TE Bvwg Beschluss 2017/10/17 I413 2164212-1

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Veröffentlicht am 17.10.2017
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Entscheidungsdatum

17.10.2017

Norm

BBG §42
BBG §45
BBG §46
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I413 2164212-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender, die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER und die fachkundige Laienrichterin Mag. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, österreichische Staatsbürgerin, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstellte Tirol vom 17.05.2017, GZ: Ob 35586705300037, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 17, 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG und §§ 32, 33 AVG iVm § 46 BBG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 02.03.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Dieser Bescheid wurde ausweislich des Verwaltungsaktes von der belangten Behörde am 11.05.2017 abgefertigt. Die Zustellung erfolgte ohne Zustellnachweis.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 20.06.2017, welche am 29.06.2017 bei der belangten Behörde einlangte.

3. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 13.07.2017 vorgelegt.

4. Mit Schreiben vom 17.07.2017 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin um Mitteilung, an welchem Tag die Beschwerdeführerin den Bescheid übernommen hat. Sollte die Beschwerdeführerin den Bescheid beim zuständigen Postamt abgeholt haben, wurde sie gebeten mitzuteilen, wann das Schriftstück beim Postamt hinterlegt worden ist und wann sie es dort übernommen hat. Überdies wurde die Beschwerdeführerin gebeten mitzuteilen, an welchem Tag die Beschwerde zur Post gegeben wurde. Mit Schreiben vom selben Tag wurde auch die belangte Behörde aufgefordert, mitzuteilen, welchen Poststempel die Beschwerde vom 20.06.2017 trägt.

5. Die Beschwerdeführerin sprach am 24.07.2017 persönlich beim Bundesverwaltungsgericht im Beisein ihrer Tochter XXXX vor und teilte mit, dass der Bescheid höchstwahrscheinlich am 15.05.2017 durch den Postzusteller zu Hause übernommen wurde. Die Beschwerde wurde am 29.06.2017 eingereicht, weil die Beschwerdeführerin für die Vorlage unbedingt auf eine Bestätigung ihrer behandelnden Ärztin warten wollte. Die Beschwerde hat die Beschwerdeführerin am 29.06.2017 persönlich beim Sozialministerium abgegeben.

6. Mit Verspätungsvorhalt vom 19.09.2017 teilte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin den Sachverhalt mit, und wies daraufhin, dass vor dem sich ergebenden Hintergrund die Beschwerde verspätet eingebracht und daher zurückzuweisen ist. Der Beschwerdeführerin wurde hier in dem Zusammenhang Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

7. Die Frist zur Stellungnahme lies die Beschwerdeführerin ungenützt verstreichen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.03.2017 einen Antrag auf Eintragung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

Mit Bescheid vom 10.05.2017, Ob 35586705300037, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung ab.

Der Bescheid wurde am 10.05.2017 an die Beschwerdeführerin abgesandt. Die Zustellung erfolgte an die Beschwerdeführerin am 15.05.2017.

Mit Eingabe vom 29.06.2017 brachte die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid eine Beschwerde bei der belangten Behörde ein. Mit Schreiben vom 19.09.2017, zugestellt am 27.07.2017 erfolgte seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein Verspätungsvorbehalt an die Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich nicht zu diesem Verspätungsvorhalt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde, der Beschwerde, dem Aktenvermerk über die persönliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2017 am 24.07.2017 und dem Verspätungsvorhalt vom 17.10.2017.

Die Feststellung über die Zustellung des bekämpften Bescheides am 15.05.2017 beruht auf der unzweifelhaften Aussage der Beschwerdeführerin anlässlich der persönlichen Stellungnahme

zum Verspätungsvorhalt (in Wahrheit zur Zustellung) vom 17.07.2017. In der Beschwerde selbst wird angegeben, dass dieser Bescheid am 14.05.2016 zugestellt wurde. Dieses Datum ist offenkundig unrichtig, weil der Antrag erst 2017 gestellt wurde. Im Übrigen handelt es sich beim 14.05.2017 aber um einen Sonntag, sodass es plausibel und nachvollziehbar ist, dass die Übernahme des Bescheides am 15.05.2017 erfolgte. Dies ist auch im Einklang mit der Versendung des Bescheides am 10.05.2017, einem Donnerstag, sodass keine Zweifel bestehen, dass am Montag den 15.05.2017 die Beschwerdeführerin den bekämpften Bescheid übernommen hat. Dass die Beschwerde verspätet eingebracht wurde, ergibt sich aus dem Eingangsstempel der belangten Behörde auf der Beschwerde, sowie der Aussage der Beschwerdeführerin am 24.07.2017, dass sie die Beschwerde erst am 29.06.2017 der belangten Behörde direkt überreicht habe. Dass sich die Beschwerdeführerin zum Verspätungsvorhalt nicht äußerte, ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat und der Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BvWGG) iVm § 45 Abs. 3 und 4 des Bundesbehindertengesetzes (BBG). Es besteht sohin Senatszuständigkeit.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.2. Gemäß § 12 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) sind Schriftsätze - hierunter fallen auch Beschwerden - bei der belangten Behörde einzubringen. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG 4 Wochen. Sie beginnt in Fällen des Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des VwGVG 6 Wochen.

Gemäß § 26 Abs. 2 des Zustellgesetzes (ZustellG) gilt eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und dem Zeitpunkt der Zustellung von Amtswegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellorgan Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl an dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages des Monats. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorrangegangenen Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (§ 33 Abs. 2 AVG).

Gemäß § 33 Abs. 4 AVG handelt es sich bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde um eine gesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist. Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).

3.3 Im gegebenen Fall wurde der angefochtene Bescheid am 10.05.2017 von der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin abgesendet. Ausgehend davon, dass gemäß § 26 Abs. 2 ZustG die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt, endete die 6-wöchige Beschwerdefrist im gegenständlichen Fall mit Ablauf des 26.06.2017. Geht man davon aus, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich - wie sie es in ihrer persönlichen Stellungnahme am 24.07.2017 zu Protokoll gab, den bekämpften Bescheid höchstwahrscheinlich auch am 15.05.2017 tatsächlich übernommen hat, ist der letzte Tag der Beschwerdefrist identisch mit jenem, der sich aus § 26 Abs. 2 ZustG ermittelt hat. Damit erweist sich die Beschwerde, die nachweislich erst am 29.06.2017 eingebracht wurde um drei Tage verspätet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Umstand der Beschwerdeführerin entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich Vorbehalten (vgl. dazu VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050). Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme, welche die rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides oder dem Zeitpunkt der Zustellung im Zweifel ziehen würde. Im Gegenteil, die persönliche Stellungnahme vom 24.07.2017 bestätigt die verspätete Einbringung der Beschwerde.

Da sich die am 29.06.2017 eingebrachte Beschwerde als verspätet erwiesen hat, war sie spruchgemäß zurückzuweisen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

In gegenständlichen Fall konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die mündliche Verhandlung entfallen, da in § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG explizit geregelt ist, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn – wie gegenständlich – die Beschwerde zurückzuweisen ist. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine inhaltliche Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sine des Art 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse – wie etwa die Versäumung der Rechtsmittelfrist – entgegenstehen (vgl. VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066; 27.07.2007, 2006/1070040).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vergleiche dazu die oben in A zitierte Judikatur). Darüber hinaus hängt die Entscheidung über die Rechtsfrage der rechtszeitigen Beschwerde lediglich von bereits ausjudizierten - nicht komplexen - Rechtsfragen ab.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist, Verspätung, Zurückweisung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I413.2164212.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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