RS Vfgh 2017/6/30 G55/2017 (G55/2017-11)

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.06.2017
beobachten
merken

Index

27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GGG 1984 TP2 Anm 1a, ArtVI Z54

Leitsatz

Aufhebung der rückwirkenden Anordnung des Inkrafttretens der Neuregelung über die Pauschalgebühr für den Rekurs gegen einstweilige Verfügungen wegen Verstoßes gegen den aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Vertrauensschutz

Rechtssatz

Aufhebung der Wort- und Zeichenfolge ", die Anmerkung 1a zur Tarifpost 2" in ArtVI Z54 GGG 1984 idF BGBl I 190/2013.

Bei der Beurteilung einer rückwirkend in Kraft getretenen Bestimmung ist - insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit - auf den Zeitpunkt der Kundmachung der betreffenden Rechtsvorschrift im Bundesgesetzblatt abzustellen. Erst zu diesem Zeitpunkt steht die Änderung der Rechtslage für den Rechtsunterworfenen erkennbar und mit Sicherheit fest.

Der Rechtsunterworfene durfte im konkreten Fall unmittelbar vor Erlassung der rückwirkend in Kraft getretenen Anmerkung 1a zu TP 2 und 3 GGG davon ausgehen, dass für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen eine in erster Instanz erlassene einstweilige Verfügung keine Gebühr zu entrichten ist. Aufhebung der Anmerkung 1a zu TP 2 und 3 GGG idF BGBl I 29/2010 mit Erk VfSlg 19666/2012 und Ausspruch des Inkrafttretens der Aufhebung mit 30.06.2013. Angesichts des langen Zeitraumes (rund 1 Jahr), in dem der Gesetzgeber eine neue verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung erlassen konnte, ist für den VfGH kein Rechtfertigungsgrund für die rückwirkende Inkraftsetzung der in Prüfung gezogenen Bestimmung zu finden.

Es ist nicht auszuschließen (und auch nicht als Ausnahmefall anzusehen), dass - bei der für die Beurteilung der in Prüfung gezogenen Bestimmung gebotenen abstrakten Betrachtung, dh gelöst vom Anlassfall - Gerichtsgebühren in beträchtlicher Höhe zu entrichten sind und daher die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Gerichtsgebühren (allenfalls erheblichen Ausmaßes) anfallen oder nicht, von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des - auch die Gerichtsgebühren umfassenden - Prozessrisikos ist. Dies trifft auch für Provisorialverfahren zu.

An der Erheblichkeit des gesetzlichen Eingriffes im vorliegenden Fall vermag auch die Dauer der Rückwirkung von "lediglich" zwei Monaten nichts zu ändern, handelt es sich bei der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung doch um eine Regelung, die sämtliche Rechtsmittel erfasst, die im Rückwirkungszeitpunkt gegen Entscheidungen über einstweilige Verfügungen ergriffen worden sind. Anders als in dem dem Erk VfSlg 14515/1996 zugrunde liegenden Fall geht es hier auch nicht um das Verhältnis von (Transaktions-)Kosten zu Erträgen, sondern um zusätzliche Kosten für die im Verfahren unterliegende Verfahrenspartei. Allein aus diesem Grund scheidet es bereits aus, die Höhe der Gerichtsgebühren in ein Verhältnis zum Rechtsmittelinteresse einer Verfahrenspartei zu setzen.

(Anlassfall E2580/2016, E v 30.06.2017, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Rückwirkung, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G55.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten