TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/16 W263 2172050-1

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Veröffentlicht am 16.10.2017
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Entscheidungsdatum

16.10.2017

Norm

AlVG §25
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W263 2172050-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf NORTH und Barbara SCHRÖDING als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice Wien

Währinger Gürtel vom 07.09.2017, VN: XXXX , in nicht-öffentlicher

Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird stattgegeben und der Spruchpunkt B des bekämpften Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer steht seit XXXX .2007 neuerlich im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit XXXX .2008 bezieht er mit Unterbrechungen Notstandshilfe.

2.1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel (im Folgenden: AMS) vom 07.09.2017 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistungen in Höhe des Gesamtbetrages von € 930,30 verpflichtet wird.

2.2. In Spruchpunkt B wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

Nach Wiedergabe des § 13 VwGVG führte das AMS begründend aus, dass bereits eine Entscheidung über die Beschwerde in der oben angeführten Hauptsache vorliege und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausschließlich dazu führen würde, dass die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzögert werden würde, obwohl mit einer anders lautenden Entscheidung in der Sache zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht mehr zu rechnen sei. Aus diesem Grund überwiege in gegenständlicher Angelegenheit das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung und sei daher die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

3. Gegen den Bescheid des AMS vom 07.09.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Beschwerde lässt erkennen, dass sie sich auch gegen Spruchpunkt B des Bescheides richtet ("Der Bescheid vom 07.09.17 verliert inhaltlich die Rechtliche Gültigkeit! [Amtshaftung!] und die Leistung bis zu einem Endgültigen Bescheides des BVGH fortzusetzen!").

4. Mit Schreiben vom 29.09.2017 legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem BVwG zur Entscheidung vor. Das AMS gab darin bekannt, dass es keine Beschwerdevorentscheidung durchführen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang bzw. die Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. jüngst VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0065). Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A)

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5 f.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Dementsprechend genügt es für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht, dass ein Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles an der vorzeitigen Vollstreckung des Bescheides besteht, sondern es muss darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31).

"Gefahr im Verzug" bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31 ff.). Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31).

Schließlich hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits im oben zitierten Beschluss vom 01.09.2014, Zl. Ra 2014/03/0028, im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG klargestellt, dass die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist.

Gegenständlich wurde der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mit einer eintretenden Verzögerung der Eintreibung der offenen Forderung bzw. mit dem öffentlichen Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung begründet. Eine Begründung, inwieweit im vorliegenden Fall die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils im Einzelfall notwendig ist, ist weder dem bekämpften Bescheid zu entnehmen, noch ergibt sich dies aus den vorliegenden Aktenteilen. Die belangte Behörde hat in Bezug auf den Ausschluss der aufschieben Wirkung nicht ausreichend dargelegt, inwieweit im vorliegenden Fall die vorzeitige Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Im Hinblick auf die zu erfolgende Interessensabwägung im Einzelfall wäre die aufschiebende Wirkung etwa dann auszuschließen, wenn begründete Zweifel an der späteren Einbringlichkeit der Forderung bestünden, weil in diesem Fall das Interesse der Versichertengemeinschaft, somit das öffentliche Interesse, an der Verfügbarkeit von Mitteln für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung überwiegt (VwGH vom 13.05.2009, Zl. 2007/08/0285).

Dass im konkreten Einzelfall die Einbringlichkeit der Forderung nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens nicht möglich wäre, also Gefahr im Verzug bestünde, wurde im Bescheid nicht dargelegt; auch aus dem Akt ergibt sich das nicht.

Im gegenständlichen Kontext ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG – was die Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anbelangt – "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden hat. Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13 VwGVG). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhaltes vermag das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht davon auszugehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür auch aus dem übermittelten Verwaltungsverfahrensakt keine Anhaltspunkte ergeben.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt B des bekämpften Bescheides ersatzlos aufzuheben. Der Beschwerde kommt somit aufschiebende Wirkung zu.

Das Bundesverwaltungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung über Spruchpunkt A des bekämpften Bescheides nicht vorweg genommen wird, sondern diese zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgen wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W263.2172050.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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