RS Lvwg 2016/7/21 LVwG-050065/25/Gf/Mu

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.07.2016
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Rechtssatznummer

1

Entscheidungsdatum

21.07.2016

Norm

Art. 56 AEUV
Art. 7 B-VG
Art. 140 B-VG
§342 ASVG
§26 ZahnÄG
§26a ZahnÄG
§26b ZahnÄG
§71a ZahnÄG

Rechtssatz

* § 26a Abs. 1 Z. 2 ZahnÄG normiert als Grundsatz, dass der Betrieb einer Gruppenpraxis eine vorangehende Zulassung durch den LH voraussetzt; als Ausnahme von dieser Regel bedarf es hingegen in drei Fällen keines solchen vorgelagerten Genehmigungsverfahrens, nämlich dann, wenn entweder jeder Gesellschafter bereits über einen Einzelvertrag mit der Gebietskrankenkasse verfügt oder die zu gründende Gruppenpraxis bereits im Stellenplan vorgesehen ist oder die Gruppenpraxis ausschließlich sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen erbringt (sog. „reine Wahlarzt-Gruppenpraxis“); in diesen Ausnahmekonstellationen ist gemäß § 26a Abs. 1 und Abs. 3 ZahnÄG zum Betrieb der Gruppenpraxis lediglich eine Eintragung in das Firmenbuch und in die Zahnärzteliste erforderlich; im Übrigen wird insoweit die Einhaltung der diesbezüglich in § 26 Abs. 1 bis Abs. 6 ZahnÄG normierten Ordnungsvorschriften nicht ex ante, sondern (bloß) durch die Androhung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen (vgl. § 89 Abs. 5 Z. 2 ZahnÄG) für den Fall der Nichtbeachtung gewährleistet.

* Für den Fall der Erfüllung sämtlicher gesetzlichen Voraussetzungen normiert einerseits § 26b Abs. 1 ZahnÄG ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers auf Zulassung im Sinne einer Rechtsentscheidung (vgl. auch § 26 Abs. 2 ZahnÄG); andererseits ist auch die ständige Rechtsprechung des EuGH zu beachten, wonach dann, wenn in einer nationalen Rechtsvorschrift auf eine – die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV einschränkende – Bedarfsprüfung abgestellt wird, das Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes nicht vom Genehmigungswerber nachzuweisen, sondern dieser als grundsätzlich gegeben zu vermuten ist, d.h., dass ein solcher Bedarf nur dann nicht vorliegt, wenn eines der in einer solchen Bestimmung normierten Ausschlusskriterien zutrifft; solche Kriterien dürfen allerdings weder für sich besehen noch in ihrer Gesamtheit zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit führen. Gegen eine in diesem Sinne unionsrechtskonforme Interpretation nationaler Rechtsvorschriften lässt sich auch nicht einwenden, dass im gegenständlichen Fall das Unionsrecht mangels Auslandsbezug nicht zum Tragen komme, weil der EuGH z.B. schon in seinem Urteil vom 19. Juli 2012, C 470/11, betont hat, dass das Unionsrecht auch für rein innerstaatliche Konstellationen – wenngleich diese grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereiches der Grundfreiheiten bzw. der EGRC liegen – insbesondere dann maßgeblich ist, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zukommen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (vgl. RN 20). Denn es trifft zwar zu, dass es nach nationalem Recht exklusiv dem VfGH zukäme, § 26b ZahnÄG wegen Verfassungswidrigkeit (nämlich wegen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 B-VG) gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG aufzuheben; insoweit zielt ein derartiges Verfahren auf eine generell-verbindliche Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Norm mit der Verfassung ab. Dessen ungeachtet ist jedoch im konkreten Einzelfall umgehend (und ohne vorangehende Befassung nationaler Höchstgerichte) von jedem nationalen Gericht für die volle Wirksamkeit der zuvor angeführten Rechtsprechung des EuGH auch bezüglich der unionsrechtswidrigen Inländerdiskriminierung zu sorgen (vgl. EuGH vom 15. Oktober 2015, C-581/14).

* Der Umstand, dass  in Bezug auf das Bundesland OÖ (noch immer) kein „Regionaler Strukturplan Gesundheit“ i.S.d. § 26b Abs. 2 ZahnÄG existiert – und sohin eine mittlerweile mehrjährige Säumigkeit des Verordnungsgebers – kann nicht dem Antragsteller zum Nachteil gereichen; vielmehr ist im Wege einer verfassungskonformen, eine planwidrige Lücke im Rechtsschutzsystem (die darin bestünde, dass gegen eine Untätigkeit im Bereich der generellen Normsetzung von Verfassungs wegen kein Rechtsbehelf eingeräumt ist) vermeidendenden Interpretation zu untersuchen, ob im Hinblick auf die in § 26b Abs. 2 Z. 1 bis Z. 4 ZahnÄG normierten Kriterien im Lichte des vom LVwG OÖ durchgeführten Ermittlungsverfahrens das Vorliegen eines Bedarfes zu verneinen ist, oder anders gewendet: ob aus diesen ein entsprechender Ausschlussgrund für die Zulassung der beantragten Gruppenpraxis resultiert.

* Dass sich Patienten – aus welchen Motiven (wie beispielsweise ein fallbezogen bloß geringer Selbstbehalt, freundlichere Öffnungszeiten für Berufstätige, eine als zuvorkommender empfundene individuelle Behandlung etc.) heraus auch immer – in gewissen Fällen dennoch dazu entschließen, einen Wahlarzt – und damit auch die von der Bf. zu gründen intendierte Gruppenpraxis – anstelle eines Kassenarztes in Anspruch zu nehmen, lässt sich keineswegs ausschließen; dies insbesondere im Hinblick auf die beabsichtigten Öffnung der Ordination zu Tagesrandzeiten und an Samstagnachmittagen. In welchem Umfang diese Prognose dann tatsächlich zutreffen wird oder nicht, ist Teil des allein von der Bf. zu tragenden unternehmerischen Risikos. Daher obliegt es auch ihr, unter diesem Gesichtspunkt abzuwägen, ob der Betrieb einer Gruppenpraxis ohne Kassen-Einzelvertrag als langfristig rentabel erscheint. Ein gesetzliches Hindernis hierfür lässt sich jedoch – interpretiert man § 26b Abs. 2 Z. 2 und 3 ZahnÄG im Lichte der zuvor aufgezeigten Rechtsprechung des EuGH unionsrechtskonform – jedenfalls nicht ableiten. Davon abgesehen liegt die Entscheidung, ob einer der beiden Gesellschafter oder die Gruppenpraxis künftig mit einem Kassen-Einzelvertrag auf Basis des § 342 ASVG ausgestattet werden, ohnehin in den Händen der OÖGKK. So besehen wäre deren Befürchtung, dass die Genehmigung der Gruppenpraxis zu einer Umgehung des Stellenplansystems im Einzelfall bzw. im Falle von weiteren Nachahmern zu dessen gänzlicher Aushöhlung führen könnte, nur dann begründet, wenn das Leistungsangebot der Gruppenpraxis vollständig dem einer – oder gar zwei – Kassenplanstelle(n) entsprechen würde (dies einmal ganz abgesehen davon, dass sich aus § 26a Abs. 4 i.V.m. § 26b ZahnÄG unzweifelhaft ergibt, dass nach dem offensichtlichen Willen des Gesetzgebers gerade die Erscheinungsform der im Wege eines Zulassungsverfahrens erfolgten Genehmigung einer Gruppenpraxis eine zulässige, d.h. legale Möglichkeit der „Umgehung“ des Stellenplanes für jene Fälle darstellt, in denen ein entsprechender Bedarf besteht; würden nämlich die Gesellschafter bereits über einen Kassen-Einzelvertrag verfügen oder wäre die Gruppenpraxis bereits im Stellenplan vorgesehen, dann bedürfte es – wie aus § 26a Abs. 1 Z. 2 ZahnÄG hervorgeht – ohnehin gar keiner vorangehenden Zulassung und einer damit verbundenen Bedarfsprüfung).

Schlagworte

Ärzte; Zahnärzte; Gruppenpraxis; Zulassungsverfahren – Ausnahmen; Bedarf; Stellenplan; Umgehung; Öffnungszeiten; Inländerdiskriminierung; Prüfungskompetenz

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2016:LVwG.050065.25.Gf.Mu

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2016
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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