TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 97/03/0385

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
92 Luftverkehr;

Norm

AVG §68 Abs1;
B-VG Art140;
LuftfahrtG 1958 §95 Abs1 idF 1993/898;
LuftfahrtG 1958 §95 Abs1 idF 1997/I/102;
MRKZP 01te Art1 Abs1;
StGG Art5;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gall, Dr. Stöberl und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des FE in S, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 11a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 7. November 1997, Zl. 53358/2-Z7/97, betreffend Kennzeichnung gemäß § 95 Luftfahrtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer als Eigentümer einer näher beschriebenen, ein Luftfahrthindernis im Sinne des § 85 Abs. 2 lit. b Luftfahrtgesetz (LFG) darstellenden Materialseilbahn verpflichtet, den Seilverlauf des höchstgeführten Seiles der Materialseilbahn zwischen Tal- und Bergstation durch - näher beschriebene - Warnkugeln zu kennzeichnen; gleichzeitig wurde die dabei einzuhaltende Vorgangsweise festgelegt und ausgesprochen, dass die Kennzeichnungen in Hinkunft "pfleglich zu halten" seien. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Bescheid vom 25. November 1976 sei das Bundesamt für Zivilluftfahrt in Ansehung der erwähnten Materialseilbahn zu - näher beschriebenen - Kennzeichnungsmaßnahmen gemäß § 95 LFG verpflichtet worden. Das LFG sei in der Folge mit Wirkung vom 1. Juli 1994 dahin geändert worden, dass der Eigentümer eines Luftfahrthindernis nicht mehr bloß zur Duldung der Kennzeichnung durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt verpflichtet sei, sondern zur Kennzeichnung und laufenden Instandhaltung der Kennzeichnungen. In der am 22. Mai 1997 durchgeführten mündlichen Verhandlung habe der Amtssachverständige für Luftfahrttechnik ausgeführt, die Kennzeichnung der Materialseilbahn durch eine Kugelkette sei notwendig. Diesen technischen Ausführungen des Amtssachverständigen sei der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten, sondern habe die Auffassung vertreten, dass zufolge des Bescheides vom 25. November 1976 nach wie vor das Bundesamt für Zivilluftfahrt bzw. dessen Rechtsnachfolgerin, die Austro Control GmbH, zur Erhaltung und allfälligen Bedienung der vorhandenen Flugsicherungsanlage verpflichtet sei; es bestehe daher kein Anlass, gegenüber dem Beschwerdeführer einen neuen Bescheid zu erlassen. Da nach der - näher dargestellten - Rechtslage jedoch der Eigentümer zur Durchführung der festgelegten Kennzeichnungsmaßnahmen verpflichtet sei, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte u.a. vor, es habe sich in den den Bescheid vom 25. November 1976 tragenden Rechtsvorschriften keine Änderungen ergeben, die zur Erlassung des erstbehördlichen Bescheides ermächtigt hätten. Überdies müssten die Bestimmungen des LFG verfassungskonform interpretiert werden. Die Materialseilbahn habe nämlich schon vor dem Jahre 1957, dem Jahr des Inkrafttretens des LFG bestanden. Durch die Verpflichtung zur Anbringung von Warnkugeln werde der Beschwerdeführer als Eigentümer der Seilbahn nunmehr finanziell derart belastet, dass der Seilbahnbetrieb und damit der gesamte - dadurch erst ermöglichte - Almbetrieb eingestellt werden müsse; dies bedeute eine gravierende Eigentumsbeschränkung, die verfassungskonform nur zulässig sei, wenn sie im öffentlichen Interesse liege und nicht als unverhältnismäßig anzusehen sei. Derselbe Zweck wie die Kennzeichnung könne allerdings auch durch ein Flugverbot im fraglichen Bereich erzielt werden; hinsichtlich der Notwendigkeit von Rettungsflügen mit Hubschraubern seien keine Ermittlungen vorgenommen worden. Wenn auch einzuräumen sei, dass die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen "immer ein gewisses öffentliches Interesse" darstelle, müsste die Kennzeichnungspflicht von der Austro Control GmbH aufgrund des Bescheides vom 25. November 1976 erfüllt werden.

Mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 7. November 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid - unter Berichtigung der Leistungsfrist - bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei unbestritten, dass die in Rede stehende Materialseilbahn ein Luftfahrthindernis im Sinne des § 85 LFG darstelle. Die Auffassung des Beschwerdeführers, die den Bescheid vom 25. November 1976 tragenden Rechtsvorschriften hätten sich nicht geändert, sei unzutreffend, zumal nunmehr die Eigentümer von Luftfahrthindernissen verpflichtet seien, diese zu kennzeichnen und die Kennzeichnungen laufend zu erhalten. Im Ergebnis bedeute dies, dass die vormals bestehende Verpflichtung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt zur Kennzeichnung und Instandhaltung der Hindernisse mit Wirkung vom 1. Juli 1994 auf die jeweiligen Hinderniseigentümer übergegangen sei. Dem Hinweis des Beschwerdeführers, er würde durch die Kosten der Kennzeichnung unzumutbar belastet, sei entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Austro Control GmbH vom 7. März 1996 die Übertragung des Eigentums an den bestehenden Luftwarnzeichen für ein symbolisches Entgelt in Höhe von einem Schilling angeboten worden sei. Schließlich fänden gerade im Bereich stark frequentierter Schipisten - eine solche befinde sich in unmittelbarer Nähe - Such- und Rettungsflüge statt. Die Kennzeichnung eines Luftfahrthindernisses sei daher im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt unabdingbar notwendig. Die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei unerfindlich, dass unmittelbar neben einer viel befahrenen Schipiste Sucheinsätze mit Hubschraubern geflogen würden, sei nicht nachvollziehbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85 Abs. 2 lit. b Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/1997 (LFG), sind außerhalb von Sicherheitszonen Bauten oberhalb der Erdoberfläche, Anpflanzungen, verspannte Teile und Drähte sowie aus der umgebenden Landschaft herausragende Bodenerhebungen Luftfahrthindernisse, wenn ihre Höhe über der Erdoberfläche 30 m übersteigt und sich die Anlage auf einer natürlichen oder künstlichen Bodenerhebung befindet, die mehr als 100 m aus der umgebenden Landschaft herausragt; in einem Umkreis von 10 km um den Flughafenbezugspunkt (§ 88 Abs. 2) gilt dabei als Höhe der umgebenden Landschaft die Höhe des Flugplatzbezugspunktes.

Gemäß § 95 Abs. 1 LFG ist der Eigentümer eines Luftfahrthindernisses verpflichtet, dieses auf seine Kosten zu kennzeichnen. Dies gilt auch für die laufende Instandhaltung und die allfällige Beseitigung der Kennzeichnungen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die in Rede stehende Materialseilbahn - entsprechend den Feststellungen der belangten Behörde - die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Qualifikation als "Luftfahrthindernis" in sachverhaltsmäßiger Hinsicht erfüllt. Er wendet sich vielmehr mit dem Argument, mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 25. November 1976 sei die Verpflichtung zur Kennzeichnung dieses Luftfahrthindernisses rechtskräftig dem Bundesamt für Zivilluftfahrt auferlegt worden, gegen die ihm vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht. Die genannte Verpflichtung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt sei seiner Auffassung nach auf die Austro Control GmbH übergegangen. Eine Abänderung des Bescheides vom 25. November 1976, wie dies durch den angefochtenen Bescheid erfolge, stehe die Rechtskraft entgegen, zumal sich in den Bescheidgrundlagen keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Erst für die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen, die nach Inkrafttreten der geänderten Rechtslage bewilligt würden, bestehe eine entsprechende Verpflichtung der Austro Control GmbH nicht mehr.

Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass der angefochtene Bescheid ihm gegenüber eine Abänderung des Bescheides des Bundesministers für Verkehr vom 25. November 1976 bedeutet. Während der Bescheid vom 25. November 1976 dem Beschwerdeführer - gemäß der damals geltenden Rechtslage - nämlich lediglich die Pflicht zur Duldung von im Einzelnen genannten Kennzeichnungsmaßnahmen auferlegte, verpflichtet ihn der angefochtene Bescheid, entsprechende Kennzeichnungsmaßnahmen auf seine Kosten vorzunehmen und die Kennzeichnung zu erhalten.

Was zunächst die Zulässigkeit dieser Abänderung anlangt, so steht dem die unbestrittenermaßen eingetretene Rechtskraft des Bescheides vom 25. November 1976 - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nicht entgegen. Die Rechtskraft eines Bescheides steht einer Abänderung dieses Bescheides nämlich nur bei unveränderter Sach- und Rechtslage, d.h. nur dann entgegen, wenn weder in den entscheidungsrelevanten Fakten noch in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eingetreten sind (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) 1416 f referierte hg. Judikatur).

Da eine Änderung des wesentlichen Sachverhaltes unbestrittenermaßen nicht eingetreten ist, könnte die Rechtskraft des Bescheides vom 25. November 1976 der verfahrensgegenständlichen Abänderung dann hindernd entgegenstehen, wenn sich auch in den diesen Bescheid tragenden Normen keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr normiert § 95 Abs. 1 LFG nunmehr die Verpflichtung des Eigentümers eines Luftfahrthindernisses, dieses auf seine Kosten zu kennzeichnen, während er nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 25. November 1976 maßgeblichen Rechtslage lediglich zur Duldung dieser Maßnahme verpflichtet war.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Kennzeichnungspflicht des Eigentümers im Sinne des § 95 Abs. 1 LFG beziehe sich nur auf solche Luftfahrthindernisse, die nach Inkrafttreten der neuen Rechtslage errichtet oder erweitert wurden, findet im Gesetz keine Stütze. Die Regelung des § 95 Abs. 1 LFG umfasst nämlich Luftfahrthindernisse schlechthin;

Ausnahmeregelungen für "Altbestände" - wie dies dem Beschwerdeführer vorzuschweben scheint - enthält das LFG nicht.

Es ist aber auch mit dem weiteren Beschwerdevorbringen für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Soweit er nämlich auf eine - seines Erachtens - bestehende Kennzeichnungspflicht der Austro Control GesmbH verweist, ist ihm zu entgegnen, dass selbst der (allfällige) Bestand einer solchen Verpflichtung der Annahme einer - diesfalls weiteren - Verpflichtung des Grundeigentümers nicht entgegensteht. § 95 Abs. 1 LFG enthält nämlich keine Ausnahme des Inhalts, der Eigentümer eines Luftfahrthindernisses sei dann nicht (mehr) verpflichtet, dieses auf seine Kosten zu kennzeichnen, wenn eine solche Verpflichtung (bereits) jemanden anderen trifft. Soweit der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen aber meint, es fehle im vorliegenden Fall (in dem Ausmaß, in dem dieser Verpflichtung bereits entsprochen worden sei) an einer sachlichen Notwendigkeit, ihm die Kennzeichnung der Materialseilbahn aufzutragen, ist ihm einzuräumen, dass § 95 LFG die Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen nur insoweit verlangt, als diese nicht im erforderlichen Ausmaß gekennzeichnet sind. Insoweit Luftfahrthindernisse bereits gesetzmäßig gekennzeichnet sind, beschränkt sich die Verpflichtung des Eigentümers dieser Luftfahrthindernisse gemäß § 95 LFG daher auf die Erhaltung der Kennzeichnung.

Im vorliegenden Beschwerdefall steht fest, dass die in Rede stehende Materialseilbahn vom Bundesamt für Zivilluftfahrt - in Erfüllung der diesem mit Bescheid vom 25. November 1976 auferlegten Verpflichtung - bereits gekennzeichnet wurde. Wenn dem Beschwerdeführer daher mit dem angefochtenen Bescheid nicht nur die Erhaltung dieser Kennzeichnung vorgeschrieben wurde, sondern ihm auch die Verpflichtung zur Kennzeichnung des bereits (gesetzmäßig) gekennzeichneten Luftfahrthindernisses auferlegt wurde, so entsprach dies zwar nicht dem § 95 LFG. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber nicht in seinen Rechten verletzt, weil diese Verpflichtung wegen der bereits erfolgten Kennzeichnung gegenstandslos ist; vielmehr ist der angefochtene Bescheid insoweit ins Leere gegangen.

§ 95 LFG begegnet - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutzes keinen Bedenken. Zum einen ist nämlich offenkundig, dass die vorgesehene Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen im öffentlichen Interesse gelegen ist - dies hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst eingeräumt -, und zum anderen besteht kein Anhaltspunkt dafür, der Eigentümer eines Luftfahrthindernisses werde durch die Verpflichtung, dessen Kennzeichnung auf seine Kosten vorzunehmen, unverhältnismäßig belastet; ein konkretes Tatsachenvorbringen in dieser Richtung hat auch der Beschwerdeführer nicht erstattet.

Schließlich erweist sich auch die unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebrachte Rüge des Beschwerdeführers, sein Einwand, es bestehe für die angeordnete Kennzeichnung keine sachliche Rechtfertigung, wäre ohne Begründung abgetan worden, als unzutreffend. Im angefochtenen Bescheid wird nämlich in diesem Punkt auf die Notwendigkeit von Such- bzw. Rettungsflügen hingewiesen, die eine Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen unabdingbar erforderlich machten.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONZurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997030385.X00

Im RIS seit

07.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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