TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/16 W221 2165732-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2017
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Entscheidungsdatum

16.10.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2165730-1/6E

W221 2165735-1/4E

W221 2165732-1/4E

W221 2165743-1/4E

W221 2165740-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. XXXX , 2.) des mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) des mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) des mj. XXXX , geb. XXXX , und 5.) des mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 23.06.2017, Zlen. 1.) 1094404206-151755215, 2.) 1094405301-151755240, 3.) 1094405508-151755223, 4.) 1094405410-151755231 und 5.) 1130102205-161271517, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) der XXXX , 2.) dem XXXX , 3.) dem XXXX , 4.) dem XXXX und 5.) dem XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) der XXXX ,

2.) dem XXXX , 3.) dem XXXX , 4.) dem XXXX und 5.) dem XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin stellte am XXXX für sich einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (W221 2165737-1) stellte am selben Tag als gesetzlicher Vertreter (Vater) für die minderjährigen Kinder, den Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin, sowie den Viertbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Am Tag der Antragstellung fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin statt. Sie gab an aus Syrien (Aleppo) zu stammen und mit ihrem Ehemann, dem Beschwerdeführer zu W221 2165737-1, standesamtlich verheiratet zu sein. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass in Syrien Krieg herrschen würde. Das Haus ihrer Familie sei mit Raketen beschossen worden und sie hätten deswegen zweimal den Wohnsitz gewechselt. Auch gebe es weder Strom, noch Arbeit oder Bildungsmöglichkeiten. Bei einer Rückkehr habe sie Angst vor Raketen und Schießereien, und vor allem, dass ihre Kinder dort nicht in Sicherheit leben könnten.

Am XXXX wurde für den minderjährigen, in Österreich geborenen Fünftbeschwerdeführer ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Am 02.11.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Sie schloss sich den Fluchtgründen ihres Mannes an und gab an, dass sie selbst keine Verfolgung zu befürchten habe. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe und seien aus denselben Gründen wie sie geflohen seien.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, zugestellt am 27.06.2017, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität der Beschwerdeführer fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass hinsichtlich des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin keine Einberufung zum Reservedienst unmittelbar bevorgestanden habe oder bereits erfolgt sei.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 26.06.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit Schreiben vom 11.07.2017 bestätigte die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, es bestünde ein aufrechtes Vollmachtverhältnis zum Beschwerdeführer.

Gegen die Spruchpunkte I. der oben genannten Bescheide wurde fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde erhoben, die am 18.07.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien das Wohnhaus der Familie schwer beschädigt worden sei. Außerdem solle der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin trotz Ableistung seines Militärdienstes abermals eigezogen werden. Dies habe er von einem Freund erfahren, der beim Militär diene und ihm mitgeteilt habe, er habe den Namen des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin auf einer Einberufungsliste für seinen Jahrgang gesehen.

Mit Schreiben vom 19.07.2017 nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Beschwerdeschriftsätzen Stellung und stellte den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde abweisen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass wenn moniert werde, dass es das Bundesamt in der Einvernahme unterlassen habe den Ehemann genauer zum Beschuss des Wohnhauses zu befragen, darauf hinzuweisen sei, dass er genug Zeit und Möglichkeit vom Organwalter erhalten habe, um seine Gründe vollständig vorzubringen, aber sich mit einem kurzen Absatz hierzu begnügt habe. Auch sei eine Befragung bezüglich einer möglichen Einberufung durchgeführt worden. Eine konkrete Einberufung des Ehemannes bzw. des ganzen Jahrganges sei in der Erstbefragung nicht erwähnt worden, sondern von der bloßen Möglichkeit davon im Falle einer Rückkehr die Rede gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar weshalb er dies nicht bei der ersten sich ihm bietenden Möglichkeit in der Erstbefragung erwähnt habe. Ein asylrelevanter Sachverhalt liege nicht vor, insbesondere da eine unterstellte politische Gesinnung rein aufgrund des Entzuges zum Reservemilitärdienst zu theoretisch sei. Selbst bei einer Einziehung des Ehemanns handle es sich bei der Heranziehung zu menschenrechtwidrigen Handlungen um eine bloße Möglichkeit, für die es keine Hinweise gebe. Es sei auch zu erwähnen dass solche generell bei keiner Armee der Welt ausgeschlossen werden könnten, schon gar nicht bei einer die sich im Einsatz befinde.

Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 27.07.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom XXXX bzw. XXXX , der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Sie bekennen sich zum muslimischen (sunnitischen) Glauben.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit den minderjährigen Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführern illegal nach Österreich ein. Sie stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz.

Der Fünftbeschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer haben für sich keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Sie haben sich hinsichtlich der Fluchtgründe auf die Angaben ihres Mannes bzw. Vaters bezogen.

Die Beschwerdeführer sind die Ehefrau und die Kinder des XXXX , dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, XXXX , aufgrund seiner Entziehung vom bevorstehenden Wehrdienst als Reservist und einer damit allenfalls unterstellten regimekritischen Einstellung und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführern die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrem asylberechtigten Ehemann bzw. Vater in einem anderen Staat möglich wäre.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer, ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes und hinsichtlich dieser auf die von ihr im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere syrischen Reisepässe, syrischer Personalausweis der Erstbeschwerdeführerin und Familienbuch). Die Identität der Beschwerdeführer wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung, dass der Fünftbeschwerdeführer in Österreich geboren wurde, ergibt sich aus der im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Geburtsurkunde vom XXXX .

Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin.

Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführern um die Ehefrau und die Kinder des XXXX handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren und auf die vorgelegten Urkunden (Auszug aus dem Familienbuch und Familienregisterauszug).

Dass dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W221 2165737-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit den Beschwerden unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die den Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, hat die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihres Ehemannes bzw. Vaters vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W221 2165737-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten aufgrund seiner Entziehung vom Militärdienst als Reservist und einer damit drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Beschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz der Erst- bis Viertbeschwerdeführer am XXXX , somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag des Fünftbeschwerdeführers auf internationalen Schutz zwar erst am XXXX gestellt wurde, jedoch gilt gemäß § 3 Abs. 4b AsylG 2005 oben stehender Abs. 4 in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet. Der Vater des Fünftbeschwerdeführers, von dem das Recht abgeleitet wird, stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz am XXXX , und damit vor dem in § 75 Abs. 24 AsylG 2005 genannten Stichtag 15.11.2015. Daher verfügt auch der Fünftbeschwerdeführer nun ebenfalls über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W221.2165732.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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