TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/21 98/20/0418

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Veröffentlicht am 21.09.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des am 14. Juli 1977 geborenen EA in Graz, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. August 1998, Zl. 201.354/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 16. Juni 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. Juni 1996 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1. Juli 1996 gab der Beschwerdeführer (zusammengefasst) an, im Jahr 1993 sei im Zuge von Stammeskriegen sein Wohnhaus abgebrannt und er sei in diesem Jahr Mitglied der Ikemba Front geworden; diese Organisation habe einen eigenen, von Nigeria getrennten Staat gründen wollen. Er sei nur Mitglied bei dieser Organisation, weil er dem Stamm der Ibo angehöre. Wenn er nicht Mitglied geworden wäre, hätte er mit seinem Tod rechnen müssen. Er sei nur drei Tage bei dieser Organisation und unterwegs zu einem Ausbildungslager gewesen, wo er militärisch ausgebildet hätte werden sollen, als seine nicht bewaffnete Gruppe von staatlichen Organen (Angehörigen der SSS - dem State Security Service) in Zivilkleidung festgenommen worden seien. Die ca. 18 Personen seiner Gruppe seien deshalb verhaftet worden, weil sie beschuldigt worden seien, die Wahlen für nichtig erklärt zu haben. Er sei mit den anderen Angehörigen der Ikemba Front bis zum 27. Mai 1996 in einem Gefängnis in Lagos inhaftiert, im Jänner 1996 vor ein Gericht gestellt und zum Tode verurteilt worden. Sein Vater habe gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, im Mai 1996 sei nochmals eine Berufungsverhandlung abgehalten worden und das Gericht habe das erste Urteil bestätigt. Er habe gemeinsam mit zwei anderen Mitgliedern der Ikemba Front im August 1996 hingerichtet werden sollen. Schließlich habe er in der Nacht des 26. Mai 1996 flüchten können, weil der Wächter vergessen habe, das Zellentor zuzusperren. Er sei danach aus dem Gebäude in den Hof geflüchtet und über die Gefängnismauer entkommen. Dieser Teil des Gefängnisses sei nicht bewacht gewesen, weil sich Wachen nur vor dem Haupteingang des Gefängnisses aufgehalten hätten. Danach sei er zum Hause seines Vaters gegangen und habe am nächsten Tag in den Morgenstunden mit Hilfe seines Vaters das Heimatland verlassen. Er habe sich nur 15 Minuten beim Haus seines Vaters aufgehalten und dort nicht übernachtet; er sei ca. drei Stunden vom Gefängnis zum Haus seines Vaters gegangen bzw. gelaufen. Diese Strecke habe er nur teilweise gekannt. Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland müsse er damit rechnen, dass das Todesurteil vollstreckt werde.

Bei einer weiteren mit dem Asylwerber aufgenommenen Niederschrift vom 23. Dezember 1996 gab dieser an, er habe sich im Jahr 1993 in einem näher genannten Bezirk in Lagos aufgehalten und in seinem Autoersatzteilgeschäft gearbeitet. Dies habe er bei seiner ersten Einvernahme nicht angegeben, weil er "sehr viel im Kopf gehabt habe" und nicht so darauf geachtet habe, dass in der Niederschrift kein Beruf angeführt gewesen sei. Er sei in Lagos in seinem Geschäft im Jahr 1993 von Angehörigen der "SSS" verhaftet worden, während er allein im Geschäft gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass die Umstände seiner Verhaftung anlässlich seiner Ersteinvernahme anders dargestellt worden seien, erklärte der Asylwerber, es seien Personen in sein Geschäft gekommen und hätten ihm mitgeteilt, dass sie Angehörige der "SSS" seien und hätten ihn mitgenommen. Er habe zu einem Lager gebracht werden sollen. Während des Marsches zu dem Lager seien er und andere Personen von den wirklichen Angehörigen der "SSS" verhaftet worden.

Auch die Personen, welche ursprünglich angegeben hätten, dass sie Angehörige der "SSS" seien, seien verhaftet worden. Die widersprüchlichen Aussagen seien deshalb zu Stande gekommen, weil er "damals durcheinander" gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass ihm seit seiner ersten Einvernahme genügend Zeit zur Verfügung gestanden sei, seine Angaben zu berichtigen, gab der Asylwerber an, sich nach der Einvernahme keine Gedanken darüber gemacht zu haben.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 7. Jänner 1997 den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Aus der Begründung des Bescheides geht hervor, dass als Bescheinigungsmittel die "teilweise glaubwürdige Vernehmung" der Person des Asylwerbers diene. Auf Grund der wiederholten widersprüchlichen Angaben habe dem Asylwerber bezüglich des Fluchtgrundes kein Glauben geschenkt werden können. So seien Widersprüche zwischen der ersten Einvernahme des Beschwerdeführers und der ergänzenden Einvernahme aufgetreten, und zwar hinsichtlich der Angaben über seine Berufstätigkeit, des Vorganges seiner Verhaftung, der Bewaffnung der Personen, die den Beschwerdeführer festgenommen hätten und der Frage, woran die Mitgliedschaft der den Beschwerdeführer festnehmenden Personen bei der SSS erkennbar gewesen sei. Auch den Angaben des Beschwerdeführers, er sei von den staatlichen Organen verhaftet, von einem Gericht zum Tode verurteilt, aus einem Gefängnis geflohen und danach zum Hause seines Vaters zurückgekehrt, habe daher kein Glauben geschenkt werden können. Es sei nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer aus einem Gefängnis geflohen und nach Hause zurückgekehrt sei, obwohl er dort von den staatlichen Organen leicht hätte aufgegriffen werden können. Die staatlichen Organe hätten seine Flucht bemerken müssen und es sei nicht wahrscheinlich, dass er sich als ein zum Tode Verurteilter trotzdem zu Hause der Gefahr ausgesetzt hätte, von den staatlichen Organen aufgegriffen zu werden. Der Beschwerdeführer habe daher keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) glaubhaft machen können.

Das Bundesasylamt stützte den Bescheid erster Instanz des Weiteren darauf, dass sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich bereits in einem sicheren Drittstaat aufgehalten habe und somit bereits dort vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er bekräftigte, alle während der niederschriftlichen Einvernahme am 23. Dezember 1996 getätigten Aussagen entsprächen der Wahrheit und er halte diese in vollem Umfang aufrecht. Zu den Widersprüchen zwischen seinen Angaben im Rahmen seiner ersten Einvernahme und dem Inhalt seiner Aussage vom 23. Dezember 1996 könne er nur nochmals bekräftigen, dass er zum Zeitpunkt der ersten Befragung sehr durcheinander gewesen sei und davor noch keine Gelegenheit gehabt habe, die Umstände seiner Flucht auf ihn einwirken zu lassen. Wenn die Behörde die Ansicht vertrete, den Angaben zu seiner Flucht aus der Haftanstalt der "SSS" könne kein Glauben geschenkt werden, weil es nicht glaubwürdig sei, dass ein zum Tode Verurteilter bei seinem Vater Unterschlupf suchen würde, weil dieser dort von den Behörden leicht aufgegriffen werden könnte, sei zu entgegnen, dass die Behörde diese Feststellung ohne darauf bezogene Ermittlungen getroffen habe. Die Behörde habe anscheinend angenommen, dass die nigerianische Polizei in der Lage wäre, eine wirksame bzw. erfolgreiche Großfahndung nach entflohenen Häftlingen in jener kurzen Zeit einzuleiten, die er benötigt habe, um auf einem Schiff zu entkommen. Dies treffe jedoch nicht zu, weil die Exekutive in seiner Heimat auf Grund technischer und organisatorischer Mängel nicht mit der gleichen Effizienz zu ermitteln vermöge wie vergleichbare Behörden hoch industrialisierter Staaten. Während seiner Flucht habe er sich auch nur ca. 15 Minuten im Hause seines Vaters aufgehalten und sich daher keineswegs in Gefahr, dort verhaftet zu werden, befunden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) ab. Die belangte Behörde stellte "auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens", welchem insbesondere das Vorbringen des Berufungswerbers zu Grunde gelegt worden sei, fest, dass "das Vorliegen asylrelevanter Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft" sei, wobei sie sich der von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Beweiswürdigung vollinhaltlich anschloss und die entsprechenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärte. Der Berufungswerber habe die im Zuge seiner Einvernahme aufgetretenen zahlreichen Widersprüche auch im Berufungsverfahren nicht zu entkräften vermocht und dem Vorbringen, er sei während seiner ersten Befragung sehr durcheinander gewesen, sei entgegen zu halten, dass zwischen den beiden Vernehmungen ein Zeitraum von beinahe einem halben Jahr verstrichen sei, während dessen es dem Berufungswerber sehr wohl möglich gewesen wäre, seine zunächst abgegebenen Erklärungen zu korrigieren. Der Berufungswerber habe hievon jedoch keinerlei Gebrauch gemacht, sondern erst nach Vorhalt seiner widersprüchlichen Aussagen auf eine schlechte psychische Verfassung zum Zeitpunkt der ersten Befragung hingewiesen, weshalb sich diese Erklärung für die belangte Behörde eher als Schutzbehauptung denn als glaubwürdig darstelle.

Im Übrigen lasse die vom Berufungswerber anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme verwendete Formulierung "er wäre nach seiner Flucht zum Haus seines Vaters gegangen und hätte am nächsten Tag in den Morgenstunden dann mit Hilfe seines Vaters das Heimatland verlassen" auf einen jedenfalls länger als 15 Minuten dauernden Aufenthalt schließen und es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Berufungswerber die restliche Nacht an diesem Ort zugebracht habe, "was den in Bezug auf seine persönliche Glaubwürdigkeit gestandenen Vorhalt der erstinstanzlichen Behörde aber durchaus gerechtfertigt erscheinen lasse." Infolge der gehäuft widersprüchlichen Angaben des Asylwerbers zu seinen vorgebrachten Fluchtgründen erweise sich das Vorliegen asylrelevanter Verfolgungsgefahr somit nicht als glaubhaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat hierüber erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben und die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei im Ergebnis unzutreffend. Die Behörde erster Instanz habe sich in ihrem Bescheid insofern in Widersprüche verwickelt, als zum einen von einer "teilweise glaubwürdigen Vernehmung" des Asylwerbers ausgegangen werde, zum anderen den Fluchtgründen des Beschwerdeführers aber zur Gänze die Glaubwürdigkeit aberkannt worden sei. Welchen Aussagen des Asylwerbers nun Glauben geschenkt werde und welchen nicht, lasse sich weder dem erstinstanzlichen Bescheid noch dem - die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz zur Gänze übernehmenden - angefochtenen Bescheid entnehmen. Die von den Asylbehörden aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers beträfen darüberhinaus lediglich Nebenumstände seiner Flucht und sei die Beweiswürdigung, insbesondere die Argumentation hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit seiner Rückkehr in sein Elternhaus für die Dauer einer Viertelstunde vor seiner Flucht, unschlüssig.

Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden. Deshalb finden für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat grundsätzlich auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG über die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, Anwendung. Mit

Bundesgesetz BGBl. I Nr. 28/1998, ausgegeben am 9. Jänner 1998, wurde in Art. II Abs. 2 EGVG mit Wirksamkeit ab dem 1. Jänner 1998 eine Z. 43a eingefügt, wonach das AVG auf das behördliche Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates anzuwenden ist, § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308). Der Verwaltungsgerichtshof fügte in dem genannten Vorerkenntnis hinzu, dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers.

Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach seine Aussagen unglaubwürdig seien, bestritten und zum einen die festgestellten Widersprüchlichkeiten mit seiner schlechten psychischen Verfassung im Zeitpunkt der Ersteinvernahme zu erklären versucht und zum anderen das Argument der Behörde erster Instanz, wonach eine Rückkehr in sein Vaterhaus nach seiner Flucht unglaubwürdig sei, mit konkreten Erklärungsversuchen zu entkräften versucht.

Die belangte Behörde hat die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz zur Gänze übernommen und auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers über seine psychische Verfassung bei der ersten Einvernahme offenbar keinen Glauben geschenkt (arg.: eher (?) als Schutzbehauptung). Dem Berufungsvorbringen kann nun aber entnommen werden, der Beschwerdeführer sei in der Lage, bei seiner Vernehmung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat jene Bedenken, die gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen, durch ausführlichere Angaben auszuräumen und damit die relevante Beweisgrundlage zu verbreitern.

Hiezu kommt, dass die von der belangten Behörde - in Ergänzung der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz - angestellten Überlegungen, warum der Beschwerdeführer vor allem hinsichtlich seiner Angaben, er sei nach seiner Flucht aus dem Gefängnis nur kurz in sein Elternhaus zurückgekehrt, unglaubwürdig sei, einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten. Der Beschwerdeführer hatte bereits in seiner ersten Einvernahme angegeben, er sei "in der Nacht" aus dem Gefängnis geflohen, dann ca. drei Stunden zum Haus seines Vaters gegangen bzw. gelaufen, habe sich dort nur 15 Minuten aufgehalten und danach "in den Morgenstunden" zu einem Schiff begeben. In seiner weiteren Einvernahme vom 23. Dezember 1996 machte er diesbezüglich keine widersprechenden Angaben, fügte aber erklärend an, die nigerianischen Polizeibehörden seien nicht in der Lage, schnell auf einen Gefängnisausbruch zu reagieren, weshalb er (zumindest für die kurze Dauer seines Aufenthaltes) im Elternhaus nicht mit einer Verhaftung habe rechnen müssen. Die belangte Behörde, die im angefochtenen Bescheid sowohl die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er "in der Nacht geflohen" sei, als auch die Aussage, er habe drei Stunden bis zum Haus seines Vaters gebraucht, nicht weiter berücksichtigte, schließt aus den übrigen Angaben des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung auf einen "jedenfalls länger als 15 Minuten dauernden Aufenthalt" im Elternhaus des Beschwerdeführers und geht weiter davon aus, dass dieser "die restliche Nacht in seinem Elternhaus zugebracht habe". Ohne eine weitere Begründung erscheint diese Schlussfolgerung aber schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil unter Berücksichtigung einer Flucht in der Nacht, eines dreistündigen Marsches, und eines 15-minütigen Aufenthaltes die weitere Angabe des Beschwerdeführers, er habe "in den Morgenstunden mit seinem Vater das Haus verlassen" nicht von vornherein als unglaubwürdig betrachtet werden kann.

Die Glaubwürdigkeit war dem Beschwerdeführer von der Behörde erster Instanz - und in Übernahme der diesbezüglichen Beweiswürdigung auch von der belangten Behörde - aber unter anderem auch deshalb aberkannt worden, weil die Rückkehr und der Aufenthalt in seinem Vaterhaus unmittelbar nach seiner Flucht wegen der ihm als zum Tode Verurteilter dort drohenden Verfolgung als nicht glaubwürdig erachtet wurde. Dies steht aber mit der oben wiedergegebenen Annahme der belangten Behörde, wonach sich der Beschwerdeführer sogar die gesamte restliche Nacht in seinem Vaterhaus aufgehalten haben solle, im Widerspruch; auch fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, dass die Verfolgung entsprungener Häftlinge nicht innerhalb derart kurzer Zeit einsetze.

Die belangte Behörde hätte sich daher in Anbetracht des Berufungsvorbringens und der Bestreitung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht auf eine bloße Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern den Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung insbesondere zu den in seiner Berufung geltend gemachten Rechtfertigungen bezüglich der Widersprüche bzw. zu den Erklärungen hinsichtlich der näheren Umstände seiner Flucht, vernehmen müssen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers (bei seiner zweiten Einvernahme) Glaubwürdigkeit zuerkannt hätte und zur Ansicht gelangt wäre, dass dieser als Mitglied der Ikemba-Front von den staatlichen Stellen wegen seiner politischen Überzeugung inhaftiert und zu Tode verurteilt worden sei. Diesfalls wäre aber eine Asylgewährung aus Gründen der politischen Verfolgung nicht ausgeschlossen.

Der bekämpfte Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998200418.X00

Im RIS seit

04.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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