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L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe, UmweltabgabeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall wegen Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung einer Anschlussgebühr ohne Abzug für den AbbruchSpruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Das Land Tirol beschloss im Jahr 1964 in Abstimmung mit der Stadtgemeinde Innsbruck und der Marktgemeinde Völs das Siedlungsprojekt "Völsersee". Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde von der Tiroler Landesregierung mit der Aufschließung des Projektgeländes beauftragt und führte in weiterer Folge die Aufschließung bezüglich Kanalanschlüssen, Wasseranschlüssen und Straßen – entsprechend der Beauftragung durch das Land Tirol – auf eigene Kosten durch. Soweit es um Projekte von anderen Bauträgern ging, verrechnete die beschwerdeführende Gesellschaft diesen die Aufschließungskostenbeiträge unter Berücksichtigung der Grundstücksfläche und der Bebauungsdichte nach den Vorgaben der Marktgemeinde Völs und des Landes Tirol weiter. Die weiterverrechneten Sätze entsprachen hiebei jenen, die von der Marktgemeinde Völs nach den einschlägigen Bestimmungen für Bauvorhaben in anderen Ortsteilen vorgeschrieben wurden. Soweit die Aufschließungskosten eigene Projekte der beschwerdeführenden Gesellschaft betrafen, wurden diese von der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Gänze selbst getragen.
1.1. Von 1964 bis Mitte der 1980er Jahre hatte die beschwerdeführende Gesellschaft hinsichtlich der von ihr umgesetzten Bauvorhaben keine Aufschließungsbeiträge für Kanal, Wasser oder die verkehrsmäßige Aufschließung an die Marktgemeinde Völs zu entrichten. Diese Vorgehensweise gründete sich laut dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 22. März 2016 auf die von den politischen Entscheidungsträgern (des Landes Tirol und der Stadtgemeinde Innsbruck) gemachten Vorgaben. Die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" erfolgte danach im Einvernehmen zwischen der Marktgemeinde Völs und der beschwerdeführenden Gesellschaft.
1.2. Im Zuge der Projektumsetzung errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft 1972 auf einem näher bezeichneten Grundstück ein Wohnheim. Entsprechend der unter 1. und 1.1. beschriebenen Vorgehensweise nahm die Marktgemeinde Völs auch hinsichtlich dieses Projektes von einer Vorschreibung von Aufschließungskosten Abstand.
1.3. Auf Grund der Bewilligung für den Neubau eines Wohnheimes auf diesem Grundstück durch Baubescheid vom 24. Jänner 2014 errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft – nach Abbruch des 1972 errichteten Wohnheimes – das bewilligte Bauvorhaben.
1.4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Völs vom 18. Februar 2014 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft für den Anschluss des mit Baubescheid vom 24. Jänner 2014 genehmigten Bauvorhabens an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage eine einmalige Kanalanschlussgebühr in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Dabei wurde die gesamte Neubaumasse des neu errichteten Gebäudes der Gebührenbemessung zugrunde gelegt.
2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. März 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen diesen Bescheid nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass im vorliegenden Fall nach §2 der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Völs mit Beschluss vom 20. Mai 2010 gemäß §15 Abs3 Z4 FAG 2008 erlassenen Kanalgebührenordnung (in der Folge: Kanalgebührenordnung 2010) keine Kanalanschlussgebühr für den Altbestand entrichtet worden sei. Die Tatsache, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Rahmen der Umsetzung des Projektes "Völsersee-Siedlung" Aufwendungen für die Erschließung bezüglich Kanal und Wasser übernommen habe, stelle nach dem klaren Wortlaut des §2 Kanalgebührenordnung 2010 keine im Wege einer Anrechnung zu berücksichtigende Entrichtung der Kanalanschlussgebühren dar.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:
3.1. Die Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass nach §2 Kanalgebührenordnung 2010 eine Anrechnung der für den Altbau angefallenen Aufschließungskosten in jenen Fällen ausscheide, in denen der Bauwerber die Aufschließungsleistungen für die Gemeinde "auf eigene Kosten und Namen" erbracht habe und die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung bezüglich Kanal damit jenen Fällen gleichzusetzen sei, in denen gar keine Aufwendungen für die Erschließungsmaßnahmen getragen worden seien, lasse sich sachlich nicht rechtfertigen. Sowohl die Abgeltung der Aufschließungsmaßnahmen als auch die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung durch den Bauwerber führe zu einer Deckung der Errichtungskosten für die Gemeinde. Eine sachgerechte Lösung erfordere sohin auch, die tatsächliche Übernahme von Aufwendungen für den Altbau bei einem Wiederaufbau anzurechnen. Andernfalls komme es zu einer Bereicherung der Gemeinde, nachdem sie keine Aufwendungen für die Errichtung tätigen musste, aber dennoch über eine öffentliche Kanalanlage im Bereich der "Völsersee-Siedlung" verfüge. Da die einmalige Kanalanschlussgebühr lediglich der Deckung der Kosten für die Errichtung und Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage diene, verstoße die vorliegende Regelung der Kanalgebührenordnung 2010, die die Anrechnung bei tatsächlicher Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung ausschließe, gegen das Gleichheitsgebot.
3.2. Der Zweck der Anrechnungsregelung des §2 Kanalgebührenordnung 2010 sei eindeutig auf die Vermeidung von "Doppelvorschreibungen" gerichtet, weshalb die Bemessung der einmaligen Kanalanschlussgebühr "auf Basis der Neubaumasse[,] in denen die Kanalanschlussgebühr bereits entrichtet wurde[,]" ausscheide. "Entrichtet" seien nach VfSlg 17.163/2004 auch jene Beiträge, die bereits verjährt seien, weshalb auch in solchen Fällen nur der "Ergänzungsbetrag" vorzuschreiben sei. Im konkreten Fall sei der tatsächliche Anschluss an die öffentliche Kanalanlage in den 1970er Jahren erfolgt, weshalb die einmalige Kanalanschlussgebühr zweifellos verjährt sei, ungeachtet dessen sei die Kanalanschlussgebühr für den Wiederaufbau ermittelt worden, ohne den Umfang der früheren Baumasse zu berücksichtigen. Insofern sei §2 Kanalgebührenordnung 2010 vom Landesverwaltungsgericht Tirol ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden.
Ferner lasse sich aus dem Gleichheitssatz der Grundsatz der Einmalbesteuerung ableiten (VfSlg 10.101/1984). In einem Schreiben vom 19. Oktober 1981 habe die Marktgemeinde Völs wie folgt ausgeführt:
"Der Gemeinderat ist sich sehr wohl im Klaren darüber, dass die Erschließung des Gesamtgebietes und vor allem jene vom Völser See West ungeheure Kosten verursacht. Es hängt dies jedoch mit der grundsätzlichen Bestimmung zusammen, in der eben festgehalten wurde, dass die gesamten Erschließungsarbeiten die Aufschließungsgesellschaft macht und dafür auch keinerlei Abgaben, Erschließungskosten, Wasseranschlussgebühren und Kanalanschlussgebühren an die Gemeinde Völs zu entrichten sind."
Die Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung der "Völsersee-Siedlung" durch die beschwerdeführende Gesellschaft sei damit offenkundig im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs erfolgt. Es bestehe – entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol – kein sachlicher Unterschied, ob die Aufwendungen für die Aufschließung unmittelbar durch eine Aufschließungsgesellschaft im eigenen Namen getragen oder der Gemeinde die Aufwendungen für die Errichtung der Kanalanlage ersetzt werden, nachdem der öffentlichen Hand in beiden Fällen keinerlei Aufwendungen erwachsen würden. Eine dem Gleichheitssatz Rechnung tragende Interpretation der Anrechnungsbestimmung in §2 Kanalgebührenordnung 2010 erfordere daher, dass auch die tatsächlich getätigten Aufwendungen für die Erschließung der Anrechnungsregelung unterliegen. Andernfalls benachteiligte man die beschwerdeführende Gesellschaft nur deshalb, weil sie der Marktgemeinde Völs damals neben der tatsächlichen Aufschließungsleistung keinen "fiktiven" finanziellen Kostenersatz für eine nicht erbrachte Aufschließungsmaßnahme (den Kanalanschluss) geleistet habe. Einerseits habe die beschwerdeführende Gesellschaft die Kosten der Erschließung übernommen und die Marktgemeinde Völs aus diesem Umstand 40 Jahre hindurch von der Vorschreibung der einmaligen Kanalanschlussgebühr abgesehen und andererseits vertrete die Gemeinde nun die Ansicht, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die einmalige Kanalanschlussgebühr überhaupt nicht geleistet habe. Das führe zu einer Doppelbesteuerung und verstoße gegen Treu und Glauben.
3.3. Die Höhe der Benützungsgebühren sei nach VfSlg 11.197/1986 mit der Höhe der Aufwendungen, die für die öffentliche Anlage oder Einrichtung erforderlich seien, begrenzt. Die erneute Vorschreibung der einmaligen Kanalanschlussgebühr – bemessen an der gesamten Neubaumasse – führe daher zur zweifachen Abgeltung der Errichtungskosten. Dadurch werde das Äquivalenzgebot und das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol erstattete eine Gegenschrift, in der es den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegenhält:
Es sei darauf zu verweisen, dass die Errichtung der "Völsersee-Siedlung" und die Tragung diverser Aufwendungen für die Erschließung sowie die Weiterverrechnung an andere Bauträger auf Grundlage politischer Willensbekundungen erfolgt sei. Insofern seien die Aufschließungsmaßnahmen durch die beschwerdeführende Gesellschaft ohne den Rahmen einer zivilrechtlichen Vereinbarung erfolgt. Abgesehen davon, dass der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung über die Durchführung von Aufschließungsmaßnahmen in Bezug auf die Kanalanschlussgebühr nicht vorgesehen sei, sei zu bedenken, dass die tatsächliche Übernahme von Aufwendungen für die Erschließung durch den Bauwerber keineswegs bei der Vorschreibung berücksichtigt werden müsste. Ansonsten würde es der Bauwerber in der Hand haben, nach seinem eigenen Gutdünken und nach der von ihm als richtig angesehenen Qualität Erschließungsmaßnahmen durchzuführen und diese Aufwendungen im Rahmen der Vorschreibung angerechnet zu erhalten.
Dass bei der Berechnung der einmaligen Kanalanschlussgebühr die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage herangezogen worden sei, gründe sich darauf, dass seitens der Gemeinde für den Altbestand keine Kanalanschlussgebühr entrichtet [wohl gemeint: vorgeschrieben] worden sei. Die Vorschreibung solcher Gebühren sei bei der Umsetzung des Bauprojektes "Völsersee-Siedlung" in den 1970er Jahren auch nie in Betracht gezogen worden.
Es mache einen sachlichen Unterschied, ob der Aufwand der Aufschließung unmittelbar durch die Gemeinde oder den Bauwerber getragen werde: Ohne klare Festlegung, in welchem Ausmaß Erschließungsmaßnahmen durch den Bauwerber durchzuführen seien und welche Qualität diese aufzuweisen hätten sowie ohne Rechtsverpflichtung würde eine Anrechnung der vom Bauwerber getätigten Aufwendungen von vorneherein nicht in Betracht kommen. Die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen, welche ohne Rechtspflicht (zivilrechtliche Vereinbarung) vor 40 Jahren getätigt worden seien, würde sich daher nicht als unsachlich erweisen.
5. Die Marktgemeinde Völs legte die Unterlagen hinsichtlich der Kanalgebührenordnung 2010 vor.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Die §§1, 2, 3 und 4 Kanalgebührenordnung 2010 lauten:
"§1
Arten der Gebühren
Zur Deckung der erstmaligen Herstellungskosten der öffentlichen Kanalanlagen und zur Deckung der Instandhaltungs-, Erneuerungs-, Betriebs- und Verwaltungskosten erhebt die Marktgemeinde Völs nachstehende Gebühren:
Einmalige Kanalanschlussgebühr
Laufende Kanalbenützungsgebühr
§2
Einmalige Kanalanschlussgebühr
Die Marktgemeinde Völs erhebt zur Deckung der Kosten für die Errichtung und die Erweiterung der öffentlichen Kanalanlagen eine einmalige Kanalanschlussgebühr. Die Anschlusskosten für die Herstellung des Hausanschlusses, von der Trennstelle (gemäß Kanalordnung der Marktgemeinde Völs vom 24.06.2002 auf Grund des Tiroler Kanalisationsgesetzes 2000) im öffentlichen Kanal (meist im Straßenkörper) bis zur Hauseinleitung, ist nicht Teil der einmaligen Kanalanschlussgebühr, sondern sind diese Kosten vom/von der Grundstücks- Objekteigentümer/in selbst zu tragen. Der/die Anschlusswerber/in hat den Anschluss von der öffentlichen Kanalisation (Trennstelle) bis zur Hauseinleitung von einer Fachfirma auf eigene Kosten herstellen zu lassen und diese Privatleitung auf eigene Kosten zu warten, instand zu halten, zu sanieren, bei Bedarf zu erweitern und gegebenenfalls durch eine Fachfirma erneuern zu lassen. Die Marktgemeinde Völs übernimmt für Privatleitungen keinerlei Kosten und keinerlei Haftung.
Auf eine frostsichere Verlegung aller Teile der Leitungen ist Bedacht zu nehmen.
Die einmalige Kanalanschlussgebühr entsteht mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses an die öffentliche Kanalanlage.
Bei Erweiterungsbauten, wie Zubau, Aufstockung, udgl., wo kein Neuanschluss oder weiterer Anschluss an die öffentliche Kanalanlage vorgesehen ist, entsteht die Gebührenschuld mit dem Zeitpunkt der Bauvollendungsmeldung.
Bei Erweiterungsbauten, wie Zubau, Aufstockung, udgl. entsteht die Beitragspflicht nur für die durch den Zubau oder die Aufstockung neu geschaffene Baumasse.
Bei Wiederaufbau von Abbruchgebäuden, für die zu einem früheren Zeitpunkt eine einmalige Kanalanschlussgebühr entrichtet wurde, entsteht die Beitragspflicht nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage (Baumasse) den Umfang der früheren Baumasse (Abbruch) übersteigt. Wurde zu einem früheren Zeitpunkt keine einmalige Kanalanschlussgebühr für den Altbestand entrichtet, wird bei Wiederaufbau die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Kanalanschlussgebühr herangezogen (kein Abzug für den Abbruch).
Im Zuge der Errichtung von neuen Gemeindestraßen (Erschließung eines neuen Baugebietes) oder bei Sanierung einer bestehenden Gemeindestraße, in deren Verlauf auch die Kanalisation ausgetauscht wird, lässt die Marktgemeinde Völs Abzweiger von der Hauptwasserleitung bis unmittelbar hinter die Grundstücksgrenze der an die Straße angrenzenden Grundstücke verlegen, sofern für das betreffende Grundstück noch keine Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Kanalisation gegeben ist. Die Baukosten für den Teilbereich der Kanalleitung von der Trennstelle in der öffentlichen Kanalisation (Straßenkörper) bis unmittelbar hinter die Grundstücksgrenze hat der Grundstückseigentümer zu tragen und hat er die Kosten hierfür der Marktgemeinde Völs innerhalb von zwei Wochen, nach Vorschreibung, zu ersetzen. Der private Kanalstrang geht damit in das Eigentum des/der Grundstückseigentümer/s/in über. Diese Maßnahme soll ein späteres Aufgraben einer neu asphaltierten Gemeindestraße verhindern.
Diese Gebühr wird vom Gemeinderat alljährlich nach dem durchschnittlichen Jahreserfordernis zur Deckung der anfallenden Kosten festgesetzt (Bemessungszeitraum). Die jährliche Gebührenfestsetzung wird öffentlich kundgemacht.
Die einmalige Kanalanschlussgebühr ist innerhalb von 1 Monat, ab Zustellung des Vorschreibungsbescheides, zur Zahlung fällig.
§3
Laufende Kanalbenützungsgebühr
Die Marktgemeinde Völs erhebt zur Deckung der laufenden Kosten für die Instandhaltung und Erneuerung der Kanalanlagen, sowie zur Deckung der Betriebs- und Verwaltungskosten eine laufende Kanalbenützungsgebühr.
Diese Gebühr wird vom Gemeinderat alljährlich nach dem durchschnittlichen Jahreserfordernis zur Deckung der anfallenden Kosten festgesetzt (Bemessungszeitraum). Die jährliche Gebührenfestsetzung wird öffentlich kundgemacht.
Die laufende Kanalbenützungsgebühr ist auf Grund der von der Marktgemeinde Völs vierteljährlich erlassenen Vorschreibung, die dem/der Grundstücks- bzw. Hauseigentümer/in zugestellt wird, mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabebescheides fällig.
Die laufende Kanalbenützungsgebühr ist vierteljährlich zu entrichten, wobei in den ersten drei Quartalen ein nach dem Vorjahr berechneter Pauschalbetrag zur Vorschreibung gelangt. Die Endabrechnung erfolgt im vierten Quartal des Jahres nach Ablesung des tatsächlichen Verbrauches laut Wasserzähler und ist mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabebescheides fällig.
Gärtnereibetriebe mit eigenem Wasserzähler für den Gärtnereibetrieb sind von der Kanalbenützungsgebühr befreit.
§4
Berechnung der einmaligen Kanalanschlussgebühr
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Kanalanschlussgebühr ist die Baumasse des Neubaus, bei Zubau und Aufstockung jener Teil, der die bestehende Baumasse vergrößert.
Die Baumasse ist der umbaute Raum des Gebäudes bzw. der baulichen Anlage. Die Baumasse ist geschoßweise zu ermitteln, wobei bei Räumen mit einer lichten Höhe von mehr als 3,50 Meter der diese Höhe übersteigende Teil nicht berechnet wird. Der umbaute Raum ist jener Raum, der durch das Fußbodenniveau des untersten Geschoßes und durch die Außenhaut des Gebäudes oder, soweit eine Umschließung nicht besteht, durch die gedachte lotrechte Fläche in der Flucht der anschließenden Außenhaut begrenzt wird.
Die einmalige Kanalanschlussgebühr beträgt zum Zeitpunkt der Erlassung der Kanalgebührenordnung pro Kubikmeter Bemessungsgrundlage (pro m3 Baumasse)
€ 4,24
Die Angemessenheit der Höhe aller Gebühren wird vom Gemeinderat alljährlich geprüft und dem tatsächlichen Erfordernis entsprechend angepasst. Die jährliche Gebührenfestsetzung wird öffentlich kundgemacht."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterlaufen:
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. Juni 2017, V3/2017, folgenden Textteil des §2 Kanalgebührenordnung 2010 nicht als gesetzwidrig aufgehoben:
"Bei Wiederaufbau von Abbruchgebäuden, für die zu einem früheren Zeitpunkt eine einmalige Kanalanschlussgebühr entrichtet wurde, entsteht die Beitragspflicht nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage (Baumasse) den Umfang der früheren Baumasse (Abbruch) übersteigt. Wurde zu einem früheren Zeitpunkt keine einmalige Kanalanschlussgebühr für den Altbestand entrichtet, wird bei Wiederaufbau die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der einmaligen Kanalanschlussgebühr herangezogen (kein Abzug für den Abbruch)."
3.2. Im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation ist der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass auch in solchen Fällen, in denen dem Grundeigentümer durch eine Aufschließungsgesellschaft die Kosten für die Errichtung der öffentlichen Kanalanlage im Zuge des Anschlusses an diese in einer der Erhebung einer Gebühr vergleichbaren Weise angelastet worden sind, davon auszugehen ist, dass die einmalige Kanalanschlussgebühr für den Altbestand "entrichtet wurde" (vgl. VfGH 21.6.2017, V3/2017, Rz 28 f.).
3.3. Ein Abzug für den Abbruch hat somit nicht nur dann zu erfolgen, wenn für diesen eine von der Gemeinde vorgeschriebene Anschlussgebühr entrichtet wurde, sondern auch, wenn dem Grundeigentümer für den Abbruch die Kosten von einer Aufschließungsgesellschaft im Einvernehmen mit und unter Einbindung der Gemeinde vergleichbar einer Gebühr angelastet worden sind. Gleiches gilt, wenn die Aufschließungsgesellschaft die Kosten für eigene Bauprojekte vergleichbar der Anlastung einer Anschlussgebühr aus eigenem getragen hat (vgl. VfGH 21.6.2017, V3/2017, Rz 27).
3.4. Im vorliegenden Fall ergibt sich unstrittig aus den Verwaltungsakten, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" (Kanalanschlüsse, Wasseranschlüsse und Straßen) im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs tatsächlich vorgenommen und die Kosten dafür ausgelegt hat. Die Marktgemeinde Völs hat für jedes einzelne Bauvorhaben der "Völsersee-Siedlung" – darunter Wohnanlagen, Tiefgaragen ua. – bestätigt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließungskosten für das jeweilige Grundstück getragen hat und bekannt gegeben, welche Gebührensätze für Kanal, Wasser und Erschließung in Kraft standen. Daraufhin teilte die beschwerdeführende Gesellschaft in einem Schreiben an die Marktgemeinde Völs mit, dass sie die Angaben der Marktgemeinde Völs als Kostenberechnungsgrundlage verwendet und so die Kosten der Erschließung (für die einzelnen Bauvorhaben) errechnet habe. Ferner ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Überprüfung (der weiterverrechneten Kosten für die Aufschließung) und schriftliche Zustimmung der Marktgemeinde Völs.
3.5. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass für die beschwerdeführende Gesellschaft ein Abzug für Abbruch schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil sie für diesen tatsächlich keine Anschlussgebühr an die Gemeinde entrichtete, und hat es in weiterer Folge unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob im konkreten Fall Umstände vorliegen, die einer Entrichtung der einmaligen Kanalanschlussgebühr für den Altbestand gleichzuhalten sind.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat damit aber §2 Kanalgebührenordnung 2010 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, Äquivalenzprinzip, Gebühr, Kanalisation Abgaben, WasserversorgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E859.2016Zuletzt aktualisiert am
21.07.2017