TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/20 97/08/0389

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Veröffentlicht am 20.09.2000
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. Karl Maier, Rechtsanwalt in Knittelfeld, Kirchengasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 27. März 1997, Zl. 5-s26n25/7 - 96, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Schlägerungsunternehmens, das Schlägerungs- und Bringungsarbeiten (letztere jeweils vom Schlagort bis zur Waldstraße) für Forstbetriebe durchführt. Er beschäftigt eine offenbar wechselnde Zahl von Dienstnehmern, die er nach einem Akkordsystem entlohnt.

J.P. war zur Zeit seiner Einvernahme im Oktober 1995 seit etwa acht Jahren beim Beschwerdeführer beschäftigt. Er verrichtete sowohl Schlägerungs- als auch Bringungsarbeiten.

Mit Bescheid vom 2. August 1996 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer zur Nachentrichtung von insgesamt S 28.879,34 auf Zeiträume in den Jahren 1992, 1994 und 1995 entfallender allgemeiner Beiträge, Sonderbeiträge und Nebenumlagen für J.P. In der Begründung dieser Entscheidung stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse "vorweg" fest, auf das Beschäftigungsverhältnis zwischen J.P. und dem Beschwerdeführer komme im Nachverrechnungszeitraum Jänner bis Dezember 1992 der "Kollektivvertrag für Forstarbeiter in den Privatforsten" und für den übrigen Nachverrechnungszeitraum der "Kollektivvertrag für Arbeitnehmer in den gewerblichen Holzschlägerungsunternehmungen" zur Anwendung. Das dem Dienstnehmer J.P. ausbezahlte Entgelt erreiche "nicht einmal den kollektivvertraglich garantierten Mindestlohn (Zeitlohn)". Der Beschwerdeführer entlohne den Dienstnehmer nach einem Akkordsystem. In Bezug auf Schlägerungsarbeiten verwende er eine Akkordtabelle, die auch von den Österreichischen Bundesforsten verwendet werde. Der Beschwerdeführer sehe sich den zu schlägernden Baumbestand an und beurteile nach seinen Erfahrungswerten die Kriterien Baumhöhe, Baumdichte, Beastung usw., denen in der Akkordtabelle bestimmte Punktezahlen zugeordnet seien. Der ermittelten Punktesumme sei jeweils ein Zeitwert zugeordnet, aus dem sich ergebe, wie viel Stunden benötigt würden, um einen Festmeter Holz, der die definierten Kriterien aufweise, zu bearbeiten. Den Akkordlohn pro Festmeter ermittle der Beschwerdeführer durch Multiplikation der sich ergebenden Stundenzahl mit dem Akkordlohn pro Stunde. J.P. unterschreite die sich aus der Tabelle ergebenden Zeitvorgaben in einem Ausmaß, welches zur Folge habe, dass er in Relation zu den geleisteten Arbeitsstunden auch den kollektivvertraglichen Zeitlohn nicht erreiche. Auch seine Entlohnung für die Holzbringungsarbeiten erfolge nach einem Akkordsystem. Für diese Arbeiten habe der Beschwerdeführer selbst eine Akkordtabelle zusammengestellt, die auf seinen Erfahrungswerten in den vergangenen Jahren beruhe. In dieser Akkordtabelle sei berücksichtigt, welche Seildistanz vorliege, ob Sortiment- oder Ganzstammbringung erforderlich sei, wie groß der Mittendurchmesser des Holzes sei, ob eine Bergauf- oder ein Bergabseilung notwendig sei, usw. Die aus der Akkordtabelle für Seilarbeiten hervorgehenden Werte seien Vorgaben des Beschwerdeführers, die nach dessen Ansicht ohne Weiteres erreicht werden könnten. Die Entlohnung pro Festmeter orientiere sich individuell an den für die speziellen Seilarbeiten maßgebenden genannten Kriterien. Auch bei diesen Arbeiten erreiche J.P. in Relation zu den von ihm geleisteten Arbeitsstunden nicht einmal den kollektivvertraglichen Zeitlohn.

Nach den Angaben des Dienstnehmers bei dessen Einvernahme betrage seine tägliche Arbeitszeit von Montag bis Freitag etwa 8 bis 8 1/2 Stunden, wobei es sich um die reine Arbeitszeit handle. Der Dienstnehmer habe auch angegeben, dass er sicher gleich gut arbeite wie ein durchschnittlicher anderer Arbeiter in dieser Branche. Er habe nicht angeben können, wie hoch sein Stundenlohn sei, und auch nicht gewusst, wie hoch der Akkordrichtsatz sei. Diese Beträge seien ihm vom Beschwerdeführer nicht mitgeteilt worden. In Bezug auf seine Arbeitszeit habe der Dienstnehmer noch einschränkend hinzugefügt, dass sie in den Monaten November bis März nur etwa 7 Stunden betrage.

Sowohl im "Mantelkollektivvertrag für Forstarbeiter in den Privatforsten" als auch im "Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer in gewerblichen Holzschlägerungsunternehmungen" sei die Akkordarbeit geregelt. Gemäß beiden Kollektivverträgen seien "die Akkorde oder Prämien in einer Höhe zu vereinbaren, dass Arbeitnehmer bei einer Normalleistung innerhalb der festgesetzten Arbeitszeit die in der Anlage verzeichneten Akkordrichtsätze (Zeitlohn plus 25 %) erreichen können". Der "Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer in gewerblichen Holzschlägerungsunternehmungen" schreibe vor, dass alle Akkordsätze sowie die sonstigen Akkordbedingungen vor Beginn der Arbeit schriftlich festzulegen seien. Bei Akkord- oder Prämienverträgen mit ausländischen Arbeitnehmern sei der Vertrag im Text so zu erstellen, dass ihn der Arbeitnehmer in seiner Muttersprache eindeutig lesen könne (z.B. deutsch-kroatisch, deutsch-türkisch). Nach einer weiteren Bestimmung dieses Kollektivvertrages könne kein Arbeitnehmer zur Leistung von Akkordarbeit verhalten werden. J.P. sei Serbokroate, eine schriftliche Vereinbarung im vorgenannten Sinne sei mit ihm nicht getroffen worden. Die Tatsache, dass der Dienstnehmer die der Akkordtabelle für die Schlägerungsarbeiten und der vom Beschwerdeführer ausgearbeiteten Grundlage für die Seilarbeiten entsprechenden Leistungen nicht erbringe, werde vom Beschwerdeführer damit erklärt, dass die aufgezeichneten Arbeitsstunden nicht richtig seien. Nach Ansicht des Beschwerdeführers würden Stunden vermerkt, für die keine Arbeitsleistung erfolgt sei. Korrekte Arbeitsaufzeichnungen seien für den Beschwerdeführer jedoch deshalb nicht von Bedeutung, weil für ihn die Leistungsvorgabe aufgrund der Akkordtabelle maßgebend sei und bei Unterschreitung derselben der einzelne Arbeitnehmer die negativen Folgen zu tragen habe. Dem Beschwerdeführer gegenüber sei aufgezeigt worden, dass ein Großteil der eingesetzten Arbeiter nicht einmal den Zeitlohn für etwa 17 Arbeitsstunden pro Woche erreiche und dies nicht einzig und allein auf zu viel geschriebene Stunden zurückgeführt werden könne. Hiezu vertrete der Beschwerdeführer die Meinung, dass zum Teil eklatante Minderleistungen sicher auch aus qualitativen Mängeln der Arbeiter resultierten, die zu den Stundenfehlschreibungen hinzukämen.

Mit dem Bescheid über die vom Beschwerdeführer nachzuentrichtenden Beträge werde eine Differenznachverrechnung auf den kollektivvertraglichen Mindestanspruch (Zeitlohn) vorgenommen. Grundlage dafür sei die vom Beschwerdeführer übermittelte Stundenliste gewesen. In seinen Einwendungen gegen die Beitragsnachverrechnung habe er die Berechnung nicht bemängelt.

In rechtlicher Hinsicht führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob die festgestellte Art der Entlohnung des Dienstnehmers den kollektivvertraglichen Vorgaben entspreche. Auszugehen sei von der Tatsache, dass der Dienstnehmer weder den Akkordrichtsatz noch den kollektivvertraglichen Zeitlohn erreiche. Die relevanten Kollektivverträge sähen jeweils zwei Arten der Entlohnung vor, nämlich den Zeitlohn, also die Entlohnung nach gearbeiteten Stunden, und die Akkorde, wobei der Akkordrichtsatz sich durch einen 25 %igen Zuschlag zum Zeitlohn errechne. Der Akkordlohn sei "logischerweise nur dann angebracht", wenn eine bestimmte geforderte Leistung auch erreicht werde. Sei dies nicht der Fall, so sei der für die Dauer der Leistungserbringung gebührende Zeitlohn zu bezahlen. J.P. habe das den Akkordtabellen zugrunde gelegte Leistungskalkül kaum erreicht. Er sei - aus welchen Gründen immer - nicht in der Lage, die für die Akkordentlohnung erforderlichen Leistungskriterien zu erbringen. Seine in Bezug auf die Leistungsanforderungen starken Minderleistungen hätten sogar dazu geführt, dass er in Bezug auf seine geleisteten Arbeitsstunden nicht einmal den Zeitlohn laut Kollektivvertrag erreicht habe. Dieses Ergebnis könne jedoch "sowohl bei wörtlicher, logischer als auch teleologischer Interpretation des Kollektivvertrages" den Kollektivvertragsparteien nicht als gewollt unterstellt werden. Würde man diese Vorgangsweise als zulässig erachten, so wäre es ein Leichtes, die kollektivvertraglichen Mindestnormen zu umgehen. Dies deshalb, weil immer nur ein Akkordlohn vereinbart werden müsste, der auf entsprechend erhöhten Vorgaben basiere, und deren mangelnde subjektive Umsetzungsmöglichkeit voll zu Lasten des Arbeitnehmers ausfiele. Man müsse daher, dem Grundgedanken des Kollektivvertrages folgend, dass darin Mindestentlohnungen sichergestellt würden, davon ausgehen, dass der Zeitlohn keinesfalls unterschritten werden dürfe. Unter Bedachtnahme auf die vorgelegte Stundenliste habe daher die Differenznachverrechnung auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn zu erfolgen gehabt.

In seinem Einspruch gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, eine Entlohnung nach dem Zeitlohnsystem hätte für ihn unhaltbare Konsequenzen. Der Beschwerdeführer selbst rechne mit seinen Kunden akkordmäßig ab, weshalb er auch seinen Dienstnehmern gegenüber das Akkordlohnsystem anwende. Die verwendete Akkordtabelle werde auch von den Österreichischen Bundesforsten verwendet. Es könne "in Ausnahmefällen durchaus vorkommen, dass ein Akkordlöhner aus seinem Verschulden nicht den kollektivvertraglichen Mindestlohn erreicht". Diese zeitweilige "Unterentlohnung" sei ausschließlich auf die Minderqualifikation der im Betrieb des Beschwerdeführers tätigen Arbeitnehmer zurückzuführen. Ein Zeitlohnsystem scheide auch deshalb aus, weil die von den Arbeitern verzeichneten Stunden, wie der Beschwerdeführer schon wiederholt vorgebracht habe, nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprächen, was im Akkordlohnsystem des Beschwerdeführers aber keine Rolle spiele. Teilweise erfolge ohnedies auch eine Entlohnung nach einem Zeitlohnschema, etwa für die Aufbauzeiten von Kränen. Die für derartige Arbeiten verrechneten Löhne lägen jedoch stets über dem kollektivvertraglichen Mindestlohn. Die Arbeitsvereinbarungen mit den Dienstnehmern seien "zwar nicht schriftlich festgehalten, jedoch völlig eindeutig, da die Dienstnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses darüber aufgeklärt werden, dass eine Abrechnung entsprechend den jeweils anzuwendenden Akkordtabellen erfolgt". Die angelernten Arbeiter, die im Betrieb des Beschwerdeführers Schlägerungsarbeiten durchführten, seien teilweise noch zu sehr im "Stundendenken" verhaftet, was zu den teilweise unkorrekten Stundenaufzeichnungen führe. Dass die Akkordsätze sowie die sonstigen Akkordbedingungen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht schriftlich festgelegt würden, werde zwar außer Streit gestellt, sei aber deshalb ohne Bedeutung, weil sich der zu beurteilende Sachverhalt gänzlich gleich darstellen würde, wenn die Arbeitsbedingungen mit den Dienstnehmern schriftlich festgehalten worden wären. Die Schlussfolgerung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, bei Nichterreichen des Akkordlohnes sei der für die Dauer der Leistungserbringung gebührende Zeitlohn zu bezahlen, entbehre jeglicher gesetzlicher Grundlage. Das Akkordlohnsystem des Beschwerdeführers beruhe nicht auf erhöhten Vorgaben, sondern auf einer auch von den Österreichischen Bundesforsten verwendeten Akkordtabelle und der langjährigen einschlägigen Erfahrung des Beschwerdeführers. Die Anwendung eines Zeitlohnsystemes wäre in seinem Betrieb - abgesehen davon, dass für einen Teil der Arbeiten ohnehin eine Entlohnung nach dem Zeitlohnschema erfolge - völlig unmöglich.

In einer Stellungnahme zum Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wiederholte der Beschwerdeführer, die Tatsache, dass die bei ihm "ordnungsgemäß entlohnten Dienstnehmer aus eigenem Verschulden nicht den kollektivvertraglichen Mindestlohn erreichen", sei "ausschließlich auf die Minderqualifikation der Dienstnehmer zurückzuführen". Die Dienstnehmer seien "mit dem Entlohnungssystem jedoch ausdrücklich einverstanden". Dem Standpunkt der Gebietskrankenkasse, eine Akkordentlohnung dürfe nur vereinbart werden, wenn die geforderten Leistungen auch tatsächlich erbracht werden könnten, sei entgegenzuhalten, dass es "einem durchschnittlichen Arbeiter durchaus möglich" sei, die dem angewendeten System inhärenten Leistungen zu erbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge. Die belangte Behörde verwies zunächst auf (im Wesentlichen die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiederholende) Stellungnahmen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, aus denen sich bereits ergebe, dass "das Vorbringen des Einspruchswerbers, betreffend die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, nicht zielführend" sei. "Zusammenfassend und hervorhebend" stellte die belangte Behörde fest, im Widerspruch zu beiden im erstinstanzlichen Bescheid erwähnten Kollektivverträgen seien die Akkordsätze und sonstigen Akkordbedingungen nicht vor Beginn der Arbeiten schriftlich niedergelegt worden. Nach beiden Kollektivverträgen seien ferner die Akkorde und Prämien "in einer Höhe zu vereinbaren, dass Arbeitnehmer bei einer Normalleistung innerhalb der festgesetzten Arbeitszeit die in der Anlage verzeichneten Akkordrichtsätze (Zeitlohn plus 25 %) erreichen können". Entsprechend dem Schutzprinzip im Arbeitsrecht und dem Grundsatz der Fixierung von Mindeststandards in Kollektivverträgen seien gemäß diesen Kollektivvertragsbestimmungen Akkordrichtsätze nur dann rechtswirksam vereinbart, wenn der jeweils betroffene Arbeitnehmer auch subjektiv in der Lage sei, die Akkordvorgaben zu leisten. Ansonsten könnte der Kollektivvertrag als Instrumentarium der Mindestlohnregelung dadurch unterlaufen werden, dass man nicht den Zeitlohn vereinbare, sondern den nicht erreichbaren Akkordlohn. Richtigerweise müsse jedoch als Untergrenze immer der im Kollektivvertrag normierte zeitliche Mindestlohn gewährleistet bleiben. Nach dem Akkordlohnsystem, das kollektivvertragswidrig insbesondere nicht schriftlich festgelegt worden sei, habe J.P. in Relation zu den geleisteten Arbeitsstunden nicht einmal den Zeitlohn laut Kollektivvertrag erreichen können. Um den kollektivvertraglichen Anspruchslohn sicher zu stellen, habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse daher zu Recht die der vorgelegten Stundenliste entsprechende Differenznachverrechnung durchgeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit folgenden Argumenten:

"Als Beschwerdepunkt wird die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen unrichtiger materiellrechtlicher Beurteilung der Frage, ob bei Nichterreichen eines Akkordlohnes gegebenenfalls der kollektivvertraglich gebührende Mindestlohn zu leisten ist, geltend gemacht.

Der Landeshauptmann für Steiermark stellte in seinem Bescheid, wie bereits erwähnt, fest, dass eine Unterentlohnung des Dienstnehmers J.P. vorliegen würde. Folge einer eventuellen Unterentlohnung wäre unbestritten, dass Sozialversicherungsbeiträge und Nebenumlagen mindestens von jenem Entgelt zu berechnen sind, das der Arbeitnehmer aufgrund der Rechtslage zu erhalten hätte. Die Frage, ob der Dienstnehmer J.P. im gegebenen Falle nun tatsächlich unterentlohnt sei, stellt somit die für die Frage der Beitragsnachverrechnung alles entscheidende Vorfrage dar.

Im gegebenen Falle ist dem Beschwerdeführer eine Entlohnung seiner Dienstnehmer nach dem Stundenlohnsystem wirtschaftlich völlig unzumutbar. Dies vor allem deshalb, da seine Arbeitskräfte aufgrund ihrer mangelnden Qualifikation und der damit zusammenhängenden, beträchtlich verminderten Arbeitsleistung keinesfalls den einer stundenweisen Entlohnung entsprechenden Ertrag erbringen können. Deshalb musste sich der Beschwerdeführer des in den §§ 8 Z. 1 bzw. 9 Z. 1 des Kollektivvertrages für Arbeitnehmer in den gewerblichen Holzschlägerungsunternehmen bzw. des Mantelkollektivvertrags für Forstarbeiter in der Privatwirtschaft vorgesehenen Akkordlohnsystems bedienen.

In diesen Kollektivverträgen ist lediglich vermerkt, dass Akkorde in einer Höhe zu vereinbaren sind, dass der Arbeitnehmer bei einer Normalleistung innerhalb der festgesetzten Arbeitszeit die entsprechenden Akkordrichtsätze (Zeitlohn + 25 %) erreichen kann.

Der Beschwerdeführer verwendete unter anderem Akkordtabellen, die auch bei den Österreichischen Bundesforsten verwendet werden. Dies lässt natürlich den zwingenden Schluss zu, dass die gegenständlichen Akkorde unter Zugrundelegung einer Normalleistung des Arbeitnehmers sehr wohl erreicht werden können. Im hier vorliegenden Falle ist es allerdings ausschließlich auf die in Frage kommenden Arbeitnehmer zurückzuführen, dass diese die geforderten Leistungen nicht erbringen können. Es kann nämlich in Ausnahmefällen durchaus vorkommen, dass ein Akkordlöhner aus seinem Verschulden nicht einmal den Kollektivvertragslohn erreicht, obwohl er beispielsweise nach dem Kollektivvertrag bei Normalleistung einen überkollektivvertraglichen Satz erreichen müsste (vergleiche Schrank, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Jänner 1997, Seite 112).

Es kann somit unter Berücksichtigung des eben Vorgebrachten, aus dem Nichterreichen der Akkordansätze keinesfalls, wie aber von der belangten Behörde dargestellt, der Schluss gezogen werden, dass somit der nach dem Kollektivvertrag gebührende Mindestzeitlohn heranzuziehen wäre.

Dies würde Akkordvereinbarungen überhaupt absurd erscheinen lassen und müsste daher das Risiko der Ertragskraft des Produktionsfaktors Arbeit alleinig vom Dienstgeber getragen werden bzw. hätte dieser somit - abgesehen von der zweifelsohne von beiden Seiten nicht wünschenswerten Beendigung des Dienstverhältnisses - keinerlei Möglichkeit, auf entsprechende Arbeitsleistungen seiner Dienstnehmer hinzuwirken."

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt die Anwendbarkeit der von der belangten Behörde herangezogenen Kollektivverträge - im Besonderen also auch des ersten dieser Verträge - nicht in Frage und wendet sich in der Beschwerde auch nicht gegen die zugrunde gelegten Stundenzahlen oder andere Einzelheiten der vorgenommenen Nachverrechnung. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist vielmehr nur die Rechtsfrage strittig, ob die belangte Behörde unter den Umständen des vorliegenden Falles zu Recht davon ausging, dem Dienstnehmer des Beschwerdeführers hätte zumindest der kollektivvertragliche Zeitlohn gebührt.

Konkrete Inhalte der herangezogenen Kollektivverträge spielen dabei - abgesehen vom Schriftlichkeitsgebot für die Festlegung der Akkordbedingungen, aus dessen Verletzung die belangte Behörde keine Konsequenzen gezogen hat - nur insoweit eine Rolle, als in ihnen vorgesehen ist, Arbeitnehmer müssten "bei einer Normalleistung innerhalb der festgesetzten Arbeitszeit" die Akkordrichtsätze erreichen können. Die belangte Behörde deutet dies "entsprechend dem Schutzprinzip im Arbeitsrecht und dem Grundsatz der Fixierung von Mindeststandards in Kollektivverträgen" dahingehend, dass die Akkordvereinbarung nur wirksam sei, wenn der Arbeitnehmer auch subjektiv in der Lage sei, die Akkordvorgaben zu leisten, und der zeitliche Mindestlohn "als Untergrenze immer gewährleistet bleiben" müsse. Demgegenüber steht der Beschwerdeführer - ohne Bezugnahme auf andere als die von der belangten Behörde zitierten Klauseln in den Kollektivverträgen - auf dem Standpunkt, die Erreichbarkeit der Akkorde (gemeint: der kollektivvertraglichen Akkordrichtsätze unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer verwendeten Akkordsysteme) durch "Normalleistung" sei gegeben. Bei seinen Arbeitskräften sei aber festzustellen, dass sie "aufgrund ihrer mangelnden Qualifikation und der damit zusammenhängenden, beträchtlich verminderten Arbeitsleistung keinesfalls den einer stundenweise Entlohnung entsprechenden Ertrag erbringen können" (im Original ohne Hervorhebungen). In diesem Sachverhalt sieht der Beschwerdeführer die Voraussetzung eines "Verschuldens" im Sinne der von ihm zitierten Äußerung Schranks (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, Eine Gesamtdarstellung für die Praxis des Arbeitgebers, 112) verwirklicht.

Auf welche Art von "Verschulden" sich Schrank an der vom Beschwerdeführer zitierten Stelle beziehen will und worauf sich seine Ansicht, die Unterschreitung des Kollektivvertragslohns (gemeint: kollektivvertraglichen Zeitlohns) sei in einem solchen Fall keine Unterentlohnung, gründet, ist mangels weiterer Ausführungen hiezu in dem als Praxishandbuch konzipierten Werk nicht erkennbar. In Bezug auf die Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber wäre zu beachten, dass der Maßstab für den Umfang der Arbeitspflicht nicht unabhängig vom Leistungsvermögen des jeweiligen Arbeitnehmers, sondern individuell bestimmt ist (OGH 10.1.1984, 4 Ob 164/83, DRdA 1985, 389, mit Anmerkung von Csebrenyak; vgl. dazu auch die vom OGH herangezogene Literatur, nämlich Firlei in DRdA 1979, 226, und Söllner in Tomandl (Hrsg), Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht, 93 ff). Pflichtverletzungen im Rahmen eines so definierten Umfangs der Arbeitspflicht stehen im vorliegenden Fall nicht zur Diskussion.

Der Ansicht Schranks steht eine Literaturstelle gegenüber, nach der "etwa die in kollektiven Rechtsquellen vorgesehenen Mindestentgelte auch im Falle einer Leistungsentlohnung keinesfalls unterschritten werden" dürften (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8, 6.5.2.3., 332). Dies wird als Beispiel dafür erwähnt, dass sich "im Arbeitsrecht eine Reihe von Vorkehrungen" fänden, "die der Vereinbarung von leistungsbezogenen Entgeltregelungen gewisse Grenzen setzen", und soll sich daher wohl aus den Kollektivverträgen selbst ergeben. Dass deren Vorschriften bei der Anwendung von Akkordsystemen "genau zu beachten" seien, hebt auch Schrank an der vom Beschwerdeführer zitierten Stelle besonders hervor.

In seiner erheblich älteren, aber noch immer ausführlichsten Untersuchung der "Rechtsprobleme des Akkord- und Prämienlohnes" in der österreichischen Rechtsordnung (1961 als modifizierter Sonderdruck der gleichnamigen Abhandlung in ÖJZ 1960, Heft 18 bis 20, erschienen) bezeichnet Tomandl die kollektivvertragliche Sicherung eines Lohnminimums als "systemfremden, wenn auch wünschenswerten Außeneinfluss" auf den Akkord. Enthalte der Kollektivvertrag überhaupt keine Regelung über Akkordarbeit, so solle der Akkordarbeiter "aber keinesfalls schlechter gestellt sein als der Zeitlohnarbeiter. Man wird daher auch dem Akkordarbeiter als Mindestgarantie den normalen Tariflohn zugestehen müssen". Liege der Akkordlohn unter dem Tariflohn (gemeint: tariflichen Zeitlohn), so stehe dem Arbeitnehmer "eine Art Ausgleichszulage bis zur Höhe des Tariflohnes zu". In Bezug auf diese "Mindestgarantie" sei die Situation des Akkordisten ähnlich der eines Provisionsvertreters mit einem gesondert vereinbarten Minimum. Der Kollektivvertrag beeinflusse in einem solchen Fall zwar die Akkordarbeit nicht, sichere aber auch dem Akkordisten einen Minimalverdienst (a.a.O., 42 ff; ebenso ÖJZ 1960, 508).

Tomandl behandelt auch den Fall, dass der Kollektivvertrag über den Akkordrichtsatz vorschreibe, dieser müsse "so bemessen sein ..., dass ein durchschnittlicher Arbeiter bei durchschnittlicher Arbeitsintensität 20 % über dem Tariflohn verdient". In einem solchen Fall sei der Akkordrichtsatz (gemessen am Kollektivvertrag) richtig bemessen, wenn "der normale Arbeiter" ihn nach entsprechender Einarbeitungszeit bei durchschnittlicher Arbeitsleistung erreichen könne. "Für schwächere Akkordisten" gelte "aber auch hier jedenfalls die individuell bestimmte Mindestlohngarantie des Tarifzeitlohnes". Der Akkordist müsse "innerhalb des Abrechnungszeitraumes ... zumindest den Tariflohn verdienen". Das schließe allerdings nicht aus, dass er allenfalls schadenersatzpflichtig werde (a.a.O., 44 f, unter Hinweis auf gegenteilige Meinungen deutscher Autoren; ebenso ÖJZ 1960, a.a.O.).

Zu berücksichtigen ist schließlich noch die Ansicht, bei der Akkordarbeit handle es sich um eine "im Grunde als inhuman erkannte Form der Arbeitsleistung" (Holzer, ZAS 1976, 208) und der Gesetzgeber stehe ihr mit einer "eher negativen Grundhaltung" gegenüber (Trost, DRdA 1985, 270 f mit weiteren Nachweisen). Schrank ist dieser Auffassung entgegengetreten (Betriebsvereinbarungen über die Leistungsentgelte, in Tomandl (Hrsg), Probleme des Einsatzes von Betriebsvereinbarungen, 81 (96 f, 100, 109, 125 f)). In einer verhältnismäßig neuen Entscheidung hat sich der OGH aber ausdrücklich auf die "überzeugenden Ausführungen Strassers" zum Zweck des § 96 Abs. 1 Z. 4 ArbVG bezogen (OGH 26.8.1999, 8 Ob A 196/99b, EvBl 2000/24). In der vom OGH zitierten Abhandlung Strassers geht dieser von einer grundsätzlichen Verzichtbarkeit der Akkordarbeit aus und ordnet sie einer Gruppe von Regelungsmaterien zu, die durch eine "im besonders hohen Maße gegebene" Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers gekennzeichnet sei und "an der Grenze des sozialpolitisch Tragbaren" liege (DRdA 1993, 93 (95 f)). Bei der Prüfung der Frage nach der Unterschreitbarkeit des kollektivvertraglichen Mindestzeitlohns in einem Akkordlohnsystem kann dies - ungeachtet der in sozialpolitischer Hinsicht wohl erforderlichen Differenzierung zwischen Akkordsystemen in verschiedenen Branchen - nicht außer Betracht bleiben.

Geht man daher im Sinne der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung davon aus, bei der Erreichbarkeit des Akkordrichtsatzes durch eine "Normalleistung" im Sinne der von der belangten Behörde herangezogenen Kollektivverträge handle es sich um ein objektives, nicht auf das Leistungsvermögen des individuellen Arbeitnehmers abstellendes Maß, so legt dies im Sinne der Ausführungen Tomandls zum Fall des auf den "durchschnittlichen Arbeiter" abstellenden Kollektivvertrages die Ansicht nahe, für "schwächere Akkordisten" müsse auch ohne ausdrückliche Norm dieses Inhalts im Kollektivvertrag die Mindestgarantie des dort festgelegten Zeitlohnes gelten. Diese Ansicht erscheint zumindest dann zwingend, wenn ein Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall J.P. - nachhaltig außer Stande ist, im Wege des Akkordsystems auch nur den kollektivvertraglichen Mindestzeitlohn zu erreichen. Wird ein solcher Arbeitnehmer diesem Akkordsystem unterworfen, so könnte dies - ohne die erwähnte Mindestgarantie - im Verhältnis zum Kollektivvertrag nicht anders beurteilt werden als die Vereinbarung eines die kollektivvertraglichen Ansätze unterschreitenden Zeitlohns.

Zumindest für Fälle wie den vorliegenden trifft die Ansicht der belangten Behörde, der kollektivvertragliche Mindestzeitlohn stelle eine nicht unterschreitbare Untergrenze dar, daher jedenfalls zu, weshalb die auf dem gegenteiligen Rechtsstandpunkt beruhende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war mangels anwaltlicher Vertretung abzuweisen.

Wien, am 20. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080389.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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