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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung des Individualantrags eines Fiakerunternehmens auf Aufhebung von Bestimmungen des Wiener Fiaker- und Pferdemietwagengesetzes betreffend Ausübungsbeschränkungen beim Betrieb des Fiakergewerbes; kein Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes; zulässige Beschränkung des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung durch die - den Betrieb von Fiakerunternehmen in zeitlicher Hinsicht bzw im Hinblick auf bestimmte Wetterverhältnisse einschränkenden - Regelungen angesichts des öffentlichen Interesses am Tierschutz und an der Hintanhaltung von Gefahren und Beeinträchtigungen im Straßenverkehr; kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht; Regelungen zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sachlich begründbarRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags eines Fiakerunternehmens auf Aufhebung von §3 Abs2 letzter Satz und Abs4 Wr Fiaker- und PferdemietwagenG, LGBl 57/2000 idF LGBl 34/2016.
Der antragstellenden Gesellschaft wird durch die angefochtenen Bestimmungen des §3 Abs2 letzter Satz sowie des §3 Abs4 erster, zweiter und vierter bis achter Satz Wr Fiaker- und PferdemietwagenG in bestimmter (insbesondere in zeitlicher) Hinsicht verboten, ihre Berechtigung nach dem Wr Fiaker- und Pferdemietwagengesetz auszuüben. Angesichts der aufrechten Konzession, die die antragstellende Gesellschaft zur Ausübung des Fiakerunternehmens berechtigt, ist der durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte Eingriff auch aktuell.
Kein zumutbarer anderer Weg zur Herantragung der Bedenken an den VfGH; Provozierung eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens nicht zumutbar.
Regelungszusammenhang des §3 Abs4 dritter Satz Wr Fiaker- und PferdemietwagenG mit den übrigen Sätzen des Abs4.
Die angefochtenen Bestimmungen wurden nicht im Widerspruch zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung erlassen.
Gemäß §1 Abs3 GelVerkG gehören Angelegenheiten der Beförderung von Personen mit Fahrzeugen, die durch die Kraft von Tieren bewegt werden, nicht zu den Angelegenheiten des Gewerbes iSd Art10 Abs1 Z8 B-VG. Diese Bestimmung steht im Verfassungsrang. Den Gesetzesmaterialien zufolge "soll [mit dieser Bestimmung] klargestellt werden, daß alle Angelegenheiten der Beförderung von Personen mit Fahrzeugen, die durch die Kraft von Tieren bewegt werden (zB Fiaker), nach Art15 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zukommen" (vgl AB 827 BlgNR 18. GP, 1).
Die angefochtenen Bestimmungen dienen der Aufrechterhaltung der Sicherheit beim Betrieb von Fiakerunternehmen und somit der Abwehr spezifischer Gefahren, die in diesem Verwaltungsbereich typischerweise auftreten können. Aus kompetenzrechtlicher Sicht bilden diese Bestimmungen einen Annex zur Hauptmaterie, weshalb ihre Erlassung bzw Änderung von der Landeskompetenz gedeckt ist. Die angefochtenen Bestimmungen dienen zwar auch der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und weisen insofern einen Zusammenhang zu der in die Gesetzgebung des Bundes fallenden Straßenpolizei auf, vorliegend steht jedoch als Zielrichtung die Regelung von Rahmenbedingungen beim Betrieb von Fiakerunternehmen im Vordergrund. Die Regelung dieser Lebenssachverhalte ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt kompetenzrechtlich zulässig. Es lässt sich weder dem Wortlaut des Tierschutzgesetzes, das Regelungen über die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten enthält, noch den bezughabenden Gesetzesmaterialien ein Hinweis darauf entnehmen, dass die Kompetenz zur Regelung auch der "Angelegenheiten der Beförderung von Personen mit Fahrzeugen, die durch die Kraft von Tieren bewegt werden (zB Fiaker)" durch die Einfügung des Kompetenztatbestandes "Tierschutz" in Art11 Abs1 Z8 B-VG mit 01.01.2005 auf den Bund übergegangen wäre.
Daraus folgt, dass Regelungen, die dem Einsatz von Tieren im Rahmen von Fahrzeugen, die mit der Kraft von Tieren bewegt werden, nicht von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tierschutzes umfasst sind.
Keine Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.
Die angefochtenen Regelungen bewirken einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung. Sie bilden jeweils eine Ausübungsbeschränkung, indem der Einsatz eines Zugpferdes auf achtzehn Tage pro Monat beschränkt, der Betrieb eines Fiakerunternehmens und das Auffahren auf Standplätze nur zu gewissen Zeiten gestattet und durch eine neu eingeführte "Hitzeregelung" an bestimmten Tagen zur Gänze untersagt wird.
Diese Beschränkungen verfolgen ua das - im öffentlichen Interesse gelegene - Ziel des Schutzes von Tieren, die von Fiakerunternehmen eingesetzt werden, vor Nachteilen, die aus der Dauer des Einsatzes bzw aus dem Einsatz bei bestimmten Wetter- bzw Temperaturverhältnissen resultieren. Die angefochtenen Bestimmungen dienen letztlich auch dem Ziel der Hintanhaltung von Gefahren im Straßenverkehr und der Beeinträchtigung von Rechten und Interessen anderer Verkehrsteilnehmer, die mit dem Einsatz von Fiakerpferden im Stadtverkehr einhergehen, und zwar insoweit, als sie Gefahrensituationen im Straßenverkehr, die durch den Einsatz von übermüdeten oder geschwächten Tieren auftreten können, vermeiden.
Regelungen dieser Art sind geeignet, dem Ziel des Schutzes der von Fiakerunternehmen eingesetzten Pferde insoweit zu dienen, als sie deren Belastung durch den Einsatz als Zugtiere im städtischen Bereich begrenzen. Die angefochtenen Bestimmungen sind auch geeignet, die Betriebssicherheit der von Fiakerunternehmen eingesetzten Gespanne zu gewährleisten, indem sie ausreichende Ruhezeiten für Fiakerpferde und die Vermeidung von außergewöhnlichen Hitzebelastungen festschreiben. Der Ausschluss des Betriebs während der Nachtstunden gewährleistet zudem den Schutz vor Beeinträchtigung der Rechte und Interessen Dritter durch einschlägigen Lärm.
Die Regelungen sind ferner auch adäquat: Die Nachteile von Fiakerunternehmen durch die zeitliche Beschränkung des Einsatzes von Pferden wiegen weniger schwer als die durch diese Beschränkungen erreichten Vorteile für die Gesundheit der zum Einsatz kommenden Tiere und für die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer.
Die Beschränkungen der Erwerbsfreiheit durch §3 Abs2 letzter Satz und Abs4 Wr Fiaker- und PferdemietwagenG erweisen sich daher als zulässige Beschränkungen des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.
Keine Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums; Verweis auf das zur Erwerbsausübungsfreiheit Gesagte.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz; sachlich begründbare Regelungen.
Schlagworte
Fiaker, Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Kompetenz Bund - Länder, Berücksichtigungsprinzip, Erwerbsausübungsfreiheit, Tierschutz, Tierhaltung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:G347.2016Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019