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L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein und Dr. Gerhard Zimmermann, Rechtsanwälte in Innsbruck, Bürgerstraße 21, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Mai 1997, Zl. Va-456-25.329/2-1997, betreffend Ersatz von Kosten der Sozialhilfe gemäß § 9 Tiroler Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck, Sozialamt, vom 8. August 1996 wurde der Beschwerdeführer dazu verpflichtet, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht die seinem 1962 geborenen Sohn Markus für den Zeitraum vom 1. Jänner 1993 bis zum 31. August 1996 geleistete Sozialhilfeunterstützung im Betrag von insgesamt S 245.789,80, zahlbar in Monatsraten zu S 1.435,-- ab September 1996, zu ersetzen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Sohn des Beschwerdeführers habe "durch den Unfall und der verminderten Erwerbsfähigkeit" die Hilfe der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen müssen. Der Verlust der subjektiven oder objektiven Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes führe zum Wiederaufleben seines Unterhaltsanspruches. Zur Bemessung des Unterhaltsbeitrages werde die aus dem ABGB abgeleitete Prozentsatzmethode angewendet. Es werde von einem Prozentsatz von 22 % des durchschnittlichen Monatseinkommens ausgegangen, wovon für die Ehegattin, sofern sie kein Einkommen erziele, 3 % und für "sorgepflichtige Kinder" über 10 Jahren jeweils 2 % in Abzug gebracht würden. Der danach verbleibende Betrag sei "mit 50 % als mtl. Unterhaltsbetrag festzusetzen". Durch Ausgaben wie Miete, Pkw, Kleidung, Kredite etc. werde die Bemessungsgrundlage nicht geschmälert. Nach den durchgeführten Erhebungen beziehe der Beschwerdeführer (gemeint: 1996) im Jahresdurchschnitt eine Pension von monatlich S 15.113,--. Er habe für seine Ehegattin, aber für keine (weiteren) Kinder zu sorgen. 19 % von S 15.113,-- ergäben einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.871,--. Zur Leistung der Hälfte dieses Betrages sei der Beschwerdeführer spruchmäßig verpflichtet worden.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid bestritt der Beschwerdeführer vor allem die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit und den daraus resultierenden Unterhaltsanspruch seines Sohnes Markus. Die Behörde habe in keiner Weise ausgeführt, ob und in welchem Umfang der Sohn des Beschwerdeführers nicht selbsterhaltungsfähig sei. Bei einem entsprechenden Ermittlungsverfahren hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Beschwerdeführer schon mehrfach versucht habe, seinem Sohn eine adäquate Arbeitsstelle zu vermitteln, der Sohn des Beschwerdeführers die Arbeitsstelle aber jeweils nach kurzer Zeit wieder grundlos aufgegeben habe. Der Sohn des Beschwerdeführers wäre durchaus in der Lage, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen, weshalb ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer nicht gegeben sei. Ein Anspruch auf Geldunterhalt bestehe auch deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer seinem Sohn immer wieder angeboten habe und auch immer noch anbiete, im eigenen Haus unterzukommen und ihm einen entsprechenden Naturalunterhalt zuzüglich einem angemessenen Taschengeld zu gewähren. Die Behörde verkenne, dass das Kind des Beschwerdeführers zwecks Bestreitung seines eigenen Unterhaltsbedarfes zur gehörigen Anspannung seiner Kräfte verpflichtet sei. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer nicht nur für den Unterhalt seiner Gattin zu sorgen, sondern auch zwei seiner Töchter in seinem Haus "aufgenommen und versorgt, welcher Unterhalt durch die im angefochtenen Bescheid vorgesehene Unterhaltszahlung" für den Sohn des Beschwerdeführers gefährdet sei.
Zu dem die Töchter des Beschwerdeführers betreffenden Berufungsvorbringen holte die belangte Behörde - im Wege der Behörde erster Instanz - eine Gendarmerieauskunft ein, wonach die beiden (26 bzw. 27 Jahre alten) Töchter des Beschwerdeführers bei näher genannten Arbeitgebern beschäftigt seien und ein eigenes Einkommen bezögen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die rechtliche Begründung hiefür lautete - abgesehen von der Auseinandersetzung mit dem in der Berufung enthaltenen Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Verfahren - wie folgt:
"Wenn der Berufungswerber vorbringt, die Erstinstanz habe in keiner Weise ausgeführt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Herr G. Markus nicht selbsterhaltungsfähig sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Nichtselbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes des Berufungswerbers aus der Tatsache ergibt, dass dieser im Zeitraum 1.1.1993 bis 31.8.1996 durch die Sozialhilfe mit einem Betrag von S 245.789,80 unterstützt werden musste. Grundlage für diese Leistung bildete sohin der Tatbestand des § 1 Abs. 3 lit. a Tiroler Sozialhilfegesetz, wonach sich derjenige in einer Notlage befindet, der den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Auch ist es im gegenständlichen Sozialhilfeverfahren (Rückersatzpflicht gemäß § 9 Abs. 1 Tiroler Sozialhilfegesetz) unerheblich, ob sich der Berufungswerber bemüht hat, für seinen Sohn eine adäquate Arbeitsstelle zu finden bzw. ob der Sohn grundsätzlich in der Lage wäre, für seinen eigenen Unterhalt aufzukommen. Entscheidend ist die Tatsache, dass der Sohn auf Grund der vorliegenden Notlage von der Sozialhilfe unterstützt werden musste, woraus in weiterer Folge gemäß § 9 Abs. 1 Tiroler Sozialhilfegesetz die Ersatzpflicht des Vaters im Rahmen seiner Unterhaltspflicht resultiert.
Daran kann auch das Berufungsvorbringen nichts ändern, dem Sohn des Berufungswerbers sei immer wieder angeboten worden, im Haus des Berufungswerbers unterzukommen und einen entsprechenden Naturalunterhalt zuzüglich Taschengeld zu erhalten. Auch diesbezüglich muss auf die tatsächlich eingetretene Notlage von Markus G. und die deshalb gewährte Sozialhilfeleistung hingewiesen werden.
Zum Berufungsvorbringen, der Berufungswerber habe nicht nur für den Unterhalt seiner Gattin zu sorgen, sondern werden außerdem in seinem Haus zwei seiner Töchter aufgenommen und versorgt, wird auf Grund ergänzender Erhebungen festgestellt, dass die beiden Töchter nach wie vor einer Beschäftigung nachgehen und ein eigenes Einkommen beziehen. Eine Sorgepflicht des Berufungswerbers gegenüber seinen beiden Töchtern kann sohin nicht angenommen werden.
Zum Vorwurf des Berufungswerbers, die Bemessungsgrundlage sei unzutreffend, wird bemerkt, dass mangels jeglicher konkreter Angaben sich eine Befassung damit erübrigt.
Das Berufungsvorbringen, der Sohn des Berufungswerbers sei zwecks Bestreitung seines eigenen Unterhaltsbedarfes zur gehörigen Anspannung seiner Kräfte verpflichtet, geht ins Leere. So bestimmt § 7 Abs. 2 Tiroler Sozialhilfegesetz, dass das Ausmaß der Sozialhilfe im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen ist. Dabei geht es also um die Festsetzung des Ausmaßes der Sozialhilfe. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens, sondern ist dies vielmehr die Frage des Sozialhilfekostenersatzes durch den Berufungswerber gemäß § 9 Abs. 1 Tiroler Sozialhilfegesetz. Die Verpflichtung des Berufungswerbers zu einem Sozialhilfekostenersatz von monatlich S 1.435,-- erfolgte zu Recht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 9 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973,
lautet:
"§ 9
Ersatz durch Unterhaltspflichtige
(1) Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, haben die Kosten der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu ersetzen.
(2) Großeltern und Enkel sind zum Kostenersatz nicht heranzuziehen."
Die Ersatzpflicht des Beschwerdeführers ist danach durch seine Unterhaltspflicht begrenzt. Diese ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Davon abgesehen besteht eine Ersatzpflicht nur insoweit, als die Leistungsgewährung rechtmäßig war. Die Gewährungsbescheide entfalten dem Ersatzpflichtigen gegenüber keine Rechtskraft, sodass seine diesbezüglichen Einwendungen zu berücksichtigen sind (vgl. zu all dem Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (1989), 524 ff, und aus der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erkenntnisse vom 15. April 1991, Zl. 90/19/0234, vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0224, vom 26. September 1995, Zl. 94/08/0071, vom 14. November 1995, Zl. 93/08/0199, vom 4. Mai 1999, Zl. 97/08/0059, vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0010, vom 21. September 1999, Zl. 96/08/0236, und vom 26. Jänner 2000, Zl. 97/08/0390, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Bei dieser Rechtslage konnte die belangte Behörde dem Einwand des Beschwerdeführers, die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht wegen Wegfalls der Selbsterhaltungsfähigkeit seien nicht gegeben, nicht mit dem Hinweis auf die "tatsächlich eingetretene Notlage" des Sohnes des Beschwerdeführers und die "deshalb gewährte Sozialhilfeleistung" begegnen. Dieser Argumentation steht entgegen, dass einerseits die der Gewährung der Sozialhilfeleistungen jeweils zugrunde gelegte Annahme einer Notlage in den Bescheiden hierüber gegenüber dem Beschwerdeführer keine Bindungswirkung entfaltet und andererseits der Eintritt einer Notlage im sozialhilferechtlichen Sinn mit den Voraussetzungen für ein Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches wegen Wegfalls der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht identisch ist (vgl. zu dem zuletzt genannten Gesichtspunkt vor allem das Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 97/08/0390, mit weiteren Nachweisen).
Auch mit dem Argument, das auf die gehörige Anspannung der Kräfte seines Sohnes abzielende Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers gehe "ins Leere", hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt (vgl. auch dazu das zuletzt erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000 mit Hinweisen auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht).
Die - auf einer Verkennung der Rechtslage beruhende - Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung wird durch den in der Gegenschrift unternommenen Versuch, in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes des Beschwerdeführers darzutun, nicht saniert.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist aus prozessökonomischen Gründen darauf hinzuweisen, dass es für die zu treffende Entscheidung nicht auf die aktuellen Verhältnisse, sondern auf die rechtliche und tatsächliche Situation während des Zeitraumes ankommt, in dem die Sozialhilfeleistungen gewährt wurden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 93/08/0199, mit weiteren Nachweisen).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. September 2000
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080466.X00Im RIS seit
13.07.2001