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90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im AnlassfallSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde, Vorverfahren und amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren
1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. Juni 2016 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorgeworfen, am 1. März 2016 um 11.13 Uhr in 8047 Graz, Argenotstraße 41, in Fahrtrichtung Ragnitzstraße als Lenker des Fahrzeuges mit (näher genanntem) Grazer Kennzeichen am angeführten Ort, welcher im Ortsgebiet liege, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 22 km/h überschritten zu haben. Die Überschreitung sei mit einem Messgerät festgestellt, die in Betracht kommende Messtoleranz zu Gunsten des Beschuldigten abgezogen worden. Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des §52 lita Z10a Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita leg.cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,– (drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 10. November 2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Grunde nach ab, setzte die Geldstrafe allerdings auf € 120,– (ein Tag und sechs Stunden "Freiheitsersatzstrafe") herab.
Zu einer Anfechtung der Rechtsgrundlagen des Straferkenntnisses beim Verfassungsgerichtshof sah sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht veranlasst. Es erachtete die Verordnung vom 8. Juli 2008, Z A 10/1-22883/2003-2, mit welcher der Stadtsenat bzw. der Bürgermeister die vom Beschwerdeführer übertretene Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h für das gesamte Stadtgebiet Graz, ausgenommen im Anhang A aufgezählte Vorrangstraßen (zu denen die Argenotstraße nicht gehört), verordnet haben, für gesetzeskonform.
2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 B-VG und Art2 StGG sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich "der Verordnung des Stadtsenates (in eventu des Bürgermeisters) der Landeshauptstadt Graz zu GZ A10/1-22883/2003-2, kundgemacht durch Aufstellung der Bezug habenden Verkehrszeichen am 22.07.2008", behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
3. Die Landespolizeidirektion Steiermark und das Landesverwaltungsgericht Steiermark haben die Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vorgelegt und in ihrer Äußerung bzw. Gegenschrift jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Stadtsenates und des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 8. Juli 2008, Z A 10/1-22883/2003-2, kundgemacht durch das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 und eine Zusatztafel "Ausgenommen Vorrangstraßen" in Verbindung mit den Ortstafeln gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960, ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V85/2017, hob er diese Verordnung als gesetzwidrig auf.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige (s. VfGH 28.9.2017, V85/2017) – Beschwerde ist begründet.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E3314.2016Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017