Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W260 2125390-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 02.03.2016, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin ist seit 21.02.1995 Inhaberin eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses, seit 30.08.1996 mit einem Grad der Behinderung von 70 vH.
1.1. Am 13.01.2014 stellte sie erstmals einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge "belangte Behörde" genannt), welchen die belangte Behörde nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens mit Bescheid vom 01.10.2014 abwies.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.03.2015 ab.
2. Am 15.01.2016 stellte die durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgendland (in der Folge "KOBV" genannt) bei der belangten Behörde einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.02.2016 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht vorlägen.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.03.2016 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die durch den KOBV vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, sie benötige zum Gehen eine Unterarmstützkrücke. Treppensteigen und damit auch das sichere Ein- und Ausstiegen in öffentliche Verkehrsmittel - abgesehen von Niederflurwagen- seien ihr nicht möglich. Aufgrund der Instabilität der Wirbelsäule seien ihr außerdem schleudernde Bewegungen nicht zumutbar, wie sie bei Bus- oder Straßenbahnfahrten immer wieder vorkämen.
Im von der Beschwerdeführerin bei Antragsstellung vorgelegten Gutachten einer gerichtlich beeideten Sachverständigen vom 08.06.2015 werde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin sowohl außerhalb des Wohnbereiches als auch bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Personenhilfe zurückgreifen müsse, da ihr dies selbständig nicht möglich sei.
Das seitens der belangten Behörde herangezogene allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten entspreche nicht den in der Judikatur festgelegten Anforderungen. Die Beschwerdeführerin beantrage die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie bzw. Chirurgie und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurde eine Ambulanzkarte einer neurochirurgischen Spitalsambulanz vom 25.02.2016 angeschlossen.
4.1. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde in der Folge die neuerliche Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen Facharzt für Orthopädie veranlasst. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 21.06.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.06.2017, ergab, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
4.2. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2017 wurde den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen diesbezüglich eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt.
4.3. Die durch den KOBV vertretene Beschwerdeführerin führte mit Stellungnahme vom 17.07.2017 erneut aus, ihr sei es, entgegen den Ausführungen des Sachverständigen, keinesfalls möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Wie auch im eingeholten Sachverständigengutachten angeführt, bestehe nicht nur eine Kniegelenksabnützung beidseits, sondern auch eine Fußheberschwäche rechts, sodass die Beschwerdeführerin auf die Verwendung einer Unterarmstützkrücke angewiesen sei. Durch die Fußheberschwäche sei es ihr auch kaum möglich, Gehsteigkanten zu überwinden, geschweige denn in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- bzw. daraus auszusteigen. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu geben, ihren Gesundheitszustand und die damit verbundenen Beschwerden selbst schildern zu können.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemein:
Guter Allgemeinzustand, etwas reduzierter Ernährungszustand. Rechtshänder.
Kommt alleine, aufrecht gehend, normale Kleidung, normaler Konfektionsschuh, eine UA-Stützkrücke und eine Lendenstützbandage werden verwendet.
An- und Auskleiden mittelrasch, selbständig, ohne Fremdhilfe.
Caput, Thorax, Abdomen unauffällig.
Haut ist rosig, normal durchblutet. Zeigt eine reizlose OP-Narbe im Bereich der LWS.
Gangbild:
Breitbeinig von mittlerer Schrittlänge. Zehen- Fersenstand, Einbeinstand wird nicht durchgeführt, die Hocke ist bis zu einem Viertel möglich. Der Transfer auf die Untersuchungsliege gelingt selbständig, Wendebewegungen auf der Untersuchungsliege werden selbständig durchgeführt aber langsam.
Wirbelsäule:
Gesamt: Im Lot. Becken- Schultergeradstand, symmetrische Taillendreiecke, abgeschwächte paravertebrale Muskulatur, physiologische Krümmungen, keine Skoliose.
HWS: S 30/0/10, R je 50, F je 20.
BWS: R je 10 schmerzhaft.
LWS: FBA nicht prüfbar, Rückwärtsneigen 5 Grad, Seitneigen je 10 Grad mit einem Facettenschmerz L5/S1 beidseits.
Grob neurologisch: Hirnnerven frei. Schwach auslösbare Reflexe an der OE. Kraft- Koordination symmetrisch und seitengleich. An der UE mittellebhafte Muskeleigenreflexe, diskrete Fuß- und Zehenheberschwäche rechts Grad 5 minus, links Kraftgrad 5. Sensibilitätsabschwächung S1 rechts.
Obere Extremität:
Allgemein: Rechtshänderin. Normale Achse, normale Gelenkkonturen, mittelkräftig seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien. Handgelenkspulse gut tastbar, seitengleiche Gebrauchspuren.
Schulter re: S 40/0/160, F 160/0/30, Rotation frei.
Schulter li: S 40/0/160, F 160/0/30, Rotation frei.
Ellbogen re: S 0/0/125, R je 80, bandstabil, kein Erguss.
Ellbogen li: S 0/0/125, R je 80, bandstabil, kein Erguss.
Handgelenk re: S je 60, bandstabil, kein Erguss, keine Weichteilschwellung.
Handgelenk li: S je 60, bandstabil, kein Erguss, keine Weichteilschwellung.
Langfinger re: Mäßige Heberden- und Bouchardarthrosen, freie Gelenksbeweglichkeit.
Langfinger li: Mäßige Heberden- und Bouchardarthrosen, freie Gelenksbeweglichkeit.
Nackengriff: Gut möglich.
Schürzengriff: Gut möglich.
Kraft: Gut.
Fingerfertigkeit: Faustschluss seitengleich.
Untere Extremität:
Allgemein: Keine Beinlängendifferenz. normale Achse, normale Gelenkkonturen, mittelkräftig seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien. Fußpulse gut tastbar.
Hüfte re: S 0/0/110, R je 30. F je 30 ohne Beschwerden.
Hüfte li: S 0/0/110, R je 30. F je 30 ohne Beschwerden.
Knie re: S 0/0/140, bandfest, kein Erguss, keine Meniskuszeichen, gutes Patellaspiel, Zohlenzeichen negativ.
Knie li: S 0/0/140, bandfest, kein Erguss, keine Meniskuszeichen, gutes Patellaspiel, Zohlenzeichen negativ.
Ob. Sg: Beidseits S 10/0/30, bandfest.
Unt. Sg: Frei beweglich.
Füße: Mäßiggradiger Spreizfuß mit abnützungsbedingter Auftreibung des linken Großzehengrundgelenkes mit eingeschränkter Beweglichkeit, S 5/0/10, endlagige Beugung und Streckung im rechten Großzehengrundgelenk schmerzhaft, sonst freier Bewegungsumfang.
Links freier Bewegungsumfang, Beweglichkeit der übrigen Zehen ist nicht eingeschränkt.
Art der Funktionseinschränkungen:
-
Abnützungsbedingter Wirbelsäulenschaden bei Zustand nach Bandscheiben-Operation L5/S1 und Beeinträchtigung der Nervenwurzel S1 rechts (NLG und EMG dokumentiert) entspricht der Ausprägung einer Teillähmung des Nervus tibialis
-
Kniegelenksabnützung beidseits
-
Zustand nach Entfernung der linken Brust wegen Karzinom
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die Funktionsbehinderung am Stütz- und Bewegungsapparat wirken sich nur mäßiggradig auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus.
Die Steh-, Geh- und Sitzleistung ist mäßiggradig eingeschränkt.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vor.
Durch den Bandscheibenschaden und die Nervenwurzelreizung findet sich eine leichte Fußheberschwäche und Sensibilitätsstörung im Ausbreitungsgebiet der rechten Nervenwurzel S1. Ein vollständiger Funktionsausfall mit einer ausgeprägten Fallfußbildung ist aber nicht vorhanden.
Der Bewegungsumfang der großen Gelenke an den unteren Extremitäten ist kaum eingeschränkt. Kraft und Koordination der unteren Extremitäten sind zufriedenstellend und zeigen keine höhergradigen Defizite. Das Überwinden von Niveauunterschieden beim Aus- und Einsteigen, das Stehen, die Sitzplatzsuche und eine notwendige Fortbewegung in einem öffentlichen Verkehrsmittel bei Fahrt sind nicht maßgeblich eingeschränkt.
Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 21.06.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.06.2017, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Das Wirbelsäulenleiden, das sich in das rechte Bein ausbreitet, schränkt die Steh-, Geh- und Sitzleistung der Beschwerdeführerin zwar ein, erreicht aber nicht das für die Unzumutbarkeit erforderliche Ausmaß, welches erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten voraussetzt. Trotz beginnender Abnützungszeichen in den Kniegelenken ist der Bewegungsumfang im Normalbereich. Es sind auch in den vorgelegten Befunden keine relevanten Abnützungszeichen verbunden mit Achsfehlstellungen dokumentiert, die zu einer Bewegungseinschränkung führen würden. Die Auswirkung der Kniegelenksabnützung auf die Steh- und Gehleistung ist nur gering und überschneidet sich teilweise mit den ausstrahlenden Beschwerden, die durch die Abnützung der Lendenwirbelsäule gegeben sind.
Das Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin zum Gehen eine Unterarmstützkrücke verwendet, ist nicht geeignet, eine Änderung der Beurteilung zu erreichen. Die Verwendung einer Unterarmstützkrücke ist zweckmäßig, steigert dadurch die vermehrte Sicherheit der Gehleistung und erschwert die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht in hohem Maß.
Insoweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde auf das Pflegegutachten vom 08.06.2015 verweist, in welchem angeführt werde, dass die Beschwerdeführerin sowohl außerhalb des Wohnbereiches als auch bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Personenhilfe zurückgreifen müsse, da ihr dies selbständig nicht möglich sei, ist laut orthopädischem Sachverständigen nicht nachvollziehbar, wie aus dem beschriebenen Status der Schluss gezogen werden könne, dass eine Fortbewegung außerhalb des Wohnbereichs Personenhilfe erfordere.
Das vorgelegte Gutachten enthält keine Angaben des Bewegungsumfanges nach der Neutral-Nullmethode, welche einen Überblick über den tatsächlichen Bewegungsumfang der einzelnen Gelenke geben könnte. Stattessen würden sich darin diffuse und wenig aussagekräftige Angaben finden, die insofern zu beurteilen seien, dass keine maßgeblichen Funktionsbehinderungen am Bewegungsapparat vorliegen würden.
Was den Einwand in der Stellungnahme zum Parteiengehör betrifft, wonach es der Beschwerdeführerin aufgrund einer Fußheberschwäche im rechten Fuß kaum möglich sei, Gehsteigkanten zu überwinden, geschweige denn in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- bzw. daraus auszusteigen, ist erneut auf die Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen zu verweisen.
Der Gutachter stellt fest, dass durch den Bandscheibenschaden und die Nervenwurzelreizung eine leichte Fußheberschwäche und Sensibilitätsstörung im Ausbreitungsgebiet der rechten Nervenwurzel S1 vorliegt. Ein vollständiger Funktionsausfall mit einer ausgeprägten Fallfußbildung ist aber nicht vorhanden. Der Bewegungsumfang, Kraft und Koordination der unteren Extremitäten zeigen keine höhergradigen Defizite. Sowohl das Überwinden von Niveauunterschieden beim Ein- und Aussteigen, Stehen, Sitzplatzsuche als auch notwendige Fortbewegung in öffentlichen Verkehrsmitteln während der Fahrt sind nicht maßgeblich eingeschränkt.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen würden, kann somit weder durch die medizinischen Befunde noch durch den erhobenen Status im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen objektiviert werden.
Der im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Befund belegt eine diskrete Instabilität in der Lendenwirbelsäule, welche sowohl im orthopädischen Sachverständigengutachten als auch bereits im seitens der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Gutachten ausreichend berücksichtigt ist. Der Befund ist hingegen nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände der Beschwerdeführerin zu belegen und so allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Die Beschwerdeführerin ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde und in der Stellungnahme zum Parteiengehör dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 21.06.2017 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 21.06.2017, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.06.2017, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 02.03.2016 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 18/2017 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idF BGBl II Nr. 263/2016 auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
..."
Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen. (§ 29b Abs. 1 StVO 1960)
Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, verlieren ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015. Ausweise, die nach dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig. (§ 29b Abs. 6 StVO 1960)
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)
Wie unter Punkt II.2. im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wird sowohl im seitens der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.02.2016 als auch im durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 21.06.2017 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden körperlichen Defizite - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesen Sachverständigengutachten aktuell keine erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, welche die Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen überschreiten würden, vor. Auch eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor. Ebenso wenig sind entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen objektiviert. Auch eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführerin verwendet eine Unterarmstützkrücke als Gehhilfe. Diese beeinträchtigt das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel jedoch nicht wesentlich, sondern steigert durch die vermehrte Sicherheit die Gehleistung. Eine kurze Wegstrecke kann von der Beschwerdeführerin selbständig zurückgelegt werden. Auch das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel ohne fremde Hilfe sowie das sichere Anhalten sind der Beschwerdeführerin ohne fremde Hilfe möglich.
Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Ambulanzkarte vom 25.02.2016 ist, wie bereits erwähnt, nicht geeignet, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.
Das Zurücklegen von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft, das Stehen sowie das sichere Ein- und Aussteigen (Überwinden von Niveauunterschieden) sind der Beschwerdeführerin durch die im ausreichenden Ausmaß objektivierten Bewegungsumfänge, die ausreichende Kraft und Koordination uneingeschränkt möglich.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung ärztlicher Sachverständiger überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen, schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages - nicht nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher von der belangten Behörde sowie vom Bundesverwaltungsgericht ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die Beschwerdeführerin hat von den Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Das Beschwerdevorbringen sowie die Stellungnahme zum Parteiengehör waren allerdings - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen und dokumentieren keine Leidenszustände, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständigen Beurteilungen überzeugend in Zweifel ziehen.
Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie zu § 46 letzter Satz BBG stützen.
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W260.2125390.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.10.2017