RS Vfgh 2017/9/29 G44/2017 ua

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Veröffentlicht am 29.09.2017
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Index

26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
UWG §1a Abs4, §44 Abs10, Anhang Z32
PreisauszeichnungsG §7, §17 Abs10
StGG Art2, Art5, Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EU-Grundrechte-Charta Art16

Leitsatz

Keine Verletzung der Rechte auf Erwerbs(ausübungs)freiheit, auf unternehmerische Freiheit und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie des Gleichheitsrechtes durch das Verbot von Bestpreisklauseln in Verträgen zwischen Buchungsplattformen und Beherbergungsunternehmen; Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit angesichts des öffentlichen Interesses an der Sicherung fairer bzw freier Wettbewerbsbedingungen gerechtfertigt; keine Unverhältnismäßigkeit; keine unsachliche Benachteiligung von Online-Buchungsplattformen gegenüber sonstigen Reisevermittlungsunternehmen; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers

Rechtssatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags einer Gesellschaft (Betreiberin einer Buchungsplattform) auf Aufhebung der §§1a Abs4 und 44 Abs10 UWG (BG gegen den unlauteren Wettbewerb 1984), der Z32 des Anhangs zum UWG sowie der §§7 zweiter und dritter Satz und 17 Abs10 zweiter Satz des PreisauszeichnungsG, jeweils in der Fassung BGBl I 99/2016.

Gemäß §1 Abs1 Z1 UWG kann jemand, der im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik anwendet, auf Unterlassung und - bei Verschulden - auf Schadenersatz geklagt werden. Derartige unlautere Geschäftspraktiken sind gemäß §1 Abs3 UWG insbesondere solche, die aggressiv iSd §1a UWG oder irreführend iSd §2 UWG sind. Die in der "Schwarzen Liste" des Anhangs I zum UWG enthaltenen Geschäftspraktiken sind - in Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG - jedenfalls als "aggressiv" anzusehen.

Durch die Novelle BGBl I 99/2016 ergänzte der Gesetzgeber die "Schwarze Liste" in Anhang I zum UWG - über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus - um die von der antragstellenden Gesellschaft (mit-)angefochtene Z32, der zufolge "[d]as Verlangen eines Betreibers einer Buchungsplattform gegenüber einem Beherbergungsunternehmen, dass dieses auf anderen Vertriebswegen inklusive seiner eigenen Website keinen günstigeren Preis oder keine anderen günstigeren Bedingungen als auf der Buchungsplattform anbieten darf", als "aggressive Geschäftspraktik" zu qualifizieren ist. Derartige Vereinbarungen sind gemäß der - ebenfalls mit BGBl I 99/2016 neu geschaffenen - Bestimmung des §1a Abs4 UWG absolut nichtig. §44 Abs10 UWG idF BGBl I 99/2016 zufolge traten diese Änderungen mit dem Ablauf eines Monats nach ihrer Kundmachung (am 30.11.2016) in Kraft, wobei sie auch auf Verträge anzuwenden sind, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden.

Mit derselben Novelle änderte der Gesetzgeber auch Bestimmungen des PreisauszeichnungsG (PrAG); insbesondere wurde §7 PrAG dahingehend neu gefasst, dass Preisbindungs- oder Bestpreisklauseln in Verträgen zwischen Gastgewerbetreibenden und Buchungsplattformbetreibern als absolut nichtig qualifiziert wurden.

Durch das Verbot einer bestimmten Vertragsgestaltung greifen die angefochtenen Bestimmungen in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit der antragstellenden Gesellschaft ein. Dieser Eingriff ist allerdings gerechtfertigt:

Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er mit den angefochtenen Regelungen das öffentliche Interesse an der Sicherung "fairer" ("freier") Wettbewerbsbedingungen zwischen Buchungsplattformen und Beherbergungsunternehmen verfolgt. Für den VfGH ist dabei nicht erkennbar, dass bzw inwiefern den angefochtenen Bestimmungen - wie von der antragstellenden Gesellschaft behauptet - in Wahrheit ein anderes Ziel, in concreto das Ziel des Konkurrenzschutzes, zugrunde liegen sollte.

Die bekämpften Regelungen sind auch geeignet, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, nämlich die Sicherung eines freien Wettbewerbs und damit auch die Wahrung der Verbraucherinteressen, zu erreichen: Unter der den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden - aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive nicht in Zweifel zu ziehenden - Prämisse, dass das Verbot, auf anderen Vertriebswegen (inklusive der eigenen Webseite) günstigere Konditionen für die eigenen Leistungen anzubieten, eine Beschränkung des Wettbewerbs darstellt, ist die Untersagung derartiger Verbote zweifellos geeignet, den freien Wettbewerb zu fördern. Dabei gilt es zu beachten, dass die Prognose, ob eine gesetzgeberische Maßnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, primär dem Gesetzgeber selbst obliegt. Der VfGH kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn die Eignung von vornherein auszuschließen ist.

Die angefochtenen Regelungen sind auch adäquat und sonst sachlich gerechtfertigt. Der vom Gesetzgeber mit den angefochtenen Bestimmungen verfolgte Schutz der Wettbewerbsordnung (letztlich auch im Interesse der Verbraucher) überwiegt das Interesse der betroffenen Unternehmen an einer freien Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen. Auch ist für den VfGH nicht erkennbar, welches gelindere Mittel dem Gesetzgeber als Alternative zum Verbot derartiger Klauseln zur Verfügung gestanden wäre: Zum einen ist in der Beschränkung des Verbots auf "enge" Paritätsklauseln, welche die Beherbergungsunternehmen dazu verpflichten, der Buchungsplattform den besten Unterkunftspreis sowie die beste Verfügbarkeit im Verhältnis zu allen Vertriebskanälen des jeweiligen Beherbergungsbetriebes anzubieten, - unter der Annahme, dass jede Art von Paritätsklauseln eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfaltet - kein weniger eingreifendes Mittel zu sehen, zum anderen kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er eine bloße ex-post Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Paritätsklauseln als eine unzureichende Maßnahme qualifiziert.

Die angefochtenen Bestimmungen erweisen sich somit als zulässige Beschränkung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Erwerbs(ausübungs)freiheit.

Aus denselben Erwägungen auch keine Bedenken im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf unternehmerische Freiheit sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums.

Keine unsachliche Benachteiligung von Online-Buchungsplattformen gegenüber sonstigen Reisevermittlungs- bzw Beherbergungsunternehmen und Anbietern sonstiger Reiseleistungen angesichts relevanter Unterschiede im Tatsächlichen, welche eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Keine Überschreitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes durch die - weder als verfassungswidrige Anlassgesetzgebung noch als Systemwidrigkeit innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu erkennenden - Bestimmungen.

Entscheidungstexte

  • G44/2017 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 29.09.2017 G44/2017 ua

Schlagworte

Wettbewerbsrecht, Preisauszeichnung, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G44.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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