Index
L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse im AnlassfallSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen Erkenntnisse wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
Die Erkenntnisse werden aufgehoben.
II. Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit € 3.576,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.1. Mit vier Eingaben vom 20. Dezember 2006 (eine) und 9. Jänner 2007 (drei) beantragten sieben Bauwerber die Erteilung von Baubewilligungen für insgesamt vier Einfamilienwohnhäuser mit überdachten Abstellflächen für sieben PKW auf vier in der Gemeinde Proleb in der Steiermark gelegenen Baugrundstücken (129/3, 130/3, 138/5 und 138/6, alle KG Köllach). Mit vier Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde Proleb wurden diese Baubewilligungen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Beschwerdeführerin beschritt dagegen als Nachbarin den Rechtsweg (Gemeinderat, Landesregierung) und erhob letztlich gemäß Art144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (B1963-1966/07). Dieser hob die angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen auf (VfSlg 19.006/2010). In der Folge behob die Steiermärkische Landesregierung die Berufungsbescheide des Gemeinderates der Gemeinde Proleb und verwies die Angelegenheit an den Gemeinderat zur neuerlichen Entscheidung zurück.
1.2. Im zweiten Rechtsgang wies der Gemeinderat die Berufungen mit Bescheiden vom 24. Oktober 2013 neuerlich ab. Den Beschwerden gegen diese Berufungsbescheide gab das an die Stelle der Steiermärkischen Landesregierung getretene Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen mit der Begründung statt, dass die gegen die heranrückende Wohnbebauung gerichteten Einwendungen gemäß §26 Abs4 Stmk BauG wegen der nunmehrigen Widmung der Baugrundstücke als "Reines Wohngebiet", welche einen Immissionsschutz gewähre, nun – im zweiten Rechtsgang – zulässig seien und nur auf Grundlage eines schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens beantwortet werden könnten.
1.3. Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens wies der Gemeinderat auch im dritten Rechtsgang die Berufungen der Beschwerdeführerin mit vier Bescheiden vom 17. Dezember 2015 ab. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark bestätigte diese Berufungsentscheidungen mit Erkenntnissen vom 21. März 2016 bzw. 18. April 2016.
2. Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der neben Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK, Art47 GRC) auch ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip (Art18 B-VG) und insbesondere auch die Anwendung gesetzwidrig erlassener Verordnungen geltend gemacht werden.
3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark und die Gemeinde Proleb legten die Gerichts- und Verwaltungsakten vor. Die Gemeinde gab eine Stellungnahme ab. Die Beschwerdeführerin erstattete weitere Eingaben, legte umfangreiches Dokumentationsmaterial vor und nahm Einsicht in die vorgelegten Akten.
4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von drei Verordnungen des Gemeinderats der Gemeinde Proleb auf dem Gebiet der örtlichen Raumordnung, nämlich der Änderung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes vom 15. Dezember 2009, der Änderung des Flächenwidmungsplans ebenfalls vom 15. Dezember 2009 und der Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet für die vier Baugrundstücke (s. Pkt. 1.1.) vom 2. Oktober 2013, ein. Mit Erkenntnis vom 27. September 2017, V29-40/2017, hob der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogenen Verordnungen zur Gänze bzw. teilweise als gesetzwidrig auf.
5. Die Beschwerde ist begründet.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat gesetzwidrige Verordnungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch die angefochtenen Erkenntnisse wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Die Erkenntnisse sind daher aufzuheben.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 960,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E820.2016Zuletzt aktualisiert am
08.11.2017