Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
BBG §40Spruch
W260 2131796-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, vom 27.06.2016, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.02.2016 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.05.2016 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurden die Leiden "1. Lähmung des Nervus medianus und ulnaris links", "2. Zustand nach Verkehrsunfall mit bleibender der Hand und des linken Handgelenks" und "3. Ausstrahlende Nervenschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt. Dazu führte der Gutachter aus, der Gesamtgrad der Behinderung definiere sich primär durch das Leiden 1. Durch die übrigen Leiden komme es aufgrund zu geringer Relevanz zu keiner weiteren Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.06.2016 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest.
Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, die Implantate in beiden Oberschenkeln sowie im rechten Unterarm seien nicht berücksichtigt worden. Weiters sei die operative Versetzung des Muskels am linken Unterarm nicht erwähnt worden. Bei der Antragsstellung seien alle Arztbriefe vorgelegt worden.
4. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund der Aktenlage am 28.05.2017 erstatteten Gutachten wurden die Leiden "1. Läsion des Nervus medianus und Teilläsion N. ulnaris bei guter Remission des N. radialis", "2. Pro- und Suptinationseinschränkung sowie Radial- und Ulnarduktionsdefizit des linken Handgelenks", "3. Ausstrahlende Nerven- und Muskelschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen", "4. Pseudoarthrose der Elle links mit bleibenden Beschwerden" und "5. Zustand nach Oberschenkelfraktur beidseits mit einem Femurnagel versorgt mit blander Verheilung" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt. Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung führte der Sachverständige aus, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 bis 3 wegen einer zusätzlichen negativen Beeinflussung um eine Stufe erhöht werde. Durch die Leiden 4 und 5 komme es zu keiner weiteren Erhöhung.
6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.08.2017 wurde den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen diesbezüglich eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer gaben dazu eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Kopf: nicht klopfempfindlich, kein Meningismus, Hirnnerven:
unauffällig, Zunge nicht belegt.
Hals: Rachen bland; Schilddrüse o.B. Zähne saniert
Haut: rosig; vereinzelte Nävi; keine Petechien
Obere Extremität: Trophik seitengleich; Tonus links etwas erhöht; Schultergelenk in allen Ebenen frei bewegbar; keine Spastik, Feinmotorik links deutlich eingeschränkt vor allem in Pronationsstellung; Kraft rechts proximal und distal KG 5/5, Sensibilität in der Peripherie links reduziert; MER seitengleich mittellebhaft auslösbar; Pulse gut tastbar; äußere Inspektion o.B. mit derzeit blanden Narben
FNV bds. unauffällig; AVH Versuch unauffällig
Wirbelsäule: physiologische Krümmungen der gesamten Wirbelsäule; im Verlauf keine Klopfdolenz, Tonus und Trophik unauffällig; Muskulatur seitengleich symmetrisch;
HWS Rotation sowie In- und Reklination frei; Kinn-Jugulumabstand 1,5cm; Fingerbodenabstand 10cm.
Throax: Trophik normal, symmetrisch, normale Atemexkursion; Cor:
normofrequent, rhythmische HA; HAT rein; Pulmo: beidseits VA, keine RG's
Rumpf: unauffällig, Lymphknotenstationen frei
Abdomen: im Brustkorbniveau, weich, kein DS, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen, Nierenlager frei
Untere Extremität: Trophik seitengleich unauffällig; Tonus seitengleich o.b.; keine Spastik, Feinmotorik unauffällig; Lasegue und Femoralisdehnung bds. neg.; Kraft proximal und distal KG 5/5, Sensibilität in der Peripherie unauffällig; MER seitengleich mittellebhaft auslösbar; Pulse gut tastbar; Hüftgelenke bds. rotationsfrei; Hüftflexion in S 0-0-120 o.B; KG bds. unauffällig in freier Bewegung; äußere Inspektion o.B., keine Varizen, blande Narben
Sprunggelenk und Vorfüße: altersentsprechend
Gesamtmobilität - Gangbild: Freies Stehen sicher; AW geht selbständig ohne Hilfsmittel unauffälliges Gangbild
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Läsion des Nervus medianus und Teilläsion N. ulnaris bei guter Remission des N. Radialis oberer Rahmensatz bei Hauptläsion des Nervus medianus mit sensiblen Begleiterscheinungen des N. ulnaris und N. radialis
04.05.06
40
2
Pro- und Suptinationseinschränkung sowie Radial- und Ulnarduktionsdefizit des linken Handgelenks Fixer Richtsatzwert
02.06.24
30
3
Ausstrahlende Nerven- und Muskelschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen unterer Rahmensatz aufgrund laufender Therapienotwendigkeit
04.11.02
30
4
Pseudarthrose der Elle links mit bleibenden Beschwerden oberer Rahmensatz aufgrund der anhaltenden Beschwerden
02.06.19
20
5
Zustand nach Oberschenkelfraktur beidseits mit einem Femurnagel versorgt mit blander Verheilung oberer Rahmensatz aufgrund beidseitiger operativer Versorgung ohne bleibende Bewegungseinschränkung
02.02.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 vH
Der Gesamtgrad der Behinderung
definiert sich primär durch das Leiden 1. Durch die Leiden 2 - 4 kommt es zu einer zusätzlichen wechselseitigen negativen Beeinflussung, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe erhöht wird. Durch die Leiden 4 und 5 kommt es zu keiner weiteren Erhöhung.
1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 15.02.2016 bei der belangten Behörde ein.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. und 1.3.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen und zur Antragsstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Der Gutachter setzte sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den durch den Beschwerdeführer vorgelegten Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Dieses vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten bestätigt betreffend die Leiden 1 und 2 auch die Ergebnisse des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, das bereits von der belangten Behörde eingeholt wurde. Aufgrund der Einwände des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde, wonach trotz Vorlage entsprechender Befunde die Implantate in beiden Oberschenkeln und im rechten Unterarm sowie die operative Versetzung des Muskels am linken Unterarm nicht berücksichtigt worden seien, wurde der allgemeinmedizinische Sachverständige erneut um die Einschätzung sämtlicher Leiden ersucht. Der Gutachter führt nunmehr aus, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit der Erstellung des Vorgutachtens nicht wesentlich verändert habe, durch die ausführliche Miteinbeziehung der "Pseudoarthrose der Elle links mit bleibenden Beschwerden" sowie des "Zustandes nach Oberschenkelfraktur beidseits mit Versorgung durch Femurnagel mit blander Verheilung" werden nun jedoch weitere Leiden mit den laufenden Nummern 4 und 5 nach der Einschätzungsversorgung mit einem Grad der Behinderung von jeweils 20 vH eingestuft. Die im Vorgutachten als Leiden mit der laufenden Nummer 3 und einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestufte Funktionseinschränkung "Ausstrahlende Nervenschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen" ist nunmehr als "Ausstrahlende Nerven- und Muskelschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen" mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft. Der Sachverständige führt schlüssig aus, dass der Zustand nach beidseitiger Oberschenkelfraktur mit Versorgung durch Femurnagel aufgrund des Fehlens einer Funktions- und Bewegungseinschränkung keine Änderung des Grades der Behinderung bewirkt. Die nunmehr vollständig berücksichtigte Pseudoarthrose der linken Elle und vor allem die wechselseitige negative Beeinflussung der Leiden 2 und 3 auf das führende Leiden unter der laufenden Nummer 1 sind jedoch geeignet, den Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe auf insgesamt 50 vH zu erhöhen.
Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde waren somit geeignet, eine geänderte Beurteilung herbeizuführen. Weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer brachten Einwendungen gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 28.05.2017. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)
Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 15.02.2016 gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Die unter der laufenden Nummer 1 festgestellte Funktionseinschränkung "Läsion des nervus medianus und Teilläsion nervus ulnaris bei guter Remission des Nervus radialis" ist gemäß der Positionsnummer 04.05.06 "Lähmungen der peripheren Nerven - Nervus medianus" und einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft. Die Einschätzung erfolgte aufgrund der sensiblen Begleiterscheinungen des nervus ulnaris und nervus radialis richtigerweise mit dem oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer.
Als Leiden Nummer 2 sind Pro- und Suptinationseinschränkung sowie Radial- und Ulnarduktionsdefizit des linken Handgelenks unter der Positionsnummer 02.06.24 "Handgelenk - Funktionseinschränkung im Handgelenk schweren Grades einseitig" mit dem fixen Richtsatz von 30 vH eingeschätzt.
Die unter der laufenden Nummer 3 eingeschätzten ausstrahlenden Nerven- und Muskelschmerzen nach Mehrfachoperationen an Armen und Beinen sind mit der Positionsnummer 04.11.02 "Chronisches Schmerzsyndrom - mittelschwere Verlaufsform" mit dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 30 vH festgesetzt. Im Vorgutachten schätzte der Sachverständige das Leiden noch unter der Positionsnummer 04.11.01 "Chronisches Schmerzsyndrom - leichte Verlaufsform" und einem Grad der Behinderung von 20 vH ein.
Da beim Beschwerdeführer eine laufende Therapienotwendigkeit dieser Gesundheitsschädigung besteht, ist die nunmehr höhere Einschätzung richtigerweise erfolgt.
Die Pseudoarthrose der Elle links mit bleibenden Beschwerden ist nach der Positionsnummer 02.06.19 "Unterarmpseudoarthrose - Pseudoarthrose der Elle oder Speiche" aufgrund der anhaltenden Beschwerden mit dem oberen Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft.
Als Leiden unter der laufenden Nummer 5 war der Zustand nach Oberschenkelfraktur beidseits mit einem Femurnagel versorgt mit balnder Verheilung unter der Positionsnummer 02.02.01 "Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates - mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades" mit dem oberen Rahmensatz von 20 vH einzuschätzen, da eine beidseitige operative Versorgung erfolgte, jedoch keine bleibende Bewegungseinschränkung bleibt.
Da die Leiden 2 bis 3 den Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 aufgrund zusätzlicher wechselseitiger negativer Beeinflussung um eine Stufe auf 50 vH erhöhen, liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W260.2131796.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.10.2017