Rechtssatznummer
1Entscheidungsdatum
15.04.2016Norm
Art. 4 VO (EG) 1333/2008Rechtssatz
* Liegen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VStG deshalb nicht vor, weil die dem Bf. angelasteten Übertretungen zwar von einem Organ der öffentlichen Aufsicht gemäß § 24 LMSVG zur Anzeige gebracht wurden, dieses aber die Erfüllung der – insbesondere sämtlicher – Tatbestandsvoraussetzungen nicht persönlich wahrgenommen hat, so erweist sich die Strafverfügung als rechtswidrig. Dieser Umstand führte allerdings nicht zur Nichtigkeit, sondern bloß zu einer Fehlerhaftigkeit, was bedeutet, dass die Strafverfügung ab deren Erlassung auch verbindlich war, wobei diese Geltung bis zu ihrem durch die Erhebung eines Einspruches bewirkten Außerkrafttreten gemäß § 49 Abs. 1 dritter Satz VStG andauerte. Somit lag während dieses Zeitraumes insbesondere auch eine taugliche Verfolgungshandlung vor. Dass deren Geltung in der Folge wieder weggefallen ist, bewirkte sohin – im Gegensatz zu einer absolut nichtigen Verfolgungshandlung – nicht, dass diese Strafverfügung geeignet war, den Eintritt der Verjährung gemäß § 31 Abs. 1 VStG hintanzuhalten, weil diese Bestimmung in Verbindung mit § 32 Abs. 2 VStG nur das Vorliegen einer rechtswirksamen Verfolgungshandlung überhaupt, nicht aber auch darüber hinaus erfordert, dass diese Handlung den gesamten Verfolgungszeitraum über Verbindlichkeit aufweisen muss;
* Soll eine Bestrafung nicht wegen Überschreitung eines in Anhang II Teil E zur VO 1333/2008 festgelegten höchstzulässigen Grenzwertes für einen Zusatzstoff, sondern vielmehr speziell wegen einer durch eine missverständliche Kennzeichnung des Lebensmittels veranlassten Irreführung der Verbraucher, die darin bestanden haben soll, dass einerseits das auf der Verpackung angebrachte Etikett (u.a. auch) mit der Angabe „Ohne Konservierungsmittel“ versehen war, während das verfahrensgegenständliche Produkt tatsächlich auch den Stoff Kaliummetabisulfit enthalten hat, der (sowohl antioxidierend als auch) konservierend wirkt, erfolgen, so obliegt es der Behörde, dieses Faktum entsprechend nachzuweisen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ab welcher Konzentration dieser Stoff seine konservierende Wirkung entfaltet, schon deshalb, weil nach Art. 9 der VO 1333/2008 in den Anhängen II und III zu dieser VO die Lebensmittelzusatzstoffe zwar den einzelnen „Funktionsklassen“ im Sinne des Anhanges I entsprechend ihrer technischen Hauptfunktion zugeordnet sind – nämlich insbesondere „konservierend“ bzw. „antioxidierend“ i.S.d. Anhanges I Z. 3 und Z. 4 – und diese Zuordnung nicht ausschließt, dass solche Zusatzstoffe auch für andere Zwecke verwendet werden können; jedoch sind die in den Anhängen II und III enthaltenen Listen der Lebensmittelzusatzstoffe gemäß Art. 4 Abs. 3 und 4 der VO 1333/2008 nicht nach Funktionsklassen, sondern nach dem Kriterium der Kategorien jener Lebensmittel, denen sie zugesetzt werden dürfen, erstellt; daraus ergibt sich, dass allein die Einreihung eines Zusatzstoffes in eine bestimmte Klasse – z.B. in die Klasse 200 bis 297 bzw. in die Klasse 300 bis 392 – noch keinen hinreichenden Nachweis dafür bildet, dass diesem Stoff tatsächlich beispielsweise auch eine konservierende bzw. antioxidierende Wirkung zukommt, d.h., dass einer E Nummer nicht mehr als bloße Indizwirkung zukommt;
* Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei der Angabe „Antioxidationsmittel“ nicht um eine Sachbezeichnung i.S.d. § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a LMKV, sondern vielmehr um die begriffliche Beschreibung der chemisch-physikalischen Wirkung von dementsprechenden stofflichen Zusammensetzungen. Auch der Hinweis „E 224“ verkörpert keine solche Sachbezeichnung, sondern nur ein Kürzel für einen Zusatzstoff, der in der in Anhang II Teil B zur VO 1333/2008 angeführten Liste von zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffen enthalten ist; isoliert betrachtet hat aber diese Kurzbezeichnung lediglich symbolischen Charakter, d.h. dass sie per se, also ohne gleichzeitige Anführung des Stoffes selbst, nichtssagend ist; daran ändert auch ein zusätzlicher Hinweis auf dessen Wirkungsweise („Antioxidationsmittel“) nichts. Dazu kommt schließlich noch, dass Schwefeldioxid und Sulfite in Konzentrationen von mehr als 10 mg/kg gemäß Anhang III Z. 1 LMKV am Etikett einer verpackten Ware explizit – und zwar ausgedrückt als SO2 – anzuführen sind;
* Ist die Voraussetzung des § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG nicht gegeben, stellt sich auch die Frage der Erteilung einer bloßen Ermahnung nicht, weil eine solche gesetzlich explizit nur als Alternative zu einer spezifisch auf diesen Umstand gegründeten Verfahrenseinstellung vorgesehen ist;
* Davon ausgehend, dass der Beschwerde teilweise stattgegeben wurde, waren die auf § 71 Abs. 3 LMSVG gegründeten Rechnungsposten der AGES entsprechend – nämlich teilweise zur Gänze und teilweise um 50% – zu reduzieren. Darüber hinaus waren dem Bf. von der AGES auf das Verfahren vor dem LVwG bezogene Kosten deshalb nicht vorzuschreiben, weil in der Stellungnahme der AGES dem vom LVwG OÖ gestellten Begehren inhaltlich nicht entsprochen wurde.
Schlagworte
Zusatzstoffe; Konservierungsstoff; Antioxidationsmittel; Kaliummetabisulfit; Schwefeldioxid; Irreführung; unvollständige Bezeichnung; E Nummer; Strafverfügung; Verfolgungshandlung; Nichtigkeit; Wohlverhalten; achtenswerter Beweggrund; Entschuldigungsgrund; keine Schadensentstehung; Verhinderung nachteiliger Folgen; Ermahnung; UntersuchungskostenAnmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2016:LVwG.000130.17.Gf.MuZuletzt aktualisiert am
02.05.2016