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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §35;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der K Gesellschaft m. b.H. in M, vertreten durch Dr. Albert Ritzberger, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Widmanngasse 43, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. April 1997, Zl. SV(SanR)-207/15-1996-Tr/Ma, betreffend Verpflichtung zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei:
Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4010 Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- und der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ergibt sich aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Zlen. 93/08/0025, 0026, und vom 28. November 1995, 94/08/0161; daraus ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch Folgendes von Bedeutung:
Am 4. Jänner 1991 schloss die Beschwerdeführerin als Pächterin mit der D Gesellschaft m.b.H. & Co KG und der D Gesellschaft m.b.H. als Verpächter einen Vertrag, wonach die Beschwerdeführerin das Unternehmen der Verpächtergesellschaften (von im gegebenen Zusammenhang belanglosen Ausnahmen abgesehen) um einen jährlichen Pachtzins zuzüglich bestimmter, im Vertrag näher bezeichneter Nebenkosten pachtete. Dieser Pachtvertrag enthielt in Punkt 7.3. die Vereinbarung, dass die Verpächter zwar die in ihrem Unternehmensbetrieb begründeten Dienstverhältnisse (die nicht kraft ausdrücklicher Vereinbarung der Beschwerdeführerin mit dem jeweiligen Dienstnehmer von der Beschwerdeführerin übernommen würden) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufzukündigen hätten; die Verpächter seien aber verpflichtet, diese Dienstnehmer in dem von der Pächterin begehrten Ausmaß während des aufrechten Fortbestandes des Dienstverhältnisses (bis zum Ablauf der Kündigungsfrist) im Betrieb der Beschwerdeführerin einzusetzen und insbesondere damit eine weitere Verarbeitung der Rohwaren und die Fertigstellung der Halbfertigprodukte zu bewirken. Des weiteren wurde in dieser Bestimmung ein Ersatz all jener baren Auslagen vereinbart, die tatsächlich aus dem Vermögen der Verpächtergesellschaften für die Tätigkeit dieser Dienstnehmer aufgewendet würden.
Am 8. Jänner 1991 wurde über das Vermögen der D Gesellschaft m. b.H. das Ausgleichsverfahren, am 1. August 1991 der Anschlusskonkurs eröffnet.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 5. Juli 1991 (hinsichtlich der Beitragszeiträume vom 4. Jänner bis 31. Mai 1991) und (mit ähnlichem Wortlaut) mit Bescheid vom 17. Jänner 1992 (hinsichtlich der Beitragszeiträume vom 1. Juni bis 30. September 1991) aus, dass die Beschwerdeführerin "als Pächter des betrieblichen Anlagevermögens der (gemeinschuldnerischen Gesellschaften) ab 4. Jänner 1991 (laut Pachtvertrag) Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG und als solcher verpflichtet (sei), für die in den beigeschlossenen Listen namentlich angeführten Versicherten ab 4.1.1991 Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten."
In der Begründung dieser Bescheide heißt es - im Wesentlichen übereinstimmend -, dass die Beschwerdeführerin als Pächterin des betrieblichen Anlagevermögens der gemeinschuldnerischen Gesellschaften Dienstgeber sei, weil der Betrieb, in dem die in den beigeschlossenen Listen namentlich genannten Versicherten ab 4. Jänner 1991 beschäftigt seien bzw. gewesen seien, für Rechnung der Beschwerdeführerin geführt werde.
Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit zwei (jeweils auf unterschiedliche Zeiträume bezogenen) Bescheiden des Landeshauptmannes für Oberösterreich vom 15. Dezember 1992 als unbegründet abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Zlen. 93/08/0025, 0026, wurden diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zu der allein strittigen Frage, ob die Beschwerdeführerin als Pächterin Dienstgeberin der im Betrieb Beschäftigten wurde, führte der Verwaltungsgerichtshof (u.a.) Folgendes aus:
"Die Dienstnehmer standen im Beschwerdefall vor dem 4. Jänner 1991 unbestrittenermaßen in (als Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehenden) Arbeitsverhältnissen zu den Verpächterunternehmen. Die Beschwerdeführerin könnte Dienstgeberin der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer dadurch geworden sein, dass sie (entweder) in die bestehenden Dienstverträge eingetreten ist oder mit den Dienstnehmern jeweils neue Dienstverträge geschlossen hat. Solche Vereinbarungen könnten gemäß § 863 ABGB ausdrücklich, aber auch konkludent geschlossen worden sein (vgl. das Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/08/0188). Für die Frage, ob die Beschwerdeführerin am 4. Jänner 1991 (also ab jenem Zeitpunkt, ab dem der Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt wurde) verpflichtet ist, als Dienstgeber Sozialversicherungsbeiträge für die in diesem Betrieb beschäftigten Dienstnehmer zu entrichten, ist aber nicht entscheidend, welcher der beiden genannten Fälle vorliegt. Es stünde nämlich der Annahme einer konkludenten Vertragsübernahme oder eines neuen Vertragsabschlusses insbesondere nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin mit dem Verpächterunternehmen im Pachtvertrag vereinbart hatte, dass die Dienstverhältnisse weiterhin zur Verpächterin bestehen sollten, weil es für die Frage des Zustandekommens eines Dienstverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern nur auf das Verhalten der Beschwerdeführerin gegenüber diesen Dienstnehmern ankommt bzw. darauf, wie die Dienstnehmer nach der Verkehrssitte das ihnen gegenüber zutage getretene Verhalten der Beschwerdeführerin verstehen durften. Ungeachtet der für die vorliegenden Beschwerdeverfahren somit unbedeutenden Frage des Eintrittes in ein bestehendes Arbeitsverhältnis (etwa durch Erklärung der Weiterbeschäftigung 'wie bisher' vgl. Arb. 10223 und Spielbüchler, Arbeitsrecht I, 120, sowie Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag 207 ff) durften die Dienstnehmer eine vorbehaltlose Weiterbeschäftigung im Betrieb durch die Beschwerdeführerin zumindest in der Weise deuten, dass sie nunmehr zur Beschwerdeführerin in einem (neuen) Arbeitsverhältnis stünden. Anders verhielte es sich allerdings dann, wenn die Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern einen ausdrücklichen Vorbehalt in der Weise gemacht hätte, dass die Dienstnehmer ihre bis 3. Jänner 1991 gegenüber den Verpächtern bestehende Arbeitspflicht ab 4.1.1991 bei der Pächterin (Beschwerdeführerin) erfüllen sollten und die Dienstnehmer dazu ihre Zustimmung erteilt hätten. In diesem Fall wäre nämlich - unter Beachtung der zwischen der Beschwerdeführerin und den Verpächtergesellschaften ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, dass die Dienstnehmer weiterhin zur Verpächterin in einem Dienstverhältnis stehen sollten - mit der (ausdrücklichen oder konkludenten) Zustimmung der Dienstnehmer zu dieser Vereinbarung (gleichgültig ob diese gegenüber der Verpächterin oder gegenüber der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht wurde, die insoweit als Bevollmächtigte der Verpächtergesellschaften anzusehen wäre) Leiharbeitsverhältnisse zustande gekommen, hinsichtlich derer nur die Verpächtergesellschaften als Dienstgeber anzusehen wären (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 23. Mai 1985, Slg. Nr. 11778/A, vom 27. Juni 1989, Zl. 84/08/0161, und vom 12. November 1991, Zl. 89/08/0262)."
Zu diesen entscheidungswesentlichen Fragen habe die belangte Behörde die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Mit dem in zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom 10. Juni 1994 hat der Landeshauptmann von Oberösterreich den Einsprüchen (neuerlich) keine Folge gegeben. Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens zitierte die belangte Behörde in der Begründung dieses Bescheides die Aussagen dreier Dienstnehmer und den Wortlaut dreier Mitteilungen der Firmenleitung an die Dienstnehmer, welche im Betrieb ausgehängt worden seien (nämlich vom 17. Jänner 1991, vom 26. März 1991 und vom 27. Mai 1991). Darin würden seitens der Beschwerdeführerin die Dienstnehmer mit "Liebe Mitarbeiter", "Liebe Dienstnehmerin, liebe Dienstnehmer" angesprochen. Die Mitteilung vom 26. März 1991 enthalte grundsätzliche Regelungen über Arbeitszeit, Überstunden, Urlaube, Krankheiten, kurzfristige Absenzen, Kilometergeldregelung, Diäten und Spesen, und Dienstnehmerwohnungen. In einer Hausmitteilung vom 27. Mai 1991 werde u.a. an die Leistungsbereitschaft jedes einzelnen Mitarbeiters appelliert. Aus diesem Beweisergebnis leitete die belangte Behörde schließlich ab, dass es als erwiesen zu gelten hätte, dass die Beschwerdeführerin als Pächterin gegenüber den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern ohne weitere Vorbehalte als Betriebsübernehmer aufgetreten sei. Der Zeuge W habe bestätigt, dass gegenüber den Dienstnehmern das Pachtverhältnis so dargestellt worden sei, dass der gesamte Betrieb, also auch die Dienstnehmer davon betroffen seien und dies im Pachtentgelt enthalten sei. Auch die Zeugin K habe bestätigt, dass die Dienstnehmer den Eindruck gehabt hätten, der Betrieb würde durch Dr. G. (den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) weitergeführt. Den Dienstnehmern sei die Situation so dargestellt worden, dass der Gesamtbetrieb, "also auch die Dienstnehmer" von der Beschwerdeführerin gepachtet worden seien. Sie habe auch bestätigt, dass nach der Betriebsversammlung den Dienstnehmern bewusst gewesen sei, dass durch den Pachtvertrag nunmehr der Geschäftsführer den Betrieb weiterführe und dass er der Ansprechpartner sei. Alle drei Dienstnehmer hätten angegeben, dass der Inhalt des Pachtvertrages den Dienstnehmern nicht bekannt gegeben worden sei, somit auch nicht die Bestimmungen über die Übernahme bzw. Nichtübernahme der Dienstverhältnisse. Auch durch die drei Mitteilungen an die Dienstnehmer würden diese Aussagen bestätigt, in welchen der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eindeutig "als Betriebsübernehmer gegenüber den Dienstnehmern" aufgetreten sei. Sowohl aus den Zeugenaussagen als auch aus den zitierten Mitteilungen sei eindeutig ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin gegenüber den im Betrieb beschäftigten Dienstnehmern ohne weitere Vorbehalte bereits ab Pachtbeginn als Betriebsübernehmer aufgetreten sei. Es sei daher ein konkludentes Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern ab Pachtbeginn zustande gekommen. Es liege keines der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Merkmale für das konkludente Zustandekommen eines Leiharbeitsverhältnisses vor. Das im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 1994 zitierte Schreiben vom 22. April 1991 näher genannter Rechtsanwälte habe zur Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage keinerlei Aussagekraft für das vom Verwaltungsgerichtshof einzig relevante Kriterium des Verhaltens der Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern. In ihrer Stellungnahme vom 18. Jänner 1994 hatte die Beschwerdeführerin ein Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich vom 19. Oktober 1993, gerichtet an den Masseverwalter, vorgelegt, welches u.a. folgenden Wortlaut hat:
"Der Pachtvertrag zwischen der (Beschwerdeführerin) und der Firmengruppe D wurde am 4.1.1991 abgeschlossen. Die erste Betriebsversammlung mit dem Dienstnehmervertreter ... fand am 7.1.1991 statt. Der Wissensstand des Sachbearbeiters beschränkte sich auf die Kenntnis der Betriebsverpachtung und die Fortführung der Unternehmensgruppe.
Auf der Basis dieser Fakten wurde der Belegschaft mitgeteilt, dass die Dienstverhältnisse zu den ausgleichsschuldnerischen Firmen aufrecht bleiben und zu einem späteren Zeitpunkt nach den Bestimmungen der §§ 20b und c AO gelöst werden. Der Abrechnungsmodus über die Refundierung der Löhne und Gehälter zwischen der Verpächterin und der Pächterin sei ausschließlich Sache des Ausgleichsverwalters bzw. der Unternehmensgruppe D einerseits und der Pachtfirma andererseits, da die offenen Ansprüche jedenfalls durch den IAG-Fonds gesichert seien. Die Vollmachten an den Dienstnehmervertreter wurden am 8. Jänner 1991 durch die Beschäftigten unterfertigt. Die Belegschaft wusste also ab 7.1.1991, dass ihr Arbeitgeber nach wie vor die Firma D ist, jedoch die Dienstleistung von jemanden anderen in Anspruch genommen wird.
Dass die Firmengruppe D bis zum Ende des Dienstverhältnisses der Arbeitgeber war, dürfte auch die Rechtsansicht des IAG-Fonds sein, ansonsten hätte man nicht die Dienstnehmerforderungen liquidiert."
Mit dem eingangs zweiterwähnten Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/08/0161, hob der Verwaltungsgerichtshof auch diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Unter Bezugnahme auf die soeben wiedergegebene - von der belangten Behörde bei ihrer Beweiswürdigung unverwertet gelassene - Urkunde begründete der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung wie folgt:
"Ginge man davon aus, dass der in diesem Schreiben mitgeteilte Sachverhalt den Tatsachen entspricht, so wäre - im Sinne des im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993 - gegenüber den Dienstnehmern tatsächlich klargestellt worden, dass die Dienstverhältnisse zu den damals ausgleichsschuldnerischen Unternehmen aufrecht blieben. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Auffassung der belangten Behörde in der Gegenschrift nicht zu folgen, dass der Umstand allein, dass dieses Schreiben erst nach Vorliegen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes verfasst wurde, gegen die Glaubwürdigkeit des in diesem Schreiben mitgeteilten Sachverhaltes spricht, sodass weitere Ermittlungen zu diesem Sachverhalt entbehrlich wären. Im Übrigen finden sich in den von der belangten Behörde verwerteten Zeugenaussagen Beweisergebnisse, die in die gleiche Richtung deuten: So sagte der Zeuge W aus, dass anlässlich der Betriebsversammlung vom 7. Jänner 1991 dem Dienstnehmer gegenüber 'das Pachtverhältnis so dargestellt (worden sei), dass der gesamte Betrieb, also auch die Dienstnehmer davon betroffen seien und dies im Pachtentgelt enthalten sei'. Auch die Zeugin K gab an, dass den Dienstnehmern gegenüber die Situation so dargestellt worden sei, dass der Gesamtbetrieb 'also auch die Dienstnehmer ... gepachtet' waren. Gerade diese Umstände könnten auf eine Mitteilung darüber hindeuten, dass keine Dienstverhältnisse zur Beschwerdeführerin begründet werden sollten, sondern für die Überlassung der Dienstnehmer an die Beschwerdeführerin ein gesondertes Entgelt (wenn auch als Teil des Pachtentgelts, deklariert) an die Verpächterin zu entrichten sei. In diesem Zusammenhang wäre seitens der belangten Behörde auch eine Prüfung der Frage angezeigt gewesen, ob die Dienstnehmer - im Sinne des Schreibens der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich - im Insolvenzverfahren der Verpächtergesellschaften (bzw. beim Insolvenz- Ausfallgeld-Fonds) tatsächlich auch Lohnforderungen angemeldet haben, die aus einem Zeitraum stammen, während dessen die Arbeitsleistung bereits für die Beschwerdeführerin erbracht worden ist. Bejahendenfalls wäre nämlich mit einem solchen Verhalten die Annahme, dass die Dienstnehmer nicht gewusst hätten, dass sie weiterhin zu den Verpächtergesellschaften in einem Dienstverhältnis stehen sollten, kaum vereinbar. Wäre den Dienstnehmern bzw. ihren bevollmächtigten Vertretern im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsversammlung vom 7. Jänner 1991 aber tatsächlich gesagt worden, dass ihre Dienstverhältnisse zu den Verpächtergesellschaften aufrecht blieben, sie aber ihre Dienstleistung nunmehr für die Beschwerdeführerin erbringen sollten, dann könnte im Hinblick auf diesen ausdrücklichen Vorbehalt aus der bloßen Verwendung der Worte 'Dienstnehmer' in Hausmitteilungen nicht der (rechtliche) Schluss gezogen werden, dass damit konkludent (nunmehr) das Bestehen von Dienstverhältnissen zur Beschwerdeführerin bestätigt würde. Auch die Mitteilung vom 26. März 1991 über grundsätzliche Regelungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens der Dienstnehmer, Spesenersatz und Dienstwohnungen könnte dann nicht in der von der belangten Behörde angenommenen Richtung gedeutet werden, da die Beschwerdeführerin diesfalls nur Rechte aus der Vereinbarung mit den Verpächtergesellschaften (in deren Eigenschaft als 'Verleiher') gegenüber den Dienstnehmern geltend gemacht hätte, nicht aber Rechte, die ihr aus eigenem Recht (z.B. auf Grund unmittelbar mit den Dienstnehmern geschlossener Arbeitsverträge) zukämen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/08/0182 ff)."
Im dritten Rechtsgang hat die belangte Behörde zunächst den Zeugen Johann L. (einen Bediensteten der Kammer für Arbeiter und Angestellte für OÖ) einvernommen; dieser gab Folgendes an :
"Ich war anlässlich der Betriebsversammlung der Firmen Dachstein am 7.1.1996 (gemeint: 1991) anwesend, habe jedoch darüber keine schriftlichen Aufzeichnungen. Anlässlich dieser Betriebsversammlung teilte Herr Komm.Rat. L. im Wesentlichen mit, dass er insolvent sei und das Insolvenzverfahren angemeldet habe, dass ihm dies sehr leid tue und er stellte Herrn Dr. G. vor, der den Betrieb gepachtet habe und evt. weiterführe. Über die Dienstverhältnisse bzw. wer Dienstgeber weiterhin sei, hat Herr L. nichts gesprochen. Im Wesentlichen stellte er nur Hrr Dr. G. vor. In der Folge sprach Dr. G. zu den Dienstnehmern, sprach über den Pachtvertrag und über die voraussichtliche Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Ob er konkret auf die Dienstnehmer eingegangen ist, kann ich heute nicht mehr sagen. Anschließend habe ich auch gesprochen, da ich zu diesem Zeitpunkt erstmals mit der Situation konfrontiert war, habe ich rechtliche Ausführungsmöglichkeiten dargestellt, nämlich die Kündigungen nach § 20 b und c AO. Ich habe auch die Variante eines Anschlusskonkurses erörtert. In der Folge war ich bemüht, für die einheitliche Vorgangsweise von allen Dienstnehmern eine Vollmacht für die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu bekommen. Ich habe dann sämtliche Vollmachten erhalten, zum Teil am 8.1.1991, zum Teil geringfügig später von jenen, die bei der Betriebsversammlung nicht anwesend waren. Die Möglichkeit einer Arbeitskräfteüberlassung ist mir nicht erinnerlich. Ich habe die Dienstnehmer angeraten so weiter zu arbeiten, 'als ob nichts wäre', da mir zu diesem Zeitpunkt selbst Detailinformationen fehlten.
Die Vollmacht hatte den Zweck, die zur damaligen Zeit und auch zukünftigen Forderungen der Dienstnehmer über den IAG-Fonds zu lukrieren, die Anmeldungen beim Landesgericht Steyr vorzunehmen und mit Dr. G. über die Gestaltung der Dienstverhältnisse in der Zukunft insbesondere bezüglich der Übernahme der kündigungsgeschützten Dienstnehmer zu verhandeln. Die Dienstnehmer wurden veranlasst weiterzuarbeiten und die Frage, bei wem sie beschäftigt sind, wurde offen gelassen. Ich habe ihnen den Rat gegeben nicht auszutreten. Im Übrigen war zu diesem Zeitpunkt auch noch kein Austretungsgrund vorhanden, zumal für die offenen Ansprüche noch keine Nachfrist nach dem allgemeinen Arbeitsrecht gesetzt wurde.
Ich war ab 7.1.1991 zumindest ein Jahr intensiv mit dem Ablauf in der Firma beschäftigt, mein Ansprechpartner war Dr. G. Mit Herrn L. habe ich zu keiner Zeit Verhandlungen über die Dienstverhältnisse geführt.
Soweit ich mich erinnern kann, ist Herr L. den Dienstnehmern gegenüber nach 7.1.1991 nicht mehr aufgetreten. Herr Komm.Rat. L. hat einfach ob der Situation 'Hände hoch' gemacht.
Soweit ich mich erinnern kann, wurde am 7.1.1991 anlässlich der Betriebsversammlung die Frage, wer Dienstgeber in der Folge sei, ausdrücklich nicht behandelt und sollte diese Frage gestellt worden sein, wurde diese nicht beantwortet. Diese Problematik war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst und die rechtlichen Auswirkungen unbekannt.
Mit den einzelnen Vollmachtgebern (Dienstnehmer) habe ich über die Dienstverhältnisse an sich nicht verhandelt."
Nach Einholung von Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Einspruch der Beschwerdeführerin - abgesehen von einer Herabsetzung der Beitragsschuld für den Zeitraum Juni 1991 bis September 1991 um S 19.494,36 - neuerlich ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der wesentlichen Begründung des im zweiten Rechtsgang ergangenen, aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sowie der mit dem Zeugen L. aufgenommenen Niederschrift, traf die belangte Behörde die
- entscheidungswesentliche - Feststellung, dass von der Beschwerdeführerin zwar immer behauptet worden sei, es sei ein ausdrücklicher Vorbehalt (gemeint: kein Dienstverhältnis mit den Dienstnehmern der Verpächter schließen zu wollen) gegenüber den Dienstnehmern gemacht worden, ein solcher (ergänze: rechtswirksamer) ausdrücklicher Vorbehalt im Sinne des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hätte jedoch nur vom Verpächter oder von der Pächterin (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) ausgesprochen werden können. Eine ausdrückliche Erklärung, dass die Dienstnehmer ihre bis 3. Jänner 1991 gegenüber dem Verpächter bestehende Arbeitspflicht ab 4. Jänner 1991 beim Pächter hätten erfüllen sollen, sei aber weder vom Verpächter noch vom Pächter abgegeben worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich die belangte Behörde auf die Aussagen der ehemaligen Dienstnehmer und des im dritten Rechtsgang vernommenen Zeugen Johann L., welche miteinander in Einklang stünden. Im Zusammenhang mit dem festgestellten Auftreten des Vertreters der Beschwerdeführerin in der wiederholt erwähnten Betriebsversammlung und danach ging die belangte Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin gegenüber den Dienstnehmern wie ein Dienstgeber aufgetreten sei. Der Betrieb sei ab Verpachtung auf Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin geführt worden, die daher Dienstnehmerin iS des § 35 Abs. 1 ASVG und Beitragsschuldnerin geworden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens ist gem. § 43 Abs. 2 VwGG auf die in den wesentlichen Teilen oben wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den beiden in dieser Beitragssache ergangenen Vorerkenntnissen zu verweisen. Die belangte Behörde hat nunmehr im dritten Rechtsgang die nach der Begründung des Erkenntnisses vom 28. November 1995 noch offene Tatfrage - gestützt auf die oben wiedergegebene Aussage des Zeugen L. (eines Mitarbeiters der Arbeiterkammer, der in der Folge die Vertretung der Belegschaftsmitglieder übernommen hat) und unter Bezugnahme auf die bindend (§ 63 Abs. 1 VwGG) ausgesprochene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis - geklärt: sie hat festgestellt, dass eine ausdrückliche Erklärung, dass die Dienstnehmer ihre bis 3. Jänner 1991 gegenüber den Verpächterunternehmen bestehende Arbeitspflicht ab 4. Jänner 1991 bei der Beschwerdeführerin (als Pächterin) erfüllen sollten, weder vom Verpächter noch vom Pächter gegenüber den Dienstnehmern abgegeben worden sei. Die belangte Behörde stützte diese Feststellung auf die Aussagen der einvernommenen Dienstnehmer und des Zeugen L. Die Frage, wer aufgrund des Pachtvertrages Dienstgeber sein sollte, wurde danach ausdrücklich nicht behandelt. Die Beschwerdeführerin sucht dem in ihrer Beschwerde - in der sie im "Sachverhalt" weiterhin behauptet, es sei zwischen den Verpächtern, der Beschwerdeführerin und den Arbeitnehmern Leiharbeitsverhältnisse abgeschlossen worden - unter Hinweis auf die Regelungen des Pachtvertrages mit der Rechtsauffassung zu begegnen, die Dienstnehmer hätten dem Leiharbeitsverhältnis auch konkludent zustimmen können. Dies ist an sich richtig (und wird von der belangten Behörde auch nicht in Zweifel gezogen), setzte aber angesichts der vorliegenden Umstände des Falles (die der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis zu berücksichtigen hatte) voraus, dass den Dienstnehmern seitens der Beschwerdeführerin und/oder Verpächterin ein entsprechendes Offert unterbreitet worden wäre, welches einer konkludenten Annahme zugänglich hätte sein können. Gerade das war aber nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht der Fall:
In der Betriebsversammlung sind nach den insoweit von der Beschwerdeführerin unbestritten gelassenen Feststellungen der belangten Behörde vielmehr maßgebende Herren der Beschwerdeführerin als deren Vertreter in der Weise aufgetreten, dass sie vom Leiter der gemeinschuldnerischen Gesellschaft vorgestellt wurden, und den Dienstnehmern ohne weitere Auslassungen zu der Frage, wer in Zukunft ihr Dienstgeber sein sollte, sodann zu verstehen gegeben haben, sie sollten für das Pächterunternehmen weiterarbeiten wie bisher, wobei sie in der Folge alleinige Ansprechpartner für die Arbeitnehmer gewesen sind. Es ist daher nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass eine Erklärung, aus der die Arbeitnehmer trotz des von der Beschwerdeführerin verbreiteten gegenteiligen Anscheins unzweideutig entnehmen hätten können, dass sie weiterhin Arbeitnehmer nur der gemeinschuldnerischen Gesellschaft bleiben würden, bei der wiederholt genannten Betriebsversammlung und auch in der Folge nicht abgegeben worden ist.
Daran vermag der - aktenkundige - Umstand nichts zu ändern, dass die Dienstnehmer ihre Forderungen gegen das Verpächterunternehmen - für die Zeiträume, in denen ihr Dienstverhältnis von der Gemeinschuldnerin noch nicht aufgekündigt worden war - beim Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds angemeldet haben. Entgegen den Beschwerdebehauptungen wurde dies im Vorerkenntnis nicht als "zweifelsfreie und unwiderrufliche Kundgebung des Parteiwillens" (gemeint: in die von der Beschwerdeführerin behauptete Richtung, es sei nur die Verpächtergesellschaft weiterhin Dienstgeberin gewesen, weisend) bezeichnet. Der Verwaltungsgerichtshof hat lediglich betont, dass die Anmeldung der Dienstnehmerforderungen beim Fonds nicht mit der Annahme in Einklang zu bringen wären, die Dienstnehmer hätten nicht gewusst, dass sie zum Verpächterunternehmen in einem Dienstverhältnis stünden. Die Anmeldung der Dienstnehmerforderungen beim Fonds steht jedoch der Annahme, dass zur Beschwerdeführerin ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustandegekommen ist, weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht zwingend entgegen. Auch die Auszahlung dieser Forderungen, und seien sie auch unter der Annahme erfolgt, die Dienstnehmer hätten Ansprüche nur gegen das Verpächterunternehmen, vermöchte im gegenständlichen Verfahren keine Bindungswirkung zu erzeugen.
Auch ist es nicht als unschlüssig zu bezeichnen, wenn die belangte Behörde sich im Wesentlichen auf die Zeugenaussagen gestützt und dem Schreiben der Arbeiterkammer vom 19. Oktober 1993 (welches den Sachverhalt im Nachhinein anders darzustellen scheint) keinen Glauben geschenkt hat.
Das bloße, auf eine Art Leiharbeitsverhältnis gerichtete Einvernehmen zwischen Verpächter und Pächter, wie es aus dem schriftlichen Pachtvertrag hervorzugehen scheint, ändert an diesem Ergebnis nichts, da die Beschwerdeführerin (aber auch die Verpächterin) die auf den Abschluss von Leiharbeitsverhältnissen gerichtete Absicht gegenüber den Dienstnehmern nicht zum Ausdruck gebracht hat. Die in der Beschwerde hervorgehobenen "Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs" gebieten daher nicht das von der Beschwerdeführerin angestrebte, sondern jenes rechtliche Ergebnis, zu welchem die belangte Behörde gelangt ist.
Es sind daher - aus den Gründen, die der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich bereits in seinem Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 93/08/0025, 0026, näher dargelegt hat - sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern zustandegekommen, aufgrund derer die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin die in der Folge aufgelaufenen, im angefochtenen Bescheid ziffernmäßig umschriebenen (und der Höhe nach im Übrigen nicht bestrittenen) Sozialversicherungsbeiträge schuldet, weshalb sich der angefochtene Bescheid - unter dem Blickwinkel der geltend gemachten Beschwerdepunkte - als frei von Rechtsirrtum erweist. Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.Wien, am 20. September 2000
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff VerfahrensrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080400.X00Im RIS seit
21.12.2000