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90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung betreffend eine 30 km/h-Zone für das Stadtgebiet von Graz ausgenommen Vorrangstraßen wegen Widerspruchs zu den in der Verordnung als Rechtsgrundlage genannten Bestimmungen der StVO 1960; Erforderlichkeit der Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für jede der von der Tempo 30-Verordnung erfassten Straßen(strecken) nicht belegt; im Hinblick auf die weitere Möglichkeit der gesetzlichen Deckung einer Geschwindigkeitsbegrenzung für das gesamte Ortsgebiet weder Erlassung durch das zuständige Organ noch ordnungsgemäße KundmachungRechtssatz
Aufhebung der Verordnung des Stadtsenates und des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 08.07.2008, ZA 10/1-22883/2003-2, kundgemacht durch das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 und eine Zusatztafel "Ausgenommen Vorrangstraßen" in Verbindung mit den Ortstafeln gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960.
Dem Verordnungsgeber ist es verwehrt, gestützt auf §43 StVO 1960 eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die Straßen eines größeren Gebietes zu erlassen, ohne auf die spezifische Verkehrs- und Gefahrensituation auf den von der Verordnung im Einzelnen erfassten Straßen abzustellen (VfSlg 14000/1994). Dies gilt auch für eine für alle Straßen einer Gemeinde (mit Ausnahme der Vorrangstraßen) schlechthin erlassene Geschwindigkeitsbeschränkung, wenn und soweit nicht kraft der Verkehrs- und Gefahrensituation auf allen von der Verordnung im Einzelnen erfassten Straßen die Geschwindigkeitsbeschränkung erforderlich ist.
Diese Erforderlichkeit für jede der von der Tempo 30-Verordnung 2008 betroffenen Straßen konnte vom Stadtsenat und vom Bürgermeister der Stadt Graz auch im Verordnungsprüfungsverfahren nicht dargetan werden.
Die Tempo 30-Verordnung 2008 widerspricht sohin den von ihr selbst als ihre Rechtsgrundlage angeführten Bestimmungen des §43 Abs1 litb Z1 und des §43 Abs2 lita StVO 1960.
Zwar scheinen die Voraussetzungen des §20 Abs2a StVO 1960 für die Erlassung der Verordnung gegeben gewesen zu sein; dieser Frage braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden, weil die Verordnung - fände sie in §20 Abs2a ihre gesetzliche Deckung - weder vom hiefür zuständigen Organ erlassen noch ordnungsgemäß kundgemacht worden wäre.
Keine kollegiale Beschlussfassung durch den für Agenden des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gem §61 des Statuts der Landeshauptstadt Graz 1967 zuständigen Stadtsenat; keine Ausnahme von Verordnungen gem §20 Abs2a StVO 1960 von den in der Geschäftsordnung aufgezählten, zur kollegialen Beschlussfassung vorbehaltenen Angelegenheiten.
Keine ortsübliche Verlautbarung gem §44 Abs4 letzter Satz StVO 1960.
(Anlassfall E3314/2016, E v 28.09.2017, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung, Verordnungserlassung, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Behördenzuständigkeit, Verordnung KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:V85.2017Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019