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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §85 Abs2 / MedienrechtLeitsatz
Keine Stattgabe der Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen die Vergabe von Regional- und Lokalradiolizenzen; überwiegendes Interesse an der Inbetriebnahme von Regional- bzw LokalradioSpruch
Den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß §85 Abs2 VerfGG k e i n e F o l g e gegeben.
Begründung
Begründung:
I.1. Mit Bescheid der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde vom 5. Dezember 1997, Z611.170/5-RRB/97, wurde der Antenne Tirol RRT-Regionalradio Tirol GmbH die Zulassung zur Veranstaltung eines regionalen Hörfunkprogrammes für das Versorgungsgebiet "Tirol" erteilt und wurden ua. die Anträge der nunmehr beschwerdeführenden Mitbewerber gemäß §20 Abs2 Regionalradiogesetz, BGBl. Nr. 506/1993 idF BGBl. I Nr. 41/1997, abgewiesen.
2. In den gegen diesen Bescheid eingebrachten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden werden Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diese Anträge werden im wesentlichen damit begründet, daß der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden und den beschwerdeführenden Parteien bei Sendebeginn durch die mitbeteiligte Partei (Zulassungsinhaberin) ab 1. April 1998 - auch bei späterer Aufhebung des bekämpften Bescheides nicht mehr auszugleichende - Wettbewerbsnachteile (insbesondere durch Kundenbindung) entstünden. Mögliche, der Zulassungsinhaberin bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entstehende finanzielle Nachteile fielen dagegen weniger schwer ins Gewicht.
3. Die belangte Behörde vertritt in ihrer Stellungnahme die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorliegen. Die aus den Urteilen des EGMR in der Sache Informationsverein Lentia ua. vom 24.11.1993 sowie in der Sache Radio ABC vom 20.10.1997 hervorgehende völkerrechtliche Verpflichtung, die Veranstaltung privaten Hörfunks zu ermöglichen, stelle ein zwingendes, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehendes öffentliches Interesse dar. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, daß die Zulassungsinhaberin bei Sendebeginn ab 1. April 1998 gegenüber den beschwerdeführenden Parteien einen nicht mehr aufholbaren Wettbewerbsvorteil erlangte, werde der Konkretisierungspflicht der Antragsteller nicht gerecht. Angesichts der Mehrzahl von Mitbewerbern sei keineswegs gewiß, daß selbst im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Folge gerade eine der beschwerdeführenden Parteien die Lizenz zugesprochen bekäme. Den potentiellen wirtschaftlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien stünden "konkrete (volks-)wirtschaftliche Interessen gegenüber ..., wie z.B. der Werbewirtschaft oder verschiedener Programmanbietergesellschaften". Auf Grund der - bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung - bestehenden außenpluralen Vielfalt von privaten Hörfunkveranstaltern sei - im Unterschied zu den Annahmen, von denen der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkungen in den im Jahre 1995 anhängigen Beschwerdeverfahren ausgegangen sei - im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr davon auszugehen, daß die "Belegung" einer Frequenz durch einen Veranstalter diese derart prägen werde, daß einem allfälligen weiteren Veranstalter auf dieser Frequenz ein medialer oder wirtschaftlicher Nachteil entstehe.
4. Die Zulassungsinhaberin führt in ihren Äußerungen im wesentlichen aus, daß zwingende öffentliche Interessen, nämlich die durch Art10 EMRK im Sinne des Urteils des EGMR vom 20.10.1997 (Radio ABC) gebotene Zulassung von Privatradios in Österreich, entgegenstünden. Entgegen den Ausführungen der beschwerdeführenden Parteien hätten etablierte Sender gegenüber Neulingen am Rundfunkmarkt keinen Vorteil, da sich die Marktanteile vollkommen flexibel nach den kurzfristig disponiblen Vorlieben des Hörers bestimmten, was durch zahlreiche - näher angeführte - Beispiele aus dem In- und Ausland belegbar sei. Im Unterschied zur Situation im Jahre 1995, als zwischen Erlassung des - später vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen - auf der Grundlage des Regionalradiogesetzes idF vor BGBl. I Nr. 41/1997 erlassenen Zulassungsbescheides und dem im Bescheid vorgesehenen Sendebeginn ein Zeitraum von neun Monaten lag, liege diesmal zwischen Erlassung des angefochtenen Bescheides und vorgesehenem Sendebeginn am 1. April 1998 lediglich ein Zeitraum von etwas mehr als vier Monaten. Um den mit 1. April 1998 bewilligten Sendebetrieb aufnehmen zu können, habe die Zulassungsinhaberin nach Erteilung der Zulassung durch die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde im Dezember 1997 umfangreiche Investitionen (Anschaffung bzw. Adaptierung des Studios und von Sendeanlagen, Anstellung und Einschulung von Mitarbeitern) getätigt. Jedes Zuwarten mit den Vorbereitungen für den Sendestart am 1. April 1998 hätte die anlaufenden Vorlaufkosten erhöht, ohne daß zugleich die Möglichkeit bestanden hätte, die Bilanz durch das Erzielen von Umsätzen zu verbessern. Allein die Personalkosten beliefen sich derzeit auf S 1,25 Millionen pro Monat. Insgesamt seien seit Bescheiderlassung im Dezember 1997 Investitionen in Höhe von S 23 Millionen getätigt worden. Selbst wenn der angefochtene Bescheid zB nach einem Jahr vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden sollte, wären die Verluste bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung angesichts der in diesem Zeitraum zu erzielenden Einnahmen geringer als wenn die aufschiebende Wirkung zuerkannt würde.
II.1. Gemäß §85 VerfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2. Ob im Hinblick auf die Urteile des EGMR vom 24.11.1993 (Informationsverein Lentia ua. gegen Österreich) und 20.10.1997 (Radio ABC gegen Österreich) zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, kann dahingestellt bleiben. Angesichts des mit dem angefochtenen Bescheid festgelegten Zulassungsbeginnes am 1. April 1998 und der erheblichen Investitionen, die von der Zulassungsinhaberin ab Erlassung des angefochtenen Bescheides bis dato getätigt werden mußten, um rechtzeitig - dh. gleichzeitig mit den anderen privaten Hörfunkveranstaltern, für die der Sendestart in den Zulassungsbescheiden vom Dezember 1997 gleichfalls mit 1. April 1998 festgelegt wurde - ab 1. April 1998 auf Sendung gehen zu können, überwiegt nach Abwägung aller berührten Interessen das Interesse an der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung das - näherhin nicht konkretisierte - entgegenstehende Interesse der beschwerdeführenden Parteien. Dies insbesondere unter Berücksichtigung folgender beider Umstände:
Einerseits müssen die für den Sendestart (am 1. April 1998) erforderlichen Investitionen beim gegebenen Verfahrensstand im wesentlichen bereits getätigt sein (anders war die Sachlage in den im Jahre 1995 anhängig gewesenen, ausschließlich Sendelizenzen für die Veranstaltung von regionalen Hörfunkprogrammen betreffenden Beschwerdeverfahren, als zwischen den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs über die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und dem in den damals angefochtenen Bescheiden vorgesehenen Sendebeginn ein Zeitraum von mehr als vier Monaten lag). Anderseits ist - wie die belangte Behörde in ihrer Äußerung dargelegt hat - nunmehr im Falle der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung wegen der Vielzahl von auf der Grundlage des Regionalradiogesetzes idF der Novelle 1997 zugelassenen Regional- und insbesondere Lokalradioveranstaltern nicht mehr davon auszugehen, daß die "Belegung" einer Frequenz durch einen Veranstalter diese derart prägen wird, daß einem allfälligen weiteren Veranstalter auf dieser Frequenz ein medialer oder wirtschaftlicher Nachteil entsteht.
Daß für die beschwerdeführenden Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger, jenen der Zulassungsinhaberin im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung überwiegender Nachteil verbunden wäre, kann der Verfassungsgerichtshof bei Abwägung aller berührten Interessen daher nicht finden. Das mit der Ausübung der Berechtigung verbundene Risiko (verlorener Aufwendungen und sonstiger Nachteile für den Fall des späteren Obsiegens der beschwerdeführenden Parteien) hat die durch den angefochtenen Bescheid berechtigte Zulassungsinhaberin selbst zu tragen.
Den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher gemäß §85 Abs2 VerfGG 1953 nicht stattzugeben.
Schlagworte
VfGH / Wirkung aufschiebende, RegionalradioEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B142.1998Dokumentnummer
JFT_10019773_98B00142_00