Rechtssatznummer
1Entscheidungsdatum
10.03.2017Norm
BStMG §19Rechtssatz
* Rechtssystematisch besehen normiert die Bestimmung des § 20 Abs. 5 BStMG einen Strafaufschließungsgrund dahin, dass eine Übertretung (u.a.) des § 20 Abs. 1 BStMG trotz Vorliegens eines tatbestandsmäßigen und schuldhaften Verhaltens straflos wird, sobald der Mautschuldner der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut (u.a.) nach Maßgabe des § 19 Abs. 4 BStMG entspricht. Aus dem Zusammenhalt zwischen § 19 Abs. 4 erster Satz BStMG, wonach die ASFINAG da-zu ermächtigt wird, den Zulassungsbesitzer zur Bezahlung einer Ersatz-maut aufzufordern, und § 19 Abs. 6 BStMG, demzufolge weder dem Zulassungsbesitzer noch dem Lenker ein subjektives Recht auf Übermittlung einer solchen Aufforderung zukommt, ergibt sich, dass der Strafausschließungsgrund des § 20 Abs. 5 BMStG insgesamt nur dann zum Tragen kommt, wenn einerseits die ASFINAG in concreto ihr Ermessen gemäß § 19 Abs. 4 BStMG ausgeübt und andererseits der Adressat einer solchen Aufforderung in vollem Umfang die Anforderungen des letzten Satzes dieser Bestimmung erfüllt hat.
* Hinsichtlich der letzteren Kautelen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der erste Halbsatz des letzten Satzes des § 19 Abs. 4 BStMG („Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird“) dahin zu verstehen ist, dass damit eine absolute Fallfrist festgelegt oder der ASFINAG auch ein dahingehendes Ermessen, diese Frist allenfalls erstrecken zu können, eingeräumt wird. Diesbezüglich sprechen sowohl die textliche Formulierung, der kein Hinweis auf eine Möglichkeit der Fristerstreckung entnommen werden kann, als auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. 217 BlgNR, 23. GP, S. 5) dafür, dass eine Erstreckung der gesetzlichen Vierwochenfrist des § 19 Abs. 4 letzter Satz BStMG durch die ASFI-NAG schon von vornherein nicht zulässig ist; in dieselbe Richtung weist zudem die Überlegung, dass die Effizienz und Effektivität einer automationsunterstützten Überwachung, die als essentielle Beweggründe der Schaffung dieser Regelung zu Grunde liegen, jeweils konterkariert würden, wenn diese Norm de facto nicht zugleich in standardisierter Form, sondern vielmehr derart vollzogen wird, dass im Einzelfall auf den Umstand Bedacht genommen werden muss, ob nicht etwa eine Ausnahmegewährung vor-liegt.
* Im gegenständlichen Fall blieb von der belangten Behörde der Umstand gänzlich unberücksichtigt, dass die Verwendung einer falschen Rechnungsnummer, die zur objektiven Fristversäumnis führte, nicht durch die Zulassungsbesitzerin, sondern ausschließlich durch die ASFINAG verursacht wurde. Mit Blick auf die allgemeine Lebenserfahrung, wonach dann, wenn einer Zahlungsaufforderung nicht sofort, sondern erst nach dem Verstreichen einiger Tage entsprochen wird – insbesondere, wenn es sich nicht um einen größeren Geldbetrag handelt – seitens des Verpflichteten nicht zu erwarten ist, dass dieser sich nicht allein an die dezidierten Vollzugsanweisungen der Behörde hält, sondern darüber hinaus auch noch speziell überprüft, ob die von der vorschreibenden Institution festgelegten Zahlungsmodalitäten in allen ihren Einzelheiten auch gesetzlich und verwaltungstechnisch korrekt sind bzw. konkret: ob die Rechnungsnummer des Deliktes und die als Verwendungszweck anzugebende Nummer überein-stimmen, kann der Zulassungsbesitzerin im gegenständlichen Fall nämlich nicht einmal leichte Fahrlässigkeit angelastet werden, wenn ihr der im Schreiben der ASFINAG vom 21. März 2015 enthaltene Widerspruch zwischen den dort angeführten Rechnungsnummern nicht aufgefallen ist. Gleiches gilt auch hinsichtlich des Umstandes, dass die Zulassungsbesitzerin nicht wissen musste, dass die ASFINAG zu einer Fristerstreckung ex lege schlechthin gar nicht befugt war.
* Dass der Beschwerdeführer als Fahrzeuglenker im Hinblick auf die Übertretung des § 20 Abs. 1 BStMG dadurch, dass er sich vor dem Überschreiten der Staatsgrenze nicht vergewisserte, dass auf der Windschutzscheibe seines KFZ eine Mautvignette ordnungsgemäß angebracht war, tatbestandsmäßig und auch schuldhaft – nämlich zumindest leicht fahrlässig – handelte, besteht objektiv kein Zweifel; im Übrigen wurde dies auch von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt. Ist allerdings die normative Regelung einer Verwaltungsmaterie vor einem derartigen Hintergrund so konzipiert, dass im Gefolge einer gesetzlich statuierten Auskunftsverpflichtung ein Wechsel in der Person des Beschuldigten eintreten kann, wobei der an die Stelle des früheren Beschuldigten Getretene jene gegenüber dem Ersteren ergangenen bzw. die von ihm gesetzten Verfahrenshandlungen jeweils nicht mehr beeinflussen kann, müssen solche Verfahrensakte generell und jedenfalls insoweit, als sie begünstigender Natur sind, auch gegenüber dem späteren Beschuldigten ihre Wirksamkeit entfalten. Hinsichtlich solcher begünstigend-unsubstituierbarer Maßnahmen ist also stets gleichsam zu fingieren, dass sie unmittelbar von Letzterem selbst gesetzt wurden bzw. sich auf diesen bezogen haben. Tritt daher der Bf. im gegenständlichen Fall in diesem Sinne in die Rechtsposition der Zulassungsbesitzerin ein, so bedeutet dies, dass es auch der Bf. selbst nicht zu vertreten hat, dass die Ersatzmaut objektiv besehen nicht fristgerecht einbezahlt und damit Straflosigkeit eingetreten war. Dem Bf. kommt daher infolge der zu-vor dargestellten „Fiktion der personellen Identität“ in gleicher Weise wie der erstbeschuldigten Zulassungsbesitzerin der Strafaufhebungsgrund des § 20 Abs. 5 BStMG zugute.
Schlagworte
Strafausschließungsgrund; Fallfrist, absolute; Fristverlängerung; objektive Fristversäumnis; Rechnungsnummer; Fiktion der personellen Identität;Anmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2017:LVwG.400209.2.Gf.MuZuletzt aktualisiert am
09.05.2017