Index
L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung von Änderungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Proleb wegen gesetzwidriger Kundmachung; rechtswidrige Abweichung des kundgemachten Planes der ÖEK-Änderung bzw der kundgemachten Fassung der Flächenwidmungsplanänderung vom Inhalt der vom Gemeinderat beschlossenen Verordnung; Aufhebung auch einer darauf beruhenden Verordnung über die Feststellung der Vollwertigkeit von BaulandSpruch
I. 1. Die "Verordnung über die vom Gemeinderat der Gemeinde Proleb am 15.12.2009 beschlossene Anpassung an den Rechtsbestand des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr 3.00 sowie der Flächenwidmungsplan-Änderung, Verfahrensfall Nr 3.06, welche in der Zeit vom 27.10.2008 bis 22.12.2008 und vom 20.04.2009 bis 15.06.2009 öffentlich aufgelegt wurde", kundgemacht an der Amtstafel vom 2. bis 17. Juni 2010, wird zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die "Verordnung über die vom Gemeinderat der Gemeinde Proleb am 15.12.2009 beschlossene Flächenwidmungsplan-Änderung, Verfahrensfall Nr 3.06 'Köllach Au', welche in der Zeit vom 23.12.2008 bis 17.02.2009 und vom 20.04.2009 bis 15.06.2009 öffentlich aufgelegt wurde", kundgemacht an der Amtstafel vom 2. bis 17. Juni 2010, wird, soweit sie die Grundstücke 129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach, betrifft, als gesetzwidrig aufgehoben.
3. Die "Verordnung über die vom Gemeinderat der Gemeinde Proleb gem §23 Abs3 Stmk ROG 1974 am 02.10.2013 beschlossene Teilaufhebung für das Grst. Nr 129/3, EZ 146, das Grst. Nr 138/5, EZ 143, das Grst. Nr 138/6, EZ 144[,] und das Grst. Nr 130/3, EZ 145[,] alle KG 60320 Köllach, des Aufschließungsgebietes für Reines Wohngebiet (L(WR)) gemäß §23 (3) iVm (5) lita) und §26c Stmk. ROG 1974, LGBl.Nr 127/1974 idF LGBl.Nr 89/2008, mit einem gebietstypischen Bebauungsdichterahmen von 0,2-0,4 zur Verordnung des Flächenwidmungsplanes, VF 3.06 [...]", kundgemacht an der Amtstafel vom 8. bis 22. Oktober 2013, wird zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
III. Im Übrigen – hinsichtlich aller anderen Grundstücke des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung – wird die "Verordnung über die vom Gemeinderat der Gemeinde Proleb am 15.12.2009 beschlossene Flächenwidmungsplan-Änderung, Verfahrensfall Nr 3.06 'Köllach Au', welche in der Zeit vom 23.12.2008 bis 17.02.2009 und vom 20.04.2009 bis 15.06.2009 öffentlich aufgelegt wurde", kundgemacht an der Amtstafel vom 2. bis 17. Juni 2010, nicht aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E820-823/2016 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Mit vier Eingaben vom 20. Dezember 2006 (eine) und 9. Jänner 2007 (drei) beantragten sieben Bauwerber die Erteilung von Baubewilligungen für insgesamt vier Einfamilienwohnhäuser mit überdachten Abstellflächen für sieben PKW auf vier in der Gemeinde Proleb in der Steiermark gelegenen Baugrundstücken (129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach). Mit vier Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde Proleb wurden diese Baubewilligungen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens beschritt dagegen als Nachbarin den Rechtsweg (Gemeinderat, Landesregierung) und erhob letztlich gemäß Art144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (B1963-1966/07). Dieser hob die angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung – nach Durchführung eines Verordnungsprüfungsverfahrens (s.u. Pkt. III.5.) – wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen auf. In der Folge behob die Steiermärkische Landesregierung die Berufungsbescheide des Gemeinderates der Gemeinde Proleb und verwies die Angelegenheit an den Gemeinderat zur neuerlichen Entscheidung zurück.
1.2. Im zweiten Rechtsgang wies der Gemeinderat die Berufungen mit Bescheiden vom 24. Oktober 2013 neuerlich ab. Den Beschwerden gegen diese Berufungsbescheide gab das an die Stelle der Steiermärkischen Landesregierung getretene Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen mit der Begründung statt, dass die gegen die heranrückende Wohnbebauung gerichteten Einwendungen gemäß §26 Abs4 Stmk BauG wegen der nunmehrigen Widmung der Baugrundstücke als "Reines Wohngebiet", welche einen Immissionsschutz gewähre, nun – im zweiten Rechtsgang – zulässig seien und nur auf Grundlage eines schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens beantwortet werden könnten.
1.3. Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens wies der Gemeinderat auch im dritten Rechtsgang die Berufungen der Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens mit vier Bescheiden vom 17. Dezember 2015 ab. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark bestätigte diese Berufungsentscheidungen mit Erkenntnissen vom 21. März 2016 bzw. 18. April 2016.
1.4. Gegen diese richtet sich die zu E820-823/2016 protokollierte Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der neben Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK, Art47 GRC) auch ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip (Art18 B-VG) und insbesondere auch die Anwendung gesetzwidrig erlassener Verordnungen geltend gemacht werden.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungen entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 14. März 2017 beschlossen, diese Verordnungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Die Steiermärkische Landesregierung legte die Bezug habenden Aktenteile vor und erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken teilweise entgegentritt und beantragt, die Gesetzmäßigkeit der Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes festzustellen. Ebenso gab die verordnungserlassende Behörde, der Gemeinderat von Proleb, eine Äußerung ab; die Verordnungsakten hatte der Gemeinderat bereits im Anlassverfahren übermittelt. Die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens legte Urkunden über ein weiteres Bauverfahren im Planungsgebiet vor und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
II. Rechtslage
1. §§22, 23 und 26c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl 127/1974 idF LGBl 89/2008, (im Folgenden: Stmk ROG 1974) lauteten (auszugsweise):
"Flächenwidmungsplan
§22. (1)-(2) [...]
(3) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Hiebei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:
1. Bauland,
2. Verkehrsflächen,
3. Freiland.
(4)-(12) [...]"
"Bauland
"§23. (1) Als vollwertiges Bauland dürfen, soweit nicht Ausnahmen gemäß Abs2 vorgesehen werden, nur Grundflächen festgelegt werden, die dem voraussichtlichen Baulandbedarf für die zu erwartende Siedlungsentwicklung in der Gemeinde entsprechen und
1.-4.[...]
5. sie keiner der beabsichtigten Nutzung widersprechenden Immissionsbelastung (Lärm, Luftschadstoffe, Erschütterungen u. dgl.) unterliegen.
Im Bauland sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert auszuweisen: Auffüllungsgebiete, Aufschließungsgebiete, Sanierungsgebiete und vollwertiges Bauland mit den erforderlichen Baugebieten.
(2) [entfallen]
(3) Innerhalb des Baulandes sind Grundflächen als Aufschließungsgebiete festzulegen, wenn sie zur Zeit der Planerstellung mangelhaft erschlossen sind [...]
(4) [...]
(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:
a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, [...]
b)-e) [...]
f) Dorfgebiete, das sind Flächen, [...]
g)-l)
(5a)-(17) [...]"
"Vorbehaltsflächen
§26c. (1) [...]
(2) Im Sinne des §26 können von der Gemeinde zur Sicherstellung geeigneter Flächen für den förderbaren Wohnbau im Sinne des Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetzes 1993 in der jeweils geltenden Fassung oder zur Sicherstellung geeigneter Flächen für Gewerbe und Industrie Vorbehaltsflächen ausgewiesen werden, wenn dies im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegt ist. [...]
(3)-(7) [...]"
2. §§26, 28, 29 und 30 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010, LGBl 49, in der Stammfassung (im Folgenden: Stmk ROG 2010) lauten (auszugsweise):
"Inhalt des Flächenwidmungsplans
§26. (1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:
1. Bauland,
2. Verkehrsflächen,
3. Freiland.
[...]
(2)-(7) [...]"
"Bauland
§28. (1) Flächen, die als Bauland geeignet sind, sind in Baulandarten und darüber hinaus entsprechend den örtlichen Erfordernissen in Baugebiete einzuteilen.
(2) [...]"
"Baulandart
§29. (1) Im Bauland sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit auszuweisen:
1. vollwertiges Bauland (Abs2),
2. Aufschließungsgebiete (Abs3),
3. Sanierungsgebiete (Abs4).
(2) [...]
(3) [...] Die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet hat der Gemeinderat nach Erfüllung der Aufschließungserfordernisse unter Anführung der Gründe für die Aufhebung zu beschließen. Diese Verordnung ist unter Abstandnahme vom Verfahren nach §38 kundzumachen.
(4) [...]"
"Baugebiete
§30. (1) Als Baugebiete kommen in Betracht:
1. reine Wohngebiete, das sind Flächen, [...]
2.-6. [...]
7. Dorfgebiete, das sind Flächen, [...]
8.-10. [...]
(2)-(9) [...]"
3. §26 Abs4 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl 59/1995, idF LGBl 78/2003 lautete:
"(4) Bei Neu- oder Zubauten, die dem Wohnen dienen, sind auch Einwendungen im Sinne §26 Abs1 Z1 zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer genehmigten benachbarten gewerblichen oder landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsanlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken (heranrückende Wohnbebauung). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf rechtmäßige Emissionen, deren Zulässigkeit vom Nachbarn zu belegen ist."
III. Widmungsgeschehen
Aus den Verordnungsakten ergibt sich für die Baugrundstücke 129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach, folgende Widmungsgeschichte:
1. Am 16. Jänner 2003 beschloss der Gemeinderat von Proleb das Örtliche Entwicklungskonzept (ÖEK) 3.00 und den Flächenwidmungsplan 3.00. In diesem sind die Baugrundstücke als "L" (Freiland - landwirtschaftlich genutzte Fläche gemäß §25 Stmk ROG 1974) ausgewiesen.
2. Am 8. November 2005 folgten die 1. Anpassung des ÖEK 3.00 (im Folgenden: ÖEK-Änderung 3.01) und die Flächenwidmungsplan-Änderung, Verfahrensfall Nr 3.03 (im Folgenden: Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03). In der ÖEK-Änderung 3.01 wurde "in Ergänzung zu den im Regionalplan festgelegten Siedlungsschwerpunkten im Rahmen der Örtlichen Raumplanung der Örtliche Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au' festgelegt". Im Rahmen der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03 bekamen die Baugrundstücke die Widmung "L(DO) 0.2-0.5" (Aufschließungsgebiet für Dorfgebiet gemäß §23 Abs3 iVm Abs5 litf Stmk ROG 1974 mit einer Bebauungsdichte 0.2-0.5).
3. Mit Verordnung vom 2. April 2007 wurde für das Aufschließungsgebiet der Kategorie "Dorfgebiet" mit einer Bebauungsdichte von 0,2-0,5 das Vorliegen der Aufschließungserfordernisse festgestellt und dieses dem vollwertigen Bauland zugeordnet (im Folgenden: Vollwertigkeitsverordnung 2007).
4. Am 15. Dezember 2009 – zu diesem Zeitpunkt war die Prüfung der ÖEK-Änderung 3.01, der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03 und der Vollwertigkeitsverordnung 2007 beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig (s.u. Pkt. 5.) – beschloss der Gemeinderat die "Rücknahme der 1. Anpassung des rechtswirksamen Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr 3.00 einschließlich zugehörigem Siedlungsleitbild (Entwicklungsplan) für den Teilbereich Köllach-Au" (im Folgenden: ÖEK-Änderung 3.02) und gleichzeitig die "Flächenwidmungsplan-Änderung, Verfahrensfall Nr 3.06 'Köllach Au'" (im Folgenden: Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06).
In der ÖEK-Änderung 3.02 wurde neben der Rücknahme der ÖEK-Änderung 3.01 "eine neue Zuordnung der einzelnen Funktionen entsprechend den angestrebten mittel- bis langfristigen Entwicklungen" beschlossen und es wurde im "Sinne der geltenden Bestimmungen des §26c (2) Stmk. ROG 1974 idgF [...] der Siedlungsraum Köllach-Au als Vorbehaltsfläche zur Sicherstellung geeigneter Flächen für den förderbaren Wohnbau festgelegt". In der planlichen Darstellung der ÖEK-Änderung 3.02 scheinen die Baugrundstücke nicht als Teil dieser Vorbehaltsfläche auf, sondern als "Wohnbereich mit überwiegender Wohnnutzung".
In der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 wurde für die Baugrundstücke die Widmung "WR 0.2-0.4" (Bauland - Reines Wohngebiet gemäß §23 Abs5 lita Stmk ROG 1974) beschlossen.
5. Noch vor Kundmachung dieser Änderungen hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Februar 2010, VfSlg 19.006/2010, die ÖEK-Änderung 3.01 (Spruchpunkt II.1.), die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03 (Spruchpunkt II.2.) und die Vollwertigkeitsverordnung 2007 (Spruchpunkt II.3.) auf. Die Entscheidung wurde am 26. März 2010 im Landesgesetzblatt kundgemacht (LGBl 21/2010).
6. Veranlasst durch diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes überarbeitete ein von der Gemeinde beauftragter staatlich befugter und beeideter Ziviltechniker die vom Gemeinderat am 15. Dezember 2009 beschlossenen Fassungen der ÖEK-Änderung 3.02 und der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 – vor deren Kundmachung – in folgender Weise:
Der Verfassungsgerichtshof hatte die ÖEK-Änderung 3.01 aufgehoben. Daher wurden im Wesentlichen die Passagen aus der am 15. Dezember 2009 beschlossenen Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 gestrichen, die die Rücknahme der ÖEK-Änderung 3.01 betrafen.
Parallel dazu – auch die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03 war aufgehoben worden – wurde in einer "redaktionell angepassten" Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 bei der (textlichen und planlichen) Darstellung der Umwidmung der Baugrundstücke von der Widmung der Fassung 3.00 (Freiland - landwirtschaftlich genutzte Flächen) als Ist-Zustand ausgegangen. In der überarbeiteten Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 wurde der Soll-Zustand "L(WR) 0.2-0.4" (Aufschließungsgebiet für Reines Wohngebiet gemäß §23 Abs3 iVm Abs5 lita Stmk ROG 1974) und "VF (Vorbehaltsfläche förderbaren Wohnbau)" gemäß §26c Stmk ROG 1974 ausgewiesen.
Die überarbeiteten Fassungen – am Deckblatt findet sich jeweils der Hinweis: "redaktionelle Anpassung, Stand der Ausfertigung: 14.04.2010" – wurden beide mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Mai 2010 gemäß §21 Abs8 bzw. §29 Abs7 Stmk ROG 1974 "in den am 15.12.2009 vom Gemeinderat beschlossenen Fassungen genehmigt" und vom 2. bis 17. Juni 2010 an der Amtstafel kundgemacht.
7. Mit Verordnung vom 7. Oktober 2013, kundgemacht an der Amtstafel vom 8. bis 22. Oktober 2013, beschloss der Gemeinderat auf Grund der Erfüllung der Aufschließungserfordernisse für die Baugrundstücke die Aufhebung des Aufschließungsgebietes. Für die Baugrundstücke wird in der Verordnung "Reines Wohngebiet gem. §23 (5) lita) Stmk ROG 1974 idgF mit einem gebietstypischen Bebauungsdichterahmen von 0,2-0,4" festgestellt (im Folgenden: Vollwertigkeitsverordnung 2013).
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der ÖEK-Änderung 3.02 und der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"4.1. Der Gemeinderat hat am 15. Dezember 2009 die ÖEK-Änderung 3.02 und die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 jeweils bestehend aus einem Wortlaut und planlichen Darstellungen samt Planzeichenerklärung beschlossen. Mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.006/2010, kundgemacht am 26. März 2010, wurden die ÖEK-Änderung 3.01 und die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.03 aufgehoben. Aus diesem Grunde wurden – anscheinend ohne neuerliche Beschlussfassung des Gemeinderates – Änderungen in der kundzumachenden Fassung vorgenommen, indem die 'Rechtstatbestände sowohl der IST- wie auch der SOLL-Darstellung' sowohl der ÖEK-Änderung 3.02 als auch der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 angepasst wurden.
Es wurden insbesondere folgende (inhaltliche) Änderungen vorgenommen: In beiden Raumordnungsplänen wurden der Titel und die textliche und planliche IST-Darstellung weitgehend verändert. Die Umwidmung der Grundstücke 132 und 137 ist erst in der kundgemachten Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 auch im Wortlaut ausgewiesen; in der beschlossenen Fassung ist diese nur in der planlichen SOLL-Darstellung erkennbar. Der Erläuterungsbericht zur Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 enthält nur in der kundgemachten Fassung die Ankündigung von privatwirtschaftlichen 'Maßnahmen zur aktiven Bodenpolitik' gemäß §26a Stmk ROG 1974. Bemerkenswert ist auch, dass die kundgemachten Fassungen jeweils am Deckblatt den Hinweis 'Stand der Ausfertigung: 14.04.2010' tragen, im Inneren (auf Seite 3 bzw. 5) sich aber eine Unterschrift des Bürgermeisters mit Datum '15.12.2009' findet. Vor allem finden sich auch in den für die Normsetzung jedenfalls maßgeblichen Festsetzungen des SOLL-Zustandes jeweils augenfällige Differenzen: Die beschlossene Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 zeigt in der planlichen SOLL-Darstellung den Vermerk 'Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'' und (in der Legende nicht erklärte, vermutlich Siedlungsgrenzen ausweisende) rote und grüne Dreiecke. Beide sind in der kundgemachten Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 in der planlichen SOLL-Darstellung nicht mehr enthalten.
Darüber hinaus unterscheiden sich die Bestimmungen der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 betreffend die Baugrundstücke in den beiden Fassungen, indem sie diese nur in der kundgemachten 'redaktionell geänderten' Fassung – sowohl im Text der Verordnung als auch in der planlichen SOLL-Darstellung – als Teil eines 'Aufschließungsgebiets' und als 'Vorbehaltsfläche für den förderbaren Wohnbau' ausweisen, was auf Grund anderer Beschlussfassung im Gemeinderat diese Widmung auch inhaltlich gesetzwidrig machen dürfte.
Der Verfassungsgerichtshof hegt daher zunächst das Bedenken, dass diese Abweichungen zwischen den beschlossenen und kundgemachten Fassungen dazu führen, dass diese Verordnungen nicht gesetzmäßig kundgemacht wurden und schon aus diesem Grund zur Gänze (Art139 Abs3 Z3 B-VG) mit Gesetzwidrigkeit belastet sind.
4.2. Gemäß §26c Abs2 Stmk ROG 1974 konnten – wie später gemäß §37 Abs2 Stmk ROG 2010 – im Flächenwidmungsplan Flächen für den förderbaren Wohnbau ausgewiesen werden, wenn dies im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegt war. Im Örtlichen Entwicklungskonzept idF der ÖEK-Änderung 3.02 sind die Baugrundstücke – im Gegensatz zu nördlich davon gelegenen Liegenschaften –nicht mit der Ausweisung 'Sicherstellung geeigneter Flächen für den förderbaren Wohnbau' versehen.
Die Ausweisung der Baugrundstücke mit 'Vorbehaltsfläche für den förderbaren Wohnbau' in der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 dürfte daher dem §26c Abs2 Stmk ROG 1974 widersprochen haben. Die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 dürfte auch aus diesem Grund gesetzwidrig sein."
Diese Bedenken konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nur teilweise zerstreut werden:
2.2. Abweichungen in den IST-Darstellungen in den kundgemachten Fassungen der ÖEK-Änderung 3.02 und der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06
2.2.1. In der Äußerung der Steiermärkischen Landesregierung wird dazu ausgeführt:
"Die Veränderungen der 'Ist- Darstellung' erfolgten auf Grund der mit der Aufhebung der bestehenden Regelungen durch den VfGH geänderten Ausgangslage. Da die 'Ist-Darstellung' lediglich erläuternde Funktion hat und keine Rechtswirkung erzeugt, stellt die Tatsache, dass diese redaktionelle Anpassung ohne ergänzende Beschlussfassung erfolgt ist, keinen gravierenden rechtlichen Mangel dar."
Die Gemeinde Proleb teilt im Wesentlichen diese Ansicht.
2.2.2. Der Auffassung, dass ein als "Ist-Darstellung" bezeichneter Teil einer generellen Norm immer nur erläuternde Funktion habe und keine Rechtswirkungen erzeuge, kann in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Es ist im Einzelfall auf Grund des Inhalts zu beurteilen, ob eine "Ist-Darstellung" nur deklaratorischen Charakter hat und bloß den bestehenden Normbestand wiedergibt oder ob diese Rechtswirkungen entfaltet. Letzteres liegt aber nicht vor. Sowohl aus der Bezeichnung als auch einer Betrachtung aller Teile der Kundmachung einschließlich des ebenfalls kundgemachten Erläuterungsberichts (der auch keinen normativen Inhalt hat) ergibt sich zweifelsfrei, dass die IST-Darstellung lediglich den vor der Änderung bestehenden Widmungsstand wiedergeben will und keine normativen Festlegungen trifft: Die nach der Beschlussfassung im Gemeinderat vorgenommenen Änderungen in den IST-Darstellungen der kundgemachten Fassungen der ÖEK-Änderung 3.02 und der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 hatten keine normative Auswirkungen und änderten den durch Beschluss der Gemeindevertretung ausgedrückten Willen des Normsetzers offenkundig nicht (vgl. VfSlg 12.952/1991, 14.757/1997).
2.3. Abweichungen in der SOLL-Darstellung der kundgemachten Fassung der ÖEK-Änderung 3.02
Im Prüfungsbeschluss hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass sich jedenfalls auch in den für die Normsetzung maßgeblichen Festsetzungen des SOLL-Zustandes der ÖEK-Änderung 3.02 augenfällige Differenzen finden: Die beschlossene Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 zeige in der planlichen SOLL-Darstellung den Vermerk "Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" und (in der Legende nicht erklärte, vermutlich Siedlungsgrenzen ausweisende) rote und grüne Dreiecke. Beide seien in der planlichen SOLL-Darstellung der kundgemachten Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 nicht mehr enthalten.
2.3.1. In der Äußerung der Steiermärkischen Landesregierung wird diesem Bedenken Folgendes entgegengehalten:
"Das Fehlen des Schriftzuges 'örtlicher Siedlungsschwerpunkt Köllach Au' in der abgeänderten Fassung des Planausschnitts der ÖEK Änderung stellt allenfalls einen redaktionellen Mangel dar, zumal sich der Schriftzug außerhalb des Geltungsbereiches der ÖEK Änderung befindet und eine Änderung dieser für den gesamten Ortsteil geltenden Einstufung nachweisbar nie beabsichtigt war. Gleiches gilt für die ursprünglich durch rote und grüne Dreiecke dargestellte und in der ergänzten Fassung durch eine durchgehende rote Linie ersetzte Siedlungsgrenzen. Die Änderung der Darstellung der Entwicklungsgrenze erfolgte unter Berücksichtigung der in der Zwischenzeit geänderten Planzeichenverordnung zwar auf dem Planausschnitt, jedoch außerhalb des Geltungsbereiches. Auch dies stellt aus unserer Sicht keinen relevanten Mangel dar."
Die Gemeinde Proleb schließt sich diesen Argumenten an:
"Die Soll-Darstellung der Änderung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr 3.00 wurde in der redaktionellen Anpassung innerhalb des (gleichbleibenden) Geltungsbereiches nicht verändert.
Die redaktionellen Anpassungen außerhalb des Geltungsbereiches umfassten plantechnische Klarstellungen, die Festlegungen innerhalb des Geltungsbereiches blieben jedoch trotz redaktioneller Anpassung für das gegenständliche Änderungsverfahren unverändert."
2.3.2. Der Steiermärkischen Landesregierung und der Gemeinde Proleb kann nur teilweise beigepflichtet werden:
Hinsichtlich der roten und grünen Dreiecke, die Abgrenzungen des äußeren Siedlungsrandes darstellen, überzeugt die Argumentation der Steiermärkischen Landesregierung und der Gemeinde Proleb, dass diese Dreiecke außerhalb der Darstellung des Geltungsbereichs der ÖEK-Änderung 3.02 eingezeichnet sind und insbesondere auch nicht deren Geltungsbereich betreffen, sodass der Entfall dieser Planzeichen keine materielle Änderung des Verordnungsinhalts bewirken kann.
Für den Wegfall des Schriftzuges "Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" trifft diese Argumentation aber nicht zu: Der "Örtliche Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" wurde in §2 Abs2 der ÖEK-Änderung 3.01 (s.o. Pkt. III.2.) in Ergänzung zu den im Regionalplan, LGBl 4/2005, festgelegten Siedlungsschwerpunkten festgelegt. Er erstreckte sich laut dieser Bestimmung "von der äußeren Siedlungsgrenze (lfde. Nr 18) im Osten bis zu den Baulandbeständen östlich der L 122" und umfasste damit auch den Geltungsbereich der in Prüfung gezogenen ÖEK-Änderung 3.02. Das Beibehalten dieses Schriftzuges "örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach Au' " in der planlichen SOLL-Darstellung der nicht redaktionell geänderten Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 kann daher nur als Weiterbestehen dieses räumlich definierten örtlichen Siedlungsschwerpunktes gedeutet werden – unabhängig davon, ob der diesbezügliche Schriftzug sich innerhalb oder außerhalb der planlichen Darstellung des räumlichen Geltungsbereichs der ÖEK-Änderung 3.02 findet.
Beim Entfall des Schriftzuges "Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" handelt es sich auch nicht um eine bloße redaktionelle Änderung (siehe dazu VfSlg 14.757/1997). Die verbale Festlegung des §2 der ÖEK-Änderung 3.02 in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses nimmt Bezug auf diesen in die planliche Darstellung aufgenommenen, einen Teil der planlichen Festlegungen des zu ändernden ÖEK bildenden Begriff (und steht anscheinend im Zusammenhang mit der angestrebten Rücknahme der ÖEK-Änderung 3.01 hinsichtlich der Festlegung des Siedlungsschwerpunktes "Köllach-Au"). Der Entfall in der korrigierten kundgemachten Fassung soll dem offensichlich Rechnung tragen und einen Widerspruch zwischen verbalen und planlichen Festlegungen beseitigen. Auch wenn nach §21 Abs2 Stmk ROG 2010 (bzw. §21 Abs6 Stmk ROG 1974) im Falle eines solchen Widerspruchs der Wortlaut der Verordnung vorgeht, ändert dies nichts am normativen Charakter der planlichen Festlegung:
Eine Verordnung ist gesetzwidrig, wenn die Kundmachung nicht mit dem Beschluss des Verordnungsgebers übereinstimmt (VfSlg 13.910/1994, 15.192/1998). Weist ein kundgemachter Plan im Vergleich zu der dem Beschluss des Gemeinderats zugrunde liegenden Fassung des Plans im Interesse seiner besseren Verständlichkeit zeichnerische Ergänzungen auf und wird mit diesen "Korrekturen" keine inhaltliche Änderung der normativen Aussagen des Plans vorgenommen, liegt keine rechtswidrige Abweichung des kundgemachten Plans vom Inhalt der vom Gemeinderat beschlossenen Verordnung vor (VfSlg 14.757/1997). Dies trifft auf die Abweichungen in der SOLL-Darstellung der kundgemachten Fassung der ÖEK-Änderung 3.02 aber nicht zu. Mit dem Wegfall des Schriftzuges "Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" wurde nicht bloß eine zeichnerische Ergänzung im Interesse der besseren Verständlichkeit vorgenommen, sondern dadurch ergibt sich eine inhaltliche Änderung, deren mögliche Irrelevanz sich erst auf Grund einer Interpretation auf Basis des §21 Abs2 Stmk ROG 2010 (bzw. §21 Abs6 Stmk ROG 1974) erschließt. Für die Interpretation des ÖEK (in der beschlossenen Fassung) ist nämlich auch diese Festlegung einzubeziehen, zumal sie offenkundig in einem Spannungsverhältnis zu den verbalen Festlegungen steht; dass dies angesichts der Gesetzeslage zu dem Ergebnis führen kann, dass die verbale Festlegung und nicht die planliche Darstellung gilt, vermag an deren normativem Charakter nichts zu ändern. In einem solchen Fall liegt also ein Publikationsmangel vor, der der Berichtigung nicht zugänglich ist (vgl. VfSlg 16.852/2003, insb. 519). Der Verfassungsgerichtshof hält daher seine Bedenken gegen die ÖEK-Änderung 3.02 aufrecht.
Gemäß Art139 Abs3 B-VG darf der Verfassungsgerichtshof in einem amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahren eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als er sie in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Gelangt der Verfassungsgerichtshof jedoch zur Auffassung, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, so hat er die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Wegfall des Schriftzuges "Örtlicher Siedlungsschwerpunkt 'Köllach-Au'" ist ein Kundmachungsmangel, der den ganzen räumlichen Geltungsbereich der in Prüfung gezogenen ÖEK-Änderung 3.02 betrifft. Die ÖEK-Änderung 3.02 ist daher zur Gänze aufzuheben.
2.4. Abweichungen in der SOLL-Darstellung der kundgemachten Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06
Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass die Baugrundstücke nur in der kundgemachten "redaktionell geänderten" Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 – sowohl im Text der Verordnung als auch in der planlichen SOLL-Darstellung – als Teil eines "Aufschließungsgebiets" und als "Vorbehaltsfläche für den förderbaren Wohnbau" ausgewiesen seien, was auf Grund anderer Beschlussfassung im Gemeinderat diese Widmung gesetzwidrig machen dürfte.
2.4.1. Die Steiermärkische Landesregierung bestätigt diesen Sachverhalt und führt dazu aus:
"Der Gemeinderat wurde zwar von den Abänderungen informiert, eine ergänzende Beschlussfassung ist jedoch nicht erfolgt. Auch wenn diese Änderungen im Wesentlichen nur die Baulandeinstufung betrafen und damit nur auf die Grundeigentümer selbst Auswirkungen hatten, entspricht die kundgemachte Fassung der Änderung des Flächenwidmungsplanes inhaltlich nicht der Beschlussfassung des Gemeinderates vom 15.12.2009."
Die Gemeinde Proleb führt dazu aus:
"Die Festlegungen als Aufschließungsgebiet erfolgte aus dem Umstand der Aufhebung des Teilbebauungsplanes 'Silberseeweg II' aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.02.2010 und auf Basis des LGBl.Nr 21 vom 18.03.2010 des Amtes der Stmk. Landesregierung. Die Art der Widmung blieb dieselbe, die Vollwertigkeit des Baulandes war aufgrund der o.a. Gegebenheiten nicht mehr gegeben.
Durch den Wegfall der o. g. Verordnung des Teilbebauungsplanes war somit eine Miterfassung dieses Gebietes für das Verfahren zur Erstellung des Bebauungsplanes notwendig."
2.4.2. Die Gemeinde Proleb übersieht Folgendes: Mit der Aufhebung der Vollwertigkeitsverordnung 2007 wurde zwar die Vollwertigkeit des Baulandes beseitigt und es mag mit der Aufhebung des Teilbebauungsplanes "Silberseeweg II" durch den Verfassungsgerichtshof auch eine notwendige Voraussetzung für die Vollwertigkeit weggefallen sein. Es wurde aber damit nicht automatisch der Widmungszustand vor der Aufhebung der Vollwertigkeitsverordnung 2007 wiederhergestellt und ist die Baulandart "Aufschließungsgebiet" nicht wieder in Kraft getreten. Es wäre daher für die (neuerliche) Festlegung dieser Baulandart ein als Verordnung kundzumachender Beschluss des Gemeinderates erforderlich gewesen (§23 Stmk ROG 1974 bzw. §29 Stmk ROG 2010). Ein solcher Beschluss wurde aber nicht gefasst.
Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Rechtmäßigkeit der Kundmachung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 konnte nicht entkräftet werden. Vielmehr hat sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, dass die kundgemachte Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 in rechtswidriger Weise inhaltlich von der am 15. Dezember 2009 beschlossenen Fassung der Verordnung abweicht (VfSlg 13.910/1994, 14.501/1996).
Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses braucht auf das weitere Bedenken der Ausweisung der Baugrundstücke als "Vorbehaltsfläche für den förderbaren Wohnbau" nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Abweichungen in der IST-Darstellung der kundgemachten Fassung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 haben den durch Beschluss der Gemeindevertretung ausgedrückten Willen des Normsetzers nicht verändert (s. Pkt. 2.2.). Gleiches gilt auch für die weiteren Bedenken, nämlich das Bedenken der Umwidmung der Grundstücke 132 und 137, welche nur in der kundgemachten Fassung im Wortlaut ausgewiesen wurde, sowie das der Ankündigung privatwirtschaftlicher "Maßnahmen zur aktiven Bodenpolitik" nur im Erläuterungsbericht zur kundgemachten Fassung. Die festgestellten inhaltlichen Abweichungen ergeben sich damit ausschließlich aus den – im Anlassfall präjudiziellen – Bestimmungen, die die Baugrundstücke des Anlassverfahrens betreffen. In diesem Sonderfall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ganze Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde. Die Aufhebung der Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 hat sich daher auf jene Bestimmungen zu beschränken, die im Anlassverfahren präjudiziell sind, das sind die Bestimmungen, die die Baugrundstücke des Anlassverfahrens 129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach, betreffen (vgl. VfSlg 12.952/1991, 14.757/1997, 19.980/2015).
2.5. Gegen die Vollwertigkeitsverordnung 2013 hegte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss folgende Bedenken:
"4.3. Die Vollwertigkeitsverordnung 2013 stützt sich nach ihrer Präambel auf §23 Abs3 Stmk ROG 1974, obwohl sie am 7. Oktober 2013 beschlossen wurde und zu diesem Zeitpunkt das Stmk ROG 2010 in Kraft stand, sodass sie an dessen §29 Abs3 zu messen sein dürfte.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Gesetzwidrigkeit der Ausweisung einer Grundfläche als Aufschließungsgebiet (vgl. Pkt. 4.1.) auch die Vollwertigkeitsverordnung 2013, mit der die Erfüllung der Aufschließungserfordernisse und die Vollwertigkeit des Baulandes festgestellt wurden, mit Gesetzwidrigkeit belastet. Darüber hinaus dürfte diese Verordnung auch inhaltlich insofern gesetzwidrig sein, als sie die Bauflächen nur als 'Reines Wohngebiet' festlegt, obwohl sie nach der (zwar gesetzwidrig kundgemachten, vom Gemeinderat aber anzuwendenden) Fassung des Flächenwidmungsplanes mit dem Zusatz 'VF' (förderbarer Wohnbau) ausgewiesen ist. Gemäß §29 Abs3 Stmk ROG 2010 vorletzter Satz dürfte sich eine derartige Verordnung auf die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet zu beschränken haben, auf keinen Fall dürfte eine vorher nicht vorgesehene Widmung beschlossen werden, weil eine solche Verordnung unter Abstandnahme vom Verfahren über die Erlassung und Änderung von Flächenwidmungsplänen gemäß §38 Stmk ROG 2010 kundzumachen ist (§29 Abs3 letzter Satz Stmk ROG 2010)."
2.5.1. Die Steiermärkische Landesregierung und die Gemeinde Proleb sind in ihren Äußerungen diesen Bedenken nicht entgegengetreten.
2.5.2. Das Bedenken, dass die Gesetzwidrigkeit der Ausweisung von Bauland als Aufschließungsgebiet auch die Gesetzwidrigkeit der nachfolgenden Feststellung der Vollwertigkeit der Baulandes zur Folge hat, hat sich als zutreffend erwiesen. Die Vollwertigkeitsverordnung 2013 – sie betrifft ausschließlich die Baugrundstücke 129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach – ist daher zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben (VfSlg 15.765/2000).
V. Ergebnis
1. Die ÖEK-Änderung 3.02 ist zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
Die Flächenwidmungsplan-Änderung 3.06 ist, soweit sie die Grundstücke 129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach, betrifft, als gesetzwidrig aufzuheben. Im Übrigen – hinsichtlich aller anderen Grundstücke des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung – ist die Verordnung nicht aufzuheben.
Die Vollwertigkeitsverordnung 2013 ist zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebungen erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Verordnung Kundmachung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:V29.2017Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019