RS Vfgh 2017/9/28 E692/2017

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Veröffentlicht am 28.09.2017
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 ff, Art18 Abs1, Art116 Abs1, Art118 Abs2, Abs3, Art119a Abs9
BVG-Unterbringung, BGBl I 120/2015 Art3 Abs1, Abs8

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung der Beschwerde der Stadt Wels gegen einen Bescheid des Innenministers in Ausübung des Durchgriffsrechts für die Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden mangels Parteistellung einer Gemeinde nach dem BVG-Unterbringung; keine Gesamtänderung der Bundesverfassung

Rechtssatz

Sowohl der Systematik als auch dem Zweck des BVG-Unterbringung zufolge soll alleine der betroffene Grundstückseigentümer als Partei an einem derartigen Verfahren teilnehmen. Dies geht nicht zuletzt aus Art3 Abs8 BVG-Unterbringung hervor, wonach die Bescheide in Ausübung des Durchgriffsrechtes nur gegenüber dem Grundstückseigentümer zu erlassen sind.

Eine Parteistellung der Gemeinde lässt sich auch nicht aus deren Selbstverwaltungsrecht ableiten: Der Bundesminister für Inneres wird im Verfahren nach Art3 Abs1 BVG-Unterbringung nicht als Aufsichtsbehörde gegenüber der Gemeinde tätig, sondern nimmt bloß eine ihm durch Bundesverfassungsrecht verliehene Zuständigkeit wahr. Selbst wenn die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme dieser Kompetenz im Einzelfall nicht vorliegen sollten, wäre damit kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde verbunden. Ebenso stellt das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kein aufsichtsbehördliches Verfahren dar.

Die präjudiziellen Bestimmungen des BVG-Unterbringung über die Parteistellung der Gemeinde verstoßen weder gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung der Gemeinde gemäß Art116 Abs1 sowie Art118 Abs2 und 3 B-VG, noch führen sie zu einem verfassungswidrigen Eingriff in die Kompetenzen der Länder: Die relevanten Bestimmungen wurden ebenso wie die Art10 ff, 116 und 118 B-VG im Verfassungsrang erlassen, womit eine Verfassungswidrigkeit nur dann in Betracht käme, wenn sie eine Gesamtänderung der Verfassung bewirkten. Der VfGH kann nicht erkennen, dass die Gestaltung der Nachbarrechte durch das BVG-Unterbringung zu einem "Verlust der Maßstabsfunktion der Verfassung für einen Teilbereich der Rechtsordnung" in einer Weise führt, wie sie der Verfassungsgerichtshof als Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesamtänderung in seiner Rechtsprechung entwickelt hat.

Ebenso wenig treffen die sonstigen, von der beschwerdeführenden Gemeinde geltend gemachten Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsrechtes bzw hinsichtlich des Bestimmtheitsgebotes - soweit sie sich auf für die Parteistellung der Gemeinde maßgebliche Bestimmungen beziehen - zu.

Sollte die Behauptung der beschwerdeführenden Gemeinde, dass bestimmte vom Bescheid des Bundesministers für Inneres erfasste Einrichtungen nicht unter das BVG-Unterbringung subsumiert werden können, tatsächlich zutreffen, liegt es an der einschreitenden Gemeinde, die für den Fall der Ausführung eines bewilligungs- oder anzeigepflichtigen Vorhabens ohne Baubewilligung oder Anzeige vorgesehenen Maßnahmen nach den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften zu setzen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Unterbringung, Parteistellung, Selbstverwaltungsrecht, Aufsichtsrecht, Bundesverfassung Gesamtänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E692.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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