TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 2000/08/0137

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs2 idF 1996/411;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Museumstraße 3B/12A, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. Oktober 1998, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-1320, betreffend Verlust und Rückforderung des Arbeitslosengeldes gemäß § 25 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die Zuerkennung der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 26. September 1997 bis 30. April 1998 widerrufen, der unberechtigt empfangene Betrag in der Höhe von S 61.961,-- rückgefordert und überdies der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 25. Mai 1998 bis 19. Juli 1998 ausgesprochen. Dies im Wesentlichen - der Sache nach - gestützt auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 AlVG 1977.

Die belangte Behörde ging - nach der Begründung dieses Bescheides - in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin - im Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehend - am 12. Mai 1998 bei der Ausübung einer dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldeten Tätigkeit in einem näher bezeichneten Cafe betreten worden sei, welche die Beschwerdeführerin bereits seit 26. September 1998 (gemeint: 1997) im Rahmen eines geringfügig (§ 5 Abs. 2 ASVG) entlohnten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Da die Beschwerdeführerin dieses Dienstverhältnis nicht gemeldet habe, sei die unwiderlegliche Rechtsvermutung des § 25 Abs. 2 AlVG anzuwenden und davon auszugehen, dass diese Tätigkeit "über der Geringfügigkeitsgrenze" (gemeint: mit einem die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigenden Entgelt) entlohnt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 25 Abs. 2 AlVG, in eventu die Wendung "a," im ersten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG jeweils in der Fassung des Art. 23 Z. 22 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, und des Art. IV Z. 3 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 411, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat diesem Antrag mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000, G 78/99, G 70/00, teilweise stattgegeben und den dritten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG als verfassungswidrig aufgehoben. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes teils zurück- , teils abgewiesen und dies wie folgt begründet:

"Es steht dem Gesetzgeber frei, die Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung davon abhängig zu machen, dass ein nach dem Verlust des Arbeitsplatzes gleichwohl eingegangenes Dienstverhältnis unverzüglich dem Arbeitsmarktservice angezeigt wird und das daraus erzielte Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt. Wie es sachlich gerechtfertigt ist, Leistungen ungeachtet bereits längeren Vorliegens der materiellen Voraussetzungen erst mit dem Tag der Geltendmachung zu gewähren (§ 17 Abs. 1 AlVG), weil die Feststellung bereits vergangener Umstände wesentlich größere Schwierigkeiten verursachen kann, ist es auch nicht sachfremd, die Duldung einer auch nur geringfügigen Beschäftigung neben dem Arbeitslosengeldbezug von einer Anzeige abhängig zu machen, die eine jederzeitige Überprüfung der behaupteten Geringfügigkeit des Entgelts zumindest ermöglicht. Zieht man in Betracht, dass es um Leistungen zulasten der Versichertengemeinschaft geht, über deren Zuerkennung in Massenverfahren möglichst rasch entschieden werden muss und deren allfällige Rückforderung wegen unberechtigten Bezuges angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen regelmäßig schwer durchzusetzen ist, muss der Arbeitsmarktverwaltung angesichts ihrer begrenzten Möglichkeiten, den Lebensumständen der Arbeitslosen im Einzelfall nachzugehen, im Fall der Beschäftigungsaufnahme die Gelegenheit einer begleitenden Kontrolle geboten werden. Da der Nachweis der näheren Umstände im Nachhinein beiden Teilen schwerfällt, ist andernfalls die Versuchung groß, das Risiko der Entdeckung (und Bestrafung) gegenüber der Chance eines längerfristigen Bezuges von Leistungen neben einem die Geringfügigkeitsgrenze (vielleicht nur wenig) übersteigenden Erwerbseinkommen abzuwägen. Es ist daher nicht unverhältnismäßig, die weitere Leistung von der Anzeige jeglicher Beschäftigung in einem Dienstverhältnis abhängig zu machen.

Gerade weil jede Beschäftigung anzeigepflichtig ist und Schwierigkeiten bei der Einschätzung der Anzeigepflicht, wie sie für die Rechtslage vor 1996 bestanden haben mögen, dabei nicht entstehen können, ist es dem Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung auch ein leichtes, das Dienstverhältnis, dessen Entlohnung er ohnedies im Auge behalten muss, dem Arbeitsmarktservice, dem er regelmäßig persönlich Kontrollmeldung zu erstatten hat (§ 49 Abs. 1 AlVG), auch rechtzeitig anzuzeigen.

Sieht man die angegriffene Regelung aus diesem Blickwinkel, so kann der Anspruchsverlust für einen begrenzten Zeitraum wegen einer nicht offen gelegten Erwerbstätigkeit während des Bezuges von Arbeitslosengeld jedenfalls im Konzept nicht als bloße - und dann vielleicht überschießende - Sanktion für die Verletzung einer Ordnungsvorschrift gewertet werden. Erfüllt der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung die Voraussetzung für ihren Bezug nicht, darf die Leistung für eine gewisse, zum Verstoß freilich nicht außer Verhältnis stehende Zeit eingestellt werden. Dem Umstand, dass die Anspruchsberechtigung während der Zeit einer nicht angezeigten Erwerbstätigkeit zweifelhaft ist, wird dadurch Rechnung getragen, dass der Behörde der sonst kaum mögliche Nachweis eines die Geringfügigkeit übersteigenden Entgelts ebenso erspart wird wie die - im Ergebnis nicht weniger schwierige - Auseinandersetzung mit Versuchen des Leistungsempfängers, gegen eine widerlegbare Vermutung der Grenzüberschreitung den negativen Beweis zu erbringen. Ähnliches ist etwa für den Fall des Unterbleibens der vorgeschriebenen Kontrollmeldung nach § 49 AlVG vorgesehen.

Der in § 25 Abs. 2 AlVG angeordnete begrenzte Anspruchsverlust ist folglich die leistungsrechtliche Lösung einer Beweisschwierigkeit und keine verkappte Strafe. Es wird - entgegen der Auffassung auch der Bundesregierung - nicht ein sozialschädliches Verhalten sanktioniert, sondern die Ungewissheit über den Bestand eines Leistungsanspruchs zulasten desjenigen gewertet, der sie durch die Unterlassung der Anzeige ausgelöst hat. Damit ist dem aus der gegenteiligen Einschätzung abgeleiteten Vorwurf des Verwaltungsgerichtshofs in Richtung einer Verletzung der Bezeichnungspflicht der Boden entzogen.

...Was die Voraussetzungen und Modalitäten der in § 25 Abs. 2 AlVG angeordneten Rechtsfolgen im Einzelnen betrifft, muss der Gesetzgeber eine den Möglichkeiten und Erfordernissen der Arbeitmarktverwaltung angemessene Lösung treffen dürfen. Es ist davon auszugehen (und wird auch durch die vom Verwaltungsgerichtshof genannten Beispiele illustriert), dass die Dauer und das Ergebnis einer nicht angezeigten Erwerbstätigkeit mit den Mitteln der Arbeitsmarktverwaltung im Nachhinein nur schwer und mit mehr oder weniger großer Verspätung festgestellt werden können, während aber der vorgesehene Anspruchsverlust im Hinblick auf den Zweck der Arbeitslosenversicherung in engem zeitlichen Zusammenhang mit der ihn auslösenden Erwerbstätigkeit stehen soll. Die naheliegende Lösung, im Augenblick der Aufnahme der nicht angezeigten Erwerbstätigkeit mit der fortlaufenden Leistung bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses anzuhalten, lässt sich nicht verwirklichen. Der Gesetzgeber darf aber ein dem nahe kommendes Ergebnis anstreben.

Eine vergröbernde, typische Fallgestaltungen erfassende, von den mehr oder weniger schwer feststellbaren Einzelheiten absehende Regelung ist daher nicht unsachlich. Ein Anspruchsverlust für eine bestimmte, mit der nicht angezeigten Erwerbstätigkeit bei Durchschnittsbetrachtung übereinstimmende Zeit trägt den genannten Anliegen Rechnung. Er setzt aber einen geeigneten Bezugspunkt voraus, der die Lage des Zeitraums bestimmt, für den kein Anspruch bestehen soll. Wird festgestellt, dass die Tätigkeit in einem Dienstverhältnis ohne die für die Wahrung des Anspruchs nötige Anzeige ausgeübt wird, liegt die nicht ohne nähere Nachforschungen zu bestätigende oder zu verwerfende Annahme nahe, dass diese Tätigkeit bis dahin bereits durch eine gewisse Zeit hindurch ausgeübt wurde und auch noch eine gewisse Zeit weiter ausgeübt werden könnte. Demgemäß erscheint es angemessen, den Anspruchsverlust an diesem Bezugspunkt auszurichten. So gesehen erscheint es nicht unsachlich, wenn das Gesetz auf das Betreten bei einer nicht angezeigten Tätigkeit als einem insofern nicht willkürlich gewählten festen Zeitpunkt abstellt und den Anspruchsverlust nur eintreten lässt, wenn ein solch evidenter Anknüpfungspunkt vorliegt. Erhält das Arbeitsmarktservice nämlich nicht durch eigene Wahrnehmung Kenntnis vom Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen und muss es sich dessen gar erst durch nähere Nachforschungen versichern, würde der Behörde nur ein mehr oder weniger langer in der Vergangenheit liegender Zeitraum bekannt, für den sie erst nachträglich einen Anspruchsverlust festsetzen könnte.

Anders als die Maßgeblichkeit eines bestimmten Beweismittels für die Höhe einer Strafe in der vom Verwaltungsgerichtshof angezogenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist es im vorliegenden Fall die Offenkundigkeit des gegenwärtigen Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, die den sofortigen Verlust des Anspruchs für zumindest die zwei letzten Wochen rechtfertigt.

Dass in anderen Fällen die allgemeine Regel des § 25 Abs. 1 AlVG eingreift, nach der zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen (nur) zu verpflichten ist, wer den Bezug durch unwahre Angaben oder die Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat, sodass die Unterlassung der Anzeige nur dann eine Rückforderung auslöst, wenn die Geringfügigkeitsgrenze überschritten war, erscheint zwar im Rückblick als eine nicht ohne weiters verständliche Ungleichbehandlung. Aber so wie die Möglichkeit der Versagung einer begehrten Leistung anderen Regeln unterliegt als die Rückforderung von unberechtigt Empfangenem darf auch die Verweigerung sonst bestehender Ansprüche im Augenblick evidenter Nichterfüllung wesentlicher Anspruchsvoraussetzungen an anderen Gesichtspunkten ausgerichtet sein als die Rückforderung von Leistungen nach späterer Entdeckung eines Fehlers. Die vielfältigen Gestaltungen, die der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 1 AlVG unterfallen, können sich wohl in Bezug auf die Evidenz und Aktualität des Mangels der in § 25 Abs. 2 gegebenen Lage stark annähern. Auch wenn der neben dem Arbeitslosengeldbezug Erwerbstätige nicht von einem Organ des Arbeitsmarktservice betreten wird, kann der Behörde dessen fortgesetzte Tätigkeit in ähnlicher Weise evident werden. Letztlich muss aber doch sie überzeugt sein. Zur Überzeugung führt aber ein stufenloser Übergang. Wenn der Verwaltungsgerichtshof die angefochtene Vorschrift dahin versteht, dass der Leistungsempfänger von Organen des Arbeitsmarktservice unmittelbar betreten werden muss, kann der Verfassungsgerichtshof daran gleichwohl keine unsachliche Grenzziehung sehen: Die eigene dienstliche Wahrnehmung, bei der sich Behörde und Betroffener gleichsam Aug in Aug gegenüberstehen und der Betretene die Folgen auch augenblicklich abschätzen kann, ist jedenfalls tauglicher Anknüpfungspunkt für rasches und wirksames behördliches Handeln (vgl. zB auch die Zulässigkeit von Strafverfügungen nach § 47 VStG).

Im Übrigen wird das Arbeitsmarktservice einem dringenden Verdacht nach Maßgabe seiner Möglichkeiten in einer die Rechtsfolge des § 25 Abs. 2 auslösenden Weise nachgehen müssen.

     ... Die angegriffene Regelung könnte aber deshalb unsachlich

oder unbestimmt sein, weil die Rechtsfolge, was die Vergangenheit

betrifft, nicht genau festgelegt ist. Die Leistung ist 'für

zumindest zwei Wochen ... rückzufordern' (was selbstverständlich

dahin verstanden werden muss, dass nicht mehr rückgefordert werden kann, als überhaupt geleistet wurde). Diese Formulierung könnte so verstanden werden, dass die Rückforderung im Sinne des § 25 Abs. 2 auf den ganzen Zeitraum erstreckt werden muss, über den der gesetzwidrige Zustand aufgrund der festgestellten Umstände gegeben war. Je länger dieser Zeitraum freilich ist, desto zweifelhafter wird diese Rechtsfolge im Verhältnis zu jener des § 25 Abs. 1, weil der Zusammenhang mit der aktuellen Wahrnehmung der Behörde immer loser wird. Eine Grenze, ab der die Behörde wieder auf die allgemeine Regel des § 25 Abs. 1 zurückgreifen müsste, die sie dann dazu zwingt, auch das Übersteigen der Geringfügigkeitsgrenze darzutun, müsste von Verfassungs wegen aber gezogen werden können. Der bloße Umstand, dass der Leistungsempfänger letztendlich von der Behörde bei seiner Erwerbstätigkeit betreten wurde, reicht nämlich für sich allein nicht mehr aus, die Unterschiede in den Rechtsfolgen nach Abs. 1 und 2 zu erklären.

Eine taugliche Grenze ist allerdings nicht zu finden.

Der zweite Satz des § 25 Abs. 2 muss aber nicht im genannten Sinn verstanden werden. Er lässt auch die Auslegung zu, dass jedenfalls die Leistung der letzten zwei Wochen ohne weiteres zurückzufordern ist, die Rechtsfolgen sich darin aber nicht notwendig erschöpfen, sondern darüber hinaus eine Rückforderung auch - und nur - nach den Grundsätzen des § 25 Abs. 1, also bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze in Betracht kommt. Das Wort 'zumindest' zeigt dann an, dass die hier angeordnete Rechtsfolge keine den geregelten Tatbestand abschließende ist, sondern als spezielle nur der allgemeinen des Abs. 1 hinzugefügt wird. In verfassungskonformer Auslegung ist diese Lesart zu wählen. Sie entzieht den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes auch in diesem Punkt den Boden.

... Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof den Verfassungsgerichtshof davon überzeugt, dass der Ausschluss vom Bezug des sonst gebührenden Arbeitslosengeldes durch volle acht auf die Beendigung der verschwiegenen Tätigkeit folgenden Wochen doch eine übermäßige, nicht mehr gerechtfertigte Sanktion darstellt. ..."

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr über die Beschwerde erwogen:

3.1. § 25 Abs. 2 AlVG in der Fassung des Art. 23 Z. 22 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, und des Art. IV Z. 3 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 411, lautet (die aufgehobene und daher im vorliegenden Fall nicht anzuwendende Bestimmung ist unterstrichen):

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b, d oder g betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für mindestens zwei Wochen ist rückzufordern. Darüber hinaus verliert der Arbeitslose für die Dauer von acht auf die Beendigung der verschwiegenen Tätigkeit folgenden Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld (Notstandshilfe). Erfolgt in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

3.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (72 Blg. NR 20. GP, 236) führen dazu Folgendes aus:

"Um Missbräuche, die dadurch entstehen, dass ein Arbeitsloser neben dem Bezug von Arbeitslosengeld unangemeldet beschäftigt ist, hintanzuhalten, soll die Sanktion der Aberkennung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe von vier Wochen auf acht Wochen verdoppelt werden. Zugleich wird die unwiderlegliche Rechtsvermutung aufgestellt, dass jede nicht zeitgerecht gemeldete unselbständige oder selbständige Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt. Als zusätzliche Sanktion werden dabei für den Arbeitnehmer eine Rückforderung der Leistung für mindestens zwei Wochen (sodass insgesamt zehn Wochen kein Anspruch besteht) und für den Arbeitgeber die Vorschreibung eines Sonderbeitrages zur Arbeitslosenversicherung in der Höhe von derzeit 12 v.H. für die Dauer von sechs Wochen vom Kollektiv/Anspruchslohn festgelegt."

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an:

Danach stehen der erste und zweite Satz des § 25 Abs. 2 AlVG insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang, als die Rechtsvermutung des ersten Satzes nur für eine Frist von zwei Wochen (zurückgerechnet ab dem Zeitpunkt des "Betretens") gilt. Eine über diese Frist hinausgehende Rückforderung hängt davon ab, ob die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 24 und 25 Abs. 1 AlVG vorliegen. Eine weiterreichende Sperre vom Bezug kommt nach Aufhebung des dritten Satzes des § 25 Abs. 2 AlVG im Anlassfall (Art. 140 Abs. 7 B-VG) nicht in Betracht.

Demgegenüber hat die belangte Behörde die Leistungsbezüge der Beschwerdeführerin für den gesamten Zeitraum vom 26.9.1997 bis 30.4.1998 (und nicht nur für zwei Wochen), gestützt auf die Rechtsvermutung des ersten Satzes des § 25 Abs. 2 AlVG und ohne Prüfung im Sinne der §§ 24 und 25 Abs. 1 AlVG, zurückgefordert und den Verlust des Anspruches für acht Wochen nach dem dritten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG ausgesprochen.

Mangels Teilbarkeit des Abspruches des angefochtenen Bescheides war dieser daher zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000080137.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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