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L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Drittelantrags von Abgeordneten zum Steiermärkischen Landtag auf Aufhebung von Bestimmungen des Gesetzes über die Gewährung von Wohnunterstützung betreffend das zu berücksichtigende Haushaltseinkommen; Regelung einer Förderung im Wege der nicht hoheitlichen Verwaltung durch ein Selbstbindungs- bzw Statutargesetz; keine Bedenken gegen die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen nur bei studierenden Förderungswerbern; rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers nicht überschritten; weniger strenge Anforderungen der Bestimmtheit an eine Selbstbindungsnorm; teilweise Zurückweisung des AntragsRechtssatz
Abweisung des Antrags, soweit er sich auf §4 Abs1, Abs2, Abs3 zweiter Satz und Abs5 Stmk WohnunterstützungsG - StWUG, LGBl 106/2016, sowie §4 Abs10 StWUG idF LGBl 13/2017 bezieht. Im Übrigen Zurückweisung des Antrags.
Unzulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §4 StWUG zur Gänze.
Die Bestimmung wurde durch LGBl 13/2017 mit Wirkung ab 01.01.2017 novelliert. Gemäß Art140 Abs4 B-VG sind Anträge auf abstrakte Normenkontrolle eines Drittels der Mitglieder eines Landtages nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig. §4 StWUG in der bekämpften Fassung kann daher - auch wenn die Absätze 1 bis 5 und 9 der alten Fassung entsprechen - nicht Gegenstand eines zulässigen Antrages der Antragsteller sein.
Der mit Pkt. 2. versehene Teil des Eventualantrags ist unzulässig, soweit er sich auf §4 Abs3 StWUG bezieht, weil sich die Bedenken (Definition des für die Förderung von studierenden Förderungswerbern zu berücksichtigenden sog "Haushaltseinkommens"; unzureichende Determinierung bestimmter Begriffe) nicht auf den ersten Satz dieses Absatzes, sondern nur auf den zweiten Satz beziehen. Die Sätze stehen nicht in einem untrennbaren Zusammenhang, sondern sind offenkundig trennbar.
Die von den Antragstellern behaupteten Verstöße gegen Art7 und Art18 B-VG sowie Art2 StGG liegen nicht vor.
Auf die "Landesförderung" besteht nach §1 StWUG - so wie auf die bisherige "Wohnbeihilfe" nach dem Stmk WohnbauförderungsG 1993 - kein Rechtsanspruch. Der Landesgesetzgeber hat dadurch unzweifelhaft festgelegt, dass diese Art der Förderung im Wege der nicht hoheitlichen Verwaltung erfolgen soll. Das StWUG stellt daher ein Selbstbindungs- oder Statutargesetz dar, das zunächst nur die Verwaltung binden soll.
Auch wenn der Gesetzgeber bei der Regelung von nicht hoheitlich zu vollziehenden Angelegenheiten insofern unstrittig an den Gleichheitsgrundsatz gebunden ist, als er die Verwaltung nicht zu grundrechtswidrigem Handeln ermächtigen darf oder als ihn eine Gewährleistungspflicht dafür trifft, Regelungen vorzusehen, die dem einzelnen die Abwehr allfälliger Verletzungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ermöglichen, so darf diese Bindung nicht mit der für die Hoheitsverwaltung aus Art18 B-VG folgenden Bindung gleichgesetzt werden.
Im vorliegenden Fall vermag der VfGH keine gesetzliche Regelung zu erkennen, die Sachlichkeitserwägungen nicht standhalten könnte.
Gegen eine Berücksichtigung des sog "Haushaltseinkommens", das bei allen Förderungswerbern aus dem eigenen Einkommen und dem Einkommen der mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen, bei Förderungswerbern aus dem Kreis der Studierenden überdies auch aus dem Einkommen der ihnen gegenüber Unterhaltsverpflichteten besteht, sind keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden. Es ist dem Landesgesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er bei studierenden Förderungswerbern durch die Berücksichtigung des Einkommens der unterhaltsverpflichteten Personen die Förderung unabhängig davon, ob ein gemeinsamer Haushalt besteht, in gleicher Weise berechnet wie bei Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des weiten Gestaltungsspielraumes des Landesgesetzgebers bei der Gewährung von Förderungen besteht keine Verpflichtung, bei Studierenden eine getrennte Wohnungsnahme zu fördern. Durch die in §4 Abs4 leg cit vorgesehene Gewichtung des Haushaltseinkommens bei der Berechnung wird auch im Falle mehrerer unterhaltsberechtigter studierender Kinder eine adäquate Berücksichtigung sowohl der Personenanzahl als auch des Gesamteinkommens gewährleistet. Auch bei einer Familie mit mehreren studierenden Kindern kann daher aus Sicht der Förderungswerber die von den antragstellenden Abgeordneten vorgebrachte besondere Belastung nicht im behaupteten Ausmaß eintreten.
Studierenden Förderungswerbern stehen - anders als den von den Antragstellern herangezogenen Vergleichsgruppen der Lehrlinge und volljährigen Schüler mit eigenem Haushalt - bei sozialer Bedürftigkeit auch Ansprüche nach Maßgabe studienförderungsrechtlicher Bestimmungen zu.
Zudem sind bei der Gruppe der studierenden Förderungswerber im Regelfall unterhaltspflichtige Angehörige vorhanden, und die wirtschaftliche Lage von Studierenden wird in aller Regel von den Einkommensverhältnissen der Eltern "zumindest mitbestimmt" (vgl VfSlg 6859/1972).
Die Grenzen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Landesgesetzgebers im Bereich der Regelung von Angelegenheiten der nicht hoheitlichen Verwaltung wurden durch §4 Abs3 Satz 2 StWUG nicht überschritten. Dem Gesetzgeber steht es frei, auf eine Durchschnittsbetrachtung abzustellen, daher können auch Härtefälle in Kauf genommen werden, wenn nur insgesamt eine sachliche Regelung vorliegt.
Für Selbstbindungsgesetze gelten nicht dieselben strengen Anforderungen an die Bestimmtheit wie für Rechtsvorschriften, die sich an Rechtsunterworfene richten und zu Eingriffen durch die Hoheitsverwaltung ermächtigen.
Vor diesem Hintergrund sind die Begriffe "Notlage" und "Einkommen" sowie die Wortfolgen "verwertbares Vermögen" und "zufließende Einkünfte" jedenfalls einer Auslegung zugänglich.
Schlagworte
Förderungen, Wohnbeihilfe, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Selbstbindungsgesetz, Statutargesetz, Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:G31.2017Zuletzt aktualisiert am
20.03.2019