Grenzüberquerung bietenden Gelegenheit von der Autobahn abgefahren und dort sogleich wieder in der Gegenrichtung auf diese aufgefahren ist. Besieht man sich dieses Verhalten insgesamt, so wird daraus lediglich ein Irrtum über die gewählte Fahrtrichtung und die Absicht, diesen raschest möglich korrigieren zu wollen, deutlich; ob bzw. inwieweit dem Bf. überhaupt bewusst war bzw. hätte sein müssen, dass die Benützung von Autobahnen in Österreich der Mautpflicht unterliegt, lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Bedeutung kommt aus rechtlicher Sicht aber ausschließlich dem letzteren Aspekt zu.

Ein Verhalten dahin, dass die Benutzung einer Autobahn in falscher Fahrtrichtung dadurch korrigiert wird, dass man diese unmittelbar nach dem Erkennen des Irrtums bei der nächstfolgenden Ausfahrt verlässt und unmittelbar dort wieder in der Gegenrichtung auf die Autobahn auffährt, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Gleiches gilt auch dafür, dass in derartigen Situationen Fragen nach einer allfälligen Mautpflicht der Autobahn, nach dem konkreten System der Mautpflicht etc. in den Hintergrund treten; dies gilt insbesondere, wenn man sich in unbekannten Gebieten, im Ausland o.Ä. befindet.

Ist aber die für die Benützung der Autobahn bestehende Mautpflicht durch entsprechende Hinweisschilder derart kundgemacht, dass dieser Umstand jedermann auffallen und klar sein muss, so ist unter solchen Rahmenbedingungen die Benützung der Autobahn ohne Entrichtung der fälligen Gebühr nicht bloß als grob fahrlässige, sondern sogar als (bedingt) vorsätzliche Übertretung des § 20 BStMG zu qualifizieren: Denn ein solcher Fahrzeuglenker hält die Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht nur in dem Sinne für möglich, dass der Eintritt eines diesem Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar ist (vgl. nunmehr § 6 Abs. 3 StGB), sondern er findet sich damit auch ab (vgl. § 5 Abs. 1 StGB), indem er gleichsam eine mögliche Beanstandung wegen dieses Deliktes im Verhältnis dazu, ansonsten noch weiter vom richtigen Weg abzugleiten, als das gleichsam „geringere Übel“ in Kauf nimmt. Anderes könnte nur dann gelten, wenn spezifische Umstände vorliegen, die eine derartige Schlussfolgerung ausnahmsweise nicht nahelegen; hierfür ergeben sich jedoch auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes keine Anhaltspunkte.

Fraglich könnte daher allenfalls sein, ob dem Bf. unter den gegebenen Umständen ein rechtmäßiges Alternativverhalten, das etwa darin bestanden hätte, entweder über das nicht mautpflichtige Straßennetz nach Deutschland zurückzufahren, sich nach dem Verlassen der Autobahn (z.B. bei der nächsten Tankstelle) eine Vignette anzuschaffen o.Ä., nicht hätte zugemutet werden können.

Auch dann, wenn man in diesem Zusammenhang das hohe Alter des Rechtsmittelwerbers (78 Jahre) und die subjektiv als Stress- bzw. Notlage empfundene Situation berücksichtigt (sodass er in großer Nervosität  und Getriebenheit allein von dem Gedanken, wie er am einfachsten und schnellsten wieder nach Deutschland zurückkehren kann, die Hinweistafeln auf die Vignettenpflicht nicht bewusst wahrgenommen hat und ihm sohin auch gar nicht in den Sinn gekommen ist, eine entsprechende Verwaltungsübertretung zu begehen), erscheint es aber objektiv besehen angesichts dessen, dass sich unmittelbar an der Autobahnauffahrt Suben in Richtung BRD eine entsprechende Verkaufsstelle befindet, insgesamt jedenfalls nicht als unverhältnismäßig, vom Bf. zumindest den Erwerb einer 10 Tages-Vignette zu fordern. Indem er jedoch selbst dies unterlassen hat, liegt sohin ein Schuldausschließungsgrund nicht vor.

Schlagworte

Mautpflichtiges Straßennetz – Autobahn – irrtümliche Benutzung; Verschulden; grobe Fahrlässigkeit; bedingter Vorsatz; rechtmäßiges Alternativverhalten – Zumutbarkeit; Schuldausschließungsgrund

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2016:LVwG.400147.2.Gf.Mu

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2016
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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