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10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;Norm
StGB §153;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des HG in Y, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in 3340 Waidhofen an der Ybbs, Unterer Stadtplatz 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Jänner 1998, Zl. Wa-222/97, betreffend Entzug waffenrechtlicher Urkunden, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Dem im Jahr 1945 geborenen Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten im Jänner 1968 der Waffenpass Nr. 013025 und im Februar 1982 die Waffenbesitzkarte Nr. 112109 ausgestellt. Bei einer Überprüfung seiner Verlässlichkeit gemäß § 6 des damals noch geltenden WaffG 1986 ergab sich im Mai 1997, dass dem Beschwerdeführer aufgrund von Verkehrskontrollen am 31. Dezember 1989, am 26. November 1994 und am 23. März 1997, bei denen beim Beschwerdeführer jeweils Alkoholisierungsmerkmale festgestellt worden waren, mit Bescheiden vom 4. Jänner 1990, 2. Mai 1995 und zuletzt 3. April 1997 wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend der Führerschein entzogen worden war. Bei dem Vorfall im März 1997 war ein Atemluftalkoholgehalt von 0,60 mg/l festgestellt worden. Bei der Verkehrskontrolle im November 1994 hatte der Beschwerdeführer den Test verweigert.
In einer im August 1997 - nach dem Inkrafttreten des WaffG 1996 am 1. Juli 1997 - zu dem ihm vorgehaltenen Sachverhalt erstatteten Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 seien nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer sei nur aufgrund des Vorfalls vom 23. März 1997 wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen Verwaltungsübertretung bestraft worden. Bei den beiden vorangegangenen Vorfällen sei eine Begehung der Verwaltungsübertretung im Zustand der Trunkenheit in den jeweiligen Straferkenntnissen nicht festgestellt worden. Die Bestrafung des dem Entziehungsbescheid vom 4. Jänner 1990 zugrunde gelegten Vergehens sei bereits getilgt. Der Beschwerdeführer habe bei keiner der Verwaltungsübertretungen eine Waffe bei sich geführt und sich auch sonst stets verantwortungsbewusst und gewissenhaft gezeigt. Er sei auch bereit, sich einer amtsärztlichen und psychologischen Untersuchung zu unterziehen.
Mit Bescheid vom 5. August 1997 entzog die Bezirkshauptmannschaft Amstetten dem Beschwerdeführer die Waffenbesitzkarte und den Waffenpass, wobei sie im Sachverhalt auch erwähnte, dass der Beschwerdeführer wegen der letzten beiden Vorfälle mit Strafbescheiden vom 14. März 1995 und 6. Mai 1997 jeweils rechtskräftig gemäß § 99 Abs. 1 StVO bestraft worden war. Die Bestrafungen erfolgten, wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervorgeht, im Bescheid vom 14. März 1995 gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 und im Bescheid vom 6. Mai 1997 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO.
In seiner Berufung gegen den Bescheid vom 5. August 1997 behauptete der Beschwerdeführer dessen Nichtigkeit mangels Erfüllung der Erfordernisse des § 18 Abs. 4 AVG. Darüber hinaus wandte er sich gegen die Schlussfolgerung, aus den zugrunde gelegten Vorfällen könne - ohne Einholung medizinischer oder psychologischer Sachverständigengutachten - auf Bedenkenlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und Egoismus beim Beschwerdeführer geschlossen werden. Weiters wiederholte er - soweit hier wesentlich - die schon in seiner Stellungnahme dargelegten Argumente. Es sei aber auch zu berücksichtigen, dass ihm der Führerschein schon am 23. September 1997 wieder ausgefolgt werden würde. Die Feststellung der Behörde erster Instanz, dass ein unsachgemäßer Umgang mit Waffen beim Beschwerdeführer "nicht ausgeschlossen werden" könne, sei für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 8 Abs. 1 WaffG 1997 nicht ausreichend. Ein Rückgriff auf diese "Generalbestimmung" bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 sei aber auch nur zulässig, wenn zusätzlich weitere nachteilige Tatsachen vorlägen, was beim Beschwerdeführer nicht der Fall sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 1 und 25 Abs. 2 und 3 WaffG 1996 ab. Dem Berufungsvorbringen hielt die belangte Behörde - abgesehen von einem Hinweis darauf, dass der erstinstanzliche Bescheid mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sei - im Wesentlichen entgegen, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 seien zwar nicht erfüllt, es lägen aber zwei schwerwiegende, noch nicht getilgte Verwaltungsübertretungen im Sinne dieser Gesetzesstelle vor und im Rahmen des Generaltatbestandes des § 1 (gemeint: § 8 Abs. 1 WaffG 1996) seien auch getilgte Bestrafungen für die Beurteilung der Verlässlichkeit heranzuziehen. § 8 Abs. 5 WaffG 1996 enthalte keine abschließende Regelung für im Zustand der Trunkenheit begangene schwerwiegende Verwaltungsübertretungen. Die Behörde könne unter Heranziehung des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 "bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles" dennoch (gemeint: auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996) zu dem Ergebnis gelangen, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht gegeben sei.
Die Anwendbarkeit dieses Standpunktes auf den vorliegenden Fall fasste die belangte Behörde abschließend wie folgt zusammen:
"Im gegenständlichen Fall liegen drei Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 vor, wobei entweder festgestellt wurde, dass Sie in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt haben oder dass Sie sich bei Vorliegen der in § 5 StVO bezeichneten Voraussetzungen geweigert haben, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Diesen drei Verwaltungsübertretungen ist gemein, dass sie nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und auch nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 8 Abs. 5 des Waffengesetzes 1996 als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen zu bezeichnen sind. Im Rahmen des Generaltatbestandes des § 8 Abs. 1 WaffG darf die Waffenbehörde auf getilgte Verurteilungen bzw. Verwaltungsstrafen für die Beurteilung der Verlässlichkeit einer Person im Sinne des Waffengesetzes heranziehen (VwGH-Erkenntnis vom 18.1.1995, Zl. 93/01/0906)."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der erstinstanzliche Bescheid - von dessen ihm zugestellter Ausfertigung der Beschwerdeführer mit seiner Berufung eine Kopie vorgelegt hat - trägt eine "DVR-Nummer", weshalb der Beschwerdeführer mit dem in der Beschwerde zu diesem Thema noch aufrecht erhaltenen Argument, der Einsatz automationsunterstützter Datenverarbeitung sei für ihn nicht erkennbar gewesen, auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 114 zu § 18 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung verwiesen werden kann.
In der Sache selbst vertritt der Beschwerdeführer vor allem die Ansicht, es habe nicht der Rechtslage entsprochen, die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden bei Nichterfüllung des Spezialtatbestandes des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 ohne Hinzutreten weiterer Sachverhaltselemente auf die Generalklausel des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 zu stützen.
§ 8 Abs. 1 bis 5 WaffG 1996 lauten:
"Verlässlichkeit
§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er
1.
alkohol- oder suchtkrank ist oder
2.
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3.
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
(3) Als nicht verlässlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung
1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder
3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder
4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist.
(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verlässlich sein, wenn das Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); Gleiches gilt, wenn das Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte.
(5) Weiters gilt ein Mensch als nicht verlässlich, der öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden ist, sofern keine dieser Bestrafungen getilgt ist."
Die Ansicht der belangten Behörde, bei Nichterfüllung eines Spezialtatbestandes - im gegebenen Fall: des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 - könne die waffenrechtliche Verlässlichkeit unter Einbeziehung der für ihre Verneinung nach dem Spezialtatbestand nicht ausreichenden Tatsachen in Anwendung der Generalklausel (§ 8 Abs. 1 WaffG 1996) zu verneinen sein, ist im Ansatz richtig und vom Verwaltungsgerichtshof schon zur vergleichbaren Bestimmung des § 6 WaffG 1986 vertreten worden (vgl. dazu - Beispiele aus der Vorjudikatur zusammenfassend - das Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0248, und danach vor allem noch die Erkenntnisse vom 10. Juli 1997, Zl. 95/20/0108, vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0357, vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0578, und vom 11. Dezember 1997, Zl. 97/20/0275). Fallbezogen wurde zu § 6 WaffG 1986 aber auch ausgesprochen, die bloße Tatsache einer einmaligen, unter keinen der Fälle des § 6 Abs. 2 Z. 1 bis 4 WaffG 1986 subsumierbaren Verurteilung (wegen schwerer Körperverletzung) reiche allein noch nicht aus, um die Annahme des Wegfalls der waffenrechtlichen Verlässlichkeit zu rechtfertigen (Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, Zl. 97/20/0048), und es wurden bei der Konkretisierung der Generalklausel Gegenschlüsse aus einem Spezialtatbestand gezogen (so im Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 94/20/0795, das Führen einer Waffe und Lenken eines Fahrzeuges im Zustand der Trunkenheit betreffend; vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0248).
In seiner Rechtsprechung zu § 8 WaffG 1996 hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Würdigung von Straftaten unter dem Gesichtspunkt der waffenrechtlichen Verlässlichkeit hervorgehoben, auch der Gesetzgeber des WaffG 1996 habe Straftäter mit ungetilgten Verurteilungen nicht grundsätzlich vom Erwerb waffenrechtlicher Berechtigungen ausgeschlossen und selbst die Verurteilung wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden, wegen Zuhälterei, Menschenhandels und anderer derartiger Delikte reiche ohne nähere Prüfung des Sachverhalts an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 für die Verneinung der Verlässlichkeit nicht aus, wenn nicht entweder schon frühere Verurteilungen wegen derartiger Delikte vorliegen oder die Strafe eine bestimmte Höhe übersteigt. Besondere Tatumstände auch einer nicht unter die Tatbestände des § 8 Abs. 3 WaffG 1996 subsumierbaren Verurteilung seien für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit aber von Bedeutung, insoweit sie einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug hätten. In diesem Sinne wurde der bloße Umstand einer Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB (Erkenntnis vom 19. Februar 1998, Zl. 97/20/0678) oder einer Vielzahl von Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen (Erkenntnis vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/20/0370) als nicht ausreichend erachtet, um waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wobei in dem zuletzt erwähnten Erkenntnis auch auf die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 Bezug genommen wurde. In anderen Fällen wurde die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit aufgrund eines - hinsichtlich der erfolgten Verurteilung die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 WaffG 1996 jeweils nicht erfüllenden - Deliktes aufgrund der konkreten Umstände des Falles bestätigt, weil etwa eine Waffe missbraucht worden war, um einer Drohung Nachdruck zu verleihen (Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0287), oder ein hohes Aggressionspotential zu Tage getreten war (Erkenntnis vom 29. Oktober 1998, Zl. 98/20/0308). Schließlich wurde in dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/20/0752, auch der Wertung (der bloßen Tatsache) einer Verurteilung nach § 3 g Verbotsgesetz als "Tatsache" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 Berechtigung zuerkannt, weil in Bezug auf die angegriffenen Rechtsgüter die Vergleichbarkeit mit bestimmten in § 8 Abs. 3 Z. 1 WaffG 1996 genannten Deliktstypen gegeben war und die verhängte Strafe über die in § 8 Abs. 3 und 4 WaffG 1996 für den zwingenden Ausschluss der Verlässlichkeit vorgesehenen Erfordernisse hinausging.
Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, der Beschwerdeführer sei im Sinne des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 öfter als zwei Mal - nämlich insgesamt drei Mal - wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 seien nur deshalb nicht erfüllt, weil die von der belangten Behörde zwar nicht im Einzelnen festgestellte, vom Beschwerdeführer aber auch nicht bestrittene Bestrafung wegen des Vorfalls am 31. Dezember 1989 bereits getilgt sei. Für die Verneinung der Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs. 1 WaffG 1996 sei dies aber kein Hindernis.
Die dem zugrunde liegende Ansicht der belangten Behörde, bei der Prüfung des Sachverhaltes gemäß § 8 Abs. 1 WaffG 1996 sei auch auf getilgte Bestrafungen Bedacht zu nehmen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die Nachweise bei Hauer/Keplinger, WaffG 1996, 40 und 45). Dies kann aber nicht in der Weise geschehen, dass der Sache nach nur Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 getroffen werden und das Fehlen eines Tatbestandsmerkmales (hier: der ausreichenden zeitlichen Nähe der ersten Bestrafung) nur zu dem Hinweis führt, dass es auf dieses Merkmal "im Rahmen des Generaltatbestandes des § 8 Abs. 1" WaffG 1996 nicht ankomme. § 8 Abs. 3 bis 5 WaffG 1996 können auch in Bezug auf andere als die dort genannten Verurteilungen ein Maßstab dafür sein, wann solche Verurteilungen als "Tatsachen" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 die dort umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/20/0752). In Bezug auf diejenigen Delikte, für die der Gesetzgeber in § 8 Abs. 3 bis 5 WaffG 1996 näher geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen die ein- oder mehrmalige Bestrafung wegen dieser Delikte der Annahme der waffenrechtlichen Verlässlichkeit jedenfalls entgegensteht, können die den Bestrafungen - falls diese die erwähnten Voraussetzungen nicht erfüllen - zugrunde liegenden Tathandlungen allein aber nur der Annahme waffenrechtlicher Verlässlichkeit entgegenstehen, wenn ihnen in ihrer konkret festzustellenden Ausprägung ein waffenrechtlicher Bezug im Sinne der zuvor dargestellten Rechtsprechung zu Eigen ist. Ist dies nicht der Fall, so können sie im Rahmen einer auf die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen oder die Bedeutung eines bestimmten anderen, letztlich ausschlaggebenden Vorfalles abstellenden Beurteilung noch immer von Bedeutung sein, was der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsdelikten schon wiederholt hervorgehoben hat (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 27. Jänner 1970, Zl. 680/69, vom 30. November 1976, Zl. 1655/76, vom 18. September 1979, Zlen. 1643, 1644/79, und vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0357). Für sich allein reichen sie in diesen Fällen aber nicht aus, um die waffenrechtliche Verlässlichkeit zu verneinen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nicht versucht, sich - über die festgestellten Verwaltungsübertretungen hinaus - von der Gesamtpersönlichkeit des Beschwerdeführers ein Bild zu machen, und sie hat auch in Bezug auf den Verlauf der den Bestrafungen des Beschwerdeführers jeweils zugrunde liegenden Verkehrskontrollen nicht festgestellt, dass dabei etwa eine in waffenrechtlicher Hinsicht relevante Aggressivität zu Tage getreten sei oder der über einen Waffenpass verfügende Beschwerdeführer etwa die Waffe im Fahrzeug mit sich geführt habe. Sollte Letzteres - vor allem beim letzten Vorfall - der Fall gewesen sein, so wäre die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers auch ohne Auseinandersetzung hierüber im Zuge der Amtshandlung, wie sie in dem mit dem Erkenntnis vom 30. November 1976, Zl. 1655/76, entschiedenen Fall gegeben war, in Frage zu stellen. Ein Führen der Waffe in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand reicht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne der im Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0248, wiedergegebenen Literaturmeinung in der Regel aus, um die Verlässlichkeit zu verneinen. Die in dem Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 94/20/0795, einerseits aus dem Erkenntnis vom 30. November 1976, Zl. 1655/76, abgeleiteten - unter dem Gesichtspunkt des Führens der Waffe insoweit aber nicht zwingenden - und andererseits aus § 6 Abs. 2 Z. 4 WaffG 1986 gezogenen gegenteiligen Schlüsse sind der Auslegung des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 - auch in Verbindung mit dem kein Führen der Waffe voraussetzenden Abs. 5 dieser Bestimmung - nicht zugrunde zu legen. Die belangte Behörde hat es aber verabsäumt, den Sachverhalt näher zu prüfen, weil sie gemeint hat, schon aus den Verwaltungsübertretungen als solchen auf die waffenrechtliche Unverlässlichkeit des Beschwerdeführers schließen zu können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass es noch darauf angekommen wäre, ob die belangte Behörde - wie der Beschwerdeführer meint - auch zu Unrecht davon ausgegangen ist, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 WaffG 1996 seien nur wegen der Tilgung der ersten Bestrafung nicht erfüllt.
Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Entrichtung einer Beilagengebühr zusätzlich zur Beschwerdegebühr nicht erforderlich war.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 21. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200139.X00Im RIS seit
27.02.2002Zuletzt aktualisiert am
14.10.2009