Entscheidungsdatum
29.08.2016Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der Frau T P, geb. x, L, M, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 6. Mai 2015, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz (AWEG)
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und das bekämpfte Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
II. Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG und § 66 Abs 1 VStG hat die Beschwerdeführerin weder einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich noch einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Schreiben vom 13. Februar 2015, Zl. MBA23-S/7194/15 hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, den Verwaltungsstrafakt betreffend die Übertretung des AWEG durch die Bfin gemäß § 27 Abs 1 VStG zuständigkeitshalber abgetreten.
I.2. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit Straferkenntnis vom 6. Mai 2015, GZ: 0008961/2015, über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Z 1 Arzneiwarengesetz 2010 (AWEG) eine Geldstrafe in der Höhe von 250 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 23 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde der Bfin die Bezahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 25 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
„Die Beschuldigte, Frau T P, geboren am x, wohnhaft: M L, hat nachstehend angeführte Übertretung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2010 (AWEG 2010) verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten:
Die Beschuldigte hat am 10.12.2014 (Einfuhrzeitpunkt) vom Versender S S, x, R, E., USA, per Post eine Sendung nach Wien, Postamt x (Entdeckungsort) übermitteln lassen.
Folgende Waren waren in der Sendung enthalten:
Warenbeschreibung: Arzneiwaren 1 Packung a 60 Stück B, Wert: € 30,00 und 1 Packung a 60 Stück D, Wert: € 30,00.
Entdeckungszeitpunkt: 10.12.2014, 09.00 Uhr.
Sie konnten für diese Waren keine Einfuhrgenehmigung vorlegen.“
Begründend wurde neben Darlegung des Sachverhaltes und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen ausgeführt, dass die Beschuldigte dadurch, dass sie im Ausland Arzneiwaren bestellt, gegen die Bestimmung des § 3 Abs 1 AWEG verstoßen habe.
I.3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig eingebrachte (als Einspruch bezeichnete) Beschwerde vom 25. Mai 2015, mit der sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafe beantragt werden.
Begründend führt die Bfin in der Beschwerde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass die bestellten Produkte Arzneimittel seien. Sie wisse auch nicht, welche Inhaltsstoffe der Produkte unter das Arzneimittelgesetz fallen würden. Weiters würde es sich bei den bestellten Dosen mit je 60 Stück, wovon je 2 Stück pro Tag einzunehmen wären, um eine Kleinstmenge handeln und hätte sie nicht vorgehabt, die bestellten Produkte zu veräußern. Abschließend wurden die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse dargelegt und festgehalten, dass die verhängte Strafhöhe nicht leistbar wäre.
II.1. Mit Schreiben vom 14. September 2015 hat die belangte Behörde diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der bekämpfte Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Anlässlich einer Zollkontrolle des Zollamtes Wien am 10. Dezember 2014 um 09.00 Uhr am Flughafen Wien wurde 1 Packung à 60 Stück „B“-Kapseln und 1 Packung à 60 Stück „D“-Kapseln in einer an die Beschuldigte gerichteten Postsendung vorgefunden und in Gewahrsam genommen. Versender der Postsendung war die S S, x, R, E.. Die Produkte „B“ und „D“ enthalten unter anderem den Inhaltsstoff „Alpha Liponsäure“.
Eine Einfuhrbescheinigung nach dem AWEG lag nicht vor.
II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:
III.1. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Z 1 lit c Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 (AWEG) iVm der Verordnung (EWG) 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (im Folgenden: VO 2658/87) gelten Waren der Position 3004 als Arzneiwaren.
Nach § 2 Z 4 AWEG bedeutet Einfuhr: Beförderung von Arzneiwaren, Blutprodukten oder Produkten natürlicher Heilvorkommen aus Staaten, die nicht Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind, in das Bundesgebiet mit Ausnahme der nachweislichen Durchfuhr.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist die Einfuhr oder das Verbringen von Arzneiwaren dosiert oder in Aufmachung für den Kleinverkauf, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, nur zulässig, wenn im Fall der Einfuhr eine Einfuhrbescheinigung ausgestellt wurde oder im Falle des Verbringens eine Meldung erfolgt ist.
Nach § 21 Abs 1 Z 1 leg cit begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, wer Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 27 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
III.2. Verfahrensgegenständlich ist zunächst festzuhalten, dass die hier in Rede stehenden Produkte „B“ und „D“, jeweils den Inhaltsstoff „Alpha Liponsäure“ enthalten. Dieser Inhaltsstoff ist im Anhang I (Kombinierte Nomenklatur – KN) zur VO 2658/87 als solches nicht angeführt. Lediglich zufolge der Anzeige des Zollamtes Wien vom 12.12.2015, GZ: 100000/100158/2015, sollen diese Produkte vom KN-Code 3004900000 erfasst sein.
Ohne nähere Ermittlungen und/oder entsprechende Belege kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Produkte ua. mit dem Inhaltsstoff „Alpha Liponsäure“ tatsächlich (dort nicht näher umschriebene) „andere“ Arzneiwaren iSd Anhanges I Teil II Abschnitt VI Kapitel 30 der VO 2658/87 und damit zugleich Arzneiwaren iSd § 2 Z 1 lit c AWEG darstellen.
III.3. Von weiteren Ermittlungen ist jedoch aus folgenden Gründen abzusehen:
Eine Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 Z 1 AWEG begeht, wer Arzneiwaren entgegen § 3 ohne Einfuhrbescheinigung einführt. Es ist sohin darauf abzustellen, ob die Einfuhr ohne Einfuhrbescheinigung erfolgt.
Im vorliegenden Fall wurde der Bfin die Einfuhr von Arzneiwaren durch Übermittlung näher bezeichneter Produkte aus den USA nach Wien (Entdeckungsort) ohne Einfuhrbescheinigung vorgeworfen.
Demnach erfolgte die Einfuhr durch Verbringen ins Bundesgebiet über die Einfuhrzollstelle, die sich verfahrensgegenständlich beim Zollamt Wien befindet. Schließlich hätte auch dort die zollrechtliche Freigabe erfolgen können, falls eine Einfuhrbescheinigung vorgelegen wäre. Der Tatort im Hinblick auf die Einfuhr liegt daher in Wien.
Dafür spricht auch, dass mit der Bestellung eines Produktes im Internet die Tathandlung der Einfuhr nach Österreich bzw in den EWR nicht gesetzt wird. Auch hätte die Bestellung nachträglich storniert werden können oder hätte es mangels Lieferbarkeit gar nicht dazu kommen müssen, dass diese Waren in das österreichische Hoheitsgebiet verbracht werden.
Für die verfahrensgegenständliche Tathandlung kommt es auf den Vorgang durch Verbringen einer Arzneiware ohne Vorliegen einer Einfuhrbescheinigung nach Österreich an. Zumal bei der Zollstelle in Wien festgestellt wurde, dass die Ware ohne Einfuhrbescheinigung nach Österreich eingeführt wurde, ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts die Tathandlung, die Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 Z 1 AWEG in Wien begangen worden (vgl auch LVwG NÖ 22.07.2014, LVwG-WU-13-0139 sowie bereits UVS OÖ 10.05.2013, VwSen-240942/2/Gf/Rt).
Zur Ahndung von in Wien begangenen Verwaltungsstraftaten ist die belangte Behörde gemäß § 27 Abs 1 VStG unzuständig, weil jene Behörde örtlich zuständig ist, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Da die Tathandlung (die Einfuhr) in Wien gesetzt wurde, ist gemäß § 27 Abs 1 VStG der Magistrat Wien zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens örtlich zuständig.
Auch § 58 Abs 1 lit a Finanzstrafgesetz normiert, dass zur Durchführung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörden für Finanzvergehen, die bei oder in Zusammenhang mit der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren begangen werden und für Finanzvergehen, durch welche sonst Abgaben- oder Monopolvorschriften oder andere Rechtsvorschriften, deren Handhabung der Zollverwaltung oder ihren Organen obliegt, verletzt werden, jenes Zollamt, in dessen Bereich diese Finanzvergehen begangen oder entdeckt worden sind.
Im Ergebnis war daher mangels örtlicher Zuständigkeit der belangten Behörde für das angelastete Delikt der bekämpfte Bescheid aufzuheben. Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Bfin auch keine Kostenbeiträge zu leisten.
IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich, liegt zur Frage des Tatorts der Einfuhr nach dem AWEG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Schlagworte
Arzneiwareneinfuhrgesetz – Begriff „Einfuhr“; Verwaltungsübertretung – örtliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2016:LVwG.000112.2.Wei.BZZuletzt aktualisiert am
14.10.2016